Linz, 25.10.2012
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Sebien, vertreten durch RA X, gegen den Bescheid des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom 5. September 2012, Zahl: 1001860/FP/12, betreffend die Erlassung eines auf die Dauer von sieben Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Berufung wird die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf fünf Jahre herabgesetzt.
Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs. 1a, 53 Abs. 3 Z 1, 63 f Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012).
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom 5. September 2012, Zahl: 1001860/FP/12, dem Berufungswerber (im Folgenden: Bw) zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters zugestellt am 7. September 2012, wurde gegen den Bw auf Grundlage des § 63 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 53 Abs. 3 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der geltenden Fassung (im Folgenden: FPG) ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde aus:
Zur Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes finden sich im angefochtenen Bescheid keine Ausführungen.
2. Gegen den am 7. September 2012 dem Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung zugestellten Bescheid, erhob dieser durch seine rechtsfreundliche Vertretung mit Telefax vom 20. September 2012 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.
Im Rechtsmittel führt der Bw Folgendes aus:
3.1. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einholung eines Auszuges aus dem Zentralen Melderegister.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG). Eine solche wurde im Übrigen vom rechtsfreundlich vertretenen Bw auch nicht beantragt. Die belangte Behörde verzichtete in ihrem Vorlageschreiben vom 21. September 2012 ausdrücklich auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Berufungsverhandlung.
Ausdrücklich festgehalten wird in diesem Zusammenhang, dass sämtliche Vorbringen des Bw hinsichtlich seiner Integration und familiären Situation vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht in Zweifel gezogen werden. Durch die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zum Nachweis seiner Vorbringen könnte der Bw daher nicht besser gestellt sein als ohne die Durchführung einer solchen.
3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem in den Punkten 1. und 2. dargestellten, im Wesentlichen unstrittigen Sachverhalt aus.
3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:
4.1. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
2. anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.
Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des
§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
4.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass der Bw über einen Aufenthaltstitel verfügt und sich derzeit rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Daher sind grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen.
Allerdings ist davor noch auf die besonderen Ausschließungsgründe des § 64 FPG einzugehen. Der Bw vermeint im Sinne des § 64 Abs. 1 Z 1 und 2 FPG aufenthaltsverfestigt zu sein – ein Aufenthaltsverbot wäre diesfalls generell nicht zulässig. Dieser Ansicht kann jedoch nicht beigetreten werden:
4.2.1. § 64 Abs. 1 Z 1 FPG stellt darauf ab, ob dem Drittstaatsangehörigen vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Die zitierte Bestimmung sieht verschiedene Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vor. In § 10 Abs. 1 Z 1 StbG wird etwa auf einen zehnjährigen, ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet abgestellt.
Der Bw war unstrittig erstmals mit 13. Jänner 1989 in Österreich gemeldet. Wie dem Verwaltungsakt und auch dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, wurde der Bw am 6. Oktober 1998 (siehe Bericht der BPD Salzburg vom 8. Oktober 1998) nach Ungarn abgeschoben. In Folge reiste der Bw illegal nach Österreich ein und stellte am 18. Mai 1999 einen Asylantrag.
Es folgte ein Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet bis zum 21. November 2004, an welchem der Bw nachweislich aus dem Bundesgebiet ausreiste und in Folge am 20. Jänner 2005 bei der Österreichischen Botschaft in Skopje einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stellte.
Aus dem unstrittigen geschilderten Sachverhalt geht hervor, dass der Bw zu keiner Zeit die in § 10 Abs. 1 Z 1 StbG geforderte ununterbrochene Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet von zehn Jahren aufweist, weshalb eine Aufenthaltsverfestigung, ohne auf die weiteren Elemente des § 10 Abs. 1 StbG eingehen zu müssen, nicht vorliegen kann.
4.2.2. Auch ist der Bw nicht im Sinne des § 64 Abs. 1 Z 2 FPG "von klein auf im Inland aufgewachsen". Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Grenze für diese Art der Aufenthaltsverfestigung in etwa im Alter von vier Jahren zu ziehen. Diese Grenze kann freilich keine absolute sein. Der Bw ist jedoch erst im Alter von zwölf Jahren (erstmals) nach Österreich gekommen. Auf die Frage, ob die zwischenzeitigen Ausreisen des Bw der Anwendbarkeit der zitierten Bestimmung entgegenstünden, braucht daher nicht weiter eingegangen werden.
4.2.3. Der Bw erlangte nach seiner Antragstellung in Skopje einen ab 29. März 2005 gültigen Aufenthaltstitel und ist seither rechtmäßig im Inland aufhältig. Die zugunsten des Bw zu wertende Aufenthaltsdauer beträgt deshalb ca. 7 Jahre und 7 Monate. Es gelangt daher im ggst. Fall § 64 Abs. 2 FPG zur Anwendung, wonach Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen waren, mangels eigener Mittel zu ihrem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (in der Regel) nicht ausgewiesen werden dürfen.
Die in Rede stehende aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Bw stützt sich jedoch auf keinen der genannten Tatbestände, weshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Hinblick auf die im Sinne des § 64 Abs. 2 FPG vorliegende Aufenthaltsverfestigung nicht gegeben ist.
4.2.4. Auch eine Aufenthaltsverfestigung nach § 64 Abs. 3 FPG (acht Jahre ununterbrochener und rechtmäßiger Aufenthalt im Inland) sowie des Abs. 4 leg cit (Titel "Daueraufenthalt-EG" oder "Daueraufenthalt-Familienangehöriger") liegt nicht vor.
Es gelangt daher – wie von der belangten Behörde richtig erkannt – der in Punkt 4.1. zitierte § 63 Abs. 1 FPG vollinhaltlich zur Anwendung.
4.3.1. Nach dem im gegenständlichen Fall relevanten Sachverhalt sind zweifelsfrei mehrere strafgerichtliche rechtskräftige Verurteilungen des Bw gegeben. Zuletzt wurde er mit Urteil des LG Wels vom 23. Mai 2012 wegen Übertretungen des Suchtmittelgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, acht Monate davon bedingt, verurteilt. Es ist daher § 63 Abs. 2 in Verbindung mit § 53 Abs. 3 Z 1 FPG einschlägig und im Sinne der zitierten Norm davon auszugehen, dass der Bw die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende bestimmte Tatsachen verwirklicht hat.
Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte ihrer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird. Daher ist – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – vor Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu prüfen, ob das Verhalten des Bw aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, in Hinkunft die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden.
4.3.2. Zwar führt der Bw in seinem Rechtsmittel aus, sein Fehlverhalten eingesehen zu haben woraus abzuleiten ist, dass er sich in Hinkunft rechtskonform verhalten wolle und daher keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.
Dieser Zukunftsprognose kann vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich jedoch aufgrund folgender Überlegungen nicht beigetreten werden:
Der Bw weist – wie dem angefochtenen Bescheid und dem Verwaltungsakt zu entnehmen – eine langjährige Kriminalgeschichte auf. In der Berufungsschrift wird zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die zahlreichen Anzeigen des Bw, welche zu keiner Verurteilung geführt haben, im ggst. Verfahren nicht weiter von Belang sind. Die Heranziehung dieser Anzeigen ist jedoch auch gar nicht nötig, um das Gefährdungspotential des Bw erkennen zu können:
Die erste Verurteilung des Bw erfolgte durch das LG Wels am 2. September 1996 wegen versuchten Einbruchdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, bedingt auf drei Jahre. Kurz darauf wurde gegen den Bw rechtskräftig ein Waffenverbot verhängt. Daraufhin erfolgte eine Verurteilung des LG Wels am 18. Juni 1997 wegen schweren Einbruchdiebstahls sowie versuchter Urkundenunterdrückung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, bedingt auf drei Jahre. Mit Urteil des BG Wels vom 14. Mai 1998 wurde der Bw wegen Körperverletzung unter Bedachtnahme auf das Urteil des LG Wels vom 18. Juni 1997 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von sechs Wochen, bedingt auf drei Jahre verurteilt.
Am 30. Juni 1998 wurde gegen den Bw ein Aufenthaltsverbot erlassen. Der Ausreiseverpflichtung kam der Bw aufgrund der Stellung mehrerer Asylanträge erst einige Jahre später nach (bzw. erfolgte erst nach Ende der Asylverfahren eine Abschiebung). Am 10. Februar 2005 wurde das Aufenthaltsverbot aufgehoben.
Mit Urteil des LG Wels vom 9. Dezember 2010 wurde der Bw wegen Raufhandel zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt. Dem Urteil ist zu entnehmen, dass der Bw in einem X Lokal an einem Angriff mehrerer Personen, der eine schwere Körperverletzung des Opfers (Sprung und knöcherne Absprengung am rechten Zeigefinger, Prellungen) nach sich zog, führend teilgenommen hat. Schließlich erfolgte am 24. April 2012 die bislang letzte Verurteilung des Bw durch das LG Wels wegen unerlaubtem Umgang mit Suchtgift und Suchtgifthandel zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, acht Monaten davon bedingt. Diese erfolgte unter anderem deshalb, weil der Bw etwa 100 Gramm Kokain an eine verdeckte Ermittlerin verkaufte. Hinzu treten sieben rechtskräftige Vormerkungen wegen Verwaltungsstraftaten.
Im Laufe seines Aufenthaltes hat der Bw somit gegen die verschiedensten verwaltungs(straf)rechtlichen und insbesondere auch kernstrafrechtlichen Vorschriften verstoßen. Er hat das besonders schützenswerte Rechtsgut des Eigentums mehrfach auf massive Art und Weise ebenso beeinträchtigt wie das höchste Gut unserer Gesellschaft, die körperliche Unversehrtheit von Personen. Hier scheut der Bw offenbar auch nicht davor zurück, gemeinsam mit anderen Tätern in die körperliche Integrität anderer einzugreifen und diese massiv zu verletzen. Hinzu kommt, dass der angesprochene Raufhandel nicht etwa in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit einer Provokation des Bw erfolgte, sondern dass ein Freund von diesem von einem Türsteher nicht in ein Nachtlokal eingelassen wurde, worauf der Bw dem Türsteher telefonisch sein Kommen ankündigte und im Anschluss – also wohlüberlegt und geplant – diesen schwer verletzte. Schließlich hat der Bw auch noch im Suchtmittelbereich Delikte verwirklicht. Insbesondere das Verbrechen des Suchtgifthandels wiegt – abgesehen von der zeitlichen Nähe – besonders schwer, da hier sicher nicht von einem Fall der "Kleinkriminalität" gesprochen werden kann. Der Bw hat nicht etwa "nur" Suchtgift in geringen Mengen zum Eigengebrauch missbraucht, sondern durch den Verkauf einer großen Menge von harten Drogen einen hohen Gewinn zu erlangen versucht. Das öffentliche Interesse an der Unterbindung des Drogenhandels ist in Relation zur Eigenbedarfskriminalität besonders hoch anzusiedeln. Nicht bloß der Eigenbedarf als Triebmittel und Auswirkung der Kriminalität, sondern vielmehr ein geplantes Vorgehen mit erheblicher krimineller Energie und dem Potential an weiter Verbreitung der Suchtmittel verletzen genanntes öffentliches Interesse in besonderem Maß. Hinzu tritt eine Affinität zu Waffen, die sich in einem Waffenverbot niederschlug.
Der Bw hat somit durch sein über viele Jahre hinweg kontinuierlich gesetztes rechtswidriges Verhalten in den unterschiedlichsten Bereichen eindrucksvoll bewiesen, die Rechtsordnung im Bundesgebiet nicht zu achten und sich nicht als an die Werteordnung der hiesigen Gesellschaft gebunden anzusehen. Auch ein zwischenzeitiges Aufenthaltsverbot konnte den Bw nicht davon abhalten, nach der Wiedereinreise wiederholt straffällig zu werden. Es zeugt fraglos von immenser krimineller Energie und eine Unbesonnenheit völlig ausschließendem Engagement, im Wissen um die Möglichkeit der Aufenthaltsbeendigung durch die Behörden – über den Bw war ja schon einmal ein Aufenthaltsverbot verhängt – dennoch strafrechtlich in Erscheinung zu treten. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vermag daher der Aussage des Bw, sich in Hinkunft rechtskonform verhalten zu wollen, bei einer derartigen Vorgeschichte aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung keinen Glauben zu schenken. Dies insbesondere auch deshalb, weil der Bw – wie er selbst vorbringt – in Österreich durchaus ein recht hohes Maß an Integration aufweist und daher nicht etwa ohne weiteres durch einen Milieuwechsel oä zu einem rechtskonformen Verhalten gelangen wird können.
Es ist daher mit der belangten Behörde davon auszugehen, dass der weitere Aufenthalt des Bw im Inland eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt.
Im Bezug auf das Berufungsvorbringen ist in diesem Zusammenhang noch anzumerken: Ob bezüglich der länger zurückliegenden Taten Verjährung eingetreten ist, kann bei der Erstellung einer Zukunftsprognose über die Gefährlichkeit des Verurteilten bzw. einem Persönlichkeitsprofil desselben außer Betracht bleiben. Lediglich bei der Zumessung der Dauer eines Einreiseverbotes dürfen verjährte Verurteilungen nicht mehr herangezogen werden.
In diesem Sinn ist die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw fraglos gerechtfertigt. Allerdings ist bei der Beurteilung des Falls auch auf § 61 FPG bzw. Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen.
4.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
4.4.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.
4.5.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.
Es ist eingangs festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Fremde dauerhaft im Bundesgebiet zu unterbinden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen und zu erhalten. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind. Eine diesbezügliche Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand der Kriterien des § 61 FPG führt dennoch nicht zum Ergebnis, dass der Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben des Bw unrechtmäßig wäre.
4.5.2.1. Der Bw ist seit 4. April 2005 polizeilich mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Die Aufenthaltsdauer beträgt daher etwa sieben Jahre und sieben Monate. Dass dieser Aufenthalt nicht rechtmäßig gewesen wäre, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.
4.5.2.2. Es steht völlig außer Zweifel, dass der Bw durch seinen Aufenthalt in Österreich seit dem Jahr 2005, aber auch schon durch den Aufenthalt davor, die nahezu durchgängige Teilnahme am Erwerbsleben seit 8. Jänner 2009 (siehe Versicherungsdatenauszug), dessen Kenntnisse der deutschen Sprache und durch seine familiären Bande ein erhebliches Maß an Integration erworben hat und ein Aufenthaltsverbot in das Recht des Bw auf Privat- und Familienleben eingreift.
4.5.2.3. Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar. Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Fremden alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen.
Im diesem Sinne geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa zehn Jahren, fast durchgehender erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit sowie weiterer Integrationsschritte das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl. etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).
Der Bw unterschreitet aufgrund seiner zwischenzeitigen Ausreisen die vom Gerichtshof judizierte Schwelle von zehn Jahren noch deutlich. Zudem war er – dem Versicherungsdatenauszug zufolge – lediglich seit Anfang des Jahres 2009 erwerbswirtschaftlich beschäftigt. Schließlich ist – mangels gegenteiliger Hinweise in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur – davon auszugehen, dass die dargestellte Rechtsauffassung nur dann zur Anwendung gelangt, wenn der oder die betroffene Fremde neben den genannten Kriterien unbescholten ist. Dies ist jedoch aufgrund der mehrfachen Verurteilungen des Bw nicht der Fall.
4.5.2.4. Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf Punkt 4.5.2.2. verwiesen. Zudem ist festzuhalten, dass der Bw während seines Aufenthaltes im Inland seit Jänner 2009 fast durchgehend gearbeitet hat und auch aktuell einer Beschäftigung nachgeht. Weiters hat er sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache erworben.
Die erworbene Integration wird freilich durch die vom Bw begangenen Vergehen und Verbrechen, durch die dieser zu erkennen gegeben hat, die im Gastland geltende Rechtsordnung nicht zu akzeptieren, relativiert bzw. wesentlich erschüttert.
4.5.2.5. Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Maßnahme in Verbindung mit einer Rückkehr in sein Heimatland ist festzuhalten, dass der 1976 geborene und erstmals 1989 nach Österreich gelangte Bw einen großen Teil seines Lebens im Heimatland verbracht hat, weshalb er dort sozialisiert wurde und mit der dortigen Kultur, den Gebräuchen usw. vertraut ist. Es findet sich im Verwaltungsakt kein Indiz dahingehend, dass er die Landessprache in Wort und Schrift nicht beherrscht. Auch war der Bw zwischenzeitig mehrere Monate im Heimatland aufhältig.
4.5.2.6. Um Wiederholungen zu vermeiden wird hinsichtlich der Verurteilungen nach oben verwiesen. Die im Verfahren hervorgekommenen verwaltungsstrafrechtlichen Delikte runden das Persönlichkeitsbild des Bw ab, wenn diese alleine auch keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit begründen könnten.
4.5.3. Aufgrund der getroffenen Feststellungen gilt es nunmehr in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das Interesse des Bw am Verbleib im Inland mit dem öffentlichen Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuwägen.
Beim Bw handelt es sich um eine Person, die kontinuierlich strafrechtliche Delikte verschiedenster Art und Weise begeht. Dies obwohl gegen ihn bereits einmal ein Aufenthaltsverbot erlassen wurde und er daraufhin schon einmal das Bundesgebiet verlassen musste. Insbesondere aufgrund dieser Tatsache steht es für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich außer Zweifel, dass der Verbleib des Bw im Inland auch in Hinkunft die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.
Wenn auch nicht verkannt wird, dass ein Aufenthaltsverbot aufgrund der hohen Integration des Bw in Österreich einen massiven Einschnitt in dessen Leben bedeutet, scheint seine Rückkehr in sein Heimatland (bzw. die Ausreise in ein anderes Land) bei einer Gesamtbetrachtung nicht unzumutbar. Der Bw ist nicht arbeitsscheu und daher unzweifelhaft in der Lage, auch abseits von Österreich sein Fortkommen zu sichern. Den Kontakt zu den in Österreich lebenden Familienmitgliedern kann er – wenn auch eingeschränkt – für die Dauer des Aufenthaltsverbots durch die Inanspruchnahme von modernen Kommunikationsmitteln aufrecht erhalten. Es ist darüber hinaus der in Österreich aufhältigen Familie nicht verwehrt, den Bw regelmäßig im Ausland zu besuchen.
Bei einer Gesamtabwägung ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie an der Verhinderung strafbarer Handlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss.
Der Bw kann sich somit nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.
4.6. Hinsichtlich der Dauer des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes finden sich im angefochtenen Bescheid keinerlei Ausführungen. Es ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich daher nicht möglich, die Beweggründe der belangten Behörde nachzuvollziehen, wenn sie zur Auffassung gelangt ist, dass gegen den Bw ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen ist.
Der Gesetzgeber gibt diesbezüglich in § 63 Abs. 3 FPG eine Untergrenze von 18 Monaten vor. Da der Bw im Sinne des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG verurteilt wurde, besteht eine gesetzliche Obergrenze für die Befristung des Aufenthaltsverbotes von zehn Jahren. Für Personen, welche zu einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt wurden, sieht der Gesetzgeber die Möglichkeit vor, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen.
Für Freiheitsstrafen bis einschließlich fünf Jahren ist daher der oben dargestellte Rahmen von bis zu zehn Jahren vorgesehen. Der Bw wurde zuletzt zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, acht Monate davon bedingt, verurteilt. Der unbedingte Strafanteil beträgt daher "nur" vier Monate – und auch hier erfolgte eine vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft. In Anbetracht dieser Verurteilung sowie aufgrund des langen Aufenthalts des Bw´s in Österreich, dessen beruflichem Engagement, seinen Sprachkenntnissen und aufgrund der zahlreichen Verwandtschaft im Inland geht der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich davon aus, dass mit einem auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltsverbot das Auslangen gefunden werden kann.
4.8. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
5. Von einer Übersetzung gemäß § 59 Abs. 1 FPG konnte aufgrund der sehr guten Deutschkenntnisse des Bw abgesehen werden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweise:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Mag. Christian Stierschneider
Beschlagwortung:
Aufenthaltsverbot, § 63 FPG;
Beachte:
Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.
VwGH vom 24.01.2013, Zl.: 2012/21/0258-4