Linz, 29.10.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, Staatsangehöriger der Volksrepublik China, geboren am X, vertreten durch X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 24. Mai 2012, GZ Sich96-1019-2012, wegen Übertretungen nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:
I. Aus Anlass der Berufung wird Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Der Berufungswerber hat bezüglich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: §§ 24, 44a, 51f des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
Zu II.: §§ 24, 65 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
Entscheidungsgründe:
1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 24. Mai 2012, GZ Sich96-1019-2012, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) mit Spruchpunkt I eine Geldstrafe in Höhe von 2.500,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 224 Stunden) gemäß "§ 120 Abs. 1a FremdenpolizeiG 2005" verhängt. Mit Spruchpunkt II wurde eine Ermahnung ausgesprochen und zugleich eine Geldstrafe in Höhe von 100,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 67 Stunden) gemäß "§ 121 Abs. 3 Z. 2 FremdenpolizeiG 2005" verhängt.
Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid unter der Überschrift "Straferkenntnis" wie folgt aus:
Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfall 67 Stunden
2. Der Bw erhob gegen den am 29. Mai 2012 zugestellten Bescheid durch seinen Rechtsvertreter per Telefax vom 8. Juni 2012 innerhalb offener Frist Berufung.
Darin wird der in Rede stehende Bescheid zur Gänze angefochten.
Auf das Wesentliche verkürzt bringt der Bw vor, nicht freiwillig rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig zu sein, sondern weil es ihm bisher rechtlich und praktisch aus organisatorischen Gründen nicht möglich gewesen sei, aus dem Bundesgebiet auszureisen. Es liege bisher kein Heimreisezertifikat vor. Die Unmöglichkeit der Ausreise werde von der belangten Behörde nicht einmal bestritten. Dem Bw sei daher allenfalls eine Duldungskarte auszustellen.
Es folgen Ausführungen in Bezug auf eine vorliegende Doppelbestrafung, da ein Dauerdelikt vorliege.
Da der Bw als Flüchtling nach Österreich gekommen sei, könne ihm das Fehlen eines Reisedokuments nicht vorgeworfen werden.
Abschließend erfolgen Ausführungen die Strafhöhe betreffend.
3. Mit eine Stellungnahme bezüglich des Berufungsverfahrens beinhaltendem Schreiben vom 22. Juni 2012 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.
3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erhob Beweis durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt.
3.2. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides aufzuheben ist, hatte gemäß § 51e Abs. 2 Z 1 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen.
3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten, soweit für diese Entscheidung von Relevanz, unstrittigen Sachverhalt aus.
3.4. Da mit Spruchpunkt I im angefochtenen Bescheid eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt und materiengesetzlich keine gesonderte Regelung getroffen wurde, hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich diesbezüglich – in einem gesonderten Verfahren – durch eine aus drei Mitgliedern bestehende Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG).
Hinsichtlich Spruchpunkt II hat gemäß § 51c VStG die Entscheidung durch ein Einzelmitglied zu erfolgen.
4. Der Oö. Verwaltungssenat hat hinsichtlich Spruchpunkt II erwogen:
4.1. Zunächst stellt sich die Frage, ob der die normative Anordnung des Straferkenntnisses beinhaltende Spruch den Anforderungen des § 44a VStG genügt.
Dem klaren Gesetzeswortlaut nach hat "[d]er Spruch" – und damit nicht etwa eine Präambel, eine Einleitung oder die Begründung – verschiedene Merkmale zu enthalten. So muss er etwa die als erwiesen angenommene Tat bezeichnen. Im Spruch – und nirgendwo sonst – ist also darzustellen, ob und inwieweit sich alle Tatbestandsmerkmale der verletzten Verwaltungsvorschrift im als erwiesen angenommenen Verhalten wiederfinden. Es ist für eine Bezeichnung der Tat in tatsächlicher Hinsicht darüber hinaus erforderlich, das Geschehen, also jenes eine Vorschrift übertretende Verhalten des Beschuldigten – hinreichend genau nach Zeit und Ort – zu umschreiben, das die Behörde für erwiesen hält und einer rechtlichen Würdigung unterzieht.
4.2. Im in diesem Verfahren relevanten Spruchpunkt II wird der Bw "[w]egen dieser Übertretung […] gemäß § 21 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 ermahnt." In Folge wird über ihn jedoch eine Geldstrafe in der Höhe von 100,00 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfall von 67 Stunden, verhängt.
Diese beiden Anordnungen stellen einen in sich nicht lösbaren Widerspruch dar, weshalb sie den Anforderungen, die § 44a VStG an den Spruch eines Verwaltungsstraferkenntnisses stellt, nicht entsprechen.
4.3.1. Im angefochtenen Straferkenntnis werden darüber hinaus von der belangten Behörde einleitend in einer Art Präambel Tatzeit und Tatort der in Rede stehenden Übertretung konkretisiert. Erst im Anschluss erfolgt der normative Abspruch, also die behördliche Anordnung dem Bw gegenüber, welche entsprechend mit dem – großgeschriebenen, unterstrichenen und fett gedrucktem – Wort "Spruch" überschrieben ist.
In diesem Spruch erfolgt keine Anführung von Tatzeit und Tatort. Es finden sich zwar Anknüpfungen an die Präambel, jedoch handelt es sich dabei um einen nach § 44a VStG nicht zulässigen Verweis.
Auch aus diesem Grund vermag die Formulierung von Spruchpunkt II den Anforderungen, die sich aus der zitierten Norm ergeben, nicht Genüge zu tun.
4.3.2. § 121 Abs. 3 Z 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, lautet:
Wer sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs. 2 verwahrt begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen.
§ 32 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, lautet:
Fremde sind verpflichtet, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung (Abs. 1) ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann. Für EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige gilt dies nur insoweit, als auch österreichische Staatsbürger verpflichtet sind maßgebliche Dokumente mitzuführen. Die Verzögerung ist noch verhältnismäßig, wenn
1. das Reisedokument innerhalb des Sprengels der Fremdenpolizeibehörde erster Instanz seines Aufenthaltes verwahrt wird oder
2. die Einholung des Reisepasses voraussichtlich nicht länger als eine Stunde in Anspruch nehmen würde.
4.3.3. Der hinsichtlich Tatort und Tatzeitpunkt nicht konkretisierte Tatvorwurf gegenüber dem Bw lautet in Spruchpunkt II, eine Übertretung des § 121 Abs. 3 Z 2 FPG verwirklicht zu haben, weil er zum Tatzeitpunkt am Tatort kein Reisedokument mit sich geführt habe, obwohl er dazu gemäß § 32 FPG verpflichtet gewesen wäre.
§ 32 Abs. 2 FPG sieht jedoch – wie wiederum auch der Präambel zu entnehmen ist – als gleichwertige Alternative zum mitführen des Reisedokuments vor, dieses in einer solchen Entfernung vom jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann.
Da die belangte Behörde dem Bw im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lediglich die Nichtmitführung des Reisedokuments, nicht jedoch auch den zweiten Anwendungsfall des in § 32 Abs. 2 FPG normierten Tatbestandes vorgeworfen hat, wird auch dadurch den Anforderungen des § 44a VStG nicht entsprochen.
4.3.4. Eine allfällige Korrektur des Spruchs war dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich aufgrund des Ablaufs der Verfolgungsverjährungsfrist verwehrt.
4.4. Es war daher – ohne auf die Berufungsvorbringen näher einzugehen – Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
5. § 65 VStG bestimmt, dass die Kosten des Berufungsverfahrens dem Bw nicht aufzuerlegen sind, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.
Es war daher auch auszusprechen, dass der Bw weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu leisten hat.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Dr. Bernhard Pree
Beschlagwortung:
§ 44a VStG, § 121 FPG