Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-750049/2/BP/MZ/JO

Linz, 29.10.2012

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, Staatsangehöriger der Volksrepublik China, geboren am X, vertreten durch X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 24. Mai 2012, GZ Sich96-1019-2012, wegen Übertretungen nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

I.            Aus Anlass der Berufung wird Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Der Berufungswerber hat bezüglich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 44a, 51f des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

Zu II.: §§ 24, 65 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 24. Mai 2012, GZ Sich96-1019-2012, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) mit Spruchpunkt I eine Geldstrafe in Höhe von 2.500,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 224 Stunden) gemäß "§ 120 Abs. 1a FremdenpolizeiG 2005" verhängt. Mit Spruchpunkt II wurde eine Ermahnung ausgesprochen und zugleich eine Geldstrafe in Höhe von 100,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 67 Stunden) gemäß "§ 121 Abs. 3 Z. 2 FremdenpolizeiG 2005" verhängt.

 

Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid unter der Überschrift "Straferkenntnis" wie folgt aus:

 

1.    Zum Tatzeitpunkt am 18.04.2012 um 15:15 Uhr wurden Sie am Tatort: Gemeindegebiet von Vöcklabruck, Linzer Straße X, X von Beamten der PI Timelkam im Bundesgebiet angetroffen ohne den Kontrollierenden Beamten eine gültiges Reisedokuments vorweisen zu können. Sie hielten sich daher als Staatsangehöriger der VR CHINA und damit als pass- und sichtvermerkspflichtiger Fremder zum Tatzeitpunkt am Tatort unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf.

 

2.    Zum Tatzeitpunkt am 18.04.2012 um 15:15 Uhr wurden Sie am Tatort: Gemeindegebiet von Vöcklabruck, Linzer Straße X, X von Beamten der PI Timelkam im Bundesgebiet angetroffen ohne den Kontrollierenden Beamten eine gültiges Reisedokuments vorweisen zu können Sie führten daher als passpflichtiger Fremder keinen Reisepass mit sich respektive verwahrten diesen nicht in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen konnte.

 

Es ergeht sohin folgender

SPRUCH

 

Ad 1) Sie waren zum angegebenen Zeitpunkt nicht Rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet der Republik Österreich, da Sie sich als Staatsangehöriger der VR CHINA und damit als pass- und sichtvermerkspflichtiger Fremder in Österreich aufhielten ohne den kontrollierenden Beamten der PI St. Georgen EAST-West ein gültiges Reisedokument vorweisen zu können. Dies stellt eine Übertretung nach § 120 Abs. 1a FPG 2005 dar.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1.       wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2.       wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3.       wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4.       solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5.      entfällt

6.      wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7.      soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

·         Ihre Einreise ins Bundesgebiet erfolgte am 29.04.2009 illegal mit dem PKW über Unbekannt. Sie hielten sich von 29.04.2009 (dem Zeitpunkt Ihrer Asylantragstellung) bis zur negativen Finalisierung Ihres Asylverfahrens (rechtskräftig negativ in II. Instanz gem. §§7 und 8 AsylG seit 27.10.2011) legal in Österreich auf. Sie hielten sich demzufolge zum Tatzeitpunkt bereits seit mehr als 5 Monaten illegal im Bundesgebiet von Österreich auf.

·         Sie verfügten zum Tatzeitpunkt weder über eine Aufenthaltsberechtigung oder sind aufgrund einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem NAG zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt.

·         Ebenso verfügen Sie über keinen Aufenthaltstitel eines Vertragsstaates (Schengen-Staates).

·         Zum Zeitpunkt der Verwaltungsübertretung befanden Sie sich in keinem Asylverfahren. Ihnen kam daher kein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zu.

·         Gegen Sie besteht eine mit Bescheid des Bundesasylamtes Außenstelle Wien erlassene Ausweisung vom 20.10.2011, rechtskräftig seit 27.10.2011.

·         Für Sie liegt weder eine Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gem. § 3 Abs. 5 AuslBG noch eine Anzeigebestätigung gem. § 18 Abs. 3 AuslBG vor.

 

Ad 2) Sie führten zum Tatzeitpunkt am Tatort kein Reisedokument mit sich, obwohl Sie dazu gemäß § 32 FPG verpflichtet waren. Wegen dieser Übertretung nach § 121 Abs. 3 Z. 2 FremdenpolizeiG 2005 werden Sie gemäß § 21 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 ermahnt.

 

ad 1. Gem. § 120 Abs. 1a FremdenpolizeiG 2005 wird über Sie

wegen dieser Verwaltungsübertretung folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe:                                                                                                     Euro 2.500,00

Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfall 224 Stunden

 

ad 2. Gem. § 121 Abs. 3 Z. 2 FremdenpolizeiG 2005 wird über Sie

wegen dieser Verwaltungsübertretung folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe:                                                                                                         Euro 100,00
Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfall 67 Stunden

 

Abzüglich der einbehaltenen Sicherheitsleistung                                  - Euro       0,00

 

Ferner haben Sie gemäß §64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG)

als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10Þr Strafe zu zahlen:  Euro    260,00

 

Es folgt eine Darstellung der Gesamtsumme sowie weitere die Zahlung betreffende Ausführungen. Im Anschluss setzt die belangte Behörde weiter fort:

 

BEGRÜNDUNG

 

Gemäß § 120 Abs. 1a FPG begeht, wer als Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2 500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis zu 7 500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Gemäß § 120 Abs 7 liegt eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen.

 

Gem. § 121 Abs. 3 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 begeht, wer sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs. 2 verwahrt eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche zu bestrafen.

 

Gem. § 46a. Abs. 1 FPG ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet geduldet, solange deren Abschiebung gemäß §§ 50 und 51 FPG oder §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist.

Darüber hinaus ist gem. § 46a Abs 1a FPG der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet geduldet, wenn die Behörde von Amts wegen feststellt, dass die Abschiebung des Betroffenen aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist, es sei denn, dass nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt. Diese Duldung kann von der Behörde mit Auflagen verbunden werden, sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden von der Behörde mit Verfahrensanordnung (§ 63 Abs. 2 AVG) mitzuteilen. § 56 gilt sinngemäß.

 

Gemäß § 21 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 28.02.2012, GZ: Sich96-1001-2012, wurden gegen Sie bereits einmal wegen ein Verwaltungsübertretung gemäß § 120 Abs. 1a iVm § 121 Abs. 3 Z 2 FPG (Tatzeitpunkt: 19.01.2012, 00:02 Uhr; Tatort: 4840 Vöcklabruck, Bahnhofstraße X) eine Geldstrafe von € 500 - (Übertretung § 120 Abs. 1a) und eine Ermahnung (Übertretung § 121 Abs. 3 Z 2) zzgl. eines Kostenbeitrages von € 50,- zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in l. Instanz ausgesprochen. Gegen dieses Straferkenntnis erhoben Sie durch Ihren rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Berufung.

Mit Erkenntnis des UVS OÖ vom 09.05.2012, GZ: VwSen-750021/2/BP/WU wurde Ihre Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Anlässlich einer Fremdenkontrolle am 18.04.2012 um 15:15 Uhr in 4840 Vöcklabruck, Linzer Straße X, X, wurde neuerlich festgestellt, dass Sie sich im Bundesgebiet von Österreich nicht rechtmäßig aufhalten, da Ihr Asylverfahren gemäß §§ 7 und 8 AsylG, rechtskräftig negativ in II. Instanz am 27.10.2011 abgeschlossen wurde. Ihr temporär befristetes Aufenthaltsrecht in Österreich endete somit an diesem Tag. Gegen Sie besteht eine rechtskräftige Ausweisung aus dem Bundesgebiet von Österreich erlassen vom BAA Außenstelle Wien am 20.10.2011, rechtskräftig seit 27.10.2011. Sie verfügten als sichtvermerkspflichtiger Fremder in Österreich zum Tatzeitpunkt über keinerlei Reisedokumente respektive über keinen Sichtvermerk für Österreich oder einen Aufenthaltstitel nach dem NAG noch über eine sonstige Vorraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gem. § 31 Abs. 1 FPG.

 

Mit Schreiben vom 30.04.2012 wurden Sie aufgefordert zu den im Spruch genannten Übertretungen Stellung zu nehmen.

 

Mit Stellungnahme Ihres rechtsfreundlichen Vertreters, Rechtsanwalt Dr X, vom 09.02.2012, bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, Außenstelle Fremdenpolizei eingelangt per FAX am 09.02.2012, äußerten Sie sich im Wesentlichen wie folgt:

ihre Ausreise aus Österreich sei aus faktischen und rechtlichen Gründen, sowie aus in Art. 8 EMRK genannten Gründen nicht zulässig, Ihr Asylantrag sei ohne Ihr Verschulden vom BAA und vom AGH abgewiesen worden. Der VfGH habe Ihre Beschwerde mangels Zuständigkeit abgewiesen. Sie könnten daher im derzeitigen Rechtssystem Ihr Recht auf Asyl und Schutz vor Abschiebung nicht durchsetzen, ihre, die Flucht auslösenden sowie die im Falle Ihrer Rückkehr mit erheblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden, Probleme seien jedoch jedenfalls geeignet um Ihnen Asyl oder zumindest subsidiären Schutz zu gewähren. Die Polizeibehörde habe daher die Verpflichtung ihnen von Amts wegen zumindest Abschiebeaufschub zu gewähren. Aus dieser Sichtweise heraus sei Ihr derzeitiger Aufenthalt keinesfalls als rechtswidrig zu beurteilen, da es an der BPD (Anm.: gemeint ist wohl die BH Vöcklabruck) läge die entsprechenden und ihnen jedenfalls zustehenden gesetzlichen Grundlagen für einen legalen Aufenthalt zu schaffen. Sie hätten sich bisher gut integriert, was auch dadurch belegt sei, dass Sie sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten würden. Sie hätten jegliche Beziehungen zur Heimat verloren, solche würden nur in Österreich bestehen.

Sie befänden sich in einer gesetzlichen Ausnahmesituation, da Sie ohne Ihr Verschulden keinen internationalen Schutz erhalten würden, obwohl Ihnen dieser zustünde. Ihres Erachtens wäre es an der Behörde gelegen Ihnen eine Duldung auszustellen. Es träfe Sie keine Schuld an der derzeitigen Situation. Hätten Sie bereits eine Duldung zuerkannt bekommen, müssten sie sich jetzt gar nicht rechtfertigen. Sie seien bereits einmal wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet bestraft worden. Da sich am Sachverhalt

Ihres Aufenthaltes seither nichts geändert habe würde es sich um eine Doppelbestrafung handeln, welche unzulässig sei.

 

Die Behörde hat erwogen:

 

Sie haben sich zum Tatzeitpunkt am Tatort unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten.

 

Gegen Sie wurde vom Bundesasylamt Außenstelle Eisenstadt eine seit 27.10.2011 rechtskräftige Ausweisung aus dem Bundesgebiet erlassen. Diese Entscheidung würde durch den Asylgerichtshof mit Erkenntnis rechtskräftig am 27.10.2011 bestätigt. Wie Sie selbst anführen wurde die Behandlung der dagegen von ihnen beim VfGH eingebrachten Beschwerde durch diesen mangels Zuständigkeit abgewiesen.

 

Es ergeben sich keine Gründe die Ihre Abschiebung unzulässig machen würden und somit zu einer Duldung Ihres Aufenthaltes gem. § 46a Abs 1 führen würden. Weiters treffen für Sie auch die darüber hinausgehenden Bestimmungen des § 46a Abs. 1a FPG nicht zu, da bisher von der Behörde nicht festgestellt werden konnte, dass aus Gründen die Ihnen nicht zuzuschreiben sind, eine Abschiebung unmöglich wäre. Vielmehr ist derzeit ein Erhebungsverfahren zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes im Gange und Sie würden mit Ladungsbescheid vom 07.05.2012, GZ: Sich40-3397-2011, Aufgefordert am 22.05.2012 vor einer Delegation der VR China in Wien, X zu erscheinen.

 

Unabhängig davon bestand für Sie zum Tatzeitpunkt am Tatort keine der in § 31 FPG aufgelisteten Vorraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet.

 

Dem Vorwurf der Doppelbestrafung wird entgegnet, dass Sie an unterschiedlichen Tatorten zu unterschiedlichen Tatzeitpunkten angetroffen wurden, wobei jeweils von den kontrollierenden Beamten festgestellt wurde, dass Sie am konkreten Tatort zur konkreten Tatzeit unrechtmäßigen Aufenthaltes bzw. ohne gültiges Reisedokument im Bundesgebiet aufhältig waren.

 

Sie würden bereits einmal rechtskräftig wegen einer Verwaltungsübertretung gem. § 120 Abs. 1a IVm § 121 Abs. 3 Z 2 FPG bestraft.

 

Zur Strafhöhe in Spruchpunkt 1 wird ausgeführt, dass diese im untersten Bereich (Mindeststrafe) des im § 120 Abs. 1a vorgesehenen Strafrahmens für eine wiederholte Tatbegehung befindet. Vom außerordentlichen Milderungsrecht gem. § 20 VStG 2001 konnte daher kein Gebrauch gemacht werden. Die Strafbemessung entspricht dem Tatbild sowie der zur Last gelegten Schuld.

 

Zur Übertretung gem. § 121 Abs. 3 Z 2 FPG wird angeführt, dass Sie bereits einmal rechtskräftig wegen einer Übertretung gem. §121 Abs. 3 Z 2 FPG mit Bescheid ermahnt wurden. Im Zug der Ermahnung wurden Sie darauf hingewiesen, dass bei erneuter Betretung keineswegs mehr mit einer milden Bestrafung gerechnet werden kann. Vom außerordentlichen Milderungsrecht gem. § 20 VStG 2001 konnte aufgrund der neuerlichen Übertretung kein Gebrauch gemacht werden. Zur Strafhöhe im Spruchpunkt 2 wird ausgeführt, dass sich diese im untersten Bereich des im § 121 Abs. 3 Z 2 vorgesehenen Strafrahmens befindet. Die Strafbemessung entspricht dem Tatbild sowie der zur Last gelegten Schuld.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

2. Der Bw erhob gegen den am 29. Mai 2012 zugestellten Bescheid durch seinen Rechtsvertreter per Telefax vom 8. Juni 2012 innerhalb offener Frist Berufung.

 

Darin wird der in Rede stehende Bescheid zur Gänze angefochten.

 

Auf das Wesentliche verkürzt bringt der Bw vor, nicht freiwillig rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig zu sein, sondern weil es ihm bisher rechtlich und praktisch aus organisatorischen Gründen nicht möglich gewesen sei, aus dem Bundesgebiet auszureisen. Es liege bisher kein Heimreisezertifikat vor. Die Unmöglichkeit der Ausreise werde von der belangten Behörde nicht einmal bestritten. Dem Bw sei daher allenfalls eine Duldungskarte auszustellen.

 

Es folgen Ausführungen in Bezug auf eine vorliegende Doppelbestrafung, da ein Dauerdelikt vorliege.

 

Da der Bw als Flüchtling nach Österreich gekommen sei, könne ihm das Fehlen eines Reisedokuments nicht vorgeworfen werden.

 

Abschließend erfolgen Ausführungen die Strafhöhe betreffend.

 

3. Mit eine Stellungnahme bezüglich des Berufungsverfahrens beinhaltendem Schreiben vom 22. Juni 2012 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erhob Beweis durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt.

 

3.2. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides aufzuheben ist, hatte gemäß § 51e Abs. 2 Z 1 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten, soweit für diese Entscheidung von Relevanz, unstrittigen Sachverhalt aus.

 

3.4. Da mit Spruchpunkt I im angefochtenen Bescheid eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt und materiengesetzlich keine gesonderte Regelung getroffen wurde, hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich diesbezüglich – in einem gesonderten Verfahren – durch eine aus drei Mitgliedern bestehende Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG).

 

Hinsichtlich Spruchpunkt II hat gemäß § 51c VStG die Entscheidung durch ein Einzelmitglied zu erfolgen.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat hinsichtlich Spruchpunkt II erwogen:

 

4.1. Zunächst stellt sich die Frage, ob der die normative Anordnung des Straferkenntnisses beinhaltende Spruch den Anforderungen des § 44a VStG genügt.

 

Dem klaren Gesetzeswortlaut nach hat "[d]er Spruch" – und damit nicht etwa eine Präambel, eine Einleitung oder die Begründung – verschiedene Merkmale zu enthalten. So muss er etwa die als erwiesen angenommene Tat bezeichnen. Im Spruch – und nirgendwo sonst – ist also darzustellen, ob und inwieweit sich alle Tatbestandsmerkmale der verletzten Verwaltungsvorschrift im als erwiesen angenommenen Verhalten wiederfinden. Es ist für eine Bezeichnung der Tat in tatsächlicher Hinsicht darüber hinaus erforderlich, das Geschehen, also jenes eine Vorschrift übertretende Verhalten des Beschuldigten – hinreichend genau nach Zeit und Ort – zu umschreiben, das die Behörde für erwiesen hält und einer rechtlichen Würdigung unterzieht.

 

4.2. Im in diesem Verfahren relevanten Spruchpunkt II wird der Bw "[w]egen dieser Übertretung […] gemäß § 21 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 ermahnt." In Folge wird über ihn jedoch eine Geldstrafe in der Höhe von 100,00 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfall von 67 Stunden, verhängt.

 

Diese beiden Anordnungen stellen einen in sich nicht lösbaren Widerspruch dar, weshalb sie den Anforderungen, die § 44a VStG an den Spruch eines Verwaltungsstraferkenntnisses stellt, nicht entsprechen.

 

4.3.1. Im angefochtenen Straferkenntnis werden darüber hinaus von der belangten Behörde einleitend in einer Art Präambel Tatzeit und Tatort der in Rede stehenden Übertretung konkretisiert. Erst im Anschluss erfolgt der normative Abspruch, also die behördliche Anordnung dem Bw gegenüber, welche entsprechend mit dem – großgeschriebenen, unterstrichenen und fett gedrucktem – Wort "Spruch" überschrieben ist.

 

In diesem Spruch erfolgt keine Anführung von Tatzeit und Tatort. Es finden sich zwar Anknüpfungen an die Präambel, jedoch handelt es sich dabei um einen nach § 44a VStG nicht zulässigen Verweis.

 

Auch aus diesem Grund vermag die Formulierung von Spruchpunkt II den Anforderungen, die sich aus der zitierten Norm ergeben, nicht Genüge zu tun.

 

4.3.2. § 121 Abs. 3 Z 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, lautet:

 

Wer sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs. 2 verwahrt begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen.

 

§ 32 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, lautet:

 

Fremde sind verpflichtet, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung (Abs. 1) ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann. Für EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige gilt dies nur insoweit, als auch österreichische Staatsbürger verpflichtet sind maßgebliche Dokumente mitzuführen. Die Verzögerung ist noch verhältnismäßig, wenn

1.      das Reisedokument innerhalb des Sprengels der Fremdenpolizeibehörde erster Instanz seines Aufenthaltes verwahrt wird oder

2.      die Einholung des Reisepasses voraussichtlich nicht länger als eine Stunde in Anspruch nehmen würde.

 

4.3.3. Der hinsichtlich Tatort und Tatzeitpunkt nicht konkretisierte Tatvorwurf gegenüber dem Bw lautet in Spruchpunkt II, eine Übertretung des § 121 Abs. 3 Z 2 FPG verwirklicht zu haben, weil er zum Tatzeitpunkt am Tatort kein Reisedokument mit sich geführt habe, obwohl er dazu gemäß § 32 FPG verpflichtet gewesen wäre.

 

§ 32 Abs. 2 FPG sieht jedoch – wie wiederum auch der Präambel zu entnehmen ist – als gleichwertige Alternative zum mitführen des Reisedokuments vor, dieses in einer solchen Entfernung vom jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann.

 

Da die belangte Behörde dem Bw im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lediglich die Nichtmitführung des Reisedokuments, nicht jedoch auch den zweiten Anwendungsfall des in § 32 Abs. 2 FPG normierten Tatbestandes vorgeworfen hat, wird auch dadurch den Anforderungen des § 44a VStG nicht entsprochen.

 

4.3.4. Eine allfällige Korrektur des Spruchs war dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich aufgrund des Ablaufs der Verfolgungsverjährungsfrist verwehrt.

 

4.4. Es war daher – ohne auf die Berufungsvorbringen näher einzugehen – Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

5. § 65 VStG bestimmt, dass die Kosten des Berufungsverfahrens dem Bw nicht aufzuerlegen sind, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

 

Es war daher auch auszusprechen, dass der Bw weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu leisten hat.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Dr. Bernhard Pree

 

Beschlagwortung:

§ 44a VStG, § 121 FPG

 

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