Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281421/22/Kl/TK

Linz, 31.10.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn X, X, vertreten durch X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 7. Mai 2012, Ge96-68-2012 wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 24. Oktober 2012 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs. 1 Z 2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 7. Mai 2012, Ge96-68-2012, wurden über den Berufungswerber zwei Geldstrafen von je 2.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von je 92 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß 1. § 35 Abs. 1 Z 1 ASchG und 2. § 43 Abs. 6 AM-VO, verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der X, welche unbeschränkt haftende Gesellschafterin der X ist, und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ zu vertreten hat, dass die X, X, X, am 05.03.2012 in der Betriebsstätte im Standort X, X,

1. als Arbeitgeber die Verpflichtung betreffend die Benutzung von Arbeitsmittel verletzt hat, indem sie nicht dafür gesorgt hat, dass Arbeitsmittel nur für Arbeitsvorgänge und unter Bedingungen benutzt werden, für die sie geeignet und für die sie nach den Angaben der Hersteller oder Inverkehrbringer vorgesehen sind, da der Arbeitnehmer X mit einer Kreissäge Einschneidearbeiten in eine Holzlatte ohne die zur Absicherung erforderlichen Anschläge durchgeführt hat. Bei diesen Arbeiten waren weder ein seitlicher Anschlag, noch eine Rückschlagsicherung bzw. ein zweiter Queranschlag vorhanden, und

2. als Arbeitgeber die Informationspflichten und die Unterweisungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer X verletzt hat, indem dieser mit einer Kreissäge Einschneidearbeiten in eine Holzlatte durchgeführt hat, ohne diesen vorher über die Gefahrenstelle informiert zu haben.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vorgeworfenen Übertretungen nicht begangen worden seien. Die Liegenschaft bestehe aus Firmen- und Privatgebäuden und habe sich die streitgegenständliche Kreissäge im privaten Holzlager des Berufungswerbers befunden. Der Arbeitnehmer habe ohne Wissen des Berufungswerbers und ohne berechtigt zu sein, das Holzlager betreten und dort die Kreissäge in Betrieb genommen. Es habe keinen Arbeitsauftrag gegeben. Es handle sich rein um ein privates Arbeitsgerät. Der Arbeitnehmer sei am 8. März 2010 umfangreich unterwiesen worden. Mittlerweile sei auch das private Holzlager verschlossen. Es bestehe ein funktionierendes Kontrollsystem. Auch sei die Strafe zu hoch.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2012, zu welcher der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck geladen wurden und erschienen sind. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Weiters wurden der Zeuge Arbeitsinspektor X geladen und einvernommen. Von der Einvernahme des weiters geladenen und erschienen Arbeitnehmers X konnte im Grunde des Verhandlungsergebnisses Abstand genommen werden.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der X mit Sitz in X, X. Anhand vorgelegter Lichtbilder ist ersichtlich, dass das Holzlager sich an der Rückseite eines Firmengebäudes befindet und über Betreten des Privatgrundes erreicht werden kann. Es handelt sich um ein Privatgebäude bzw. um einen privaten Teil des Gebäudes. Dort befindet sich die gegenständliche Kreissäge. Dieser Gebäudeteil ist vom Bauhof bzw. Firmenhof nicht erreichbar. Das Unternehmen errichtet Brunnen und macht Wasserinstallationen. Der Arbeitnehmer X wurde am 08.03.2010 im Unternehmen eingestellt und erhielt eine erstmalige Unterweisung, die auch nachgewiesen wurde. Diese erhielt er vom Berufungswerber. Weiters werden jährlich Unterweisungen durchgeführt. Der Arbeitnehmer bekommt seine Aufgaben täglich vom Berufungswerber zugewiesen. Am 30. Jänner 2012 erhielt der Arbeitnehmer den Auftrag, Gitter zu streichen. Der Arbeitnehmer X hat am 30. Jänner 2012 im Holzlager an der Kreissäge Holzschneidarbeiten durchgeführt, ohne dass diese  zur Absicherung die erforderlichen Anschläge aufwies. Es war weder ein seitlicher Anschlag noch eine Rückschlagsicherung bzw. ein zweiter Queranschlag vorhanden. Der Arbeitnehmer war auch nicht hinsichtlich der Kreissäge unterwiesen. Es kam an diesem Tage zu einem Arbeitsunfall.

Die Unfallserhebung führte der Arbeitsinspektor X vom AI Vöcklabruck am 05.03.2012 durch. An diesem Tage wurde der Arbeitnehmer x nicht im Betrieb angetroffen und war die Kreissäge nicht in Betrieb. Sie wurde von keinem Arbeitnehmer benutzt. Die Erhebungen und Anzeigenerstattung des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck betrifft den Tatvorgang am 30. Jänner 2012.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ist im Grunde der vorliegenden Fotos sowie der zeugenschaftlichen Aussage anlässlich der mündlichen Verhandlung erwiesen.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen. Ebenso ist vorzugehen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen (§ 45 Abs. 1 Z 3 VStG).

 

Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens ist erwiesen, dass das vorgeworfene Tatverhalten am 30. Jänner 2012 gesetzt wurde und zu einem Arbeitsunfall des Arbeitnehmers führte. Dieser Tatzeitpunkt wurde zu keiner Zeit des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeworfen. Dieser Tatzeitpunkt ist auch nicht der Anzeige zu entnehmen. Es ist daher erwiesen, dass am 05.03.2012, an dem die Unfallserhebung durch das Arbeitsinspektorat Vöcklabruck durchgeführt wurde, ein Tatverhalten nicht gesetzt wurde, weil die Kreissäge nicht in Betrieb genommen war.

 

Es hat daher der Berufungswerber die ihm für den 05.03.2012 vorgeworfene Tat nicht begangen und war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen gemäß § 66 Abs. 1 VStG sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

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