Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730612/5/Sr/ER VwSen-730613/5/Sr/ER

Linz, 05.11.2012

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung 1.) der X, geboren am X und 2.) des X, geboren am X, beide StA von Georgien, beide vertreten durch X, gegen die Bescheide des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz, Zl. 1063329/FRB und 1071761/FRB, beide vom 13. April 2012, betreffend Rückkehrentscheidungen und Einreiseverbote der Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

             I.      Den Berufungen wird stattgegeben und die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

 

          II.      Rückkehrentscheidungen sind auf Dauer unzulässig.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit den Bescheiden des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz (nunmehr: Landespolizeidirektion Oberösterreich; im Folgenden: belangte Behörde) vom
13. April 2012, Zl. 1063329/FRB und 1071761/FRB, wurden gegen die Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 52 Abs. 1 und 53 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. § 61 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011, Rückkehrentscheidungen und damit verbundene Einreiseverbote für den gesamten Schengenraum angeordnet.  

 

Neben der Wiedergabe der angewendeten Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde zum Sachverhalt im Wesentlichen aus, dass aus der Aktenlage hervorgehe, dass die 1. Bw am 9. März 2005 legal mit dem Flugzeug über die Türkei nach Österreich eingereist sei. Am 21. März 2005 habe sie einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei am 31. August 2011 gem. §§ 7 und 8 AsylG negativ entschieden worden.

 

Der 2. Bw sei am X in X geboren worden und habe am 10. Mai 2006 einen Asylantrag gestellt, das Asylverfahren sei am 31. August 2011 gem. §§ 3 und 8 AsylG negativ entschieden worden.

 

Mit Schreiben vom 15.09.2011 sei den Bw mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, gegen sie Rückkehrentscheidungen zu erlassen. Gleichzeitig sei den Bw Gelegenheit gegeben worden, dazu binnen zwei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen und ihre Privat- und Familienverhältnisse darzulegen.

 

In der Stellungnahme vom 3. Oktober 2011 habe die Rechtsvertreterin im Wesentlichen angegeben, dass die 1. Bw ihre Schulpflicht in der Stadt Ozurget absolviert habe und 1999 mit dem Reifezeugnis der vollen allgemeinen Bildung die Abendschule absolviert hätten. In weiterer Folge hätte sie an der Universität Tbilisi in Georgien Medizin studiert und den vollständigen Lehrgang 2005 abgeschlossen. Zeugnisse seien vorgelegt worden.

Die 1. Bw verfüge über ausgezeichnete Deutschkenntnisse und habe zahlreiche Deutschkurse absolviert. Die A2 Prüfung habe sie mit gutem Erfolg abgelegt. Sie lebe mit ihrem Lebensgefährten X und dem gemeinsamen Kind, dem 2. Bw, in einem Haushalt. Sie lebe mit X seit mehr als 5 Jahren in einer Lebensgemeinschaft, selbst wenn es kurze Unterbrechungen gegeben habe. Sie lebe von der Grundversorgung und es bestehe kein Arbeitsverhältnis. Die 1. Bw sei jedoch bereits auf selbstständiger Basis tätig gewesen und werde eine Einstellungsbestätigung vorlegen. Sie habe zahlreiche Freunde und Bekannte in Österreich, welche sich auch für sie mit beiliegenden Empfehlungsschreiben einsetzen würden. Zu ihrem Heimatstaat bestünden keine Bindungen mehr.

Der 2. Bw lebe mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt. Beide Eltern würden sich um ihn kümmern. Der 2. Bw besuche den Kindergarten und beginne im Herbst 2012 mit der Volksschule. Er sei in Österreich aufgewachsen und habe keine Bindungen zu Georgien.

 

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Rückkehrentscheidung – nachdem die 1. Bw sich nun seit etwa 7 Jahren in Österreich aufhalte und teilweise in Österreich gearbeitet habe – einen nicht unerheblichen Eingriff in das Privatleben bedeute, der allerdings dadurch zu relativieren sei, dass dieser Aufenthalt auf Rechtsgrundlage eines offensichtlich unbegründeten Asylantrages beruhe. Am 15. September 2006 sei der 1. Bw bereits der erste abweisende Asylbescheid zugestellt worden, gegen den sie am 26. September 2006 Berufung eingebracht habe. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe der 1. Bw bewusst gewesen sein müssen, dass es sich bei der Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG um eine mit der Dauer des Verfahrens befristete Berechtigung handle. Sie hätte keine rechtliche Möglichkeit gehabt, sich in Österreich aufzuhalten, wenn sie nicht einen Asylantrag gestellt hätte.

 

Aus dem aktuellen Versicherungsdatenauszug der 1. Bw gehe hervor, dass sie seit 2009 laufend als Asylwerberin versichert sei. Einer legalen Beschäftigung gehe sie also derzeit nicht nach. Es könne daher von keiner beruflichen oder sozialen Verfestigung, die eine „gelungene Integration" erkennen lassen würde, gesprochen werden.

Die berufliche Integration und somit die, (regelmäßige) Erwerbstätigkeit und die damit verbundene Selbsterhaltungsfähigkeit sei ein wichtiger Aspekt für die Integration. Zudem werde die Integration als stark gemindert betrachtet, da die 1. Bw Unterstützungszahlungen in karitativen Institutionen in Anspruch genommen habe. Sie sei von 1. April 2005 bis 30. Jänner 2009 und seit 5. Februar 2009 bis laufend durch die Grundversorgung des Landes Oberösterreich betreut worden.

Außerdem sei kein Sachverhalt zum Vorschein gekommen, wonach sich die 1. Bw in besonderem Maße am sozialen Leben in Österreich beteiligt bzw. engagiert hätte, sodass sie im Falle der Rückkehrentscheidung eine nicht mehr zu schließende Lücke hinterlassen würde. Auch seien keine entsprechenden Bescheinigungsmittel beigebracht worden, durch welche ein besonderer Grad der Integration in Österreich belegt werden könnte. Die 1. Bw habe zwar drei Empfehlungsschreiben vorgelegt - die darin behaupteten freundschaftlichen Beziehungen seien jedoch zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sie sich ihrer prekären aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst gewesen sei.

Weiters habe die 1. Bw ihr Leben bis zum Alter von ca. 23 Jahren in Georgien verbracht, sei dort sozialisiert, spreche die Landessprache und habe sich dort als Ärztin ausbilden lassen. Es sei davon auszugehen, dass sie in Georgien Bezugspersonen habe, da nichts darauf hindeutet, dass die 1. Bw vor ihrer Ausreise in totaler Isolation gelebt hätte. Außerdem würden noch Familienangehörige der 1. Bw in Georgien leben. Es deute jedenfalls nichts darauf hin, dass es im Falle einer Rückkehr nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft neu zu integrieren.

Es werde aber nicht verkannt, dass sich die 1. Bw mittlerweile seit fast 7 Jahren in Österreich aufhalte, jedoch sei - wie zuvor dargestellt - ein besonderes Maß an Integration nicht erkennbar.

Der 1. Bw sei bewusst gewesen, dass sie ein Privatleben während eines Zeitraumes geschaffen habe, indem sie einen „unsicheren" Aufenthaltsstatus gehabt habe. So habe sie nicht von vornherein damit rechnen dürfen, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

Demzufolge hätte die am 15. September 2006 ergangene erstinstanzliche negative Entscheidung im Asylverfahren von der 1. Bw als eindeutiges „Indiz" bewertet werden müssen, dass ihr Aufenthalt in Österreich temporär begrenzt sein könne.

Auch der Umstand, dass sie die deutsche Sprache beherrsche, vermöge ihre persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich nicht maßgeblich zu verstärken.

Gegen die 1. Bw scheine im Strafregister der Republik Österreich folgende Verurteilung auf:

LG Steyr, Zahl: 11 Hv 195/2008V vom 11. März 2009 (rk. seit 17. März 2009) gem. § 164/4 (3.Fall) StBG zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, bedingt, Probezeit 3 Jahre.

Diese Verurteilung habe die BPD Linz zum Anlass genommen, gegen die 1. Bw am 17. Juni 2009 ein auf fünf Jahre befristetes Rückkehrverbot zu erlassen. Dieses Rückkehrverbot sei am 19. März 2012 vom Unabhängigen Verwaltungssenat aufgrund der Tatsache, dass das Asylverfahren der 1. Bw bereits seit 31. August 2011 rechtskräftig abgeschlossen sei und ein Rückkehrverbot nur gegen Asylwerber erlassen werden könne und dieser Umstand im Rechtsmittelverfahren zwangsläufig zur Aufhebung führen müsse, aufgehoben worden.

Die behauptete bestehende Integration in Österreich könne jedoch auch in sozialer Hinsicht aufgrund der begangenen Straftat nicht bestätigt werden.

Die 1. Bw lebe derzeit wieder gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und ihrem gemeinsamen Kind in Österreich in einem Haushalt. Gegen ihren Lebensgefährten und ihr Kind würden ebenfalls Rückkehrentscheidungen erlassen, weshalb nicht von einem Eingriff in das Familienleben gesprochen werden könne.

 

Hinsichtlich des 2. Bw führt die belangte Behörde an, dass die Rückkehrentscheidung aufgrund seines Aufenthalts in Österreich seit seiner Geburt einen nicht unerheblichen Eingriff in das Privatleben bedeute, der aber dadurch zu relativieren sei, dass dieser Aufenthalt auf einem offensichtlich unbegründeten Asylantrag beruhe. Bereits mit der Zustellung des erstinstanzlich ablehnenden Asylbescheids am 12. September 2006 hätte sich der 2. Bw seines unsicheren Aufenthaltsstatus in Österreich bewusst gewesen sein müssen. Der
2. Bw habe nie ein anderes als ein – aufgrund des Asylverfahrens – vorübergehendes Aufenthaltsrecht in Österreich gehabt, weshalb er nicht damit habe rechnen dürfen, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

Der Umstand, dass der 2. Bw die deutsche Sprache beherrsche, vermöge seine persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich nicht maßgeblich zu verstärken.

Da gegen seine Eltern ebenfalls Rückkehrentscheidungen erlassen würden, könne nicht von einem Eingriff in das Familienleben gesprochen werden, zumal sich alle Familienmitglieder illegal in Österreich befinden würden. Weitere familiäre Beziehungen zur Republik Österreich seien vom 2. Bw nicht behauptet und aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

Aufgrund seines jungen Alters und der daraus resultierenden Flexibilität sei es dem 2. Bw zuzumuten, sich neu zu orientieren und sich einem neuen Kulturkreis anzupassen. In diesem Alter könne noch nicht von einem erheblichen Einschnitt in die Lebensführung gesprochen werden. Die Reintegration in Georgien erscheine demnach möglich.

 

Die Bw würden sich seit zumindest 31. August 2011 insofern rechtswidrig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalten, als ihnen seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei. Auch komme ihnen nach der Aktenlage kein Aufenthaltsrecht aufgrund einer anderen gesetzlichen Bestimmung zu bzw. sei kein derartiges behauptet worden. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße. Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar.

Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Wenn Fremde nach Abschluss des Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen, werde dadurch die öffentliche Ordnung (die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) schwerwiegend beeinträchtigt.

Es könne daher nicht hingenommen werden, dass Fremde ihren nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beharrlich fortsetzen und die Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen versuchen.

 

Zusammenfassend könne daher nur festgestellt werden, dass die gegenständlichen Rückkehrentscheidungen nicht nur zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und somit im Lichte des § 61 Abs. 2 FPG 2005 zulässig erscheinen, sondern auch unter Beachtung der Bestimmungen des § 61 Abs. 3 FPG 2005 zulässig seien.

 

2. Gegen diese am 16. April 2012 zugestellten Bescheide erhoben die Bw durch ihre rechtsfreundliche Vertreterin mit Schriftsatz – datiert mit 30. April 2012, zur Post gegeben laut Poststempel bereits am 27. April 2012 – rechtzeitig Berufung. Darin werden die Anträge gestellt, die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben und Rückkehrentscheidungen auf Dauer für unzulässig zu erklären; die Einreiseverbote ersatzlos zu beheben, in eventu die Dauer angemessen herabzusetzen; in eventu die Bescheide zur Gänze aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an die Erstbehörde zurückzuverweisen; eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und durchzuführen.

Zunächst erheben die Bw ihr gesamtes bisheriges Vorbringen zum integrierenden Bestandteil des Berufungsschriftsatzes.

Die 1. Bw weist darauf hin, dass in ihrem Fall durchaus eine Integration vorliege, welche aufgrund des aufgebauten Privatlebens eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig mache. Die Argumentation der belangten Behörde, dass sich die Bw bereits 2006 dessen bewusst sein hätten müssen, dass ihr Aufenthalt aufgrund des Asylverfahrens kein dauerhafter sein würde, weisen die Bw zurück. Die bestehenden Freundschaften, die in Empfehlungsschreiben näher umschriebenen seien, seien unter dem Aspekt zu betrachten, dass die 1. Bw nicht von einem sicheren Aufenthalt ausgehen hätte müssen.

Als weitere Beispiele für die gelungene Integration führen die Bw an, dass die 1. Bw sich trotz ihres relativ kurzen Aufenthalts sehr gute Deutschkenntnisse angeeignet und bereits die mündliche Prüfung B1 bestanden habe. Zudem habe sie sich für die Berufsmatura angemeldet, um in Österreich weiter eine qualifizierte Tätigkeit ausüben zu können. Die Bw hätten sehr gute Verhältnisse zu ihren Nachbarn, auch der Vermieter sei zufrieden mit ihnen. Seitens des Kindergartens der Pfarre X (Caritaskindergarten) werde bestätigt, dass die Zusammenarbeit mit den Eltern sehr positiv sei und die Eltern des 2. Bw an Aktivitäten und bei Arbeiten im Kindergarten teilnehmen würden. Der 2. Bw werde stets pünktlich gebracht und abgeholt. Er sei Schulanfänger und spreche gut deutsch. Er freue sich auf die Volksschule der X ab Herbst.

Die 1. Bw habe eine fixe Arbeitsstelle für den Fall des Erhalts eines Visums bei einer Reinigungsfirma, wofür sie eine Bestätigung vorlegt.

Die belangte Behörde führe ins Treffen, dass die Integration der 1. Bw durch die Verurteilung des Landesgerichtes Steyr vom 11. März 2009, 11Hv 195/08 gemäß § 164 Abs. 4 3. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten bedingt, Probezeit 3 Jahre, ihre Integration schmälern würde. Diesbezüglich sei es notwendig, dass sich die Behörde mit dem Sachverhalt, welcher der Verurteilung zu Grunde liegt, auseinandersetze und die Motivation dazu hinterfrage.

 

Der 2. Bw sei am X in X geboren und wachse mit der deutschen Sprache auf. Er sei vorbildlich in Österreich integriert, besuche immer den Kindergarten, habe viele Freunde, die Zusammenarbeit mit dem Kindergarten sei sehr gut und er sei bereits für die Schule angemeldet und aufgenommen. Er werde ab Herbst die Volksschule der X in X besuchen. Für die weitere Entwicklung des 2. Bw sei es nicht förderlich, wenn er plötzlich aus seinem sozialen Umfeld herausgerissen würde und in einem für ihn unbekannten Land weiter aufwachsen müsste.

Mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern seien Anfang 2011 einzelne Kinderrechte im Verfassungsrecht verankert worden. Am wichtigsten erscheine diesbezüglich das zentrale Prinzip der vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls. Die Straßburger Judikatur des EGMR orientiere sich an den Kinderrechten. Diese Judikatur werde auch in der asyl- und fremdenrechtlichen Praxis zumindest zukünftig Niederschlag finden. Die Beachtung des Kindeswohles sei in Artikel 3 Abs. 1 Kinderrechtskonvention normiert und sehe vor, „dass bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getrof­fen werden, ... das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt ist, welcher vorrangig zu berücksichtigen ist."

 

3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat Oö. zur Berufungsentscheidung vor.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat am
31. Oktober 2012 eine mündliche Verhandlung durchgeführt und darüber hinaus Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie in aktuelle Auszüge des Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystems und des Zentralen Melderegisters.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von den in den  Punkten 1 und 2 dargestellten unbestrittenen Sachverhaltsteile aus und stellt auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens in der mündlichen Verhandlung ergänzend Folgendes fest:

Die 1. Bw ist mit dem Vater des gemeinsamen Kindes (des 2. Bw) seit 2002 ausschließlich kirchlich verheiratet.

Die 1. Bw hat sich nach ihrer gerichtlichen Verurteilung einer Therapie in der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg unterzogen, da sie nach ihrer Verurteilung unter großem psychischen Stress gelitten hat. Im Rahmen der Therapie wurden auch die Gründe, die zur Straffälligkeit der 1. Bw geführt haben, aufgearbeitet. Die 1. Bw gibt an, sich der Strafbarkeit der Hehlerei nicht bewusst gewesen zu sein, jetzt ihre Tat aber sehr zu bereuen. Seither ist die 1. Bw nicht wieder straffällig geworden.

Die 1. Bw hat die gesamte Hehlerware bereits vor Beginn des Gerichtsverfahrens zurückgegeben und den Schaden wieder gut gemacht.

Die 1. Bw beabsichtigt, ab Jänner 2013 eine Ausbildung zur Ordinationsgehilfin zu beginnen und ist bemüht, ihre Diplome in Österreich anerkennen zu lassen.

Die 1. Bw hat vor ihrer Verurteilung kurzzeitig beim Roten Kreuz gearbeitet, wurde dort aber aufgrund der Verurteilung entlassen. Sie gibt an, dort wieder arbeiten zu können, sofern sie eine Arbeitserlaubnis erhält.

Die Schwiegermutter der 1. Bw, die in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft wohnt, unterstützt die 1. Bw und den 2. Bw, indem sie der 1. Bw die bisher in Österreich absolvierte Ausbildung finanziert hat. Der 2. Bw besucht seit September 2012 eine Privatschule, die Beiträge dafür werden ebenfalls von der Schwiegermutter der 1. Bw beglichen. Der 2. Bw hält sich täglich bei seiner Großmutter (der Schwiegermutter der 1. Bw) auf und besucht überdies einen Hort, um dort durch die deutschsprachige Betreuung bessere Lernfortschritte erzielen zu können. Die 1. Bw übt dennoch täglich mit dem 2. Bw das in der Schule Erlernte.

Der 2. Bw hat einen großen Freundeskreis, der sich – nicht zuletzt durch den Besuch einer kostenpflichtigen Privatschule – vor allem aus österreichischen Staatsbürgern zusammensetzt. Die 1. Bw gibt an, aufgrund ihrer Deutschkurse einen großen Freundeskreis zu haben, aber auch insbesondere mit ihrer österreichischen Nachbarin befreundet zu sein und mit ihr Freizeitaktivitäten zu unternehmen.

Der 2. Bw sprich perfekt Deutsch und gibt an, die Muttersprache seiner Eltern zwar zu verstehen, besser aber Deutsch zu verstehen.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

4.1.2. Im vorliegenden Fall ist auch von den Bw selbst unbestritten, dass sie über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügen und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig sind.

 

Allerdings ist bei der Beurteilung der Rückkehrentscheidung sowohl auf Art. 8 EMRK als auch auf § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

4.2. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Nach § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der       bisherige         Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.         der Grad der Integration;

5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des     Asyl-   Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem            Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

4.3. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessenabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte ist es grundsätzlich zulässig und erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

4.3.1. Der belangten Behörde folgend würde aufgrund der beabsichtigten Rückkehrentscheidungen nicht in das Familienleben der Bw eingegriffen, zumal auch der Lebensgefährte der 1. Bw bzw. der Vater des 2. Bw von der gleichen Maßnahme betroffen ist. Es ist daher eine Interessenabwägung gemäß § 61 Abs. 2 FPG hinsichtlich des Privatlebens der Bw vorzunehmen, wobei insbesondere auf die Integration, das Asylverfahren und den langen, beinahe ausschließlich rechtmäßigen Aufenthalt Bedacht zu nehmen ist.

 

In Anbetracht des hinsichtlich der 1. Bw mehr als sieben Jahre währenden bzw. des 2. Bw ausschließlichen Aufenthaltes im Bundesgebiet ist den Bw eine der Dauer ihres Aufenthaltes entsprechende Integration zuzugestehen.

Der Aufenthalt der 1. Bw war von 21. März 2005 bis 31. August 2011, also für die Dauer von knapp sechseinhalb Jahren, durchgehend rechtmäßig. Der Aufenthalt des 2. Bw war von 10. Mai 2006 bis 31. August 2011, also für mehr als 5 Jahre – und somit fast sein ganzes bisheriges Leben – durchgehend rechtmäßig.

Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration wird jedoch angesichts der ständigen Judikatur des VwGH dadurch gemindert, als der Aufenthalt der Bw während der Asylverfahren nur aufgrund von Anträgen, die sich letztendlich als unberechtigt erwiesen haben, temporär berechtigt war. Den Bw musste bewusst sein, dass sie ein Privatleben während eines Zeitraumes, in dem sie einen "unsicheren" Aufenthaltsstatus hatten, geschaffen haben, (vgl. etwa Erkenntnis vom 08.11.2006, Zahl 2006/18/0344 sowie Zahl 2006/18/0226 ua.). Sie durften nicht von vornherein damit rechnen, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

 

Im Hinblick auf den mehr als sieben Jahre währenden, bzw. ausschließlichen Aufenthalt der Bw in Österreich ist im Besonderen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzustellen. Wie folgt wiedergegeben, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348, einer sozialen Integration, obwohl sie in einem Zeitraum entstanden ist, während dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, ein nicht unbeachtliches Gewicht beigemessen.

 

"Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (E. vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293; E. vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0253; E. des VfGH vom 3. März 2008, B 825/07 mit Bezug auf die Urteile des EGMR vom 31. Jänner 2006, Rodrigues da Silva und Hoogkaamer gegen die Niederlande [Beschwerde Nr. 50435/99] und vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie u.a. gegen Norwegen [Beschwerde Nr. 265/07]). Der EGMR stellt in den angesprochenen Urteilen darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist. Sei das der Fall, bewirke eine Ausweisung des ausländischen Familienangehörigen nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK (vgl.: E vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, E. vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086). In diesem Sinn ist nach der Z. 8 des § 66 Abs. 2 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011] aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Annordnung bei der Interessensabwägung darauf Bedacht zu nehmen, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Freilich hat die genannte Bestimmung schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte."

 

4.4.2. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob wegen eines besonders stark ausgeprägten persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich akzeptiert werden muss, dass die Bw mit ihrem Verhalten im Ergebnis versuchen, vollendete Tatsachen ("fait accompli") zu schaffen (Hinweis E 24. Oktober 2007, 2007/21/0361), vgl. 2007/21/0074 17.07.2008.

 

Mit siebeneinhalb Jahren, bzw. ausschließlicher Dauer können die Bw auf einen langen Aufenthalt in Österreich verweisen, wobei der größte Teil davon aufgrund der Asylverfahren rechtmäßig war. Die Bw verfügen über Empfehlungsschreiben.

 

Die 1. Bw verfügt über Deutschkenntnisse auf Niveau B1. Die belangte Behörde hat im bekämpften Bescheid dem 2. Bw seiner Aufenthaltsdauer entsprechende Sprachkenntnisse zugebilligt. Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung konnte festgestellt werden, dass der 2. Bw akzentfrei Deutsch spricht.

 

Mit der Vorlage ihrer Einstellungszusage hat die 1. Bw ihren Willen zur Integration am österreichischen Arbeitsmarkt klar zum Ausdruck gemacht. Auch die Tatsache, dass sie bestrebt ist, ihr universitäres Diplom in Österreich anerkennen zu lassen und einen Lehrgang als Ordinationsgehilfin zu absolvieren bezeugt ihren Willen zur beruflichen Integration.

Der 2. Bw besucht seit Herbst 2012 die Schule und den Hort.

 

Dass die 1. Bw keine verstärkte Bindungen zu ihrem Herkunftsstaat mehr hat, ist aufgrund ihrer mehr als siebenjährigen Abwesenheit aus Georgien nachvollziehbar. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass die 1. Bw ihren Herkunftsstaat erst im Alter von 23 Jahren verlassen hat, dort sozialisiert war und ihre Ausbildung absolviert hat.

Der 2. Bw hat hingegen sein gesamtes bisheriges Leben in Österreich verbracht, spricht Deutsch, ist hier in den Kindergarten gegangen und besucht mittlerweile in Linz die Schule.

Wie folgt wiedergegeben, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. März 2012, Zl. 2010/21/0012, dem Umstand, dass die minderjährigen Beschwerdeführer den Großteil ihres Lebens in Österreich verbracht haben, integriert sind und den Kindergarten besuchen ein nicht unbeachtliches Gewicht beigemessen:

"Insbesondere hat es die belangte Behörde demnach unterlassen, sich mit den geltend gemachten, für einen Verbleib der Erstbeschwerdeführerin nach einem mittlerweile (bis zur Bescheiderlassung) mehr als achteinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich sprechenden Umständen konkret auseinanderzusetzen und auf die Situation des fast siebenjährigen, in Österreich geborenen Kindes näher einzugehen (siehe zu einem ähnlichen Begründungsmangel der belangten Behörde zuletzt das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zlen. 2010/21/0404, 0405, mwH)."

 

Im bekämpften Bescheid ist die belangte Behörde nur insoweit auf die Situation des 2. Bw eingegangen, als sie festgestellt hat, dass sein Aufenthalt in Österreich aufgrund des Asylantrags – den seine Eltern in seinem Namen kurz nach seiner Geburt gestellt haben – nur temporär berechtigt war und ihm dies aufgrund des erstinstanzlich negativen Asylbescheids bereits bewusst gewesen sein hätte müssen. Außerdem sei es dem 2. Bw aufgrund seines jungen Alters und der daraus resultierenden Flexibilität durchaus zuzumuten, sich einem neuen Kulturkreis anzupassen. Auf die persönliche Situation des 2. Bw ist die belangte Behörde aber in keiner Weise eingegangen.

 

Aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der 2. Bw im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung hinterlassen hat, steht zweifelsfrei fest, dass er aufgrund seines Kindergarten- und Schulbesuchs in Österreich vollständig integriert ist und auch sein Umfeld darauf bedacht ist, ihm eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Er hält sich täglich bei seiner Großmutter, die in Österreich niedergelassen ist, auf. Der 2. Bw versteht zwar die Muttersprache seiner Eltern, müsste diese aber – um sich im Herkunftsstaat seiner Eltern erfolgreich integrieren zu können – erst vollständig erlernen. Der 2. Bw hat aufgrund seines Schul- und Hortbesuchs regelmäßig Kontakt zu seinen österreichischen Freunden.

 

Nicht zuletzt wird auch davon auszugehen sein, dass gemäß § 61 Abs. 2 Z. 9 FPG von einer eher in die Sphäre der Behörden fallenden langen Verfahrensdauer gesprochen werden muss, zumal das Asylverfahren der 1. Bw bis zur rechtskräftigen letztinstanzlichen Entscheidung sechseinhalb Jahre gedauert hat, wobei keine Asyl-Folgeanträge gestellt wurden. Das Asylverfahren des in Österreich geborenen 2. Bw dauerte mehr als 5 Jahre, somit beinahe sein gesamtes bisheriges Leben.

 

Die 1. Bw wurde am 11. März 2009 (rk. seit 17. März 2009) zu einer bedingten Haftstrafe von acht Monaten verurteilt. Zwar mindert diese Verurteilung die Integration der 1. Bw in nicht unerheblichem Maße, doch ist zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um eine einmalige Verurteilung handelt, die 1. Bw nicht zuletzt im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung ihre Reue zum Ausdruck gebracht hat und sie sich seither wohl verhalten hat. Zudem hat sie bereits vor Beginn des Gerichtsverfahrens den Schaden wieder gut gemacht und sich danach in eine Psychotherapie begeben.

 

In Zusammenschau mit den oben festgestellten Integrationsmerkmalen überwiegen die Interessen der Bw an ihrem Verbleib in Österreich die öffentlichen Interessen erheblich. Die dargelegten Umstände verleihen somit den persönlichen Interessen der Bw an ihrem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass Rückkehrentscheidungen unverhältnismäßig sind.

 

4.5. Im Ergebnis sind Rückkehrentscheidungen im Hinblick auf das Privat- und Familienleben der Bw auf Dauer unzulässig. Über Einreiseverbote, die gemäß § 53 Abs. 1 mit Rückkehrentscheidungen unter Einem zu erlassen sind, ist demnach nicht mehr abzusprechen.

 

4.6. Es war daher den Berufungen stattzugeben, die angefochtenen Bescheide waren aufzuheben, und es war spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Da die Bw ausreichend der deutschen Sprache mächtig sind, konnte gemäß      § 59 Abs. 1 FPG von der Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung Abstand genommen werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von insgesamt 54,30 Euro (2 x Eingabegebühr 28,60 Euro + Beilagegebühren 25,70) angefallen.

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 

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