Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-101286/2/Bi/Fb

Linz, 10.09.1993

VwSen - 101286/2/Bi/Fb Linz, am 10. September 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des J D, vom 28. April 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 15. April 1993, VerkR96/1833/9-1991/Pi/Ri, zu Recht:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Punkt 1. behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt wird. Im Punkt 2. wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt, jedoch die Geldstrafe auf 700 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden herabgesetzt.

II. Im Punkt 1. sind keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten. Im Punkt 2. ermäßigt sich der Kostenbeitrag erster Instanz auf 70 S und entfällt ein Beitrag zum Rechtsmittelverfahren.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, 45 Abs.1 Z1 und 19 VStG, §§ 4 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.2 lit.a, §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO. zu II.: §§ 64 Abs.1, 65 und 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1.) §§ 4 Abs.1 lit.c und 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 und 2.) §§ 4 Abs.5 erster Satz und 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 Geldstrafen von 1.) 2.000 S und 2.) 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1.) 66 und 2.) 33 Stunden verhängt, weil er am 6. Juni 1991 um 12.15 Uhr den PKW auf der K-G von G kommend in Richtung Eferding gelenkt hat und in der Nähe des Hauses U rechts von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Telefonmast gestoßen ist. In weiterer Folge habe er es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, 1) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken (er habe die Unfallstelle verlassen, sodaß sein körperlicher und geistiger Zustand zum Tatzeitpunkt nicht überprüft werden konnte); und 2) ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall zu verständigen. Gleichzeitig wurde ihm ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren von 300 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber rechtzeitig Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht notwendig, weil in der Berufung nicht der Sachverhalt bestritten, sondern ausdrücklich nur ein unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet, eine Berufungsverhandlung aber nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, seit dem Jahr 1960 seien Gesetzesänderungen in der Straßenverkehrsordnung vorgenommen worden, um die Gendarmerie und die Polizei zu entlasten. Er habe weder etwas zu verschleiern noch zu verheimlichen versucht und sei auch am 6. Juni 1991 beim Fernmeldebauamt, F in Eferding, gewesen, um den Sachschaden zu melden, aber es sei am Nachmittag niemand da gewesen. Er habe das am 7. Juni 1991 nachgeholt. Er sei zuvor schon mit dem Moped beim Gendarmerieposten Eferding angelangt gewesen, habe aber festgestellt, daß er den Zulassungschein im PKW liegengelassen hatte, weshalb er noch einmal nach G zurückfuhr, um den Zulassungsschein zu holen. Da er zu 60 % Invalide sei, gehe das nicht so schnell, er habe nur einen Fuß. Der Sachverhalt sei auch nach seinem Verlassen der Unfallstelle immer noch genau feststellbar gewesen und den Satz, sein körperlicher und geistiger Zustand zum Tatzeitpunkt habe nicht überprüft werden können, empfinde er als ungeheuerliche Demütigung, da die Gendarmen von Eferding genau wüßten, daß er nicht fahre, wenn er dazu nicht in der Lage sei. Beim Autofahren trinke er keine alkoholischen Getränke. Die Gendarmerie Eferding hätte gegen den Verursacher der Straßenverschmutzung, Frau O Inge, Anzeige erstatten müssen. Es habe sich wie von selbst ergeben, daß Frau Obermayr mit dem Traktor gekommen sei und den PKW herausgezogen habe. Außerdem habe er mehr oder weniger einen Schock durch den Autounfall erlitten, wodurch die telefonische Verständigung des Gendarmeriepostens unterblieben sei. Es seien nach dem Verkehrsunfall keine weiteren Schäden für Personen und Sachen zu befürchten gewesen, er habe in beide Richtungen Warndreiecke aufgestellt. Er bekenne sich keiner der ihm angelasteten Vergehen für schuldig, weder für Vorsatz noch für fahrlässiges Verhalten. Er ersuche daher, die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nachzulassen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat legt folgenden aktenkundigen Sachverhalt der Rechtsmittelentscheidung zugrunde:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am 6. Juni 1991 gegen 12.15 Uhr seinen PKW auf der K-Gemeindestraße von G in Richtung Eferding. In U nahe dem Haus Nr. kam der Rechtsmittelwerber mit seinem PKW auf das rechte Straßenbankett und schleuderte gegen einen rechts neben der Fahrbahn stehenden Telefonmast. Der Telefonmast wurde geknickt, der PKW wurde an der Frontpartie so schwer beschädigt, daß er fahrunfähig war. Die zur Feldarbeit zurückkehrende Zeugin I O bot dem Rechtsmittelwerber an, den PKW mit dem Traktor herauszuziehen, was dieser annahm. Der PKW wurde mit Hilfe des Sohnes der Frau O zum Berufungswerber nach Hause geschleppt. Dieser fuhr daraufhin mit dem Motorrad von G nach Eferding um den Unfall zu melden, kehrte jedoch wieder um, weil er bemerkte, daß der Zulassungsschein des Fahrzeuges, den er für die Unfallmeldung zu benötigen glaubte, sich noch im Fahrzeug befand. Anschließend fuhr er erneut zum Gendarmerieposten Eferding und erstattete schließlich um 15.55 Uhr die Meldung über den Verkehrsunfall mit Sachschaden.

In rechtlicher Hinsicht ist folgendes auszuführen:

zu Punkt 1. (§ 4 Abs.1 lit.c iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960):

Gemäß dieser Bestimmung haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1991, 90/02/0165, besteht eine Mitwirkungspflicht immer dann, wenn es zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies ist ua der Fall, wenn ein Identitätsnachweis nicht erfolgte und eine Verständigungspflicht nach § 4 Abs.5 StVO gegeben ist. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1989, 88/03/0263, reicht die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhalts nur so weit, als dies zur Feststellung von Sachverhaltselementen, insbesondere zur Sicherung von Spuren am Unfallort oder sonstiger konkreter Beweismittel, aber auch zur Person des betreffenden Fahrzeuglenkers erforderlich ist, so etwa, ob er zur Lenkung des am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeuges berechtigt war und ob er äußerlich den Anschein erweckt, daß er sich geistig und körperlich in einem zur Lenkung des Kraftfahrzeuges geeigneten Zustand befindet. Auf den gegenständlichen Fall angewandt heißt das, daß der Rechtsmittelwerber, der ja auch sein Fahrzeug von der Unfallstelle weggebracht hat, hätte er sich selbst nicht beim Gendarmerieposten gemeldet und den Unfall mit Sachschaden angezeigt, weder persönlich noch vom Autokennzeichen her zu ermitteln gewesen wäre. Tatsächlich bestand kein Grund, den PKW sofort von der Unfallstelle zu entfernen, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß die in der Nähe des Unfallortes mit dem Traktor arbeitende Zeugin Obermayr sich bereit erklärt hat, den PKW herauszuziehen und zum Haus des Rechtsmittelwerbers abzuschleppen. Daraus, daß dieser das Angebot sofort angenommen hat, entstand zwar nicht das Problem, daß das Verschulden am Verkehrsunfall nicht mehr zu klären gewesen wäre, jedoch bestand durch das Entfernen des PKW von der Unfallstelle objektiv keine Möglichkeit mehr, den Verursacher des Sachschadens festzustellen. Aus all diesen Erwägungen gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, daß der Rechtsmittelwerber diesen Tatbestand in objektiver Hinsicht erfüllt hat. In subjektiver Hinsicht ist dem Rechtsmittelwerber allerdings zugutezuhalten, daß sich aus seiner Verantwortung sowie dem sonstigen Akteninhalt nie der Eindruck ergibt, dieser habe den Umstand, daß er den Schaden am Telefonmast verursacht habe, sowie die sonstigen relevanten Sachverhaltsfeststellungen in irgendeiner Weise verschleiern oder die Ermittlung des Unfallverursachers erschweren wollen. Aus dem gesamten Akteninhalt ergibt sich kein Anhaltspunkt, daß jemals Zweifel daran bestanden hätten, daß der Rechtsmittelwerber keine gültige Lenkerberechtigung gehabt hätte oder sich sonst in einem fahruntüchtigen Zustand befunden hätte. Der Rechtsmittelwerber hat beim Gendarmerieposten Eferding den Unfallhergang zumindest in einer solchen Weise geschildert, daß nur er selbst als Beschädiger des Telefonmastes in Frage kommen konnte. Er hat zwar erfolglos, aber doch versucht, die zuständige Stelle der Post zu erreichen. Die Entfernung des PKW aufgrund der sich ergebenden, günstigen Gelegenheit kann einem auf das Fahrzeug angewiesenen Invaliden wohl nicht ernsthaft zum Vorwurf gemacht werden. Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt daher zu der Auffassung, daß dem Rechtsmittelwerber jegliches Verschulden an der ihm vorgeworfenen Nichtmitwirkung bei der Sachverhaltsfeststellung fehlt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

zu Punkt 2. (§ 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960):

Der Rechtsmittelwerber hat nach Verursachung des Verkehrsunfalles um 12.15 Uhr laut Anzeige und Zeugenaussage des Zeugen RI A um 15.55 Uhr des Unfalltages, sohin dreieinhalb Stunden nach dem Unfall diesen beim zuständigen Gendarmerieposten Eferding gemeldet. Der Verwaltungsgerichtshof ist in seiner Judikatur zur in Rede stehenden Bestimmung der Straßenverkehrsordnung im Hinblick auf die Auslegung der Wortfolge "ohne unnötigen Aufschub" äußerst restriktiv, weshalb diesbezüglich den Feststellungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses nichts entgegenzuhalten ist. Selbst wenn der Rechtsmittelwerber beim Gendarmerieposten eine halbe Stunde warten mußte, bzw er nicht zurückgefahren wäre, um den Zulassungsschein des PKW zu holen, wäre die Meldung als verspätet anzusehen gewesen, da die Entfernung des PKW vom Unfallort keine Rechtfertigung für die verspätete Meldung darstellt. Für den Rechtsmittelwerber hätte die Möglichkeit bestanden, vom nächstgelegenen Telefon (zB vom Haus U) Unfallmeldung beim Gendarmeriposten Eferding zu erstatten. Das Argument des Rechtsmittelwerbers, er sei wegen des Verschuldens anderer Personen, insbesondere wegen der Verschmutzung der Straße durch die Zeugin O bestraft worden, geht deshalb ins Leere, weil zum einen jeder Fahrzeuglenker sein Fahrverhalten und seine Geschwindigkeit an die gegebenen Straßenverhältnisse, zB auch an eine verschmutzte Fahrbahn, anpassen und eben größere Vorsicht walten lassen muß, und zum anderen das Verhalten der Zeugin O im Verwaltungsstrafverfahren gegen den Rechtsmittelwerber wegen verspäteter Meldung des Verkehrsunfalles nicht zu berücksichtigen ist. Nachvollziehbar ist, daß der Rechtsmittelwerber aufgrund des Verkehrsunfalles insofern einen "Schock" im Sinne eines Unfallschrecks erlitten hat, als die zur Fahrunfähigkeit führende Beschädigung des Fahrzeuges nicht nur einen finanziellen sondern auch einen ideellen Nachteil darstellt, jedoch war der Rechtsmittelwerber durchaus in der Lage, das Abschleppen seinen Fahrzeuges zu organisieren, sodaß ihm auch zumutbar gewesen wäre, die Unfallmeldung durchzuführen. Er hat daher den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß die seitens der Erstinstanz verhängte Strafe insofern überhöht ist, als sich aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ergibt, daß Strafmilderungs- bzw Erschwerungsgründe nicht berücksichtigt wurden. Mildernd war aber die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Rechtsmittelwerbers zu werten, sodaß schon aus diesem Grund mit einer Herabsetzung der Strafe vorzugehen war. Die nunmehr verhängte Strafe entspricht dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung ebenso wie den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Rechtsmittelswerbers (ca 18.000 S Rente und Pension, keine Sorgepflichten, Vermögen: Rohbau, Landwirtschaft mit Pachtzins). Die verhängte Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und hält sowohl general- wie spezialpräventiven Überlegungen stand.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über die Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger