Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420732/6/AB/HK

Linz, 13.09.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Lukas über die Beschwerde des E O alias O alias O alias O alias A alias J alias V alias S, geb. X alias Y alias Z alias X, StA von Äquatorialguinea alias Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt E W. D, L , W, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch der Bundespolizeidirektion Linz (nunmehr: Landespolizeidirektion Oberösterreich) zurechenbare Organe aus Anlass der Sicherstellung nach § 38 Fremdenpolizeigesetz sowohl des Reisepasses als auch der spanischen Aufenthaltskarte des Beschwerdeführers am 10. April 2012 zu Recht erkannt:

 

I.                  Die Beschwerde gegen die Sicherstellung des Reisepasses sowie der spanischen Aufenthaltskarte des Beschwerdeführers am 10. April 2012 wird als unbegründet abgewiesen.

 

II.              Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Landespolizeidirektion Oberösterreich) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exe­kution zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 (AVG); § 67c und § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.         Mit Schriftsatz, eingebracht per Telefax beim Oö. Verwaltungssenat am 13.4.2012, erhob der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) durch seinen ausgewiesenen Vertreter Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Sicherstellung des äquatorialguineischen Reisepasses sowie der spanischen Aufenthaltskarte des Bf vom 10. April 2012 an den Oö. Verwaltungssenat und beantragte, diese Sicherstellung unter Kostenersatz als rechtswidrig festzustellen.

 

 

 

1.2.         Zunächst wird in der Beschwerde zum Sachverhalt im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf aus Äquatorialguinea komme, seine Familie in Spanien lebe und er in Spanien aufenthaltsberechtigt sei. Am 16.12.2011 sei er in Wien nach den Bestimmungen der StPO festgenommen worden, wobei er bei der Festnahme seinen gültigen Reisepass, in dem sich auch ein gültiger Aufenthaltstitel befunden habe, bei sich gehabt hätte.

 

 

 

Bei der Entlassung aus der von ihm aufgrund eines Urteils des LG für Strafsachen Wien vom 9.1.2012 in der JA X – Außenstelle X verbüßten Strafhaft am 16.3.2012 habe er diese Dokumente ebenfalls bei sich gehabt.

 

 

 

Der Bf habe sich von 16.3.2012 bis 10.4.2012 in Schubhaft – verhängt durch die belangte Behörde – befunden.

 

 

 

Verfahrensgegenständlich habe die BPD Steyr im Auftrag der belangten Behörde anlässlich seiner Entlassung aus der im PAZ X vollzogenen Schubhaft den äquatorialguineischen Reisepass samt dem spanischen Aufenthaltstitel des Bf sichergestellt.

 

 

 

Diese Sicherstellung werde für rechtswidrig gehalten, weil der Bf nunmehr nicht im Besitz eines Reisepasses sei und seine Heimreise nach Spanien dadurch um einiges schwieriger geworden sei. Er müsse sich trotz des dichten Kontrolldruckes auf europäischen Straßen am Landwege via Italien und Frankreich durchschlagen und habe ein erhöhtes Risiko, trotz Aufenthaltsrechts in Spanien am Weg inhaftiert und wieder in Schubhaft angehalten zu werden. Wäre er im Besitz seines Reisepasses, hätte er am Luftwege nach Spanien rückkehren können.

 

 

 

Er könne aber auch schon deshalb nicht in Österreich bleiben, weil er hier keine Wohnmöglichkeit hätte; er wohne bei seiner Familie in Spanien.

 

 

 

Durch die Sicherstellung der Dokumente habe die belangte Behörde daher entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung, dem Bf nach Art. 6 Abs. 2 RückführungsRL die unmittelbare Heimreise nach Spanien zu ermöglichen, seine Heimreise erschwert bzw. im Falle einer Inschubhaftnahme außerhalb Österreichs und Rücksendung nach Österreich diese sogar verunmöglicht.

 

 

 

Abschließend wird die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sicherstellung des Reisepasses und des spanischen Aufenthaltstitels unter Kostenersatz beantragt.

 

 

 

2.1.   Mit Schreiben vom 19. April 2012 übermittelte die belangte Behörde dem Oö. Verwaltungssenat den bezughabenden Verwaltungsakt. In ihrer Gegenschrift wird neben umfassenden Ausführungen im Zusammenhang mit der – ebenfalls am selben Tag eingebrachten – Schubhaftbeschwerde des Bf und detaillierter Darlegung der diesbezüglichen Verfahrensgenese eingangs zum Sachverhalt hinsichtlich der Maßnahmenbeschwerde ausgeführt, dass bei Entlassung des Bf aus der Schubhaft am 10.4.2012 in logischer Konsequenz dessen nationaler Reisepass und die spanische Aufenthaltsberechtigungskarte gem. § 38 FPG sichergestellt worden sei, um bei einem Scheitern der freiwilligen Rückkehr des Bf nach Spanien wegen fehlender Einreiseerlaubnis nach Spanien die Abschiebung des Bf in das Heimatland durchführen zu können.

 

 

 

Die belangte Behörde führt weiters nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmung des § 38 FPG aus, dass die Behörde im konkreten Fall primär die Abschiebung des Bf in dessen Heimatland zu vollziehen hätte, weshalb es unumgänglich sei, bis zur Entscheidung über die Möglichkeit einer allfälligen freiwilligen Ausreise nach Spanien die Sicherstellung der genannten Dokumente aufrecht zu erhalten.

 

 

 

Abschließend wird beantragt, die Beschwerde unter Kostenersatz als unbegründet abzuweisen bzw. zurückzuweisen.

 

 

2.2.   Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den bezughabenden sowie den zu VwSen-401173 vorliegenden Verwaltungsakt.

 

 

 

2.4.   Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in die Verwaltungsakten festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist und geht von dem unter Punkt 1.2. und 2.1. dieses Erkenntnisses dargestellten und unbestrittenen entscheidungs­relevanten Sachverhalt aus. Die Durchführung einer Verhandlung – die im Übrigen auch nicht beantragt wurde – war daher aufgrund des diesbezüglich widerspruchsfreien relevanten Sachverhalts gem. § 67d Abs. 1 AVG nicht erforderlich.

 

 

 

Zusammenfassend ist hinsichtlich des Verfahrensablaufes - unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom heutigen Tage über eine Schubhaftbeschwerde des Bf, protokolliert zu VwSen-401173/6/AB – festzustellen, dass der Bf bereits im Jahr 2010 unter anderer Identität und Nationalität (Nigeria) einen Asylantrag gestellt hat, der im August 2010 in 2. Instanz rechtskräftig negativ erledigt wurde. Nachdem er aufgrund eines Hungerstreiks aus der damals verhängten Schubhaft entlassen worden war, tauchte er in die Anonymität ab.

 

 

 

In weiterer Folge tauchte der Bf unter anderer Identität und Nationalität (Äquatorialguinea) im Dezember 2011 im Bundesgebiet wieder auf und wurde am 16.12.2011 nach den Bestimmungen der StPO festgenommen. Daraufhin wurde der Bf mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 9.1.2012 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten wegen Suchtmitteldelikten, Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung von Beamten verurteilt. Der Bf befand sich bis zu seiner Entlassung am 10.4.2012 wegen der genannten Verurteilungen in Haft in der JA X – Außenstelle X.

 

 

Mit Bescheid der BPD Wien vom 9.3.2012, dem Bf am 12.3.2012 persönlich übergeben, wurde gegen den Bf eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 FPG unter gleichzeitiger Verhängung eines 10 Jahre befristeten Einreiseverbotes gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 2 FPG erlassen. Dabei wurde gemäß § 57 Abs. 1 FPG die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid aberkannt. Diese Entscheidung erwuchs mangels Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft.

 

 

Unmittelbar nach Entlassung aus der Strafhaft wurde durch die belangte Behörde über den Bf mit Bescheid vom 15.3.2012 am 16.3.2012 die Schubhaft gem. § 76 Abs. 1 FPG zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Wegen Haftunfähigkeit (erneut aufgrund eines Hungerstreiks) wurde der Bf am 10.4.2012 aus der Schubhaft entlassen und tauchte wieder in die Anonymität ab.

 

 

 

Der Bf befand sich im Besitz eines äquatorialguineischen Reisepasses sowie einer spanischen Aufenthaltskarte. Diese wurden bei der Entlassung des Bf aus der Schubhaft am 10.4.2012 durch Organe des PAZ X im Auftrag der belangten Behörde gem. § 38 FPG sichergestellt und wurde dem Bf eine diesbezügliche Bescheinigung ausgestellt.

 

 

 

 

 

3.   In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

 

3.1.   Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

 

 

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Maßnahme) setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl ua VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11.935/1988; 10.319/1985; 9931/1984 und 9813/1983).

 

 

 

Die Sicherstellung von Dokumenten nach § 38 Fremdenpolizeigesetz stellt nach eindeutiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine solche Maßnahme dar (vgl. jüngst VwGH 29.2.2012, 2010/21/0195).

 

 

 

Weiters vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass als "Beweismittel" iSd § 38 Fremdenpolizeigesetz "auch (und vor allem) ein Reisepass in Betracht kommt" (etwa VwGH 30.8.2011, 2010/21/0188).

 

 

 

Auf Grundlage dieser Judikatur ist daher begrifflich von einer gesondert bekämpfbaren Maßnahme der Sicherstellung von Dokumenten nach § 38 Fremdenpolizeigesetz auszugehen.

 

 

 

Im vorliegenden Fall wurden im Auftrag der belangten Behörde am 10.4.2012 im Polizeianhaltezentrum Steyr der äquatorialguineische Reisepass sowie die spanische Aufenthaltskarte des Bf um ca. 13:45 Uhr sichergestellt und diesem eine Bestätigung darüber ausgehändigt.

 

 

 

Die rechtzeitig beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 13.4.2012 eingebrachte Maßnahmenbeschwerde ist daher zulässig.

 

 

 

3.2.   Gemäß § 38 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I 50/2012, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Gegenstände und Dokumente, die für ein Verfahren oder für eine Abschiebung, Durchbeförderung, Zurückschiebung oder Zurückweisung nach diesem Bundesgesetz oder dem AsylG 2005 als Beweismittel benötigt werden, vorläufig sicherzustellen.

 

 

 

Als Beweismittel gelten nach Abs. 2 leg.cit. auch Gegenstände oder Dokumente, die im Zuge der Vollziehung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes, insbesondere zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments für die Abschiebung, benötigt werden.

 

 

 

Gemäß Abs. 3 leg.cit. ist dem Betroffenen über die Sicherstellung von Beweismitteln eine schriftliche Bestätigung auszufolgen; die Beweismittel sind der Fremdenpolizeibehörde zu übergeben und von dieser, sobald sie nicht mehr für Verfahren oder für eine Abschiebung, Durchbeförderung, Zurückschiebung oder Zurückweisung nach diesem Bundesgesetz oder dem AsylG 2005 benötigt werden, dem Betroffenen zurückzustellen, es sei denn, sie wären nach einem anderen Bundesgesetz sicherzustellen.

 

 

 

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG können Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung (§§ 53, 54 und § 10 AsylG 2005) durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn

 

    1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint oder

 

    2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder

 

    3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen oder

 

    4. sie dem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

 

 

 

 

3.3.   In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass die Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot mangels Erhebung eines Rechtsmittels rechtskräftig wurde und jedenfalls durchsetzbar ist (vgl. § 52 Abs. 1 FPG).

 

 

 

Bemerkenswert ist im vorliegenden Fall, dass im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aufgrund der unterschiedlichen Identitäts- und Nationalitätsangaben (Nigeria; Äquatorialguinea) sowie der Neigung des Bf zur Illegalität, der Wahrheitsgehalt und die Echtheit der vorliegenden Identitätsdokumente jedenfalls zweifelhaft waren und einer Überprüfung bedurften. Insbesondere ist die Gültigkeit der vom Bf vorgelegten spanischen Aufenthaltskarte durchaus fraglich und waren daher auch diesbezüglich weitere Überprüfungen erforderlich (vgl. dazu auch die diesbezüglichen Angaben der spanischen Botschaft im E-Mail vom 9.5.2012). Auch im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung sowie während aufrechter Schubhaft war daher noch zu klären, wohin die Abschiebung des Bf zur Effektuierung der Rückkehrentscheidung der BPD Wien tatsächlich erfolgen sollte. Insbesondere konnte auch eine Ausreise des Bf nach Spanien – die, wie er behauptet, freiwillig erfolgt wäre – insofern nicht ohne weitere Überprüfung erfolgen, als die Gültigkeit der spanischen Aufenthaltskarte eben noch nicht abschließend festgestellt werden hatte können. Ferner bestand auch hinsichtlich des Heimatstaates des Bf (Nigeria oder Äquatorialguinea) noch keine abschließende Klarheit.

Im Gegenteil: Mangels entsprechend weiterführender Auskünfte seitens der spanischen Behörden bestanden vor dem Hintergrund des geschilderten Vorverhaltens des Bf zu Recht erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der spanischen Aufenthaltskarte. Diese Zweifel waren nicht zuletzt auch deswegen bis zur Klarstellung durch die spanischen Behörden am 9.5.2012 begründet, weil laut dem öffentlichen Online-Register echter Identitäts- und Reisedokumente vom Rat der Europäischen Union (http://prado.consilium.europa.eu/de/2102/docHome.html) die Echtheit der vorgelegten spanischen Aufenthaltskarte prima vista auch nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates insofern zu hinterfragen war, als die Ausstellungs-Kategorie "Regimen Comunitario" nach diesen Informationen nur für Bürger der Europäischen Union anzuwenden ist, der Bf aber als Staatsangehöriger von Äquatorialguinea oder Nigeria diese Voraussetzung für die Ausstellungskategorie "Regimen Comunitario" grundsätzlich nicht zu erfüllen schien.

 

Jedenfalls ist aber festzuhalten, dass eine Ausreise des Bf – unabhängig von dem schließlich eruierten "Zielstaat" – jedenfalls im Rahmen einer Abschiebung iSd § 46 FPG erfolgen hätte müssen, war doch die Überwachung der Ausreise in jedem Fall aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig iSd § 46 Abs. 1 Z 1 leg.cit. und auch auf Grund des dargestellten Vorverhaltens des Bf zu befürchten, er würde seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen iSd Abs. 1 Z 3 leg.cit.. Unabhängig von der Gültigkeit der spanischen Aufenthaltskarte des Bf hätte seine "freiwillige" Ausreise nach Spanien jedenfalls im Rahmen einer überwachten Abschiebung durch die Behörde erfolgen müssen. Die Ausreise des Bf nach Spanien wäre daher selbst bei bereits anfänglicher Wahrunterstellung der vom Bf behaupteten Ausreisewilligkeit nach Spanien – schon allein aufgrund der diesbezüglichen behördlichen Festlegungen in der Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot durch die BPD Wien, dergemäß eine Frist zur freiwilligen Ausreise nach § 55 FPG aus den genannten Gründen eben gerade nicht gewährt wurde - jedenfalls nicht als "freiwillige Ausreise" iSd § 55 FPG zu vollziehen gewesen, sondern hätte gegebenenfalls unter entsprechender behördlicher Überwachung im Rahmen einer Abschiebung erfolgen müssen.

Da für die Abschiebung des Bf die in Rede stehenden Dokumente (äquatorialguineischer Reisepass, spanische Aufenthaltskarte) daher jedenfalls als Beweismittel benötigt werden, wurden diese zu Recht nach § 38 Abs. 1 FPG sichergestellt. So sind die in Rede stehenden Dokumente schon allein dafür notwendig, um den konkreten Abschiebezielstaat zu eruieren. Überdies liegt es unter Zugrundelegung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. u.a. VwGH 30.8.2011, 2010/21/0188) auch auf der Hand, dass ein Reisepass ebenso wie eine Aufenthaltskarte zur Ausreise aus Österreich und zur Einreise (insbesondere) in den Abschiebezielstaat erforderlich ist, weshalb die in Rede stehenden Dokumente jedenfalls als "Beweismittel" iSd § 38 FPG zu qualifizieren sind.

 

Dass eine Abschiebung aufgrund des Untertauchens des Bf in die Anonymität nunmehr derzeit faktisch nicht möglich ist, kann dabei freilich nicht zur Unrechtmäßigkeit der Sicherstellung der in Rede stehenden Dokumente führen.

 

Auch dass die Abschiebung wegen dem – allein aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Bf sowie seines diesbezüglich bemerkenswerten Vorverhaltens – noch nicht abschließend geklärten tatsächlichen Zielstaat faktisch (noch) nicht durchführbar war, schadet dabei nicht. So ist es der belangten Behörde nämlich keineswegs verwehrt sondern ist sie vielmehr sogar dazu verhalten, diesfalls Schritte zur Vorbereitung bzw. Effektuierung der Abschiebung zu setzen, insbesondere festzustellen, in welchen Staat die Abschiebung tatsächlich durchzuführen sein wird. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine "Abschiebung" iSd § 38 FPG freilich nur als rechtmäßige Abschiebung – die eine legale Ausreise aus Österreich und Einreise in den Abschiebezielstaat unter Zugrundeliegen entsprechender gültiger Dokumente voraussetzt – verstanden werden kann.

 

 

Unzulässig wäre die Sicherstellung auch im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nur dann, wenn sie sich im Einzelfall als unverhältnismäßig erwiese. Unverhältnismäßig wäre die Sicherstellung etwa, wenn diesbezüglich besondere Umstände, insbesondere konkret drohende Nachteile, vorlägen. (Vgl. dazu VwGH 29.2.2012, 2010/10/0195.)

 

 

 

Eben solche Umstände liegen im gegenständlichen Fall nicht vor. Insbesondere vermag auch das diesbezügliche Vorbringen in der Beschwerde, dass durch die Sicherstellung der Dokumente die Heimreise des Bf nach Spanien erheblich erschwert würde, weil nunmehr im Besonderen der Reiseweg über das dicht kontrollierte europäische Straßennetz via Italien und Frankreich erfolgen müsse und mangels der in Rede stehenden Dokumente eine Rückkehr auf dem Luftwege unmöglich sei, eine Unverhältnismäßigkeit der Sicherstellung keineswegs zu begründen.

 

 

 

Denn die Ausreise des Bf ist aufgrund der unklaren Nationalität des Bf sowie der Ungewissheit ob der Gültigkeit des spanischen Aufenthaltstitels – die allein dem Bf selbst aufgrund seines skizzierten fragwürdigen Verhaltens im Asyl- und Fremdenverfahren (Abtauchen in die Anonymität und Illegalität; falsche Angaben zu Identität und Nationalität), insbesondere auch seiner (zumindest teilweise) rechtswidrigen und widersprüchlichen Angaben, zuzuschreiben sind – jedenfalls aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit behördlich zu überwachen und hat daher im Wege einer Abschiebung gem. § 46 Abs. 1 Z 1 FPG zu erfolgen. So wäre die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch illegale Grenzübertritte – insbesondere auch aufgrund ungültiger bzw. unechter Aufenthaltstitel oder Reisedokumente – jedenfalls gefährdet.

 

 

 

Auch stünde dem Bf – wie aus dem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 5.4.2012 eindeutig hervorgeht – für den Fall, dass die "freiwillige" (wenngleich nichts desto trotz jedenfalls behördlich zu überwachende) Ausreise bei Vorliegen entsprechender Information hinsichtlich der Gültigkeit der spanischen Aufenthaltskarte durch die spanischen Behörden durchführbar ist, jederzeit zur Verfügung. Dabei ist zu betonen, dass auch eine freiwillige Ausreise freilich nur dann zulässig durchgeführt werden kann, wenn diese auch gesetzeskonform ist und daher mit gültigen Reisedokumenten und Aufenthaltstiteln erfolgt – was einer entsprechenden Überprüfung und Abstimmung mit den ausländischen Behörden bedarf. Der Bf wäre demnach verpflichtet gewesen, sich zum Zwecke der rechtskonformen Abschiebung (nach erfolgreicher Prüfung der Gültigkeit der vorliegenden Dokumente) der belangten Behörde zur Verfügung zu halten und nicht in die Anonymität abzutauchen.

 

 

 

Da der Bf ohne entsprechende Dokumente keinesfalls zu grenzüberschreitenden Reisebewegungen berechtigt ist, ist eine Unverhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit der Sicherstellung der gegenständlichen Dokumente verbundenen Problemen bei der Reisebewegung in anderen Staaten von vornherein ausgeschlossen. Auch das Vorbringen, dass der Bf nunmehr mühsam auf dem Landweg und nicht per Flugzeug nach Spanien reisen müsste, geht mangels Legalität eines solchen Grenzübertritts jedenfalls ins Leere.

 

 

 

In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich der Behauptung des Bf, dass die belangte Behörde durch die Sicherstellung auch gegen ihre Verpflichtung nach Art. 6 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie verstoßen habe, darauf hinzuweisen, dass Art. 6 Abs. 2 leg.cit. einen gültigen Aufenthaltstitel in einem anderen Mitgliedstaat voraussetzt. Das Vorliegen eines solchen ist im gegenständlichen Fall aber eben zweifelhaft und war von der belangten Behörde daher näher zu prüfen.

 

 

 

Abschließend ist nochmals zu betonen, dass bei der konkreten Verhältnismäßigkeitsprüfung der vorliegenden Sicherstellung die Tatsache besonders zu berücksichtigen ist, dass die Unklarheiten hinsichtlich Nationalität des Bf und Gültigkeit der vorliegenden Dokumente in bemerkenswertem Maße den falschen Angaben und dem widersprüchlichen Vorverhalten des Bf zuzuschreiben ist.

 

 

 

3.4.   Da auch sonst nichts hervorgekommen ist, was die Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Sicherstellung bewirkte, war die Beschwerde daher im Ergebnis als unbegründet abzuweisen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Dr. L u k a s

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 16. November 2012, Zl.: 2012/21/0240-3 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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