Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281399/3/Wim/Bu

Linz, 28.11.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Dr. Leopold Wimmer, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 15.2.2012, Ge96-142-1-2010, gegen die Strafhöhe, wegen Verwaltungs­übertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) zu Recht erkannt:

 

I.     Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängten Geldstrafen auf 3 x 2.000 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafen auf 3 x 16 Stunden herabgesetzt werden.

 

II.   Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 600 Euro. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kosten­beitrages zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: §§ 64 und 65 VStG.

 


Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber 3 x eine Geldstrafe von je 3.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit je eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden sowie ein 10%-iger Verfahrenskostenbeitrag wegen mehrer Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes iVm. der Bauarbeiterschutzverordnung verhängt.

 

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

 

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma "X Gesellschaft m.b.H." (protokolliert beim Firmenbuch des Landesgerichtes Wels unter FN X), die unbeschränkt haftender Gesellschafter der Firma "X GmbH & Co KG" (protokolliert beim Firmenbuch des Landesgerichtes Wels unter FN X), mit Sitz in X, X, ist, und somit als deren zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 Abs. 1 VStG 1991 idgF.) nicht dafür Sorge getragen, dass - festgestellt anlässlich der am 22.11.2010 (Tatzeitpunkt) durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Leoben durchgeführten Überprüfung der Baustelle "X, " - die Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung 1994 in Verbindung mit dem Arbeitnehmerinnen­schutzgesetz 1994 eingehalten wurden und dadurch folgende Verwaltungs­übertretungen zu verantworten:

1. Herr X (geb. X) führte am 22.11.2010 Bauarbeiten auf einem Betonträger (Bereich Stiegenhaus M3) durch. Obwohl Absturzgefahr von diesem Betonträger (Höhe ca. 12 m) bestand, waren keine geeigneten Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzein­richtungen (§ 10 BauV) angebracht. Der Arbeitnehmer war auch nicht mittels persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz sicher angeseilt.

2. Herr X (geb. X) und Herr X (geb. X) führten am 22.11.2010 Bauarbeiten auf der ungesicherten Betondecke (Bereich Stiegenhaus M3, zukünftiger Maschinenraum) durch. Obwohl Absturzgefahr von dieser Betondecke (Höhe ca 12m) bestand waren keine geeigneten Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) angebracht. Die Arbeitnehmer waren auch nicht mittels persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz sicher angeseilt.

3. Ein Arbeitnehmer des Unternehmens X GmbH & Co KG führte am 22.11.2010 Bauarbeiten bei einer ungesicherten Öffnung in der Geschoßdecke (2. OG, Bereich Stiegenhaus M3) durch. Obwohl Absturzgefahr durch eine Öffnung in dieser Geschoßdecke (Höhe ca. 12m) bestand, waren keine geeigneten Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) angebracht. Der Arbeitnehmer war auch nicht mittels persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz sicher angeseilt."

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber durch seine Rechtsvertretung rechtzeitig eine auf die Strafhöhe eingeschränkte Berufung eingebracht und darin ausgeführt:

 

"Die Behörde kommt zum Ergebnis, dass die Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des ge­setzlichen Strafrahmens zu begründen ist. Die Begründung für die Höhe der Strafen erfolgt damit, dass in allen drei Fällen bereits einschlägige Vorstrafen vorhanden wären.

Da sich jedoch aus dem Vorbringen des Zeugen Baumeister X ergibt, dass die Fa. X GmbH & Co KG jährlich interne und externe Sicherheitsschulungen durchführt bzw. durchführen lässt, weiters, dass laufend Schulungen zu dem Thema Arbeits­sicherung, wie Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, Montagerichtlinien etc. durchge­führt werden, ist davon auszugehen, dass der Versuch unternommen wird, gerade im Hin­blick auf die bereits vorhandenen Vorstrafen ein entsprechendes Kontrollsystem einzurichten.

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verhält sich diesbezüglich sehr abstrakt, sodass es kaum nachvollziehbar ist, welche Maßnahmen tatsächlich der Verwaltungsgerichtshof nun voraussetzt, damit ein solches Kontrollsystem auch vorliegt und als solches akzeptiert wird, insbesondere wird seitens des Einschreiters vor jedem Bauvorhaben die gesetzlich vorge­schriebene Evaluierung veranlasst.

Gemeinsam mit dem Si-Ge Plan werden die betreffenden Unterlagen inklusive spezieller Un­terweisung den Arbeitern zur Kenntnis gebracht. Dies erfolgte sogar nachweislich. Es wird die gesetzliche erforderliche Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt. Seitens des Einschreiters erfolgt immer wieder die Anweisung, dass ohne intakte Schutzausrüstung nicht gearbei­tet werden dürfe. Die Bauleiter sind angewiesen, die Arbeitnehmerschutzvorschriften an den einmal pro Woche besuchten Baustellen zu überprüfen. Bei größeren Baustellen sei zusätz­lich der Polier zur Überwachung dieser Vorschriften zuständig. Es wird auch auf die Einhal­tung der Kontrollkette geachtet, sofern für den Arbeitgeber erkennbar ist, dass sich Arbeit­nehmer nicht an diese Anordnungen halten, werden sie verwarnt.

Seitens des ausgewiesenen Vertreters und wenn möglich auch unter Beiziehung der Behör­de, wird daran gearbeitet, ein entsprechendes nach den Vorstellungen des Verwaltungsge­richtshofes Kontrollsystem zu erarbeiten.

Insbesondere ist bei der Strafbemessung auch zu berücksichtigen, dass die Eigenmächtigkei­ten der Mitarbeiter auch bei Einrichtung eines Kontrollsystems nicht verhindert werden kön­nen.

Jeder handelsrechtlicher Geschäftsführer ist sohin letztendlich immer einem Restrisiko aus­gesetzt, auch wenn er bemüht ist, die Maßnahmen stets zu verbessern und an die „Voraus­setzungen" der Judikatur des Verwaltungs­gerichtshofes heranzuführen.

Im gegenständlichen Fall zeigt sich, dass dieses Problem seitens der Geschäftsführung ernst genommen wird und alle möglichen Maßnahmen getroffen werden, damit derartige Vorfälle nicht mehr passieren.

Als strafmildernd gilt auch mehr oder minder vorliegendes Tatsachengeständnis, sodass be­antragt wird, das Strafausmaß im vorliegenden Fall pro Verwaltungsübertretung zu halbie­ren."

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie Einholung eines aktuellen Verwaltungsvorstrafenregisterauszuges. Da sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, konnte gemäß § 51e Abs. 3 Z2 VStG von einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen werden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Da sich die Berufung nur gegen die verhängten Geldstrafen richtet, sind die Schuldsprüche in Rechtskraft erwachsen und ist es daher dem Unabhängigen Verwaltungssenat verwehrt hierauf einzugehen.

 

4.1. Hinsichtlich der Strafbemessung hat die Erstinstanz ausgeführt:

 

"Für die Strafbemessung im ordentlichen Verfahren obliegt es der Strafbehörde, die Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens zu begründen. Aufgrund der zu berücksichtigenden einschlägigen Vorstrafen ist in allen drei Fällen der nach oben hin wesentlich schärfere Strafrahmen für wiederholte Deliktsbegehung anzuwenden. Zur erwähnten Wertung gehört die Erörterung der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und des Umstandes, ob und inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Vom Schutzzweck sind die körperliche Integrität und die Sicherheit von Arbeitnehmerinnen umfasst. Außerdem soll die österreichische Volkswirtschaft nicht durch unnötige Rehabilitationskosten verunfallter Arbeitnehmerinnen über Gebühr belastet werden. Durch das Fehlen der Schutzmaßnahmen in allen drei Fällen wurde dieser Schutzzweck jeweils in besonders hohem Maß gefährdet, denn die Arbeitnehmer waren jeweils einer erheblichen Gefährdung ihrer körperlichen Integrität ausgesetzt: Abstürze aus diesen Höhen führen meist zu tödlichen Verletzungen.

§ 19 Abs. 2 VStG schreibt vor, dass bei der Strafbemessung die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und dabei unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden sind.

Wegen Übertretung einschlägiger Arbeitnehmerinnenschutzvorschriften (BauV) wurden Sie im Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land bereits in fünf Fällen rechtskräftig bestraft. Diese Vormerkungen sind auch zeitlich hier sämtlich zu berücksichtigen: Ge96-90-2006, Ge96-73-2007, Ge96-116-2007, Ge96-124-1 -2009 und Ge96-6-1-2011. Die Tatsache der wiederholten Tatbegehung an sich ist bereits von der Strafdrohung umfasst. Erschwerend musste jedoch die Behörde werten, dass nicht nur eine, sondern fünf derartige Vormerkungen vorliegen. Dabei ist wiederum mildernd zu berücksichtigen, dass manche dieser Taten schon vor längerer Zeit begangen wurden. Sonstige Erschwerungs- und Milderungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Wie oben bereits umrissen, ist die Tat das Ergebnis einer groben Vernachlässigung gesetzlicher Pflichten.

Bei der Bemessung der (Geld-)Strafe sind die Einkommens-, Vermögens­verhältnisse und allfälligen Sorgepflichten des Beschuldigten zu berücksichtigen. Die Behörde legt hier die oben beschriebenen plausiblen Annahmen zugrunde. Diese sind nicht geeignet, die Strafhöhe zu verringern.

Spezialpräventive Bedürfnisse liegen aufgrund der bisherigen Ausführungen auf der Hand und flossen in die Erstellung des Straferkenntnisses wesentlich ein. Sie bestimmen allerdings bewusst nicht die Strafhöhe. Vielmehr werden Sie ausdrücklich auf die Ausführungen dieses Straferkenntnisses im Abschnitt von S. 5 unten bis S. 6 Mitte hingewiesen. Dieser ist bitte genau zu lesen und sind die dort enthaltenen Anforderungen an eine sorgfältige Betriebsführung auch umzusetzen.

Generalpräventive Überlegungen bestimmten die Strafbemessung, zumal es immer wieder zu einschlägigen Übertretungen kommt, und das ungesicherte Arbeiten auf derartigen Rohbauten - aufgrund der großen Höhe und der Barrierefreiheit gut wahrnehmbar - in bewohntem und verkehrsmäßig stark frequentiertem Gebiet (X am unmittelbaren Rand von X) - eine nicht vernachlässigbare negative Öffentlichkeitswirkung hat.

In die Strafe flossen auch Überlegungen hinsichtlich der etwas erhöhten Dauer bis zum Abschluss dieses Strafverfahrens ein; diesen Umstand hat die Behörde leicht strafmildernd gewertet.

in Anbetracht all dieser Erwägungen erscheint die hier verhängte Strafe - die im Ergebnis auch der beantragten Strafhöhe des Arbeitsinspektorats entspricht - tat- und schuldangemessen.

Die festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe wurde unter Berücksichtigung der Bestimmungen des §16 VStG ausgesprochen. Die Vorschreibung der Verfahrenskosten basiert auf der im Spruch zitierten Gesetzesstelle."

 

4.2. Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates ist diesen Ausführungen grundsätzlich zuzustimmen. Die Erstinstanz hat auch durchaus umfassend festgestellt, dass kein ausreichendes Kontrollsystem vorhanden war und daher Fahrlässigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG betreffend die Übertretungen anzunehmen ist.

 

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden über den Berufungswerber gemäß § 130 Abs. 5 Z1 ASchG drei Geldstrafen von jeweils 3.000 Euro bei einem Strafrahmen bis zu 14.530 Euro pro Übertretung verhängt. Die Erstbehörde hat zur Schwere der Übertretung richtigerweise festgestellt, dass bei Absturzhöhen von 12m hier in der Regel sogar mit tödlichen Verletzungen zu rechnen ist und damit die Arbeitnehmer einer erheblichen Gefährdung ausgesetzt waren.

 

Sie ist allerdings davon ausgegangen, dass der Berufungswerber bereits in fünf einschlägigen Fällen wegen Übertretung der Arbeitnehmerschutzvorschriften rechtskräftig bestraft worden ist. Dazu ist anzuführen, dass nach dem aktuellen Verwaltungsstrafregisterauszug hier nur vier Übertretungen festgestellt werden konnten und die Erstinstanz anscheinend versehentlich auch die aktuelle Übertretung mitgerechnet hat. Während die erste rechtskräftige Übertretung ausschlaggebend für den erhöhten Strafrahmen ist, sind nur die weiteren drei rechtskräftigen Übertretungen hier als zusätzlich erschwerend anzurechnen.

Ebenso war auch die nunmehr noch längere Dauer des Verwaltungsverfahrens etwas mildernd zu berücksichtigen. Überdies hat die erste Instanz das Tatsachengeständnis des Berufungswerbers nicht mildernd gewertet.

 

Es waren daher unter Berücksichtigung dieser Umstände die verhängten Strafen spruchgemäß zu reduzieren, wobei einer Halbierung pro Verwaltungsübertretung aufgrund der Gesamtumstände und auch des geschätzten unwidersprochenen Einkommens des Berufungswerbers von 6.000 Euro nicht nachzukommen war.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.


Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

 

 

 

 

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