Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167222/5/Sch/Eg

Linz, 21.11.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn H. H., x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 5. September 2012, VerkR96-12680-2012-rm, wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 14. November 2012 zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.               Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z2 VStG.

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 5. September 2012, VerkR96-12680-2012-rm, wurde über Herrn H. H. wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG 1967 iVm § 36 lit. e KFG 1967 und § 57a Abs. 5 KFG 1967 eine Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Stunden, gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 verhängt, weil er am 23.5.2012, gegen 09:40 Uhr, in der Gemeinde Vöcklabruck, Gemeindestraße Ortsgebiet, Parkplatz nächst Objekt xgasse x, als Zulassungsbesitzer des KFZ PKW, Marke x, Type x, Farbe x, pol. Kennzeichen x, nicht dafür Sorge getragen habe, dass der Zustand bzw. die Ladung des genannten KFZ den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von ihm selbst abgestellt bzw. verwendet, wobei festgestellt wurde, dass am PKW keine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette angebracht war. Die Gültigkeit der Plakette X mit der Lochung 6/11 war abgelaufen.

 

Überdies wurde der Berufungswerber gemäß § 64 VStG zu einem Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren in der Höhe von 5 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Anlässlich der eingangs angeführten und mit einem Lokalaugenschein verbundenen Berufungsverhandlung wurde der entscheidungsrelevante Sachverhalt mit dem Berufungswerber, dessen Rechtsvertreter und zwei Vertretern der Erstbehörde eingehend erörtert. Festgestellt wurde, dass die Situation, wie auf dem Lichtbild im Straferkenntnis wiedergegeben, den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Demnach ist im Zufahrtsbereich vor den Abstellplätzen nächst dem Objekt Vöcklabruck, xgasse x, eine Tafel angebracht mit folgendem Text:

"Privatgrund Unbefugtes Parken wird gerichtlich geahndet und die Fahrzeuge im Sinne des § 19 ABGB kostenpflichtig abgeschleppt. Für Schäden wird nicht gehaftet! Begehen und Befahren auf eigene Gefahr. Keine Haftung durch den Eigentümer"

 

Abgebildet ist auf der Tafel auch noch das Verkehrszeichen 'Halten und Parken verboten' sowie ein stilisierter Abschleppvorgang eines PKW.

 

Vom unterfertigten Mitglied des Oö. Verwaltungssenates wurde im hinteren Bereich der Parkfläche festgestellt, dass dort zwei Fahrzeuge ohne Kennzeichentafeln abgestellt waren.

 

Der Berufungswerber bestreitet nicht, dass zum Vorfallszeitpunkt ein auf ihn zugelassener PKW auf einer der Parkflächen mit einer abgelaufenen Begutachtungsplakette abgestellt war, allerdings vermeint er, dass es sich hiebei um eine nicht öffentliche Verkehrsfläche handle, weshalb dieser Vorgang keiner verwaltungsstrafrechtlichen Ahndung unterliegen könne.

 

4. Diese Auslegung wäre dann zutreffend, wenn es sich bei dem erwähnten Parkplatz um eine Straße ohne öffentlichen Verkehr handeln würde. Gemäß § 1 Abs. 2 StVO 1960 gilt dieses Bundesgesetz für Straßen ohne öffentlichen Verkehr insoweit, als andere Rechtsvorschriften oder der Straßenerhalter nichts anderes bestimmen. Die Befugnisse der Behörden und Organe der Straßenaufsicht erstrecken sich auf diese Straßen nicht.

 

Gegenständlich handelt es sich um eine dem Berufungswerber zur Last gelegte Übertretung des KFG 1967, hier regelt § 1 Abs. 1 KFG 1967, dass dieses Bundesgesetzes auf Straßen mit öffentlichem Verkehr anzuwenden ist, also im Umkehrschluss eben auf Straßen ohne öffentlichen Verkehr nicht gilt.

 

Somit kann auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Öffentlichkeit – Benützung für jedermann unter den gleichen Bedingungen - oder Nichtöffentlichkeit einer Verkehrsfläche, die zu § 1 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StVO 1960 ergangen ist, auch im gegenständlichen Fall Bezug genommen werden. Vorauszuschicken ist in dieser Hinsicht, dass für die Frage der Öffentlichkeit einer Verkehrsfläche die Besitz- und Eigentumsverhältnisse am Straßengrund nicht maßgeblich sind, sondern die tatsächliche Benützbarkeit der Verkehrsfläche (VwGH 28.11.2008, 2008/02/0228 ua).

 

Somit erübrigen sich weitergehende Erörterungen, wie die Eigentumsverhältnisse am Parkplatz sich darstellen, wenngleich an den Angaben des Berufungswerbers, dass hier Privateigentum vorliegt, nicht zu zweifeln ist.

 

Unter Benützung "für jedermann unter den gleichen Bedingungen" ist zu verstehen, dass irgendeine denkbare Benützung im Rahmen des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs jedermann offenstehen muss (VwGH 26.1.2002, 2001/02/0008).

 

Die eingangs umschriebene Hinweistafel droht bloß in Bezug auf "unbefugtes" Parken eine gerichtliche Ahndung samt Abschleppung des Fahrzeuges an. Gegen eine Benützung der Verkehrsfläche nicht zum Parken richtet sich der Text auf der Tafel nicht, heißt es doch dort "Begehen und Befahren auf eigene Gefahr!". Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass gegen ein Begehen oder Befahren dieser, im übrigen auch als Zugang und Zufahrt zum Hauseingang dienenden, Verkehrsfläche keine Einwände bestehen. Ein solcher Fahrzeug- und Fußgängerverkehr kann also durch einen unbestimmten Personenkreis jederzeit erfolgen, wenngleich der bzw. die Grundeigentümer jegliche Haftung für Schäden, die einem solchen Benützer entstehen können, ausschließen wollen.

 

In der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes finden sich auch Fälle, in denen der Gerichtshof von einer Straße ohne öffentlichem Verkehr ausgegangen ist. Beispielsweise gilt dies für Straßen innerhalb eines Werksgeländes (VwGH 14.4.1964, 1662/63) oder die Wiese eines Veranstaltungsgeländes, die nicht als Parkplatz dient (VwGH 19.12.2003, 2003/02/0090). Auch die ordentlichen Gerichte haben sich bereits mit dieser Frage wiederholt beschäftigt, wobei etwa eine für den übrigen Verkehr gesperrte Rennstrecke als nicht öffentliche Verkehrsfläche gewertet wurde (OGH 5.7.1989, 2Ob30/89).

 

Gemessen an diesen Judikaturbeispielen muss demgegenüber die vom Berufungswerber für das Abstellen seines Fahrzeuges verwendete Verkehrsfläche als Straße mit öffentlichem Verkehr angesehen werden.

 

5. Dem Berufungswerber ist andererseits aber Folgendes zugute zu halten:

 

Wie er bei der Berufungsverhandlung glaubwürdig und nachvollziehbar dargelegt hat, ist es langjährige Übung, dass die in Rede stehende Parkfläche als Privatgrund der Wohnungseigentümer bzw. Wohnungsmieter gewertet wurde. Es wurde als quasi selbstverständlich angesehen, dass hier nur Befugte, eben aus dem Kreis der erwähnten Personen, ihre Fahrzeuge abstellen dürfen. Diese Meinung vertritt auch die Hausverwaltung, bei der der Berufungswerber nachgefragt hatte. Der Berufungswerber kann sich auch – zumindest auf den ersten Blick – auf den Inhalt der angebrachten Verbotstafel im Zufahrtsbereich berufen. Der Verweis auf "Privatgrund" samt den Folgen für ein unbefugtes Parken lässt den Eindruck entstehen, dass hier eine private Fläche vorliegt. Von einer solchen Grundlage aus ist der nächste gedankliche Schritt des Berufungswerbers durchaus nachvollziehbar, wenn er vermeinte, sein Fahrzeug könne auf dieser Fläche auch dann abgestellt werden, wenn es nicht – etwa wegen der abgelaufenen Begutachtungsplakette - auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden dürfte. Der Berufungswerber hat also die Parkfläche als Straße ohne öffentlichen Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 2 StVO 1960 bewertet, weil für ihn aufgrund der erwähnten Umstände nichts dagegen sprach. Wäre er demgegenüber zur Erkenntnis gekommen, dass die Verkehrsfläche dennoch eine öffentliche Straße bildet, hätte er sein Fahrzeug ohne gültige Begutachtungsplakette dort nicht abgestellt.

 

6. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Angesichts der sich hier für den Berufungswerber darlegenden Sachlage ist  ihm ein Tatbildirrtum unterlaufen. Diese Rechtsfigur gilt auch im Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens (VwGH 5.6.1978, 2599/77).

 

Allerdings gilt nicht, dass, wenn der Beschuldigte über die das Tatbild erfüllende Sachlage sich irrt, ihm sein Verhalten generell nicht vorwerfbar wäre. Der Irrtum darf ihm nämlich auch nicht in fahrlässiger Form, also unter Außerachtlassen des Zumutbaren, unterlaufen sein (VwGH 26.4.2001, 2000/07/0039). Nach Ansicht der Berufungsbehörde kann in Zusammenschau der hier gegebenen Verhältnisse noch von einem entschuldbaren Tatbildirrtum beim Berufungswerber ausgegangen werden. Neben dem Text auf der schon mehrfach erwähnten Tafel im Zufahrtsbereich des Parkplatzes, der langjährigen Übung und der Auskunft der Hausverwaltung würde man den Sorgfaltsmaßstab wohl überspannen, wenn man dem Berufungswerber abverlangen würde, darüber hinaus auch noch die einschlägige Judikatur der Gerichte, die erst eine Auslegung des § 1 StVO 1960 zulässt, zu kennen.

 

Der Berufung war daher im Ergebnis Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG zur Einstellung zu bringen.

 

Angesichts der nunmehr stattgefundenen Auseinandersetzung mit der Frage, wie die Verhältnisse vor Ort rechtlich tatsächlich zu bewerten sind, sowohl durch die Erstbehörde als auch durch den Oö. Verwaltungssenat, muss dem Berufungswerber in Zukunft allerdings bewusst sein, dass seine bisherige Betrachtungsweise nicht rechtsrichtig war.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

S c h ö n

 

 

 

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