Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401227/12/WEI/Ba

Linz, 06.11.2012

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des R R, geb. X, Staatsangehöriger von Aserbaidschan, vormals Schubhaft im Polizeianhaltezentrum Wien, vertreten durch M, P, W, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft in der Zeit vom 16. bis 29. Oktober 2012 als rechtmäßig festgestellt.

 

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 38/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage vom nachstehenden Gang des Verfahrens und Sachverhalt aus:

 

1.1. Mit Mandatsbescheid vom 16. Oktober 2012, Zl. Sich40-1978-2011, ordnete die belangte Behörde auf der Grundlage des § 76 Abs 2 Z 2 FPG gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden nur Bf) die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG) und der Abschiebung (§ 46 FPG) an. Der Bescheid, dessen Spruch und Rechtsmittelbelehrung ins Türkische und damit in eine für den Bf verständlichen Sprache übersetzt wurden, hat der Bf am 16. Oktober 2012 um 14:20 Uhr in Gegenwart einer Dolmetscherin persönlich übernommen, er verweigerte aber die Unterschrift zur Bestätigung der Zustellung und äußerte, unter keinen Umständen ausreisen zu wollen. In der Folge wurde er zum Vollzug der Schubhaft ins polizeiliche Anhaltezentrum (PAZ) der Bundespolizeidirektion Wien überstellt.

 

1.2. Aus dem Schubhaftbescheid und der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche Sachverhalt:

 

1.2.1. Der Bf reiste gemeinsam mit seiner Ehefrau über eine unbekannt gebliebene Reiseroute in das Bundesgebiet von Österreich illegal ein. Beide stellten am 27. Mai 2011 einen Asylantrag beim Bundesasylamt (BAA), Erstaufnahmestelle (EASt) West. Durch einen gültigen Personalausweis galt die Identität als gesichert. Mangels eigener Mittel wurde eine bundesbetreute Unterkunft zugewiesen

 

Mit Bescheid des BAA EASt West vom 2. August 2011 wurde zur Zl. 11 05.169 der Asylantrag des Bf abgewiesen, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Aserbeidschan nicht zugesprochen und gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 die Ausweisung nach Aserbeidschan verfügt. Der Bf hielt sich zu dieser Zeit mit seiner Gattin in der Betreuungsstelle Nord in Perg auf und kam nach eingebrachter Beschwerde an den Asylgerichtshof in die landesbetreute Unterkunft im Caritasheim in W im Bezirk P.

 

Die Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid hat der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. September 2011, Zl. E11 420.627-1/2011/10E, gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung des Asylgerichtshofs erwuchs mit 4. Oktober 2011 in Rechtskraft.

 

Der Bf reiste in der Folge nicht etwa freiwillig aus, sondern tauchte in die Anonymität ab und wurde am 10. Oktober 2011 fremdenpolizeilich zur Festnahme ausgeschrieben. Rund zwei Monate später meldete er sich polizeilich bei seiner Schwester in I, F, an (seit 1.12.2011 laut ZMR-Anfrage im Asylverfahren). Er stellt dann in I einen Antrag auf Niederlassungsbewilligung, der im Instanzenzug mit Bescheid des BMI vom 11. Juli 2012 rechtskräftig abgewiesen wurde.

 

1.2.2. Während die Ehegattin des Bf zur freiwilligen Rückkehr bereit war und am 21. September 2012 nach Aserbeidschan zurückkehrte, stellte der Bf am 12. Oktober 2012 zu Zl. 12 14.647 einen weiteren Asylantrag beim BAA EASt West. Es wurde ihm auf seinen Wunsch eine bundesbetreute Unterkunft in der Erstaufnahmestelle zugewiesen.

 

Bei der Erstbefragung am 12. Oktober 2012 gab der Bf an, ohne Unterstützung von Bezugspersonen und weitgehend mittellos (200 Euro) zu sein. Seine Ehefrau sei nach Aserbeidschan zurückgekehrt und würde sich von ihm scheiden lasse wollen, weil sei ihm mit der Polizei keine Probleme machen wollte. Die Frage nach Beschwerden oder Krankheiten verneinte er bis auf Ohrenschmerzen, für die er aber nicht Medikamente einnehme. Zu den Asylgründen verwies er auf seine Erstangaben zur Festnahme als Mitglied der Oppositionspartei Musavati bei einer Demonstration in Zaqatala. Er wäre eingesperrt worden und man hätte ihn in der Haft vergewaltigt, was er früher nicht erwähnt hätte, weil er sich schämte. Im Fall seiner Rückkehr würde er noch schlimmer behandelt werden. Er sei seit ca 6 Monaten Zeuge Jehovas.

 

Bei der asylbehördlichen Einvernahme vom 16. Oktober 2012 gab er an Rücken, Kopf- und Ohrenschmerzen zu haben, aber nicht regelmäßig Medikamente einzunehmen. Zu seiner Religion meinte er, dass er auf dem Papier Moslem wäre, jedoch glaube er an die Zeugen Jehovas. Er sei aber noch nicht getauft. Auf die Frage, wie Christus gestorben sei, antwortete er: "Er wurde geschlagen und aufgehängt."

 

Als Grund für den neuerlichen Asylantrag gab der Bf an, dass er kein Leben mehr in Aserbeidschan führen könne. Er hätte Beweismittel, dass ihn die Polizei suche. Dazu legte er ein Schreiben vom 9. August 2012 betreffend seine Ladung zur Polizeidienststelle Zaqatala vor. Er bestätigte, dass er dieselben Fluchtgründe wie im Erstasylverfahren geltend mache, meinte aber, dass er nunmehr Beweismittel hätte. Auf die Frage, ob er noch etwas Asylrelevantes angeben möchte, erklärte er, im April 2011 vergewaltigt worden zu sein.

 

Die Asylbehörde folgte dem Bf Länderfeststellungen zu Aserbeidschan aus und räumte eine Stellungnahmefrist bis zur weiteren Einvernahme ein. In weitere Folge teilte sie dem Bf mit, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Er erklärte dazu, eine Änderung der Entscheidung und die nochmalige Bearbeitung zu wünschen.

 

Diese Mitteilung der Asylbehörde gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 erging an den Bf auch mit Schreiben vom 16. Oktober 2012, in dem zudem die Absicht erklärt wurde, den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben (Hinweis auf § 12a Abs 2 AsylG). Diese als eingeleitetes Ausweisungsverfahren geltende Mitteilung wurde auch der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht, in deren Auftrag der Bf nach der asylbehördlichen Einvernahme von Organen der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau festgenommen wurde.

 

Die belangte Behörde betont den vehementen Ausreiseunwillen des Bf, dem nunmehr die beabsichtigte Zurückweisung des Folgeantrages und überdies bekannt sei, dass der Fremdenbehörde die für Aserbeidschan benötigten Einreisedokumente vorliegen. Die Identität des Bf sei durch sichergestellte Originaldokumente gesichert, seine Abschiebung in Kürze durchführbar. Die Fremdenpolizeibehörde ging daher davon aus, dass die Information der Asylbehörde für den Bf ein absolut fluchtauslösendes Ereignis darstellte.

 

1.2.3. Am 24. Oktober 2012 fand eine weitere asylbehördliche Einvernahme des Bf in der EASt West in Gegenwart eines Dolmetschers und der Rechtsberaterin des Bf statt, bei der er eine Kopie eines Ausweises der Musavat Partei vorlegte. Zur abermals mitgeteilten Absicht, seinen Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, erklärte er, in Aserbeidschan getötet zu werden.

 

Die Asylbehörde verkündete dem Bf dann den mündlichen Bescheid gemäß § 12 Abs 2 iVm § 22 Abs 10 AsylG 2005 mit folgendem Spruch:

 

"Der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, wird gemäß § 12a Abs 2 AsylG aufgehoben."

 

In der im Einzelnen beurkundeten Begründung stellt die Asylbehörde nach näherer Darstellung des Verfahrensgangs, der vorgelegten Beweismittel sowie der geltend gemachten Fluchtgründe fest, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des vorangegangen Verfahrens nicht geändert habe und der neue Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen sein werde.

 

Das gegenständliche Vorbringen baue nur auf dem rechtskräftig als unglaubwürdig im Erstasylverfahren beurteilten Vorbringen auf und werde durch die nunmehr erstmals behauptete Vergewaltigung gesteigert, was der Bf aber sicherlich, wenn es den Tatsachen entspräche, schon im ersten Verfahren vorgebracht hätte. Auch die vorgelegten Beweismittel werden mit detaillierten Argumenten für ungeeignet gehalten, das Vorbringen zu bestätigen. Da der Bf auch noch kein getaufter Zuge Jehovas ist und keine korrekten Angaben zu diesem Glauben machen konnte, erachtet die Asylbehörde dieses gesteigerte Vorbringen nur als Zweckbehauptung zur Verhinderung der Ausweisung in den Herkunftsstaat.

 

Zur Person des Bf und den von ihm behaupteten gesundheitlichen Beschwerden stellte die Asylbehörde fest, dass er, obwohl er vor knapp 1,5 Jahren einreiste, noch nie einen Arzt oder ein Krankenhaus in Österreich aufsuchte. Er legte dem BAA auch im zweiten Asylverfahren keine medizinischen Unterlagen vor. Da er sich in Schubhaft befindet, könne er jederzeit einen Arzt aufsuchen. Er sei haftfähig, weil der Arzt keine lebensbedrohlichen Krankheiten feststellen habe können und er ansonsten sofort in ein Krankenhaus überwiesen worden wäre. Die Asylbehörde geht davon aus, dass der Bf durch sein Verhalten nur verhindern wollte, in Schubhaft zu kommen.

 

Rechtlich stellt die Asylbehörde die §§ 12a iVm 22 Abs 10 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 38/2011 dar und führt weiter aus, dass ein Folgeantrag vorliege, der zurückzuweisen sein werde, und dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat zu keiner Bedrohung des Bf führen werde. Auch bezüglich seiner persönlichen Verhältnisse sei keine Veränderung eingetreten. Die Zulässigkeit der Ausweisung sei nach wie vor nicht anzuzweifeln. Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsland und sein Vorbringen lassen keinen Gefahr iSd § 12a Abs 2 Z 3 AsylG 2005 befürchten.

 

1.3. Am Freitag, dem 19. Oktober 2012, langte außerhalb der Amtsstunden eine per Telefax vom M als Vertreter für den Bf erhobene Schubhaftbeschwerde ein, die nach Wiederbeginn der Amtsstunden am 22. Oktober 2012 erfasst wurde. Da für den bevollmächtigten Verein nur mit unleserlicher Paraphe gefertigt worden war, erteilte der Oö. Verwaltungssenat einen Verbesserungsauftrag und verlangte die Offenlegung, welche natürliche Person als Vereinsvertreter aufgetreten ist. Mit Telefaxschreiben vom 24. Oktober 2012 teilte Rechtsanwalt Dr. L B als Vereinsobmann mit, dass der vertretungsbefugte Mitarbeiter T A die Beschwerde verfasst und für den M unterfertigt hätte. Es erfolge hiermit auch die "an sich überflüssige schriftliche Bevollmächtigung" durch ihn als Obmann des Vereines. Damit wurde nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats dem Verbesserungsauftrag binnen der gesetzten Frist entsprochen.

 

Die Beschwerde bekämpft die Verhängung der Schubhaft durch den gegenständlichen Bescheid und die darauf beruhende Anhaltung in Schubhaft und strebt die kostenpflichtige Rechtswidrigkeitserklärung an.

 

1.4. Aus Anlass der Behauptungen in der Schubhaftbeschwerde zum Gesundheitszustand des Bf und zur Selbstmordgefahr wurden über Ersuchen des Oö. Verwaltungssenats ergänzende Erhebungen durch Anfragen an den polizeiärztlichen Dienst im PAZ Wien (Sanitätsstelle) zur Frage der Haftfähigkeit des Bf und seiner medizinischen Versorgungsmöglichkeiten durchgeführt. Die belangte Behörde stellte dazu per E-Mail folgende Fragen:

 

Frage 1)

In welchen Intervallen wird Herr R R im PAZ Wien medizinisch behandelt bzw begutachtet bzw. in welchen Intervallen wird das Vorliegen der Haftfähigkeit medizinisch festgestellt?

 

Frage 2)

Liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt (23.10.2012) die Haftfähigkeit des Herrn R R vor?

 

Frage 3)

Besteht im PAZ Wien in einem aus medizinischer Sicht gesehen ausreichenden Umfang die Möglichkeit Herrn R R psychologisch bzw. psychiatrisch zu betreuen bzw zu behandeln?

 

Die Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug der Landespolizeidirektion Wien veranlasste die Beantwortung durch den polizeiärztlichen Dienst im PAZ Wien und übermittelte das Ergebnis per E-Mail vom 25. Oktober 2012, in dem darauf hingewiesen wurde, dass sich der Bf seit 23. Oktober 2012 im Hungerstreik befinde.

 

Die Ärztin Dr. A S erklärte zur Frage 1) dass der Bf jeden Tag begutachtet werde, wobei alle wichtigen medizinischen Vitalparameter untersucht und der gesamte klinische Eindruck des Patienten festgestellt werde. Zur Frage 2) führt die Ärztin an, dass am 24. Oktober 2012, dem Tag ihrer Stellungnahme, die Haftfähigkeit des Bf vorliege, weil keine medizinisch relevanten Parameter von der Norm abweichen. Zur Frage 3) wird ausgeführt, dass der Bf seit seinem Aufenthalt im PAZ Wien bereits viermal den Psychiater in Anwesenheit eines Dolmetschers besucht habe.

 

Aus dem aktenkundigen Ausdruck der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des BMI den Bf betreffend ergibt sich, dass der Bf am 16. Oktober 2012 gegen 20:35 Uhr ins PAZ Wien eingeliefert wurde. Um 20:47 Uhr erfolgte Meldung wegen Verhaltensauffälligkeit, weil er beim Ausfüllen des Anamnesebogens Selbstmordabsichten äußerte. Zur Verhinderung einer Selbstbeschädigung wurde er visitiert und auf Einzelzelle 332 verlegt. Er befand sich danach vom 16. Oktober 2012 ab 21:35 Uhr bis zum 19.Oktober 2011 um 12:10 Uhr auf der Sicherheitszelle Nr. 332. Es ist demnach davon auszugehen, dass ab Verlegung auf eine gewöhnliche Zelle keine Selbstmordgefahr mehr im PAZ Wien angenommen wurde.

 

Zu der insgesamt grundsätzlich gegebenen Haftfähigkeit des Bf kann auf die oben dargestellte Auskunft des polizeiärztlichen Dienstes im PAZ Wien verwiesen werden, an deren Richtigkeit kein Grund zu zweifeln besteht.

 

1.5. Der Bf wurde schließlich über Ersuchen der belangten Behörde am 29. Oktober 2012 um 11:00 Uhr aus der Schubhaft entlassen (vgl Entlassungsschein des PAZ Wien). Im Telefaxersuchen vom 29. Oktober 2012 wird als Entlassungsgrund die "festgestellte Haftunfähigkeit infolge Hungerstreiks" angeführt. Die belangte Behörde wurde zuvor per Telefax vom gleichen Tag durch den Amtsarzt der LPD Wien Dr. J darüber informiert, dass anlässlich der Untersuchung des Bf am 29. Oktober 2012 dessen Haftunfähigkeit wegen seines Zustands (Gewichtsverlust, schlechter Allgemeinzustand) nach 7 Tagen Hungerstreik eingetreten sei.

 

1.6. Mit einem am 29. Oktober 2012 um 22:19 Uhr gesendeten Telefaxschreiben des Ms  wurde dem Oö. Verwaltungssenat die Entlassung des Bf aus der Schubhaft mitgeteilt und ergänzend behauptet, aus dem Protokoll des BAA EASt West vom 24. Oktober 2012 ergäbe sich, dass kurzfristig nicht mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates gerechnet werden könnte und dass der Bf "gänzlich neue asylrelevante Gründe" angegeben hätte, weshalb mit einer inhaltlichen Prüfung des Antrags zu rechnen wäre. Alle Anträge würden daher aufrecht erhalten.

 

Dieses Vorbringen ist offensichtlich unrichtig und aktenwidrig. Die Asylbehörde hat den Bf am 24. Oktober 2012 das zweite Mal in Anwesenheit einer Rechtsberaterin und eines Dolmetschers einvernommen und ergänzend zur vorgelegten Kopie eines Parteiausweises, nach medizinischen Unterlagen und zu den Länderfeststellungen befragt. Danach teilte sie ihm in Wahrheit abermals ihre Absicht mit, seinen Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, und räumte ihm nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme ein. Nach einer Unterbrechung der Einvernahme für 15 Minuten wurde ihm schließlich der Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 samt der näheren Begründung verkündet und dies im Einzelnen beurkundet (vgl dazu oben Punkt 1.2.3.).

 

Die belangte Behörde hat sich außerdem mit Schreiben vom 24. Oktober 2012 wegen eines Ersatzreisedokuments für den Bf an die Botschaft von Aserbeidschan gewandt und zum Nachweis seiner Identität auf den Personalausweis des Bf verwiesen. Zuvor konnte die Bundespolizeidirektion I einen von der Konsularabteilung der Botschaft bereits für 10. Juli 2012 vorgesehenen Vorsprachetermin wegen des damals unbekannten Aufenthalts des Bf nicht wahrnehmen.

 

Die belangte Behörde hat mit Telefaxschreiben vom 30. Oktober 2012 berichtet, dass für 6. November 2012 ein Botschaftstermin möglich gewesen wäre, wenn der Bf nicht aus der Schubhaft entlassen hätte werden müssen. Nunmehr sei er auch polizeilich an keinem Wohnsitz gemeldet und habe sich auch keiner Krankenbehandlung unterzogen, weil diesfalls eine Anfrage zur Kostentragung ergangen wäre. Der Mitteilung des Konsuls vom 29. Oktober 2012 ist zu entnehmen, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Bf wahrscheinlich erfolgen wird, weil die Fremdenpolizeibehörde im entscheidenden Besitz des Personalausweises zum Nachweis der Identität des Bf ist. Die unzutreffende nachträgliche Behauptung der Vertretung des Bf, dass kurzfristig nicht mit einem Ersatzreisedokument für den Bf gerechnet werden könne, lässt sich dem Protokoll der mit der Beischaffung gar nicht befassten Asylbehörde keineswegs entnehmen und erscheint daher frei erfunden.

 

 

2.1. In der Beschwerde vom 19. Oktober 2012 wird nach rudimentären Ausführungen zum Sachverhalt im Wesentlichen vorgebracht, dass der Gesundheitszustand des Bf nicht gut sei und Selbstmordgefahr bestünde, weshalb er sich in der Sicherungszelle befinde. Im neuen Asylverfahren wäre angesichts neuer Gründe keine Entscheidung nach § 68 AVG zu erwarten.

 

In der weiteren Begründung wird der Sicherungsbedarf bestritten und Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft behauptet. Der Bf wäre jederzeit greifbar gewesen. Die Gefahr des Untertauchens bestünde nicht. Wegen des offenen Asylverfahrens wäre eine hypothetische Abschiebung zeitnah nicht zu erwarten. Der Gesundheitszustand des Bf habe sich verschlechtert, die Anhaltung werde daher immer unverhältnismäßiger. Dann wird aus der Judikatur zu § 76 Abs 1 FPG (Hinweis auf VwGH 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432) zitiert, wonach fehlende Ausreiseunwilligkeit allein die Schubhaft nicht zu rechtfertigen vermag. Gelindere Mittel wären nie geprüft worden. Unabhängig von der Haftfähigkeit sei die Haft unverhältnismäßig, seil sich der Gesundheitszustand des Bf durch die Anhaltung verschlechtere.

 

2.2. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsakten auf elektronischem Wege vorgelegt. Im Vorlageschreiben vom 23. Oktober 2012 ist sie der Schubhaftbeschwerde entgegen getreten und hat deren kostenpflichtige Abweisung beantragt, um den illegalen Aufenthalt des Bf beenden und die alsbald durchsetzbare asylrechtliche Ausweisung durch Abschiebung des Bf in sein Herkunftsland vollziehen zu können. Zum Gesundheitszustand des Bf wird auf dessen Untersuchung durch den Amtsarzt (laut Anhaltedatei am 17.10.2012) und darauf verwiesen, dass im Falle einer gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigung die Haftunfähigkeit durch den Amtsarzt bereits festgestellt worden wäre.

 

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat auf Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG (idF seit BGBl I Nr. 122/2009) ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Nach § 83 Abs 2 FPG gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe, dass

  1. eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und
  2. die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet.

 

Gemäß § 83 Abs 4 FPG hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Im vorliegenden Fall hat die Bundespolizeidirektion Wels den Schubhaftbescheid erlassen und die Anhaltung in Schubhaft angeordnet. Der Oö. Verwaltungssenat ist daher örtlich zuständig. Der Bf wird noch in Schubhaft angehalten, seine Beschwerde ist zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 1a FPG dürfen unmündige Minderjährige nicht in Schubhaft angehalten werden.

 

Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

4.3. Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Nach § 80 Abs 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

 

  1. zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;
  2. vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall des Abs 3 und 4 vorliegt.

 

§ 80 Abs 3 FPG erlaubt die Aufrechterhaltung der Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden darf, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist.

 

§ 80 Abs 4 FPG enthält weitere Verlängerungsgründe. Kann oder darf der Fremde nur deshalb nicht abgeschoben werden,

 

  1. weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist oder
  2. weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder
  3. weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt,

 

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden, es sei denn, die Nichtvornahme der Abschiebung ist dem Verhalten des Fremden zuzurechnen. In diesen Fällen darf der Fremde wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten  nicht länger als 10 Monate in Schubhaft angehalten werden. Gleiches gilt, wenn die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen hat. Ebenso kann die Schubhaft, die gemäß § 76 Abs 2 FPG verhängte wurde, länger als sechs Monate in einem Jahr, aber nicht länger als 10 Monate in 18 Monaten aufrecht erhalten werden.

 

Gemäß § 80 Abs 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 oder 2a verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge ohnehin auch ein Verlängerungsfall nach § 80 Abs 4 Z 1 bis 3 FPG vor. Wird einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt. Die Schubhaftdauer darf in diesen Fällen die Dauer von 10 Monaten innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nicht überschreiten.

 

4.4. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verlangt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft nach § 76 Abs 1 FPG eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen. Dabei ist der Frage nach dem Sicherungsbedürfnis nachzugehen, was die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, der Fremde werde sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen zumindest wesentlich erschweren.

 

In der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vermag die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht zu rechtfertigen. Deshalb kann auch die Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft noch nicht rechtfertigen. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland in Betracht kommt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon mehrfach betont, dass in Bezug auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes aus Überlegungen zu einem strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Fehlverhalten alleine nichts zu gewinnen sei (ständige Rspr; vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288 und Zl. 2004/21/0003; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246).

 

Überdies ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beim Sicherungserfordernis die konkrete Situation des Beschwerdeführers (Einzelfallprüfung) zu prüfen. Deswegen verbietet sich auch ein Abstellen auf allgemeine Erfahrungen im Umgang mit Asylwerbern oder aus anderen Fällen (vgl VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091).

 

4.5. In dem aus Anlass einer Amtsbeschwerde ergangenen Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2007/21/0542, hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst wiederholt, dass die bloße Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft nicht zu rechtfertigen vermag, sondern der Sicherungsbedarf müsse in weiteren Umständen begründet sein, wofür etwa eine mangelnde soziale Verankerung in Österreich in Betracht komme (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Für die Bejahung des Sicherungsbedarfs im Anwendungsbereich des § 76 Abs 1 FPG komme daher insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, welche das befürchtete Risiko des Untertauchens rechtfertigen können (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0162). Abgesehen von der Integration des Fremden sei bei Prüfung des Sicherungsbedarfs auch das bisherige Verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen (Hinweis auf VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/0311; VwGH je vom 28.06.2007, Zl. 2006/21/0091 und Zl. 2006/21/0051). Auch wenn Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nach dem Gesetz keinen tauglichen Schubhaftzweck darstellen (vgl etwa VwGH 31.08.2006, Zl. 2006/21/0087; VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/311) kann nach dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2009 der Verurteilung eines Fremden im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Bedeutung zukommen. Eine erhebliche Delinquenz des Fremden kann das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität seiner baldigen Abschiebung – in Abhängigkeit von der Schwere der Straftaten - maßgeblich vergrößern.

 

4.6. Im Erkenntnis vom 26. August 2010, Zl. 2010/21/0234, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit den durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 (BGBl I Nr. 122/2009) neu eingeführten Schubhafttatbeständen des § 76 Abs 2a FPG näher befasst und unter Hinweis auf Judikatur des Verfassungsgerichtshofs und eigene Vorjudikatur klargestellt, dass die Schubhaft auch im Anwendungsbereich des neuen § 76 Abs 2a FPG mit der strukturell abweichenden Einleitung "hat... anzuordnen" nur zulässig sei, wenn sie notwendig und verhältnismäßig ist. Auch der Hinweis in den Erläuterungen (330 BlgNR 24. GP), dass in diesen Fällen grundsätzlich von einem Sicherungsbedürfnis auszugehen sein werde, stehe der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht entgegen. Sinngemäß habe dies nämlich schon in der bisherigen Judikatur zu § 76 Abs 2 FPG seinen Niederschlag gefunden, indem der Verwaltungsgerichtshof aussprach, dass sich mit dem Fortschreiten der einzelnen Phasen des Asylverfahrens aus der Sicht des Asylwerbers die Wahrscheinlichkeit verdichte, dass er abgeschoben werden könnte. Insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung könnten dann auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (Hinweis auf VwGH 25.3.2010, Zl. 2008/21/0617).

 

Der Tatbestand des § 76 Abs 2a FPG in der ersten Variante (Zurückweisung gemäß dem § 5 AsylG 2005 verbunden mit einer durchsetzbaren Ausweisung) stelle sich als Sonderfall des § 76 Abs 2 Z 1 FPG dar. Deshalb bedarf es in seinem Anwendungsbereich (Ähnliches mit unterschiedlicher Gewichtung gelte auch für die anderen Tatbestände) im Sinne des zitierten Erkenntnisses vom 25. März 2010 weniger ausgeprägter Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs. Auch bei den Schubhafttatbeständen des § 76 Abs 2a FPG sei nach dem "ultima ratio–Prinzip" mit der Verhängung eines bloß gelinderen Mittels vorzugehen, wenn einem allfälligen Sicherungsbedürfnis schon auf diesem Weg genüge getan werden könne. Auch ein Sicherungsbedarf führe nicht zur Schubhaft, wenn iSd letzten Halbsatzes des § 76 Abs 2a FPG besondere Umstände in der Person des Asylwerbers entgegen stehen.

 

Auch zu § 76 Abs 2a FPG stellte der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 26. August 2010 klar (mit Hinweis auf seine Judikatur seit VwGH 8.09.2005, Zl. 2005/21/0301), dass fehlende Ausreisewilligkeit für sich allein, wenn sie nicht in besonderen Umständen ihren Niederschlag findet, die Verhängung von Schubhaft nicht zu rechtfertigen vermag, zumal das asylrechtliche Verfahren in den Fällen des § 76 Abs 2a FPG noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Auch die Abschiebevoraussetzungen des § 46 Abs 1 FPG können ein Sicherungsbedürfnis nicht begründen. Auch Mittellosigkeit und fehlende Integration sind bei Asylwerbern, die Anspruch auf Grundversorgung haben, kein tragfähiges Argument. Die Heranziehung dieser Gesichtspunkte ist bei Asylwerbern, die sich noch nicht lange in Österreich aufhalten, regelmäßig verfehlt (zur stRsp Hinweis auf VwGH 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512).

 

Auch bei Heranziehung eines Schubhaftgrundes nach § 76 Abs 2a FPG bedarf es der gerechtfertigten Annahme, der Fremde werde sich dem asylrechtlichen Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung oder der Abschiebung insbesondere durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen wesentlich erschweren. Bei dem für die Beurteilung entscheidenden "Vorverhalten" des Fremden spielen die Art und Umstände der Reisebewegung, des Behördenkontaktes in Österreich und Gesichtspunkte der Mitwirkung im Asylverfahren ein Rolle.

 

4.7. Im gegenständlichen Fall konnte die belangte Behörde die Verhängung der Schubhaft am 16. Oktober 2012 auf den § 76 Abs 2 Z 2 FPG stützen, weil an diesem Tag die Mitteilung der Asylbehörde gemäß § 29 Abs 2 AsylG 2005 über die beabsichtigte Zurückweisung des neuen Asylantrags und die beabsichtigte Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes erging, die auch als eingeleitetes Ausweisungsverfahren galt.

 

Zuvor wäre schon § 76 Abs 2 Z 3 FPG in Betracht gekommen, weil gegen den Bf vor der Stellung des zweiten Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bzw Ausweisung erlassen worden ist (vgl abweisendes Erkenntnis des AGH vom 29.09.2011, rechtswirksam am 04.10.2011, im ersten Asylverfahren). Dieser Schubhafttatbestand hat vor allem den Zweck, der missbräuchlichen Stellung von Asylanträgen (insbesondere auch Folgeanträgen) kurz nach dem Vorliegen durchsetzbarer Ausreiseentscheidungen entgegenzuwirken. Gemäß § 10 Abs 7 Satz 1 AsylG 2005 gilt eine durchsetzbare asylrechtliche Ausweisung als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen.

 

Dieser Ausreiseverpflichtung gemäß § 10 Abs 7 Satz 1 AsylG 2005 ist der Bf nicht nachgekommen, vielmehr ist er vorerst einmal untergetaucht und hat sich erst am 1. Dezember 2011 wieder polizeilich angemeldet. Sein folgendes Bemühen um eine Niederlassungsbewilligung war erfolglos und wurde mit Bescheid des BMI vom 11. Juli 2012 rechtskräftig abgewiesen. Um der drohenden Abschiebung zu entgehen und wieder eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu erlangen, stellte der Bf schließlich beim BAA EASt West einen Folgeantrag auf Asyl zu Zl. 12 14.647. Als Fluchtgründe brachte er im Wesentlichen dieselben wie im Erstverfahren vor, was er bei der asylbehördlichen Einvernahme vom 16. Oktober 2011 (vgl Niederschrift, Seite 4 oben) auch ausdrücklich einräumte. Nur habe er jetzt Beweismittel.

 

Die Asylbehörde kündigte ihm dazu die Zurückweisung wegen entschiedener Sache an (Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005) und leitete damit neuerlich ein Ausweisungsverfahren gegen ihn ein, zumal diese Bekanntgabe im Zulassungsverfahren gemäß § 27 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 auch als Einleitung eines (weiteren) Ausweisungsverfahrens gilt. Außerdem gab sie bekannt, ihm den faktischen Abschiebeschutz mit mündlichem Bescheid gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 aufheben zu wollen. Diese Mitteilungen der Asylbehörde rückten die alsbald drohende Abschiebung für den Bf wieder vehement in den Vordergrund, zumal er auch damit rechnen musste, dass die Fremdenpolizeibehörde mit seinen Personalausweis voraussichtlich ohne Probleme ein Ersatzreisedokument der Botschaft von Aserbeidschan beischaffen werde können. Der Oö. Verwaltungssenat kann angesichts dieser Umstände der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie davon ausging, der Bf werde nunmehr mangels einer aufenthaltsrechtlichen Perspektive im zweiten Asylverfahren abermals bei nächster Gelegenheit in die Anonymität abtauchen und sich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde entziehen.

 

Durch den Fortgang des Asylverfahrens liegt mittlerweile auch der Schubhaftgrund des § 76 Abs 2a Z 5 FPG vor, weil der Bf als Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 2 iVm § 22 Abs 10 AsylG 2005 anlässlich der asylbehördlichen Einvernahme am 24. Oktober 2012 mit mündlich verkündetem Bescheid aufgehoben wurde. Diese Entscheidung des BAA ist von Amts wegen noch der Überprüfung durch den Asylgerichtshof gemäß § 41a AsylG 2005 zu unterziehen. Nach § 41a Abs 2 leg.cit. sind mit Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs 2 AsylG die Aufhebung des Abschiebungsschutzes und eine aufrechte Ausweisung (aus dem ersten Asylverfahren) durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Ausweisung umsetzenden Abschiebung muss bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs 10 leg.cit. vorzulegenden Verwaltungsakten beim Asylgerichtshof zugewartet werden. In diesem Verfahrensstadium droht demnach ganz zeitnah die Abschiebung.

 

Nach der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs genügen mit dem – infolge Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes - Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung (aus dem ersten Asylverfahren) auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs. In der gegebenen Phase des Asylverfahrens über den Folgeantrag des Bf, in der die Asylbehörde voraussichtlich auch den Folgeantrag des Bf sehr bald zurückweisen wird, war der Sicherungsbedarf grundsätzlich indiziert. Der Bf muss im nunmehrigen Stadium nicht nur mit der Zurückweisung seines Folgeantrags, sondern auch mit einer weiteren durchsetzbaren Ausweisung rechnen. Auch insofern droht ihm ganz zeitnah die Abschiebung.

 

Die belangte Behörde hat der Sache nach zutreffend argumentiert, dass beim Bf ein erhöhter Sicherungsbedarf angenommen werden muss, bei dem ein gelinderes Mittel nach § 77 FPG nicht in Betracht kommt, weil der Zweck der Schubhaft damit voraussichtlich nicht erreichbar wäre. Durch die besonderen Umstände des Falles mit der ausgeprägten Ausreiseunwilligkeit nach Aserbeidschan, die hohe Flexibilität des Bf infolge mangelnder sozialer Verankerung in Österreich und das dargelegte Vorverhalten des Bf nach negativem Abschluss des ersten Asylverfahrens ist anzunehmen, dass sich der Bf der drohenden Abschiebung auf freiem Fuße mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entziehen wird.

 

4.8. Zur pauschal behaupteten Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft wegen des Gesundheitszustandes des Bf kann auf die tatsächlichen Feststellungen im Punkt 1.4. verwiesen werden. Aus der Mitteilung des ärztlichen Dienstes im PAZ Wien vom 24. Oktober 2012 ergab sich die Haftfähigkeit des Bf, die während der gesamten Schubhaft im Rahmen der regelmäßigen medizinischen Kontrolle und bedarfsgerechten psychiatrischen Betreuung des Bf im PAZ Wien wiederholt überprüft und festgestellt wurde. Erst durch den Hungerstreik seit 23. Oktober 2012 verschlechterte sich der Allgemeinzustand des Bf zunehmend, weshalb schließlich unverzüglich nach der entsprechenden amtsärztlichen Meldung am 29. Oktober 2012 von der belangten Behörde seine Entlassung wegen Haftunfähigkeit veranlasst wurde. Für den Oö. Verwaltungssenat ist in diesem Zusammenhang keinerlei Säumnis der belangten Behörde erkennbar.

 

 

5. Im Ergebnis war aus den dargelegten Gründen davon auszugehen, dass die Verhängung der Schubhaft gegen den Bf notwendig und seine Anhaltung in der Zeit vom 16. bis 29. Oktober 2012 verhältnismäßig war, weil diese Maßnahme im überwiegenden öffentlichen Interesse eines geordneten Fremdenwesens lag. Die vorliegende Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

 

Gemäß § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG 1991 ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist der belangten Behörde Vorlage- und Schriftsatzaufwand entstanden, weshalb der Verfahrensaufwand der obsiegenden belangten Behörde mit insgesamt 426,20 Euro festzusetzen und dem Bf der Kostenersatz zugunsten des Bundes aufzutragen war.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Bundestempelgebühren für die eingebrachte Beschwerde ON 1 (14,30 Euro), das Ergänzungsschreiben ON 9 (14,30 Euro) und eine Beilage kurz (3,90 Euro), insgesamt daher in Höhe von 32,50 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Dr. W e i ß

 

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