Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401139/26/Gf/Rt VwSen-401158/15/Gf/Rt

Linz, 17.12.2012

 

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Beschwerde des V, vertreten durch RA Dr. B wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Polizeidirektor der Stadt Linz vom 17. Oktober 2011 bis zum 9. Februar 2012 nach der am 13. Dezember 2012 durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht:

 

I. Der Umstand, dass über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt und diese Maßnahme vom 17. Oktober 2011 bis zum 9. Februar 2012 auch faktisch vollzogen wurde, wird als rechtswidrig festgestellt.

II. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Kosten in einer Höhe von insgesamt 751,90 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlage:

 

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 17. Oktober 2011, Zl. 1072111/FRB, wurde über den (vermeintlich bosnischen, allenfalls auch staatenlosen) Beschwerdeführer gestützt auf § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 (in der nunmehr maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 50/2012, im Folgenden: FPG), zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie der Abschiebung bzw. der Zurückschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) X vollzogen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Fremde bei einer Schwarzfahrt in der Linzer Straßenbahn betreten und dabei festgestellt worden sei, dass er ohne die erforderlichen Dokumente in das Bundesgebiet eingereist sei und hier weder über einen Wohnsitz verfüge noch sozial oder beruflich integriert sei. Außerdem habe er sich davor ca. 20 Jahre lang widerrechtlich in Spanien aufgehalten, wo er auch gravierend straffällig geworden sei. Da einerseits intensive Nachforschungen zur Klärung der Identität und Nationalität des Rechtsmittelwerbers erforderlich sein würden und andererseits davon ausgegangen werden könne, dass er sich zwecks Durchführung des fremdenpolizeilichen Verfahrens nicht freiwillig der Behörde zur Verfügung halten werde, komme sohin die Anordnung gelinderer Mittel nicht in Betracht.

1.2. In der Folge wurde über ihn mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 21. Oktober 2011, Zl. 1072111/FRB, eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von 24 Monaten befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum erlassen, wobei unter einem die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen wurde.

1.3. Mit e-mail vom 21. November 2011 hat die spanische Botschaft die Ausstellung eines Heimreisezertifikates mit der Begründung abgelehnt, dass der Fremde weder über eine Aufenthaltsbewilligung für Spanien noch dort über eine aufrechte Meldeadresse verfüge.

Darauf hin wurde mehrfach, zuletzt mit e-mail vom 12. Dezember 2012, das Ministerium für Sicherheit von Bosnien und Herzegowina um die Ausstellung eines entsprechenden Heimreisezertifikates ersucht, wobei keine – allerdings auch keine negative – Antwort eingelangt ist.

1.4. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die gegenständliche, am 19. Dezember 2011 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangte Beschwerde.

Darin wird vorgebracht, dass der im früheren Jugoslawien geborene Rechtsmittelwerber – nachdem er sich zuvor erfolglos bemüht habe, die slowenische, bosnische, mazedonische, serbische oder kroatische Staatsbürgerschaft zu erhalten – nunmehr als staatenlos anzusehen sei. Zuletzt habe er einen ordnungsgemäßen Wohnsitz in X (Kroatien) gehabt, bevor er (zuerst nach Frankreich und dann) nach Spanien verzogen sei. Gegenwärtig verfüge er über keine gültigen Dokumente zum Nachweis seiner Identität. Da ihm jedoch vor längerer Zeit von der jugoslawischen Botschaft in Madrid ein Reisepass ausgestellt worden sei, habe er sich etwa 20 Jahre lang illegal in Spanien aufgehalten und auch eine spanische Staatsbürgerin geheiratet. Zudem sei er dort 4 Jahre lang wegen Betruges inhaftiert und 6 Monate in Schubhaft angehalten gewesen; seine Gattin befinde sich nunmehr in der ehemaligen spanischen Kolonie Äquatorialguinea. In Österreich habe er deshalb keinen Asylantrag gestellt, weil er gar nicht hier bleiben, sondern in einen der Nachfolgestaaten Jugoslawiens zurückkehren wolle; allerdings sei ihm in Kroatien schon einmal die Einreise verweigert worden.

Da der Beschwerdeführer (1.) deutlich gemacht habe, kein Interesse an einem weiteren Aufenthalt in Österreich zu haben, (2.) kein Hinweis dafür bestehe, dass er untertauchen oder in sonstiger Weise seine Abschiebung be- oder verhindern würde, (3.) nicht absehbar sei, dass ihm in näherer Zukunft ein bestimmter Staat die Einreise gewähren und ein dementsprechendes Heimreisezertifikat ausstellen würde und er (4.) die ihm zukommende Grundversorgung in Anspruch nehmen und die ihm zugewiesene Unterkunft schon auf Grund seines Alters mit Sicherheit nicht verlassen würde, erweise sich sohin die Verhängung der Schubhaft anstelle der Anordnung gelinderer Mittel als unverhältnismäßig. Dies insbesondere auch unter dem Aspekt, dass die persönliche Freiheit ein hohes Gut verkörpere, wobei bei der Ausübung des behördlichen Ermessens auch das heranstehende Weihnachtsfest berücksichtigt werden möge: Denn dem christlichen Glauben entsprechend solle die Einsicht Oberhand gewinnen, "dass über die Weihnachtstage bis zum 7.1.2012 wenig behördliche Tätigkeit entfaltet wird und dass im Gedenken an die Geburt Jesu auch aktuelle Ereignisse, wie die Inschubhaftnahme eines 57-jährigen staatenlosen Mannes, der in Österreich mit Ausnahme einer 'Schwarzfahrt' nicht aufgefallen ist, so gedeutet werden [sollte], dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit es keineswegs gebietet, diesen in Schubhaft zu belassen, sondern ihm die Chance einzuräumen, die Grundversorgung in Österreich in Anspruch zu nehmen und während seines Aufenthaltes in Grundversorgung die österreichischen Behörden eine Rückführung des Bf veranlassen können."

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit "der Anhaltung des Bf. in Schubhaft" beantragt.

1.5. Die belangte Behörde hat dem Oö. Verwaltungssenat am 20. Dezember 2011 den Bezug habenden Akt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

 

In diesem Zusammenhang wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer deshalb, weil er in Bosnien geboren wurde, auch im Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Landes und sohin auch seine Abschiebung dorthin möglich sein müsse. Außerdem sei bislang die nach § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG höchstzulässige Dauer der Schubhaft von 4 Monaten noch nicht überschritten worden, wobei zusätzlich darauf hinzuweisen sei, dass der Rechtsmittelwerber im Zusammenhang mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates bislang jegliche Kooperation habe vermissen lassen, nämlich insbesondere geweigert habe, aus eigenem mit den bosnischen Behörden in Kontakt zu treten.

1.6. In der Folge hat der Rechtsmittelwerber eine weitere, am 8. März 2012 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangte Beschwerde eingebracht.

In dieser wird ergänzend darauf hingewiesen, dass der Rechtsmittelwerber allein schon durch das Nichtstellen eines Asylantrages verdeutlicht habe, dass er an einer ehestmöglichen Rückkehr in einen der Nachfolgestaaten Jugoslawiens interessiert sei. Zudem gebe es auch sonst keinerlei Hinweis dafür, dass er sich einer Abschiebung durch Untertauchen entziehen würde.

Da nicht absehbar sei, dass ihm in näherer Zukunft ein bestimmter Staat die Einreise gewähren und ein dementsprechendes Heimreisezertifikat ausstellen würde und er die ihm zukommende Grundversorgung in Anspruch nehmen und die ihm zugewiesene Unterkunft schon auf Grund seines Alters (57 Jahre) mit Sicherheit nicht verlassen würde, erweise sich sohin die Verhängung der Schubhaft anstelle der Anordnung gelinderer Mittel als unverhältnismäßig.

 

1.7. Mit h. Schriftsätzen vom 22. Dezember 2011, Zl. VwSen-401139/5/Gf/Mu, und vom 10. März 2012, Zl. VwSen-401158/5/Gf/Bu, hat der Oö. Verwaltungssenat gemäß Art. 140 Abs. 1 i.V.m. Art. 129a Abs. 3 und Art. 89 B-VG einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung einiger Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes wegen Verfassungswidrigkeit gestellt.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der unter der Überschrift "Dauer der Schubhaft" stehende erste Satz des § 80 Abs. 4 FPG durch die Bestimmung des § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG sachlich ergänzt werde. Daraus scheine sich insgesamt folgende Systementscheidung des einfachen Gesetzgebers zu ergeben:

 

* Nach § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG darf eine Anhaltung in Schubhaft grundsätzlich die Dauer von vier Monaten nicht überschreiten;

 

* Ausnahmsweise darf die Schubhaft jedoch (u.a.) dann, wenn der Fremde – wie hier – deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates (noch) nicht vorliegt, zwar länger als vier Monate, jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden (§ 80 Abs. 4 Z. 2 erste Alternative FPG);

 

* Wiederum als Ausnahme von dieser Ausnahme ist schließlich eine Anhaltung in Schubhaft dann länger als sechs Monate, höchstens jedoch für zehn Monate zulässig, wenn entweder

 

– der Fremde deshalb nicht abgeschoben werden kann oder darf, weil die Feststellung seiner Identität bzw. Staatsangehörigkeit nicht möglich ist, die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt widersetzt und daher deren Nichtvornahme seinem Verhalten zuzurechnen ist oder

 

– die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass sich der Fremde bereits einmal dem Verfahren entzogen hat oder

 

– die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG, d.h. deshalb verhängt wurde, weil der Fremde ein Asylwerber ist und gegen ihn entweder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen (§ 76 Abs. 2 Z. 1 FPG) oder ein Ausweisungsverfahren eingeleitet (§ 76 Abs. 2 Z. 2 FPG) oder vor Stellung des Asylantrages eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen (§ 76 Abs. 2 Z. 3 FPG) wurde bzw. anzunehmen ist, dass sein Asylantrag mangels Zuständigkeit Österreichs zu dessen Prüfung zurückgewiesen werden wird (§ 76 Abs. 2 Z. 4 FPG).

 

Davon ausgehend scheine die Anordnung des § 80 Abs. 4 FPG zunächst gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG zu verstoßen, weil daraus mit Blick auf den gegenständlich anhängigen Fall insgesamt nicht hervorgehe, ob dann, wenn eine Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG – also über einen Asylwerber – verhängt wurde, auch der Grundsatz des § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG, wonach diese vier Monate nicht überschreiten darf, maßgeblich ist, oder ob der letzte Satz des § 80 Abs. 4 FPG vielmehr so zu verstehen ist, dass in diesem Fall die Dauer der Schubhaft schon a priori länger als sechs Monate betragen kann.

 

Soweit es den Normtext betrifft, sei dieser jedenfalls nicht eindeutig; er scheine eher für die letztere Alternative zu sprechen (vgl. aber dem gegenüber die Gesetzesmaterialien, 952 BlgNR, 22. GP, S. 105: "In den Fällen des Abs. 4 wird eine Schubhaft länger als zwei Monate – grundsätzlich längstens sechs Monate – dauern" [Hervorhebung nicht im Original]). Dies deshalb, weil die Formulierung bereits auf die ursprüngliche Fassung des FPG (BGBl.Nr. I 100/2005) zurückgehe, wonach die grundsätzliche Dauer der Schubhaft noch nicht vier, sondern lediglich zwei Monate betragen habe, was im (Normal-)Fall eines Asylwerbers ohne Reisedokumente aber wohl stets zu kurz und somit deren bis zu sechsmonatige Anhaltung die Regel gewesen sei.

 

Dem gegenüber verstehe die behördliche Praxis den letzten Satz des § 80 Abs. 4 FPG jedoch so, dass diese Bestimmung bloß subsidiär, nämlich erst dann zum Tragen komme, wenn mit der prinzipiell mit vier Monaten befristeten Regel-Anhaltedauer des § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG in concreto nicht das Auslangen gefunden werden könne. 

 

Weiters schienen diese Bestimmung und § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG gegen das auch den einfachen Gesetzgeber bindende Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG und Art. I Abs. 1 RassDiskrBVG; vgl. dazu bspw. VfGH vom 9.3.2011, G 53/10 u.a., und vom 16.12.2010, U 1769/10), insbesondere in dessen Konnex mit dem Schutz der persönlichen Freiheit (Art. 1 Abs. 3 PersFrBVG, Art. 5 Abs. 1 EMRK und Art. 14 EMRK), zu verstoßen, wenn sie – davon ausgehend, dass der letzte Satz des § 80 Abs. 4 FPG in keiner Korrelation zu dessen erstem Satz steht – es der Behörde ohne jede nähere Differenzierung ermöglichten, überhaupt und zudem in unverhältnismäßiger Weise in das nicht nur Staats- und Unionsbürgern, sondern – in adäquater Weise – auch einem Drittstaatsangehörigen verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit einzugreifen.

 

Denn selbst wenn man davon ausgehe, dass auch bei Asylwerbern nach § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG eine Schubhaftverhängung prinzipiell zulässig und § 80 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 FPG insgesamt dahin zu verstehen ist, dass die höchstzulässige Anhaltedauer in Schubhaft grundsätzlich bloß vier Monate beträgt und deren Ausdehnung auf sechs Monate nur dann zulässig ist, wenn eine der Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 erster Satz FPG erfüllt ist, sei in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass das Grundrecht der persönlichen Freiheit in einem demokratischen Rechtsstaat eines der höchsten Rechtsgüter verkörpere, sodass staatliche Beeinträchtigungen stets einer besonderen und zwingenden sachlichen Rechtfertigung bedürften. Aus der Sicht des einfachen Gesetzgebers scheine diese nach dem Normtext des § 76 Abs. 2 erster Satz FPG jedoch ausschließlich in der Notwendigkeit der Sicherung der Durchführung eines fremdenpolizeilichen Verfahrens, nämlich der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme samt deren Vollstreckung im Wege der Abschiebung, zu bestehen. In diesem Zusammenhang werde aber lediglich auf die Eigenschaft des Fremden als "Asylwerber" abgestellt; hingegen mache es aber offenbar keinen Unterschied, ob es sich – als Extremfall auf der einen Seite – um einen Fremden handle, der in Österreich bereits durch strafgerichtlich zu ahndende Handlungen (wie z.B. Suchtgift- oder Vermögensdelikte) in Erscheinung getreten ist und somit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bildet(e), was wiederum eine erhöhte Sicherungsnotwendigkeit bedingt, oder – als Extremfall auf der anderen Seite – um einen solchen Fremden, der sich nur zufällig und/oder unauffällig im Bundesgebiet aufhalte und dieses auch freiwillig wieder (sogar) in einen außerhalb der EU gelegenen Staat verlassen wolle, was jedoch (primär bloß) an Formalien, nämlich an entsprechenden Reisedokumenten, scheitere. Der Umstand, dass in Konstellationen wie der zuletzt erwähnten, wo eine regelmäßig mehrmonatige (!) Anhaltung in Schubhaft ersichtlich ausschließlich dazu diene, die – vom Fremden selbst überdies in keiner Weise beeinflussbare – Zeitdauer der Ausstellung der erforderlichen Reisedokumente durch seinen Heimatstaat zu überbrücken, lasse eine derartige Anhaltung angesichts der eher bloß geringfügigen Verfehlungen des Fremden nicht nur als offenkundig unverhältnismäßig i.S.d. Art. 1 Abs. 3 PersFrBVG erscheinen, sondern bereits bedrohlich in die Nähe einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK rücken (wobei der bloße Umstand, dass selbst für offensichtlich problemlose Fälle bislang in Österreich trotz langjähriger politischer Zusicherungen faktisch noch immer keine humaneren Methoden einer effektiven Verfahrenssicherung geschaffen wurden, aus rechtlicher Sicht naturgemäß nicht zum Nachteil des Fremden gereichen könne).

 

Dazu komme, dass in der gegenwärtigen fremdenpolizeilichen Vollzugspraxis für einen Fremden keine vorherseh- und berechenbare, sohin rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Garantie dafür bestehe, dass diese infolge mangelnder gesetzlicher Differenzierung übermäßige Bandbreite an von § 80 Abs. 2 und Abs. 4 FPG potentiell erfassten (Extrem-)Fallkonstellationen zumindest auf der nachgeordneten Ebene der Vollziehung entsprechend zuverlässig korrigiert wird. Denn die anstelle der Schubhaftverhängung vorgesehenen gelinderen Mittel kämen nach der Textierung des § 77 Abs. 1 FPG nunmehr zwar formal im Wege einer Rechtsentscheidung (vor der FPG-Novelle 2011: bloße Ermessensentscheidung) zum Tragen. Allerdings seien deren tatbestandsmäßige Voraussetzungen derart konzipiert, dass eine konkrete Heranziehung dieser Bestimmung – was für sich besehen wiederum einen Verstoß gegen das Determinierungsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG zu bedeuten scheine – nicht von objektiv nachprüfbaren Kriterien, sondern vielmehr ausschließlich von der subjektiv-persönlichen Einschätzung (des jeweiligen Organwalters) der jeweiligen Fremdenpolizeibehörde (arg.: "wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann") abhänge. Damit sei aber die Bestimmung des § 77 Abs. 1 FPG schon von vornherein nicht geeignet, das bislang in der Vollzugspraxis der Fremdenpolizeibehörden dominierende Regel-Ausnahme-Verhältnis, wonach die Schubhaftanordnung die Standardmaßnahme und ein gelinderes Mittel den Ausnahmefall bildet, entsprechend umzukehren (wobei mangels entsprechender Hinweise in den Erläuterungen [vgl. 1078 BlgNR, 24. GP, S. 37] offen bleibe, ob dies vom Gesetzgeber der FPG-Novelle 2011 in dieser Schärfe überhaupt intendiert gewesen sei). Denn es liege auf der Hand, dass aus der Sicht der Behörde eine Anhaltung in Haft deren jederzeitigen Zugriff auf die Person des Fremden mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit gewährleiste als die in § 77 Abs. 3 Z. 1 bis 3 FPG vorgesehenen Maßnahmen. Wegen sonach schon voraussetzungsgemäßer Ungleichheit könnten daher "Schubhaft" einerseits und "gelindere Mittel" andererseits der Fremdenpolizeibehörde seitens des einfachen Gesetzgebers nicht als adäquate Maßnahmen, sondern nur in der Form überantwortet werden, dass zweifelsfrei klargestellt werde, dass gelindere Mittel stets grundsätzlich anzuwenden sind, während eine Heranziehung der Schubhaft nur in ganz besonders begründeten Ausnahmefällen möglich ist. Indem der derzeitige Normtext des § 77 Abs. 1 zweiter Halbsatz FPG jedoch darauf abstelle, dass die Anwendung gelinderer Mittel nur dann in Betracht komme, wenn auch dadurch "der Zweck der Schubhaft ..... erreicht werden kann", werde durch diese zwingende Korrelation im Ergebnis eine Gleichstellung von sachlich nicht Vergleichbarem bewirkt. Damit scheine jedoch ein Verstoß gegen das auch den einfachen Gesetzgeber bindende Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes und/oder das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG und Art. I Abs. 1 RassDiskrBVG) vorzuliegen.

 

Ergänzend sei schließlich – insbesondere im Lichte des jüngsten Erkenntnisses des VfGH vom 14. März 2012, U 466/11 u.a., wonach die in der EGRC gewährleisteten Verbürgungen als "verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte" i.S.d. Art. 144 Abs. 1 B-VG sowie als Prüfungsmaßstab in Verfahren nach Art. 139 Abs. 1 und Art. 140 Abs. 1 B‑VG anzusehen sind – auch noch darauf hinzuweisen, dass Art. 6 EGRC – im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK – keinen expliziten Vorbehalt zur Einschränkung der persönlichen Freiheit eines Fremden wegen dessen Betroffenheit von einem schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren mehr vorsehe; vielmehr stelle sich danach die persönliche Freiheit (zumindest grundsätzlich) als eine ebenso schrankenlose Gewährleistung wie die Menschenwürde, das Recht auf Leben, das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung und das Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit (Art. 1 und Art. 2 EGRC bzw. Art. 3 EGRC und Art. 4 EGRC) dar. Ob aber die in Art. 52 Abs. 1 EGRC (bloß als Ausnahme vom Grundsatz) vorgesehene Möglichkeit der Einschränkung (auch) der persönlichen Freiheit stets "den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer" diene, könne jedenfalls ebenso wenig vorbehaltlos bejaht werden wie die Frage, ob dadurch, dass in den "Erläuterungen zur Charta der Grundrechte" bezüglich Art. 6 EGRC explizit auf Art. 5 EMRK (und damit auch auf dessen Abs. 1 lit. f) hingewiesen wird, zum Ausdruck gebracht habe werden sollen, dass die unionsrechtliche Gewährleistung (i.S.d. Art. 52 Abs. 3 letzter Satz EGRC) inhaltlich nicht über die Garantie des Art. 5 EMRK hinausgehe.

 

Nach Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG bzw. Art. 5 Abs. 4 EMRK habe jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Entlassung angeordnet wird, wobei diese Entscheidung grundsätzlich binnen einer Woche zu ergehen hat. Dazu komme, dass Art. 13 EMRK vorsieht, dass derjenige, der sich in einem von der EMRK gewährleisteten Recht als verletzt erachtet (arg.: "Everyone whose rights ..... are violated"), einen verfassungsmäßig garantierten Anspruch darauf habe, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen.

 

Diese Garantie scheine jedoch – institutionell bedingt – immer dann missachtet zu werden, wenn gegen einen Fremden die Schubhaft angeordnet und diese auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG und/oder § 80 Abs. 2 und 4 FPG gestützt wird, der Fremde jedoch jene die Schubhaft tragende(n) Bestimmung(en) oder § 77 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz FPG für verfassungswidrig halte. Denn ein Individualantrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG scheide wohl mangels unmittelbarer Betroffenheit solange aus, bis über ihn die Schubhaft verhängt wurde. Aber auch eine unter Berufung auf die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Grundlage erhobene Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 FPG oder ein in deren Zuge vom Unabhängigen Verwaltungssenat gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG gestellter Gesetzesprüfungsantrag würde – ebenso wie eine für den Fall der Abweisung der Schubhaftbeschwerde nach § 83 Abs. 2 FPG erhobene Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 zweite Alternative B-VG – jeweils nicht dazu führen, dass über die Verfassungsmäßigkeit des  76 Abs. 2 Z. 2 FPG bzw. § 80 Abs. 2 und 4 FPG bzw. § 77 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz FPG und damit über die Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft effektiv und ehetunlich entschieden wird, im Gegenteil: Weil in jenem Gesetz, das das Verfahren des zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der als bedenklich erachteten gesetzlichen Bestimmungen zuständigen VfGH ein Provisorialrechtsschutz schon grundsätzlich nicht vorgesehen sei, scheine die Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit jener die Schubhaft tragenden gesetzlichen Grundlagen somit stets gleichsam "programmgemäß" jedenfalls zu einer massiven Überschreitung der in Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG normierten Höchstfrist von einer Woche, zumindest aber zu einer Verletzung des Rechtes auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art. 13 EMRK zu führen.

 

Da es dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Zuge einer Beschwerde wie der vorliegenden weder zukomme, selbst die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Grundlagen zu beurteilen, noch aus eigenem anstelle der Schubhaft gelindere Mittel anzuordnen oder der Fremdenpolizeibehörde einen diesbezüglichen verbindlichen Auftrag zu erteilen, sondern von diesem vielmehr bloß die Rechtmäßigkeit der (Schubhaftverhängung bzw.) weiteren Anhaltung zu beurteilen sei (vgl. z.B. VwGH vom 25.3.2010, Zl. 2009/21/0281), könne die gegenständliche Antragstellung sohin auch nicht dadurch gehindert sein, dass sich diese insoweit zum Nachteil der mitbeteiligten Partei auswirke, als dadurch die Entscheidung gemäß § 80 Abs. 7 FPG verzögert wird. Denn dies wäre nur dann der Fall, wenn diese a limine zugunsten des Fremden ausfallen müsste, was gegenständlich allerdings nicht zutreffe.

 

In seiner Erstkonzeption habe Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG noch keine Festlegung dahin, dass die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Festnahme und Anhaltung (regelmäßig) innerhalb von einer Woche zu ergehen hat, enthalten (vgl. dazu den Entwurf der sog. "Grundrechtskommission", in: BKA–Verfassungsdienst [Hrsg.], Der Schutz der persönlichen Freiheit, Wien 1987, 72 ff). Eine Motivation, die den Verfassungsgesetzgeber in der Folge – obwohl seitens Art. 5 Abs. 4 EMRK ("ehetunlich") in keiner Weise gefordert – dennoch zur Normierung dieser Wochenfrist veranlasste, lasse sich amtlichen Dokumenten, insbesondere den Gesetzesmaterialien, nicht entnehmen; denn in den E zur RV (134 BlgNR, 17. GP, 7) finde sich insoweit nur der den Rechtsschutzbehelf der Maßnahmenbeschwerde tangierende Hinweis: "Durch Abs. 1 zweiter Satz wird das Beschwerderecht vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts selbstverständlich nicht berührt" und auch der AB (667 BlgNR, 17. GP, 3) führe in diesem Zusammenhang lediglich aus: "Der Ausschuß hielt es für zweckmäßig, diese Regelung im Sinne des Art. 5 Abs. 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu ergänzen. Es wird daher ausdrücklich vorgesehen, daß im Falle der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Freiheitsentzuges die Freilassung des Betroffenen anzuordnen ist." Auch die im engen Konnex damit stehende, "den vom Bundesverfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit in Art. 6 vorgegebenen Standard" umsetzende (vgl. die E zur RV, 9 BlgNR 18. GP, 3) Novellierung des FPG 1954 (BGBl.Nr. 21/1991) liefere hierfür keinen Anhaltspunkt. Vor dem Hintergrund, dass damals Asyl- und Fremdenrechtsfälle – und damit auch Schubhaftbeschwerden – faktisch lediglich in vergleichsweise geringer Anzahl aufgetreten seien und zugleich auch dem Art. 13 EMRK in der Judikatur des EGMR noch keine maßgebliche Bedeutung gekommen sei, habe diese Wochenfrist in der Vollzugspraxis in aller Regel auch kein ernsthaftes Problem dargestellt (wobei schon die damalige – die Unabhängigen Verwaltungssenate in keiner Weise berücksichtigende – Prognose des Gesetzgebers bezüglich der künftigen finanziellen Zusatzbelastung symptomatisch erscheine: "Mehrkosten können sich in geringer Höhe durch eine Erhöhung des Verwaltungsaufwandes bei den Fremdenpolizeibehörden ergeben"; vgl. die E zur RV, 9 BlgNR 18. GP, 2). 

 

Zwischenzeitlich hätten sich jedoch die maßgeblichen Rahmenbedingungen drastisch geändert: 1.) hätten sich die im Jahresdurchschnitt wenigen Fälle zu Beginn der 90-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts mittlerweile zu einer nicht mehr abebbenden Flüchtlingswelle entwickelt, die keineswegs nur die in geographischer Randlage situierten Mitgliedsstaaten tangiere, sondern der heute die Europäische Union insgesamt politisch hilflos gegenüberstehe. Dazu komme 2.), dass die nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften ausschließlich zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Schubhaftverhängung zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenate seither kontinuierlich – vornehmlich im Zuge der Verwaltungsreformgesetze – mit einer Fülle von weiteren gesetzlichen Aufgaben betraut worden seien, die im Zuge einer Gesamtbetrachtung die Schubhaftprüfung (wie aus den entsprechenden Tätigkeitsberichten hervorgehe) als eine bloße und angesichts der Einrichtung des Asylgerichtshofes zudem auch "artfremde" Nebenaufgabe erscheinen lassen würden. Von entscheidendster Bedeutung sei jedoch in diesem Zusammenhang 3.), dass – wie im Zuge der Rechtsentwicklung allgemein üblich – auch hier die von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts entwickelten Anforderungen an eine Schubhaftprüfung in den vergangenen 20 Jahren sowohl in inhaltlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht stetig angestiegen seien (wie – um hier nur die markantesten Entwicklungslinien anzuführen – etwa: [regelmäßig] keine Beschränkung auf Beschwerdepunkte; keine bloße Grobprüfung; Prognoseentscheidung bezüglich der Absicht, sich dem Verfahren zu entziehen; Kooperationsbereitschaft und soziale Integration des Fremden, insbesondere etwa auch unter Einbeziehung des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 EU-Türkei; strafrechtlich relevantes Verhalten; faktische Durchsetzbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen, insbesondere auch unter Einbeziehung der aktuellen politischen Situation im Abschiebestaat unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK; vollumfängliche Einbeziehung des parallel laufenden und allenfalls auch Familienmitglieder betreffenden Asylverfahrens bzw. Prognostizierung des hypothetischen Ergebnisses desselben – z.B., ob ein humanitäres Bleiberecht nach dem NAG gewährt werden wird – als Vorfrage; Verhältnismäßigkeitsprüfung im Hinblick auf gelindere Mittel; Identitätsfeststellung und Feststellung der Minderjährigkeit des Fremden; Prüfung der Haftfähigkeit, insbesondere des Vorliegens einer behaupteten Traumatisierung; Prüfung der örtlichen Zuständigkeit; Durchführung einer mündlichen Verhandlung, selbst wenn dies innerhalb der einwöchigen Entscheidungsfrist nicht möglich ist [vgl. jüngst VwGH v. 28. August 2012, Zl. 2010/21/0291, S. 12: "Die gesetzlich gebotene mündliche Verhandlung kann auch nicht deswegen unterbleiben, weil die belangte Behörde ihre Durchführung innerhalb der Entscheidungsfrist für 'faktisch unmöglich' hält"] – freilich ohne dass der VwGH [nach zweijähriger Verfahrensdauer] in diesem Zusammenhang eine entsprechende Konfliktlösung zumindest andeuten würde). Es sei offensichtlich, dass diese Kriterien – insbesondere wenn sie, was in der Praxis ja regelmäßig der Fall sei, in Kombination auftreten – innerhalb der Frist von einer Woche nicht erfüllt werden könnten, zumal die Fremdenpolizeibehörde auch nicht einmal eine Pflicht zur Aktenvorlage treffe, ganz abgesehen davon, dass diese im Regelfall schon von Gesetzes wegen bloß einen Mandatbescheid gemäß § 57 AVG zu erlassen habe (und ihrerseits hierbei nicht an eine Wochenfrist gebunden sei !). 

 

All dies berücksichtigend liege daher nach h. Auffassung auf der Hand, dass die ursprüngliche Sichtweise, dass sich der Unabhängige Verwaltungssenat jeweils selbst so zu organisieren habe, dass diese Frist jedenfalls eingehalten werden kann, gegenwärtig nicht mehr aufrecht erhalten werden könne. Im Lichte der zuvor aufgezeigten aktuellen Rahmenbedingungen sei Art. 6 Abs. 1 zweiter Satz PersFrBVG heute vielmehr so auszulegen, dass eine entsprechende Aufgabenübertragung durch den Fremdenrechtsgesetzgeber an eine Institution wie die Unabhängigen Verwaltungssenate, die vorrangig mit dem Vollzug anderer Materien betraut seien und zudem in keiner Weise über eine eigenständige Personal- und Budgethoheit verfügen würden, bei sonstiger Verfassungswidrigkeit nur in der Weise erfolgen könne, dass zugleich auch eine adäquate Ressourcenausstattung erfolgt.

 

Dem sei jedoch – wie zuvor gezeigt – schon a priori nicht entsprochen worden. Indem der einfache Gesetzgeber diese Anforderungen auch anlässlich der jüngsten Novellierung des FPG trotz explizit eingestandener zusätzlicher Aufgabenübertragung zweifelsfrei wiederum nicht erfüllt habe (vgl. die RV, 1078 BlgNR, 24. GP, 1 f und 5), erweise sich die Bestimmung des § 83 Abs. 2 FPG nunmehr offenkundig als verfassungswidrig, weil sie im Lichte der effektiv und nachhaltig geänderten rechtlichen und faktischen Rahmenbedingungen schon von vornherein nicht geeignet sei, die Verheißungen des Art. 6 Abs. 1 zweiter Satz PersFrBVG zu erfüllen.

 

(Nur ergänzend dürfe darauf hingewiesen werden, dass den Vorgaben der letztgenannten Verfassungsbestimmung erst recht nicht entsprochen werden könne, wenn jene die Schubhaft tragenden Bestimmungen vom Fremden selbst im Wege eines Individualantrages gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG angefochten worden wären, weil § 63 Abs. 3 VfGG in diesem Zusammenhang eine [längere] Frist von einem Monat vorsieht [wobei sich selbst diese im Regelfall als viel zu kurz erweist], die jedoch im Lichte des Art. 6 Abs. 1 zweiter Satz PersFrBVG ihrerseits als verfassungsrechtlich offenkundig bedenklich erscheine).

 

Die angefochtenen Bestimmungen erschienen schließlich auch noch insoweit als verfassungsrechtlich bedenklich, als im FPG keine Möglichkeit eingeräumt sei, dem Rechtsbehelf der Schubhaftbeschwerde eine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

Das Fehlen jeglicher effektiver Form eines vorläufigen Rechtsschutzes scheine nicht nur zur bewussten Inkaufnahme einer unverhältnismäßigen Dauer der vorangehenden Freiheitsentziehung für den Fall, dass die Schubhaft ex post als rechtswidrig festgestellt werden sollte, und damit zu einer Verletzung der Gewährleistung des Art. 1 Abs. 1 PersFrBVG zu führen, sondern auch insoweit zu einer Missachtung des Art. 13 EMRK und/oder des rechtsstaatlichen Grundprinzips der Bundesverfassung.

 

1.8. Mit Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a. (ho. eingelangt am 8. November 2012), hat der VfGH die h. Gesetzesprüfungsanträge teilweise zurück- und teilweise abgewiesen.

 

In der Sache wurde dazu begründend ausgeführt (vgl. die RN 35 ff dieser Entscheidung), dass ein Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit gemäß Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG nur dann und insoweit gerechtfertigt sei, wenn dieser zur Erreichung des mit einer Maßnahme verfolgten Zweckes notwendig ist und zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck nicht außer Verhältnis steht; dieses ausdrücklich formulierte Verhältnismäßigkeitsgebot erlaube der Behörde sohin nur dann die Verhängung der Schubhaft, wenn dies zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens notwendig ist und soweit der Freiheitsentzug zu diesem Zweck nicht außer Verhältnis steht. Angesichts der sich schon aus dem Grundrecht ergebenden Verpflichtung der Behörden, von der Anordnung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und Verhältnismäßig ist (VfSlg 14981/1997 u. 17288/2004), belaste es daher eine Regelung wie § 76 Abs. 1 FPG nicht mit Verfassungswidrigkeit, wenn es der Gesetzgeber den vollziehenden Behörden überlässt, die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahren einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen andererseits vorzunehmen (VfSlg 17891/2006 u. 18145/2007).

 

Weiters spreche auch schon der klare Gesetzeswortlaut des § 77 Abs. 1 FPG gegen ein Verständnis dieser Bestimmung dahin, dass es dadurch zu einer unsachlichen rechtlichen Gleichbehandlung von Schubhaft und gelinderen Mitteln komme. Denn § 77 Abs. 1 FPG gebe der Behörde keine freie Wahlmöglichkeit zwischen der Anordnung gelinderer Mittel und der Verhängung der Schubhaft; vielmehr sei ein – nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG auch verfassungsrechtlich gebotener (VfSlg 19323/2011) – klarer Vorrang der Anordnung gelinderer Mittel festgelegt. Unter Heranziehung dieser verfassungsrechtlich zwingenden Auslegung sei der Inhalt des § 77 Abs. 1 FPG gegenüber der Behörde ausreichend determiniert und differenziere dieser auch im gebotenen Maße zwischen der Verhängung von Schubhaft und der Anordnung von gelinderen Mitteln.

 

Auch die Bedenken, dass die §§ 76 und 77 FPG eine Verletzung von Art. 13 EMRK darstellen, seien deshalb unbegründet, weil ein Fremder, der auf Grund von Gesetzen, die gegen die EMRK verstoßen, in Schubhaft genommen wird, die Möglichkeit hätte, gemäß § 82 FPG eine Beschwerde beim UVS einzubringen; dieser hätte binnen einer Woche über die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft zu entscheiden (VfSlg 18081/2007); gegen einen negativen Bescheid wäre dann eine Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den VfGH zulässig, der ihr auf Antrag des Fremden die aufschiebende Wirkung zuerkennen könne. Selbst wenn die Schubhaft also aufgrund von gegen die EMRK verstoßenden Gesetzen verhängt werden würde, stünde eine den Anforderungen des Art. 13 EMRK genügende wirksame Beschwerdemöglichkeit zur Verfügung.

 

Die gegen § 80 Abs. 2 und 4 FPG vorgebrachten Bedenken, dass danach die im Einzelfall geltende höchstzulässige Schubhaftdauer nicht festzustellen sei, seien schon deshalb nicht zu teilen, weil aus dem klaren Wortlaut des § 80 Abs. 2 Z. 1 FPG abgeleitet werden könne, dass gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, die Schubhaft grundsätzlich nur für eine Höchstdauer von vier Monaten verhängt werden darf; die in § 80 Abs. 3 und 4 FPG formulierten Fälle seien also als ausdrückliche Ausnahmen zu der in Abs. 2 Z. 1 festgelegten höchst zulässigen Dauer der Schubhaft zu verstehen. Außerdem bestehe die Pflicht zur Achtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bei der Vollziehung des FPG zu jedem Zeitpunkt des Vollzuges der Haft, sodass § 80 Abs. 4 FPG keineswegs eine undifferenzierte Dauer der Verhängung der Schubhaft ermögliche.

 

Schließlich könne eine strukturelle Überlastung des UVS, die zu einer Missachtung der gesetzlichen Entscheidungsfrist führt, nicht auf die Verfassungsmäßigkeit einer einfachgesetzlichen Bestimmung, die der verfassungsmäßig vorgegebenen Frist entspricht, zurückwirken.

  

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der BPD Linz vorgelegten Akt zu Zl. 1072111/FRB sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 13. Dezember 2012, zu der weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde erschienen sind.

 

Im Zuge dieser Beweisaufnahme konnte der oben unter 1.1. bis 1.3. dar­gestellte Sachverhalt mit der Ergänzung als unbestritten und sohin zutreffend festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer am 9. Februar 2012 aus der Schubhaft entlassen wurde und dessen nachfolgender und gegenwärtiger Aufenthaltsort unbekannt ist.

 

2.2. Im vorliegenden Fall wurde der Rechtsmittelwerber auf Grund eines auf § 76 FPG gestützten Bescheides einer Behörde, die ihren Sitz im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich hat, angehalten; nach § 83 Abs. 1 FPG ist damit die örtliche Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates zur Behandlung der gegenständlichen Beschwerde gegeben.

 

2.3. Dieser hatte gemäß § 83 Abs. 2 FPG i.V.m. § 67a AVG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde gegenüber einem Fremden, gegen den die verfahrensrechtliche Erlassung oder die Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zulässig ist, gelindere Mittel einzusetzen, sofern dies notwendig ist, um die Durchführung eines solchen Verfahrens bzw. einer solchen Vollstreckungsmaßnahme zu sichern, und sie zudem Grund zur Annahme hat, dass der ansonsten mit einer Schubhaftverhängung intendierte Zweck auch durch die Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden kann.

 

Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist nach § 77 Abs. 2 FPG weiters, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, wenn diese zuvor nicht ohnehin schon von Amts wegen erfolgt ist.

 

Als gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen (Z. 1), sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden (Z. 2) und/oder eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen (Z. 3) in Betracht.

 

Nach § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG hat die Fremdenpolizeibehörde u.a. über einen Asylwerber, gegen den eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde, die Schubhaft anzuordnen, sofern diese diese für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG oder der Abschiebung notwendig ist und dieser Maßnahme besondere Umstände in der Person des Asylwerbers nicht entgegenstehen.

 

3.2. Von der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage bzw. davon ausgehend, dass diese nach dem zuvor dargestellten Erkenntnis des VfGH vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., unter Rückgriff auf Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG dahin auszulegen ist, dass die Fremdenpolizeibehörde während des Verfahrens zur zwangsweisen Durchsetzung einer Abschiebung zu jeder Zeit zu gewährleisten hat, dass eine solche Vollstreckungsmaßnahme klar vorrangig durch – in § 77 Abs. 3 FPG bloß demonstrativ normierte – gelindere Mittel (und nur im Ausnahmefall im Wege der ultima-ratio-Maßnahme der Schubhaft) gesichert wird, ist daher im Zuge einer gemäß § 82 Abs. 1 FPG erhobenen Beschwerde vom Unabhängigen Verwaltungssenat als gemäß Art. 6 Abs. 1 PersFrSchG zuständige Haftprüfungsinstanz, die hierüber, sofern der Fremde noch in Schubhaft angehalten wird, binnen einer Woche zu entscheiden hat, – gleichsam schrittweise – zu prüfen,

 

1.) ob die gesetzlichen Formalvoraussetzungen (nämlich: im Wege der Abschiebung vollstreckbarer Bescheid, mit dem eine Aufenthaltsbeendigung des Fremden angeordnet wird) einerseits und beim Beschwerdeführer die subjektiven Haftbedingungen (Haftfähigkeit etc.) andererseits (weiterhin) vorliegen,

 

2.) ob sich die Fremdenpolizeibehörde unter dem Aspekt der Zweckbindung (nämlich: Verfahrenssicherung im Wege der Verhältnismäßigkeit) der von ihr intendierten Maßnahmen – nachweislich – zunächst mit der Frage der Anordnung gelinderer Mittel auseinandergesetzt und ob sie dabei die Auswahl jenes gleichermaßen zur Zweckerreichung noch geeignete sowie den geringsten Rechtseingriff nach sich ziehende Mittel überhaupt sowie auch sachlich zutreffend in Erwägung gezogen hat, und

 

3.) ob und welche Belege dafür vorliegen, dass und aus welchen konkreten Gründen die Anordnung dieses gelinderen Mittels zur Zweckerreichung nicht geeignet erschien, sondern dass und ab welchem Zeitpunkt nachweislich eine solche ultima-ratio-Situation gegeben war, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erforderte, und dass bzw. wie lange diese Fakten gegebenenfalls auch über den Zeitpunkt einer vom Unabhängigen Verwaltungssenat nach § 83 Abs. 4 FPG zu treffenden Entscheidung noch vorliegen werden, sowie

 

4.) gegebenenfalls, welche konkreten Umstände – nachweislich – gegeben sind, die die Annahme rechtfertigen, dass und wie lange diese ultima-ratio-Situation auch nach Ablauf der gemäß § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG in aller Regel mit vier Monaten beschränkten Höchstdauer der Schubhaft fortbestehen wird.        

 

Davon ausgehend ergibt sich für den gegenständlichen Fall konkret Folgendes:

 

3.2.1. Gegen den Beschwerdeführer lag zwar zum Zeitpunkt seiner Inschubhaftnahme noch keine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Entscheidung vor. In der Folge wurde eine solche – nämlich der eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot verfügende Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 21. Oktober 2011, Zl. 1072111 – allerdings umgehend erlassen. Da er gegen diesen Bescheid keine Berufung erhoben hat, erwies sich dieser sohin als rechtswirksam, d.h., der Rechtsmittelwerber war seit dem 9. November 2011 nicht mehr zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, sondern vielmehr dazu verpflichtet, dieses unverzüglich aus eigenem zu verlassen; im Falle der aus welchen Gründen auch immer – hier infolge der Anhaltung gegebenen – faktischen Nichtentsprechung war die Fremdenpolizeibehörde sohin dazu berechtigt, die Ausweisung im Wege seiner zwangsweisen Abschiebung zu vollstrecken.

 

Dafür, dass der Beschwerdeführer haftuntauglich gewesen wäre, haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben; insbesondere hat auch weder er selbst noch sein Rechtsvertreter ein diesbezügliches Vorbringen erstattet.

 

Auf Basis dieser Faktenlage war daher die belangte Behörde im Grunde dazu berechtigt, über den Beschwerdeführer ihren auf § 76 Abs. 1 FPG gegründeten Bescheid vom 17. Oktober 2011, Zl. 1072111/FRB, zu erlassen und damit die Schubhaft anzuordnen.

 

Die gesetzlichen Formalvoraussetzungen und die subjektiven Haftbedingungen sind daher im vorliegenden Fall als gegeben festzustellen.

 

3.2.2. Auch das von der belangten Behörde im vorzitierten Schubhaftbescheid angenommene – sowohl gelindere Mittel als auch eine Schubhaftanordnung in gleicher Weise materiell determinierende – Sicherungsbedürfnis erweist sich jedenfalls als vertretbar:

 

Denn der Rechtsmittelwerber ist ohne Identitätsnachweis und Reisedokumente betreten worden. Außerdem verfügte er weder über nennenswerte finanzielle Mittel noch über einen ordnungsgemäßen Wohnsitz oder über soziale Beziehungen im Bundesgebiet. Schließlich habe er sich zuvor schon ca. 20 Jahre lang illegal in Spanien aufgehalten, wobei er dort nach seinen eigenen Angaben massiv straffällig geworden sei.

 

3.2.3. Vorrangig zu prüfen bleibt allerdings, ob die belangte Behörde die nach dem zuvor unter Pkt. 1.8. näher dargestellten Erkenntnis des VfGH vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., primär bzw. absolut vorrangig gebotene Heranziehung gelinderer Mittel – als eine grundlegende materielle Voraussetzung der allfälligen Zulässigkeit (auch) der Schubhaftverhängung – erwogen und im Ergebnis zutreffend verworfen hat, sodass sie davon ausgehend auch tatsächlich zur Anwendung der ultima-ratio-Maßnahme der Inschubhaftnahme berechtigt war.

 

3.2.3.1. Im Schubhaftbescheid der Fremdenpolizeibehörde vom 17. Oktober 2011, Zl. 1072111/FRB, findet sich diesbezüglich nur der rudimentäre Hinweis, dass der Zweck der Schubhaft wegen des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers, dass darauf schließen lasse, dass er derartigen Anordnungen nicht Folge leisten werde, durch gelindere Mittel nicht erreicht werden könne.

 

Mit einer solchen Argumentation werden jedoch lediglich Gesichtspunkte ins Treffen geführt, die allenfalls dazu geeignet sind, eine höhere faktische Effektivität der Schubhaftverhängung im Vergleich zu bloß gelinderen Mitteln zu untermauern. Auf die im wechselseitigen Vergleich zwischen gelinderen Mitteln einerseits und Schubhaft andererseits relativ höhere Effizienz kommt es jedoch schon deshalb nicht an, weil § 77 Abs. 1 erster Satz FPG in diesem Zusammenhang den Vorrang gelinderer Mittel bereits auf Basis gleicher Effizienz anordnet (arg. "wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann").

 

Offenbar in Verkennung der dieser Bestimmung sowie dem genannten VfGH-Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., zu Grunde liegenden Prioritätensetzung geht hingegen weder aus diesem Bescheid noch aus dem von der Behörde vorgelegten Akt hervor, dass der Polizeidirektor der Stadt Linz die Anordnung gelinderer Mittel überhaupt de facto erwogen hat; konsequenterweise fehlt sodann auch eine fallbezogene und auf entsprechenden Belegen fußende Auseinandersetzung mit der Frage, welches dieser Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als das am ehesten Zielführendste anzusehen ist sowie – davon ausgehend – in welchen Umständen gegenständlich eine derartige ultima-ratio-Situation begründet war, dass nicht einmal mit einer zumindest vorgängigen Anordnung dieses gelinderen Mittels, sondern nur mit einer unverzüglichen Schubhaftverhängung das Auslangen gefunden werden konnte.

 

3.2.3.2. Im Verfahren nach §§ 82 f FPG ist der Unabhängige Verwaltungssenat nicht – wie in einem sonstigen Administrativ- oder Verwaltungsstrafverfahren nach dem 1. und 2. Abschnitt des IV. Teiles des AVG bzw. nach dem 5. Abschnitt des II. Teiles des VStG – Berufungs-, sondern nur Haftprüfungsbehörde i.S.d. Art. 6 PersFrSchG und Art. 5 Abs. 4 EMRK (vgl. jüngst VwGH v. 25. Oktober 2012, Zl. 2012/21/0064). Dies bedeutet, dass dem UVS nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle zukommt, und zwar dahin, ob es unter Zugrundelegung der von der Haftbehörde vorgenommenen Bewertung der tatsächlichen Umstände des konkreten Falles verhältnismäßig war, von der Verhängung gelinderer Mittel abzusehen und stattdessen die Schubhaft zu verhängen.

 

Davon ausgehend kann die originäre Entscheidung darüber, ob bzw. welche gelinderen Mittel anzuordnen sind oder stattdessen die Schubhaft zu verhängen ist, nur von der Fremdenpolizeibehörde selbst getroffen, d.h. im Falle einer dementsprechenden Unterlassung vom UVS im Rahmen des Schubhaftbeschwerdeverfahrens auch nicht nachgetragen werden.

 

Gleiches gilt auch hinsichtlich der Gründe für das Vorliegen einer die Schubhaftverhängung tragenden ultima-ratio-Situation: Diese müssen sich unter gleichzeitiger Angabe der entsprechenden Beweise bereits aus dem Schubhaftbescheid selbst – und nicht etwa nur aus dem behördlichen Akt, der dem Fremden nicht bzw. nur eingeschränkt zugänglich ist – ergeben und können nicht ex post (z.B. etwa erst im Zuge einer öffentlichen Verhandlung vor dem UVS) substituiert werden.  

 

3.2.3.3. Angesichts des Umstandes, dass die belangte Behörde im gegenständlichen Fall dem Rechtsmittelwerber gegenüber nicht in einer nachvollziehbaren Weise – geschweige denn auch entsprechend belegt – zu erkennen gegeben hat, dass sie überhaupt die Anordnung gelinderer Mittel (sowie konkret: welcher dieser Mittel) in Erwägung gezogen und davon ausgehend das Vorliegen einer derartigen ultima-ratio-Situation, die sogar eine vorgängige Anordnung solcher Maßnahmen ausgeschlossen, sondern vielmehr die unverzügliche Schubhaftverhängung als geboten angenommen hat, erweist sich sohin die Anhaltung des Beschwerdeführers als rechtswidrig.

 

3.3. Dies hatte der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 83 Abs. 1 und 4 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG festzustellen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bund dazu zu verpflichten, dem Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 1 und Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Aufwendungen in einer Höhe von insgesamt 751,90 Euro (Gebühren: 14,30 Euro; Schriftsatzaufwand: 737,60 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Ein Verhandlungsaufwand war dem Rechtsmittelwerber nicht zuzusprechen, weil weder er selbst noch dessen Rechtsvertreter zur Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat erschienen sind.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten ist.

 

 

 

 

Dr.  G r ó f

Beachte:

Vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.

VwGH vom 2. August 2013, Zl.: 2012/21/0019-8

 

 

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