Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730208/15/BP/WU VwSen-730209/14/BP/WU VwSen-730210/13/BP/WU

Linz, 30.11.2012

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung 1. der X, sowie als gesetzliche Vertreterin für 2. der X und 3. der X, StA von Pakistan, sämtlich vertreten durch X  in X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 27. Juli 2010, GZ: Sich40-23252-2004 und Sich40-24638-2006, betreffend eine Ausweisung der Berufungswerberinnen nach dem Fremdenpolizeigesetz, nach Behebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. August 2012, Zl. 2011/21/0239-8, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

The appeal is allowed and the decision opposed is reversed without substitution.

 

 

Legal basis:

§ 66 par. 4 in conjunction with § 67a par. 1 Z 1 AVG

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 27. Juli 2010, GZ.: Sich40-23252-2004 und Sich40-24638-2006, wurde gegen die Berufungswerberinnen (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 54 Abs. 1 und 3 iVm. 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung angeordnet und die Ausreiseverpflichtung mit 16. August 2010 festgesetzt.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass die Erst-Bw, eine Staatsangehörige von Pakistan, seit dem 22. Juni 2005 rechtmäßig in Österreich sei. Den damaligen Zuzug habe sie damit begründet, dass sie zu ihrem Vater (einem österreichischen Staatsangehörigen) ziehen wolle.

 

Am 19. April 2010 habe die Bw für sich und ihre minderjährige Tochter – die Zweit-Bw – persönlich einen Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für "unbeschränkt" bzw. "beschränkt" gestellt. Die minderjährige Tochter X – Dritt-Bw – besitze ebenfalls eine Niederlassungsbewilligung für "beschränkt", gültig bis 14. Dezember 2010. Bei der Prüfung des Verlängerungsantrages sei festgestellt worden, dass sich der Gatte der Erst-Bw, der in Italien wohnhaft sei, in Form eines notariell beglaubigten Unterhaltsvertrages vom 27. November 2008 verpflichtet habe, monatlich auf ein, der Erst-Bw zuzurechnendes, Konto bei der Raiffeisenbank X 500,-- Euro zu überweisen. Die Erst-Bw habe bis zum
4. Mai 2010 Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von monatlich 805,80 Euro erhalten. Ansonsten verfüge die Bw über kein Einkommen. Gemäß den Richtsätzen des § 293 ASVG müsse die Bw für sich selbst über 783,99 Euro sowie für jedes Kind über 82,16 Euro monatlich verfügen (insgesamt 948,31 Euro). Dies sei jedoch nicht der Fall. Laut Kontoauszug im April und Mai 2010 habe der Gatte die vereinbarten 500,-- Euro überwiesen. Ansonsten habe sie keine Kontoauszüge vorweisen können, die bestätigt hätten, dass der Gatte die Unterhaltsvereinbarung eingehalten habe.

 

Die belangte Behörde habe weiters festgestellt, dass weder die Bw selbst noch die beiden Kinder im Besitz einer Krankenversicherung seien, die alle Risken abdecke. Dieser Umstand sei am 18. Mai 2010 um 14.30 Uhr auf Grund einer telefonischen Anfrage bekannt geworden. Seit dem Aufenthalt im Bundesgebiet habe die Bw insgesamt 10 Monate gearbeitet und zwar in der Zeit zwischen 1. Juni 2005 und 30. November 2005 sowie in der Zeit zwischen 13. Februar 2006 und 1. Juni 2006.

 

Am 10. September 2005 sei die Erst-Bw die Integrationsvereinbarung eingegangen. Bis dato lägen jedoch keine Unterlagen bzw. Bestätigungen vor, aus denen hervorgehe, dass sie jemals einen Deutschkurs besucht habe. Sie habe die Integrationsvereinbarung somit nicht erfüllt.

 

Mit Schreiben vom 18. Mai 2010 seien die Bw von der beabsichtigten Ausweisung in Kenntnis gesetzt worden. In einer Stellungnahme des Gatten der Erst-Bw vom 26. Mai 2010 führte dieser u.a. aus, dass er auf Grund seines ausreichenden Einkommens in Italien voll in der Lage sei, seine Gattin und die gemeinsamen Kinder finanziell zu unterstützen, was er nicht nur durch Überweisungen, sondern auch durch Bargeld im Rahmen von Besuchen tue. Im Übrigen könne – bei allfälligem Bedarf – seine Familie auch durch die Eltern und die Brüder der Erst-Bw jederzeit finanziell unterstützt werden, weshalb eine Belastung öffentlicher Institutionen in Österreich keinesfalls zu erwarten sei.

 

Nachdem sich die Erst-Bw bislang um die beiden Kleinkinder gekümmert habe, habe sie noch keinen Deutschkurs belegt, werde dies jedoch nachholen.

 

Hinsichtlich der fehlenden Krankenversicherung führt der Gatte aus, dass die Erst-Bw auf Grund ihrer Mutterschaft nicht erwerbstätig und daher auch nicht versichert gewesen sei. Es sei jedoch beabsichtigt, eine private Krankenversicherung abzuschließen.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass die Erst-Bw zum Einleitungszeitpunkt des Ausweisungsverfahrens noch nicht 5 Jahre durchgehend im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sei.

 

Der Gatte der Erst-Bw überweise lediglich 500,-- Euro monatlich auf deren Konto, sie selbst habe bis zum 4. Mai 2010 Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 805,80 Euro erhalten, ansonsten verfüge sie über kein Einkommen und erhalte derzeit auch kein Kinderbetreuungsgeld. Die nach den Richtlinien erforderlichen 948,31 Euro lägen somit nicht vor. Über eine Anfrage bei der Österreichischen Botschaft in Italien errechnet die belangte Behörde, dass der Ehegatte der Erst-Bw auf Grund seines monatlichen Einkommens von ca.
1.280,-- Euro nur in der Lage sei, rund 255,-- Euro an seine Familie in Österreich zu übermitteln, da der Rest für seinen Lebensunterhalt in Italien aufgewendet werden müsse. Er sei also nicht in der Lage, seine Familie im erforderlichen Ausmaß zu unterstützen, was auch für die in Österreich ansässige Familie der Erst-Bw gelte.

 

Die Bw seien nicht entsprechend krankenversichert und die Erst-Bw habe auch nicht die Integrationsvereinbarung in der Form erfüllt, dass sie entsprechende Sprachkenntnisse erworben habe, was ihr jedenfalls – auch trotz der erforderlichen Kinderbetreuung – zumutbar gewesen wäre.

 

Nach einer eingehenden Interessensabwägung im Sinne des § 66 FPG kommt die Behörde zu dem eindeutigen Schluss, dass die öffentlichen Interessen die familiären bzw. privaten Interessen der Bw überwiegen. Insbesondere wird auch ausgeführt, dass der Ehegatte der Erst-Bw, der die italienische Staatsbürgerschaft anstrebe, im Fall einer Ausweisung seine Kernfamilie bei sich aufnehmen könne.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bw durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 4. August 2010.

 

In der Berufung wird u.a. ausgeführt, dass die Erst-Bw, deren Karenz bis 22. Juli 2010 gedauert habe, seit 23. Juli 2010 eine Vollzeitbeschäftigung als Küchenhilfe in der X in X, aufgenommen habe,  wobei sie monatlich netto 989,26 Euro verdiene. Darüber hinaus erhalte sie die monatlichen Unterhaltszahlungen in der Höhe von 500,-- Euro von ihrem in Italien lebenden Ehegatten. In Folge der Vollzeitbeschäftigung sei die Erst-Bw bei der Salzburger Gebietskrankenkasse umfassend seit 26. Juli 2010 sozialversichert. Somit seien auch die beiden minderjährigen Töchter mit der Erst-Bw mitversichert.

 

In Zusammenschau mit der Tatsache, dass die Bw im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern und Geschwistern der Erst-Bw lebten und weder für die Unterkunft noch für Nahrungsmittel finanziell aufkommen müssten, zumal dies alles von den Eltern bereitgestellt werde, könne nicht von einer Gefährdung des Wohles des Staates bzw. der öffentlichen Sicherheit in Folge mangelnder finanzieller Mittel der Bw ausgegangen werden. Vielmehr seien sie im Stande, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen.

 

Entgegen der Annahme der belangten Behörde, dass die Erst-Bw keinen Integrationswillen zeige, zumal sie bislang keine Deutschprüfung abgelegt habe, sei der Integrationswille der Bw durch intensive Kontaktaufnahme mit österreichischen Staatsangehörigen sehr wohl erkennbar.

 

Hinsichtlich der Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK wird ausgeführt, dass die Bw, die seit Jahren im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen und unbescholten seien, in einem Großfamilienverband mit den Eltern und den Geschwistern der Erst-Bw (sämtlich österreichische Staatsangehörige) leben würden, weshalb durch die Ausweisungen das Familienleben der "Kernfamilie" massiv betroffen sei. Mittlerweile sei die Erst-Bw auch beruflich wieder integriert. Hingegen bestünden keine Beziehungen mehr zum Herkunftsstaat. Dass die Erst-Bw sprachlich nicht integriert sei, müsse bei der Interessensabwägung als geringfügig gewertet werden.

 

Zusammenfassend lägen keine derart relevanten Gründe vor, die einen so heftigen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Berufungswerberinnen rechtfertigen würde, weshalb nachfolgende Anträge gestellt würden:

 

"1. Die Sicherheitsdirektion als Berufungsbehörde möge den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 27. Juli 2010, GZ. Sich40-23252-2004 und Sich40-24638-2006, aufheben und den Aufenthalt der Berufungs­werberinnen im Bundesgebiet der Republik Österreich für zulässig erklären.

2. Das NAG-Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung der Berufungswerberinnen möge bis zur Entscheidung der Berufungsbehörde über die Ausweisung ausgesetzt werden.

3. Der Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für 'unbeschränkt' bzw. 'beschränkt' der Berufungswerberinnen möge für zulässig erklärt und eine entsprechende Niederlassungsbewilligung ausgestellt werden."

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. Am 2. September 2011 erschien die Erst-Bw in Begleitung ihres Ehegatten, ihres Bruders und ihres Nachbarn beim Oö. Verwaltungssenat und teilte u.a. mit, dass sie nunmehr sozialversichert und erwerbstätig sei, von ihrem Ehemann weiter finanziell unterstützt werde, bislang aber keinen Deutschkurs belegt habe. Der Ehegatte sei mittlerweile italienischer Staatsbürger und betreibe zwei Lebensmittelgeschäfte in Mailand, die Töchter würden beide den Kindergarten in X besuchen.

 

Eine Anfrage bei der Oö. Gebietskrankenkasse vom 5. September 2011 ergab, dass alle drei Bw sozialversichert seien.

 

Aus dem Versicherungsdatenauszug der Erst-Bw ergibt sich:

 

01.06.2005 bis 30.11.2005; gewerbl. selbständig Erwerbstätige

13.02.2006 bis 01.06.2006; Arbeiterin

02.06.2006 bis 20.10.2006; Wochengeldbezug (DGKTONR-bezogen)

                                                                  X

17.07.2006 bis 17.07.2006; Anzeige einer Lebendgeburt

01.08.2006 laufend vorläuf. Ersatzzeit wg. Kindererziehung

21.10.2006 bis 16.07.2008; Bezug/Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld

03.10.2008 bis 20.02.2009; Wochengeldbezug, Sonderfall

17.11.2008 bis 17.11.2008; Anzeige einer Lebendgeburt

26.07.2010 bis 31.01.2011; Arbeiterin; X

07.02.2011 bis 28.02.2011; geringfügig beschäftigte Arbeiterin

01.03.2011 laufend Arbeiterin; X

 

2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3.1. Mit Erkenntnis vom 6. September 2011 gab der UVS des Landes Oberösterreich der Berufung statt und behob den angefochtenen Bescheid, im Wesentlichen mit der Begründung, dass im vorliegenden Fall EU-rechtliche Normen vorrangig anzuwenden seien und die Ausweisungen der Bw unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG zu beurteilen seien. Im Übrigen würde aber auch eine Interessensabwägung nach § 61 FPG kein anderes Ergebnis hervorrufen.

 

2.3.2. In seinem Erkenntnis vom 28. August 2012, Zl. 2011/21/0239-8, folgte der Verwaltungsgerichtshof einer dagegen erhobenen Amtsbeschwerde und führte ua. wie folgt aus:

 

"Die belangte Behörde hat wörtlich ausgeführt, es sei "also nicht so, dass die Kernfamilie [die Mitbeteiligten] den italienischen Staatsangehörigen [Ehemann bzw. Vater] begleiten würde". Sie hat damit offensichtlich erkannt, dass die Mitbeteiligten die für die Eigenschaft als begünstigte Drittstaatsangehörige in § 2 Abs. 4 Z 11 FPG aufgestellten Erfordernisse aus rein innerstaatlichem Blickwinkel jedenfalls insofern nicht erfüllen, als sie ihren italienischen Ehemann bzw. Vater weder begleitet haben noch ihm nachgezogen sind. Der belangten Behörde ist im Übrigen darin zuzustimmen, dass insoweit aber eine unionsrechtliche Betrachtungsweise geboten ist, weil § 2 Abs. 4 Z 11 FPG im Kontext der Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (RL), gesehen werden muss. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die Wortfolge "begleitet oder ihm nachzieht", an die § 2 Abs. 4 Z 11 FPG (u.a.) die Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger knüpft, ebenso wie die selbe in der RL in mehreren Bestimmungen enthaltene Wendung auszulegen ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. März 2009, ZI. 2009/21/0027, und vom 8. Juli 2009, ZI. 2007/21/0031).

 

Mit dem insbesondere in Art. 3 Abs. 1 der RL enthaltenen Tatbestandsmerkmal "begleiten oder ihm nachziehen" hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 25. Juli 2008, Metock u.a. (C-127/08), beschäftigt. Er hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass die Notwendigkeit bestehe, die Bestimmungen der RL nicht eng auszulegen und diese nicht jeder praktischen Wirksamkeit zu berauben (Randnr. 93). Er gelangte zu dem Ergebnis, dass Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, auf Grund der RL das Recht haben, diesem in den Aufhahmemitgliedstaat nachzuziehen, gleichgültig, ob dieser sich dort niedergelassen hat, bevor oder nachdem er eine Familie gerundet hat (Randnr. 90). Schließlich hielt er fest, dass der in Art. 3 Abs. 1 der RL verwendete Begriff "Familienangehörige [eines Unionsbürgers], die ihn begleiten" dahin ausgelegt werden müsse, dass er sowohl die Familienangehörigen eines Unionsbürgers umfasst, die mit diesem in den Aufhahmemitgliedstaat eingereist sind, als auch diejenigen, die sich mit ihm dort aufhalten, ohne dass im zweiten Fall danach zu unterscheiden wäre, ob die Drittstaatsangehörigen vor oder nach dem Unionsbürger oder bevor oder nachdem sie dessen Familienangehörige wurden, in den Aufhahmemitgliedstaat eingereist sind (Randnr. 93).

 

Insgesamt hat der EuGH damit gemäß der eingangs erwähnten Klarstellung zum Ausdruck gebracht, dass das Tatbestandsmerkmal des "Begleitens oder ihm Nachziehens" nicht eng auszulegen ist. An dem Erfordernis eines Aufenthalts des Unionsbürgers und seiner Familienangehörigen in ein und demselben (Aufhahmemitglied-)Staat lassen aber auch diese Ausführungen des EuGH keine vernünftigen Zweifel aufkommen (in diesem Sinn auch die Schlussanträge der Generalanwältin Verica Trstenjak vom 15. Mai 2012 in der Rs C-40/11, Yoshikazu Iida gegen Stadt Ulm, Randnr. 42, 47 und 58; siehe auch schon das hg. Erkenntnis vom 24. November 2009, ZI. 2008/21/0436). Angesichts dessen findet der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlass, der in ihrer Gegenschrift geäußerten Anregung der belangten Behörde näher zu treten, es möge ein Vorabentscheidungsersuchen des EuGH eingeholt werden.

 

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass sich die Mitbeteiligten ungeachtet des von der belangten Behörde ins Treffen geführten "grenzüberschreitenden Elements" nicht auf die RL berufen können und ihnen daher auch nicht die Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG zukommt. Damit ist auch einer unmittelbaren Anwendung des § 66 FPG der Boden entzogen."

 

 

2.3.3. Die Rechtsvertretung der Bw legte in Beantwortung einer Aufforderung vom 5. November 2012 Unterlagen bzw. aktuelle Informationen zu den Privat- und Familienverhältnissen der Bw vor und führt darin wie folgt aus:

 

"1. Die Ersteinschreiterin ist die Mutter der 6-jährigen Zweiteinschreiterin sowie der 4-jährigen Dritteinschreiterin. Die Ersteinschreiterin lebt gemeinsam mit ihren Kindern im Familienverband gemeinsam mit den Eltern sowie ihren Geschwistern in X.

 

 

 

Im Rahmen dieses Familienverbandes werden sämtliche Lebenserhaltungsauf­wendungen (Wohnung und Verpflegung) von den Eltern bzw. Großeltern der Ein­schreiter getragen und gewähren diese den Einschreitern faktisch dadurch Un­terhalt in ausreichendem Ausmaß.

 

Daneben bezahlt der in Italien arbeitende Ehemann der Ersteinschreiterin, der Vater der Zweit- und Dritteinschreiterin, einen monatlichen Unterhalt in Höhe von € 500,00. Dieser Unterhalt wird monatlich auf das Konto der Ersteinschreite­rin angewiesen. Alle zwei bis drei Monate besucht er seine Familie in Österreich und übergibt er im Rahmen dieser Besuche den jeweiligen Unterhalt jeweils in bar.

 

 

 

Beweis:      Kontoauszüge; PV; Meldezettel;

 

 

 

2.  Die Ersteinschreiterin ist um Integration bemüht und besucht sie derzeit einen Deutschkurs. Dieser läuft bereits seit ca. 12 Wochen und wird die Ersteinschreiterin den Deutschkurs am 07.12.2012 erfolgreich beendet haben. Diesen Deutschkurs konnte sie im Vorfeld noch nicht absolvieren, da sie sich um ihre Töchter kümmern musste. Die Ersteinschreiterin verfügt bereits über gute Deutschkenntnisse.

 

 

 

Beweis:      Kursbestätigung; PV;

 

 

 

3.  Die Ersteinschreiterin hat nunmehr auch eine Arbeitsstelle als Zeitungsausträgerin erhalten und wird sie diese mit 01.12.2012 antreten. Sie wird ab 01.12.2012 ein monatliches Nettoeinkommen von ca. EUR 950,00 erzielen. Zusammen mit dem von ihrem Gatten gewährten Unterhalten wird sie über ein monatliches Nettoeinkommen von ca. EUR 1.450,00 verfügen und somit jedenfalls für sich und ihre Töchter sorgen können. Ein Dienstzettel liegt derzeit noch nicht vor und kann ein solcher frühestens im Jänner 2013 vorgelegt werden.

 

 

 

Beweis:      PV;

 

 

 

4.  Die Ersteinschreiterin ist bemüht, sich sowohl sozial, sprachlich als auch beruflich zu integrieren und würde eine Ausweisung der Einschreiter diese aus dem gefestigten und engen Familienverband in Österreich reißen.

 

 

 

Die Einschreiter haben keinerlei familiären Bezug in ihr Ursprungsland. Die Eltern und Geschwister der Ersteinschreiterin leben mit dieser im Familienverband in Österreich. Es ist dem Ehegatten der Ersteinschreiterin derzeit möglich regelmä­ßigen Kontakt zu seiner Familie, sohin den Einschreitern zu halten. In Pakistan wäre die Ersteinschreiterin mit ihren Kleinkindern völlig auf sich alleine gestellt und würde auch der Kontakt zum Ehegatten bzw. Vater der Einschreiter unmög­lich werden. Auch für die beiden minderjährigen Zweit- und Dritteinschreiterin­nen, die eine enge familiäre Bindung auch zu den Großeltern und den übrigen Familienmitgliedern entwickelt haben, würde eine Ausweisung eine erhebliche Beeinträchtigung für ihre Entwicklung bedeuten. Dies einerseits dadurch, dass die gesamte Familie (Tanten, Onkel, Großeltern, Vater, etc.) in Österreich leben. Andererseits würde natürlich auch der regelmäßige Kontakt zum Vater völlig zum Erliegen kommen. Bereits unter Berücksichtigung des Kindeswohls ist eine Aus­weisung nicht verantwortbar. Es kann der Ersteinschreiterin nicht zum Nachteil gereichen, dass sie zwei Kinder geboren hat und daher einer Arbeit nicht nach­gehen konnte.

 

 

 

5.  Da eine Ausweisung einen erheblichen Eingriff in Art. 8 EMRK bedeuten würde
und nicht rechtfertigbar ist, werden die im Rahmen der Berufung gestellten Ant-
räge wiederholt bzw. aufrecht erhalten.

 

II. Unter einem erstatten die Einschreiter nachstehende Urkundenvorlage:

 

 

 

./      Kontoauszüge

 

./      Kursbestätigung vom 29.11.2012

 

./      Meldezettel"

 

 

 

2.4. Der UVS des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1., 1.2., 2.2.2. und 2.3.3. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

2.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 62 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 87/2012, sind Drittstaatsangehörige, die sich während eines Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid, sofern kein Fall des § 64 vorliegt, auszuweisen, wenn

1.      der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11          Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

2.      das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen,       die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.  

 

Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig mit einem Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid, sofern kein Fall des § 64 vorliegt, auszuweisen, wenn

1.      nachträglich ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels        entgegengestanden wäre,

2.      ihnen ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1, 2 oder 4 NAG erteilt       wurde, sie der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen und im ersten Jahr ihrer Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen   Erwerbstätigkeit nachgegangen sind oder

 3.     ihnen ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1, 2 oder 4 NAG erteilt       wurde, sie länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet          niedergelassen sind und während der Dauer eines Jahres nahezu         ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sind.

 

Gemäß § 62 Abs. 3 FPG hat die Behörde in Verfahren gemäß Abs 1 nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG bei der Behörde nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bereits hätte nachweisen können und müssen.

 

Werden gemäß § 62 Abs. 4 FPG der Behörde nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz Ausweisungsgründe (Abs. 2) bekannt, so ist diese verpflichtet der Behörde nach diesem Bundesgesetz die bekannten Ausweisungsgründe unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen.

 

3.1.2. Gemäß § 11 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG idgF., dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1.      gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG     erlassen wurde oder ein aufrechtes Rückkehrverbot gemäß § 54 FPG oder      ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 oder 67 FPG besteht;

2.      gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates   oder der Schweiz besteht;

3.      gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und seit seiner          Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht        einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner           Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4.      eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption   (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5.      eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder        visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt          oder

6.      er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder        nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft     wurde.

 

Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1.      der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.      der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.      der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich       auch leistungspflichtig ist;

4.      der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.      durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6.      der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der          Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

 

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der          bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in          einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren      Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 11 Abs. 4 NAG widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1.      sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde          oder

2.      der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder           terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende          Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld      extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht     ausgeschlossen werden können.

 

Gemäß § 11 Abs. 5 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 15 oder 18), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

 

Gemäß § 14a Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

 

Gemäß Abs. 2 leg. cit. haben der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 15.

 

Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1.      einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des    Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des         Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2.      einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende     Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,

3.      über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120,   oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht         oder

4.      einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte” gemäß § 41 Abs. 1 oder 2    besitzt.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 14b) beinhaltet das Modul 1.

 

3.2.1. Im vorliegenden Fall ist völlig klar, dass die in Rede stehende Ausweisung der Bw auf Basis des § 54 FPG ("alte Fassung") erlassen wurde und dass ein Verlängerungsantrag betreffend den ursprünglich legalen Aufenthalt gestellt worden war.

 

Entsprechend dem oa. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. August 2012 ist im vorliegenden Fall zur Beurteilung der Ausweisungen § 62 FPG heranzuziehen.

 

3.2.2.1. Dabei ist festzuhalten, dass insbesondere die Frage zu klären ist, ob die Bw über ausreichende Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verfügen. Dies ergibt sich aus § 62 Abs. 1 FPG, der betreffend eines Verlängerungsantrages nach dem NAG auf § 11 und 14a NAG verweist.

 

3.2.2.2. Dass die Erst-Bw nicht rechtzeitig den im Rahmen der Integrationsvereinbarung erforderlichen Nachweis über die Kenntnis der deutschen Sprache gemäß § 11 Abs. 2 Z. 6 iVm. § 14a NAG vorlegen konnte, bedarf keiner weiteren Erörterung.

 

3.2.2.3. Gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 iVM. Abs. 5. NAG bedarf es für Unterhaltsmittel, die über der Sozialhilfeschwelle des § 293 ASVG liegen. Aktuell betragen diese für eine nicht mit dem Ehegatten im gemeinsamen Haushalt lebende Person 814,82 Euro und je Kind 125,72 Euro. Insgesamt bedeutet dies für den vorliegenden Fall, dass die Bw zumindest über ein regelmäßiges monatliches Einkommen von 1.066,16 Euro verfügen müssen.

 

Vorgebracht wird, dass der in Italien lebende Ehegatte die Familie mit monatlich 500 Euro unterstützt, und dass die Erst-Bw ab 1. Dezember 2012 aufgrund einer Beschäftigung als Zeitungsausträgerin rund 950 Euro verdienen wird. Letzterer Verdienst kann allerdings derzeit noch nicht als gesichert angesehen werden. In der Vergangenheit hatte es die Erst-Bw aus Rücksicht für die Sorge um die Kinder (mittlerweile 4 und 6 Jahre alt) nicht unternommen einer Beschäftigung nachzugehen, weshalb die kontinuierliche Beschäftigung ab 1. Dezember 2012 nicht unbedingt als gesichert anzusehen ist. Im Ergebnis ist dieser Umstand aber nicht ausschlaggebend, zumal im konkreten Fall gemäß § 11 Abs. 3 NAG auch die Umstände des Privat- und Familienlebens zu Gunsten der Bw abzuwägen sein werden.

 

3.3.1. Im Rahmen der Abwägung der Öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung und somit zur Verhinderung von unverhältnismäßiger Inanspruchnahme von sozialer Unterstützung und den familiären bzw. privaten Interessen der Bw am Verbleib im Bundesgebiet, folgt § 11 Abs. 3 den Tatbestandselementen des § 61 Abs. 2 FPG.

 

3.3.2. Die Erst-Bw befindet sich seit über 7 Jahren – legal – im Bundesgebiet. Zweit- und Dritt-Bw seit deren Geburt – ebenfalls legal.

 

3.3.3. Von einer beruflichen Integration bzw. Selbsterhaltungsfähigkeit der Erst-Bw ist vorliegend nur bedingt auszugehen. Betreffend die Verfestigung der sozialen Integration kann der Erst-Bw ein gewisses Maß nicht abgesprochen werden, wenn sie auch erst jetzt den – im Rahmen der Integrationsvereinbarung erforderlichen – Deutschkurs absolviert. Unbestritten ist aber, dass sie in gemeinsamem Haushalt mit ihrer Familie lebt, wobei verschiedene Mitglieder der "Großfamilie" bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.

 

Besonders die Situation der Zweit- und Dritt-Bw ist hier aber von Bedeutung, da diese nicht nur rein in Österreich sozialisiert sind, ihre Bezugspersonen außer der Mutter weitgehend wohl die Großeltern und andere Familienmitglieder darstellen, sondern im Bundesgebiet auch durch den Besuch des Kindergartens und der Schule soziokulturell verankert sind.

 

3.3.4. Das Privatleben der Bw – die im Großfamilienverband leben, ist jedenfalls auch schützenswert. Eine Ausweisung nur einzelner Personen würde überdies eine unzulässige Beeinträchtigung des Familienlebens – sei es der Kinder, sei es der Mutter – nach sich ziehen.

 

3.3.5. Eine Rückkehr in das Herkunftsland im Fall der Bw bzw. vor allem eine erstmalige Reise der Zweit- und Dritt-Bw dorthin, erscheint keinesfalls zulässig, da gerade die Kinder keine kulturelle Anknüpfung an Pakistan aufweisen und zudem ihr Vater in Italien aufhältig ist.

 

3.3.6. Strafrechtlich relevante Sachverhalte sind nicht bekannt, wie auch keine verwaltungsrechtlichen Verurteilungen.

 

3.3.7. Das Privat- und Familienleben entstand nicht erst während eines aufenthaltsrechtlich unsicheren Status. Den Bw kann zudem nicht die Dauer speziell des Berufungs- und Höchstgerichtsverfahren zum Nachteil gereichen.

 

3.3.8. Die Abwägung nach § 11 Abs. 3 NAG fällt im Ergebnis also zu Gunsten der Bw aus. Sie können sich somit erfolgreich auf den Schutz ihres Privat- und Familienlebens berufen.

 

3.4. Daraus folgt aber, dass die Voraussetzungen des § 62 FPG für eine Ausweisung der Bw nicht gegeben sind, weshalb im Ergebnis der Ausspruch der Ausweisung nicht zulässig ist.

 

3.5. Es war daher der BErufung stattzugeben, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden. 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr), 23,40 Euro (Beilagen), insgesamt 37,70 Euro angefallen.

 

 

Instruction on the right to appeal

No legal remedies are permitted against this decision.

 

Information

Within 6 weeks after delivery a complaint can be lodged against this decision with the Constitutional Court and/or with the Administrative Court; except from legal exceptions, it must be lodged by an authorized attorney. Paying 220 Euros as an appeal fee is required for each complaint to be lodged.

 

 

Bernhard Pree

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 28.02.2013, Zl.: 2013/21/0009-3  

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