Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101327/18/Weg/Ri

Linz, 13.07.1994

VwSen-101327/18/Weg/Ri Linz, am 13. Juli 1994 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des G, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A, vom 10. Mai 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 15. April 1993, VerkR96/1161/1992, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die unter Punkt 2 angeführte Verwaltungsübertretung behoben wird, jedoch hinsichtlich der unter Punkt 1 angeführten Verwaltungsübertretung die Tatörtlichkeit zwischen Kilometer 21,960 und Kilometer 24,500 der B115 festzusetzen ist. Die in diesem Straßenabschnitt zum Vorwurf gemachte Geschwindigkeitsüberschreitung auf Freilandstraßen wird mit 25 km/h (statt 40 km/h) festgesetzt.

Die Geldstrafe für diese Verwaltungsübertretung beträgt 1.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag.

II. Der Berufung hinsichtlich des Faktums 3 wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 20 km/h überschritten wurde, wobei der Tatort auf die letzten 100 m (km 24,750 bis km 24,850) dieses Straßenabschnittes (statt 350 m) eingeschränkt wird.

Die Geldstrafe vermindert sich auf 500 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden.

III. Der Berufung gegen das Faktum 4 des Straferkenntnisses wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um lediglich 20 km/h überschritten wurde.

Die Geldstrafe vermindert sich auf 700 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 18 Stunden.

IV. Der Berufung gegen das Faktum 5 wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nicht um 50 km/h sondern um 35 km/h überschritten wurde. Die Geldstrafe ermäßigt sich auf 1.500 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 36 Stunden.

V. Der Berufung gegen die Fakten 6a, 6b und 6c wird Folge gegeben, diesbezüglich das Straferkenntnis gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG behoben und das Verfahren eingestellt.

VI. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 370 S, ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren war nicht vorzuschreiben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 19, § 22, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51i, § 64 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat unter der Zl.

VerkR96/1161/1992 am 15. April 1993 gegen den Berufungswerber nachstehendes Straferkenntnis (wörtliche Wiedergabe) erlassen:

"Sie haben am 12.3.1992 zw. 19.00 und 19.15 Uhr den PKW auf der B115 von S nach T gelenkt, wobei Sie 1.) zw. der Stadtgrenze Steyr und der Kreuzung mit der Industriestraße (Kraftwerkszufahrt G), das ist zw.

Strkm. 21,960 und 23,0 die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 40 km/h, wie von einem SWO beim Nachfahren festgestellt wurde (Ablesen des Tachometers), 2.) zw. Strkm. 23,0 und 24,5 die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h in erheblichem Ausmaße überschritten (zw. 20 und 40 km/h), wie von einem SWO beim Nachfahren festgestellt wurde (Ablesen des Tachometers), 3. im Bereiche des Gasthauses E in S das dort deutlich angebrachte Vorschriftszeichen "Erlaubte Höchstgeschwindigkeit 70 km/h" nicht beachtet, da Sie diese Fahrgeschwindigkeit in erheblichem Ausmaße überschritten (bis zu 30 km/h), wie von einem SWO beim Nachfahren festgestellt wurde (Ablesen des Tachometers), 4. im Bereich des sogenannten "H", das ist zw. Strkm. 26,0 und 26,4 das dort deutlich angebrachte Vorschriftszeichen "Erlaubte Höchstgeschwindigkeit 50 km/h" nicht beachteten (Geschwindigkeitsüberschreitung 30 km/h), wie von einem SWO beim Nachfahren festgestellt wurde (Ablesen des Tachometers), 5. zw. Strkm. 30,0 und 30,5 die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nicht beachteten, da Sie diese in erheblichem Ausmaße (bis zu 50 km/h) überschritten, wie von einem SWO beim Nachfahren festgestellt wurde (Ablesen des Tachometers), 6. zw. Strkm.

27,65 und 27,8 mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern einen PKW überholten, obwohl a) dadurch andere Staßenbenützer, und hier im besonderen ein Fahrzeuglenker im Gegenverkehr, gefährdet und zum unvermittelten Abbremsen seines Fahrzeuges genötigt wurde, b) Sie bedingt durch den Gegenverkehr und durch die Örtlichkeit (Fahrbahnkuppe und Kurve) nicht einwandfrei erkennen konnten, daß Sie Ihr Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen hätten können, ohne dadurch andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, c) Sie sich im Bereiche einer unübersichtlichen Straßenstelle befanden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. § 20 Abs.2 StVO 5. § 20 Abs. 2 StVO 2. § 52 a Ziff. 10 a StVO 6. § 99/2/c StVO iVm a) 16/1/a StVO 3. § 52 a Ziff. 10 a StVO b) 16/1/c StVO 4. § 52 a Ziff. 10 a StVO c) 16/2/b StVO Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling falls diese uneinbringlich ist, Ersatzarrest von 1. 1.000,-- 1. 3 Tage 2. 1.000,-- 2. 3 Tage 3. 1.000,-- 3. 3 Tage 4. 1.000,-- 4. 3 Tage 5. 2.000,-- 5. 6 Tage 6. a) 2.000,-- 6 a) 8 Tage b) 1.000,-- b) 4 Tage c) 1.000,-- c) 4 Tage gemäß § 1.-5. 99/3/a StVO, 2. 99/2/c iVm a) 16/1/a StVO, b) 16/1/c StVO, c) 16/2/b StVO.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

1.000,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich 50 S angerechnet); Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 11.000,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 67 VStG)." 2. Dieses Straferkenntnis gründet auf einer Anzeige eines Sicherheitswacheorganes des Gendarmeriepostens L, welcher mit seinem Dienstfahrzeug (ohne Verwendung von Blaulicht) dem PKW des Beschuldigten folgte und im Zuge dieser Verfolgungsfahrt die angeführten Übertretungen feststellen habe können.

3. Dagegen bringt der rechtsfreundlich vertretene Berufungswerber in seiner rechtzeitigen und zulässigen Berufung, worin die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt wird, sinngemäß vor:

Man sei zu Unrecht von der vom Meldungsleger präsentierten Version des Sachverhaltes ausgegangen. Die Behörde hätte sich mit den übrigen Beweisergebnissen nicht eingehend auseinandergesetzt und hätte zu Unrecht ein Geständnis angenommen. Zumindest hätte von diesem angeblichen Geständnis der Rechtsfreund informiert werden müssen. Die Geschwindigkeitsfeststellung durch den nachfolgenden Meldungsleger sei nicht verläßlich möglich gewesen, weil der Nachfahrabstand zwischen 16 m und einigen hundert Metern differierte. Das ihm angelastete Überholmanöver sei auf Grund der langsamen Fahrweise des Überholten gefahrlos gewesen. Es sei bei dieser Nachfolgefahrt nicht möglich gewesen, gleichzeitig ein Funkgerät und ein Tonbandgerät zu bedienen, die Geschwindigkeit vom Tacho exakt abzulesen und den Tatort genau zu konkretisieren. Das nachfolgende Gendarmeriefahrzeug habe weder Blaulicht noch Folgetonhorn eingeschaltet gehabt und es sei das nachfolgende Fahrzeug nicht als Einsatzfahrzeug erkennbar gewesen. Der Berufungswerber sei vom nachfolgenden Fahrzeug gefährdet und irritiert worden. Es sei im Grund genommen eine Flucht vor dem verfolgenden Fahrzeug gewesen, weshalb die Geschwindigkeitsüberschreitungen durch Notstand entschuldigt seien. Zumindest liege ein Putativnotstand vor.

Im übrigen seien hinsichtlich der Strafhöhe die tatsächlichen Einkommensverhältnisse (10.000 S bis 11.000 S) in keiner Weise berücksichtigt worden.

Hinsichtlich des Faktums 6 sei eine Tateinheit vorgelegen.

Letztlich wird beantragt eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Vernehmung des Beschuldigten, durch Vernehmung des Zeugen Bez. Insp. M (Meldungsleger) sowie durch Beiziehung eines straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen anläßlich der mündlichen Verhandlung am 13. Oktober 1993, bei der auch ein Lokalaugenschein durchgeführt wurde.

Das schließlich erstellte Gutachten des technischen Amtssachverständigen vom 16. März 1994 wurde nach ausdrücklichem Verzicht auf die Fortführung des Verfahrens in Form einer mündlichen Verhandlung sowohl dem Beschuldigten als auch der belangten Behörde im Wege des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht.

Auf Grund der angeführten Beweismittel ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevante Sachverhalt:

Der Beschuldigte gesteht selbst ein, bei der angeführten Fahrt die erlaubten Geschwindigkeiten (wenn auch nicht im angeführten Ausmaß) überschritten zu haben, wobei sich dieses Eingeständnis auf das Faktum 3 nicht bezieht, dort habe er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h deshalb beachtet, weil er früher in unmittelbarer Nähe gearbeitet habe. Auf den Tacho habe er allerdings auch hier nicht geblickt, sondern sei die von ihm getroffene Geschwindigkeitsfeststellung eher eine gefühlsmäßige gewesen.

Hinsichtlich der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nach § 16 StVO 1960 führt der Berufungswerber aus, daß ein gefahrloses Überholen möglich gewesen sei, daß aber das Überholmanöver erst ca. 50 m bis 100 m nach der Einmündung zum Kraftwerk begonnen worden sei. Im übrigen sei das vor ihm fahrende Fahrzeug ca. 40 km/h gefahren, während er mit ca.

90 km/h überholt habe.

Der als Zeuge vernommene Meldungsleger führte aus, er habe die festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen durch Nachfahren mit dem Funkpatrouillenwagen (Toyota Corolla), 77 kW, Bauartgeschwindigkeit 170 km/h, allradbetrieben) zweifelsohne feststellen können, wobei jedoch bei dieser Nachfahrt über mehr als 8 Kilometer weder das Blaulicht noch das Folgetonhorn verwendet worden sei.

Hinsichtlich des Abstandes, welcher bei diesem Nachfahren eingehalten wurde, enthält der Akt differierende Angaben. So ist in der Anzeige ein Abstand von 4 bis 5 Fahrzeuglängen (also ca. 20 Meter) angeführt (und zwar offenbar über die gesamte Strecke), während bei der zeugenschaftlichen Befragung von 6 bis 10 Fahrzeuglängen die Rede ist, ja der Abstand manchmal auch mehr als einige hundert Meter betragen habe. Hinsichtlich des Überholmanövers mußte der Berufungswerber auf seine Ausführungen in der Anzeige verweisen, in welcher jedoch die Geschwindigkeiten des überholten und des überholenden Fahrzeuges nicht angeführt sind. Der Meldungsleger habe die Geschwindigkeitsüberschreitungen durch Ablesen auf seinem Tacho feststellen können, wobei diese sofort auf ein Tonbandgerät diktiert wurden. Die genauen Tatörtlichkeiten habe er anhand der Leitpflöcke trotz Dunkelheit erkennen können und seien diese ebenfalls diktiert worden. Nach der Feststellung der Verwaltungsübertretungen sei der Meldungsleger die Strecke noch einmal abgefahren, offenbar um die Anzeige zu konkretisieren.

Im Zuge des Lokalaugenscheines wurde die Fahrstrecke zwischen Kilometer 21,960 und 30,500 abgefahren, wobei im Bereiche zwischen Kilometer 26,0 und 26,4 die Verhältnisse durch einen Straßenumbau nicht mehr mit den Tatzeitverhältnissen übereinstimmten.

Die relativ ungenauen und sich zum Teil widersprechenden Angaben des Meldungslegers (beispielsweise hinsichtlich des gleichbleibenden Abstandes) lassen den Schluß zu, daß der Meldungsleger dem Beschuldigten über die gesamte Fahrstrecke nicht in gleichbleibendem Abstand folgte. Nachdem es dabei sogar zu Tiefenabständen von mehr als einigen hundert Metern gekommen war (Niederschrift vom 3. Juni 1992) liegt der Verdacht nahe, daß das nachfolgende Funkpatrouillenfahrzeug die Geschwindigkeit des voranfahrenden Fahrzeuges nicht halten konnte und somit tatsächlich vom Beschuldigten wesentliche Geschwindigkeitsüberschreitungen gesetzt wurden. Im Hinblick auf das Eingeständnis des Berufungswerbers, die angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitungen (ausgenommen Faktum 3) dem Grunde nach gesetzt zu haben (wenn auch nicht in dieser Höhe), werden die in den Punkten 1, 2, 4 und 5 angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitungen als erwiesen angenommen, wobei hinsichtlich des Ausmaßes dieser Geschwindigkeitsüberschreitungen (infolge der differierenden Aussagen des Meldungslegers bezüglich des Nachfahrabstandes) die Feststellungen des Meldungslegers nur als Schätzungen qualifizierbar sind, welche naturgemäß mit Ungenauigkeiten behaftet sind. Diese Ungenauigkeiten wirken sich zugunsten des Berufungswerbers dahingehend aus, daß - bezogen auf die einzelnen Tatörtlichkeiten - 10% der gefahrenen Geschwindigkeiten in Abzug zu bringen sind.

Betreffend das Faktum 3 wird als erwiesen angenommen, daß der Berufungswerber erst zwischen Kilometer 24,750 und 24,850 (also die letzten 100 Meter dieser Geschwindigkeitsbeschränkung) mit einer Geschwindigkeit von ca. 90 km/h fuhr. Diese Tatorteinschränkung ergibt sich auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen iVm mit den Ausführungen des Zeugen.

Hinsichtlich des Faktums 6 ging der Amtssachverständige von einer Überholgeschwindigkeit von 100 km/h und einer Geschwindigkeit des überholten Fahrzeuges von 70 km/h aus.

Es sind dies, wie der Sachverständige selbst ausführt, Annahmen, die auf Grund der angegebenen Überholstrecke und des zum Abbremsen genötigten Gegenverkehrs errechnet wurden.

Diese Annahmen mögen zutreffend sein, sind jedoch für eine Gutachtenserstellung mit Unsicherheitsfaktoren belastet.

Einer dieser Unsicherheitsfaktoren ist der Überholweg selbst, der von einem 100 m nachfahrenden Fahrzeug (Meldungsleger) in dieser Prägnanz und noch dazu bei Dunkelheit kaum feststellbar ist. Ein um angenommen 20 m geringerer Überholweg würde auch andere angenommene Geschwindigkeiten ergeben. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Annäherungsgeschwindigkeit des Gegenverkehrs, die mit 100 km/h angenommen wurde. Es ist sohin bei der gegenständlichen Entscheidung nicht von den auf diese Art angenommenen Geschwindigkeiten auszugehen, zumal der Meldungsleger weder in der Anzeige noch anläßlich seiner zeugenschaftlichen Befragungen Angaben über die Geschwindigkeiten machen konnte, vielmehr wird in Ermangelung anderer konkreter Anhaltspunkte diesbezüglich von den Angaben des Beschuldigten ausgegangen, wonach er einen mit 40 km/h vor ihm fahrenden PKW mit ca. 90 km/h überholte, wobei die Beschleunigung auf 90 km/h von 70 km/h weg erfolgte.

Der Sachverständige wurde fernmündlich über dieses als erwiesen angenommene Überholmanöver (Geschwindigkeitsdifferenz 40 km/h zu 90 km/h) befragt, worauf dieser errechnete, daß bei einem Minimalsicherheitsabstand (der möglicherweise zu gering war) von einer halben Sekunde der Überholweg 77 Meter betragen hat. Das ergibt bei einem Gegenverkehr, dessen Annäherungsgeschwindigkeit maximal 100 km/h betragen darf, eine erforderliche Überholsichtweite von 220 m. Die tatsächliche Überholsichtweite betrug - wie der Sachverständige ausführte - günstigstenfalls 235 m bis 240 m, wobei in dieser Überholsichtweite der Lichtkegel eines sich nähernden Fahrzeuges nicht miteinbezogen wurde.

Diese fernmündlich eingeholten Berechnungen wären dann nicht zutreffend, wenn der Berufungswerber trotz eines schon sichtbaren Gegenverkehrs überholt hätte. Auch wenn dies angesichts des sonstigen Verhaltens des Berufungswerbers anläßlich dieser Fahrt nicht auszuschließen ist, so fehlt doch der für ein Strafverfahren nötige schlüssige Beweis hiefür. Aus dem beobachtet habenden Aufleuchten der Bremslichter des überholten Fahrzeuges kann dieser Schluß nicht gezogen werden, weil der Grund für das Aufleuchten auch ein anderer gewesen sein könnte. Auch das Betätigen der Lichthupe des Gegenverkehrs ist hiefür kein schlüssiger Beweis, weil auch diese Art der Lichtgebung eine andere Ursache gehabt haben könnte. Würde man dennoch das Überholmanöver in dieser gefährlichen Form annehmen, so wäre die Fahrweise des Beschuldigten als äußerst rücksichtslos zu bewerten. Wenn dies tatsächlich so gewesen sein sollte, hätte es seitens des anzeigenden Gendarmerieorganes allerdings einer exakteren Anzeige bedurft, vor allem hätte er die Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge in der Anzeige vermerken müssen, zumal er ja auch die sonstigen Geschwindigkeiten im Zuge des gegenständlichen Nachfahrmanövers in das laufende Diktiergerät gesprochen hat.

Es wird also hinsichtlich des Faktums 6 nicht mit einer für ein Strafverfahren ausreichenden Sicherheit angenommen, daß die Bestimmungen des § 16 Abs.1 lit.a und c sowie des § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 in der angelasteten Form verwirklicht wurden.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zum geltend gemachten Notstand (Putativnotstand):

Ein als Schuldausschließungsgrund zu qualifizierender Notstand oder Putativnotstand iSd § 6 VStG wird im Verhalten des Beschuldigten nicht erblickt, auch wenn ihm zugebilligt werden muß, daß es sich bei der gegenständlichen Nachfahrt um keine Einsatzfahrt handelte und somit auch der Meldungsleger rechtswidrig gehandelt hat. Dazu wird angemerkt: Die Aufgabe von Straßenaufsichtsorganen besteht nicht im Sammeln von Verwaltungsübertretungen sondern in der Verhinderung derselben, falls hiezu eine Möglichkeit gegeben ist. Diese Möglichkeit hatte der Meldungsleger, indem er das Blaulicht eingeschaltet hätte. Die unter Setzung von Verwaltungsübertretungen seitens des Meldungslegers getroffenen Feststellungen, sind (trotz rechtswidriger Erlangung) im Beweisverfahren verwertbar. Der Berufungswerber - der sich bedrängt und gedrängt fühlte kann den strafbefreienden Notstand (Putativnotstand) für sich deshalb nicht geltend machen, weil unter "Notstand" nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden wird, indem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine strafbare Handlung begeht. Der Berufungswerber hätte sich aber - selbst wenn er in Furcht gehandelt hätte (was er in dieser Schärfe nicht behauptet hat) - aus der ihm drohenden Gefahr (die keine schwere und unmittelbare war) auch anders retten können als durch den Versuch, dem folgenden Auto zu entfliehen, nämlich eine gesicherte beleuchtete Ortschaft oder Tankstelle aufzusuchen.

Zum Faktum 6:

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG ist von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen ist.

Wie oben dargelegt wurde, ist dem Beschuldigten das ihm in dieser Form zum Vorwurf gemachte Überholmanöver mit einer für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit nicht nachzuweisen, sodaß dem Grundsatz "in dubio pro reo" folgend die Einstellung des Faktums 6 zu verfügen war.

Zu den einzelnen Geschwindigkeitsüberschreitungen:

Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf auf Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h gefahren werden.

In der ersten Phase der Verfolgungsfahrt und der Geschwindigkeitsüberschreitungen, nämlich von Kilometer 21,960 bis Kilometer 24,5 liegt eine Freilandstraße vor und es hat in diesem Bereich der Beschuldigte die zulässige Höchstgeschwindigkeit durchgehend überschritten. Es liegt somit nur eine einzige Tat vor und es ist unerklärlich, warum die Strafbehörde diesbezüglich dem Beschuldigten zwei Verwaltungsübertretungen zum Vorwurf gemacht hat. Nachdem durch die unterschiedlichen Entfernungsangaben bei der Verfolgungsfahrt die Geschwindigkeitsüberschreitungen als im Schätzwege ermittelt anzusehen sind und es in der Natur der Schätzung liegt, daß diese nicht exakt sein können, wird dem Beschuldigten zur Last gelegt, mit etwa 125 km/h gefahren zu sein. Dies würde eine Reduzierung der Geldstrafe nach sich ziehen, was jedoch durch die nunmehr zum Vorwurf gemachte längere Fahrstrecke kompensiert wird.

Es war daher diesbezüglich auch die Geldstrafe zu bestätigen.

Das Faktum 2 war aus Gründen des § 22 VStG zu beheben.

Hinsichtlich des Faktums 5 wird dem Beschuldigten eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 35 km/h (statt 50 km/h) zum Vorwurf gemacht, was eine Reduzierung der Geldstrafe auf 1.500 S nach sich zieht.

Betreffend die Delikte 3 und 4 wird dem Berufungswerber zum Vorwurf gemacht, durch Vorschriftszeichen verordnete Höchstgeschwindigkeiten überschritten zu haben.

Hinsichtlich des Faktums 3 kann dem Berufungswerber lediglich zur Last gelegt werden, auf den letzten 100 m der im Straferkenntnis angeführten Strecke die Geschwindigkeit überschritten zu haben (vgl. Gutachten des Amtssachverständigen), wobei iSd obigen Ausführungen die dort bestehende 70 km/h-Beschränkung um ca. 20 km/h überschritten wurde. Die Geldstrafe für diese Verwaltungsübertretung reduziert sich wegen der Tatorteinschränkung und der geringeren Geschwindigkeitsüberschreitung auf 500 S.

Die unter Punkt 4 zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung (die erlaubte Höchstgeschwindigkeit betrug 50 km/h) wird iSd obigen Ausführungen mit ca. 20 km/h angenommen, was eine Reduzierung der Geldstrafe auf 700 S nach sich zieht.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 64 und § 65 VStG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr.Wegschaider

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