Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301246/3/Bi/CG

Linz, 18.12.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau x, xstraße , x, vom 12. April 2012 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 29. März 2012, BZ-Pol-03012-2012, wegen Übertretung des Oö. Jugendschutzgesetzes 2001 zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt, wobei Verfahrenskostenbeiträge nicht anfallen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Ab.1 Z1 1.Alt. und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 12 Abs.1 Z3 iVm 8 Abs.1 und 2 Oö JSchG 2001 eine Geldstrafe von 100 Euro (14 Stunden EFS) verhängt, weil sie es als Verkäuferin der Trafik in x, xstraße x, und somit als Erwachsene im Sinne des § 2 Oö. JSchG 2001 zu verantworten habe, dass sie am 7. Jänner 2012 der Jugendlichen C. K., geb. x, Zigaretten ausgefolgt habe, obwohl Jugendlichen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr der Erwerb und Konsum von Tabakwaren verboten sei und an Jugendliche keine Tabakwaren abgegeben werden dürften, welche sie nicht erwerben und konsumieren dürften.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 10 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung, ergänzt durch den Schriftsatz vom 18. Mai 2012, eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). 

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, es habe sich um eine Privatanzeige gehandelt und trotzdem sei das Verfahren rechtswidriger Weise durch eine Strafverfügung eingeleitet worden. Im Spruch befänden sich die Tatzeitangaben 7. Jänner und 23. Jänner 2012, wobei an keinem dieser Tage Kontakt mit Jugendlichen stattgefunden habe und unklar sei, ob hier zwei Übertretungen vorgeworfen würden, die sie nicht nachvollziehen könne, weil kein Ermittlungs­verfahren und kein Parteiengehör stattgefunden habe. Abgesehen davon fehle eine Uhrzeit, sodass der Bestimmung des  § 44a VStG nicht entsprochen sei.

Sie könne sich an einen Vorfall an einem völlig anderen Tag erinnern, bei dem eine Jugendliche in Begleitung einer Erwachsenen, vermutlich der Mutter, eine Schachtel Zigaretten verlangt habe. Da es öfter vorkomme, dass "kindliche Dolmetscher" mangels Sprachkenntnissen von Erwachsenen mit Migrations­hintergrund fungierten, habe sie gedacht, die Zigaretten seien für die Mutter, da diese auch die Geldbörse gezückt und sich zu bezahlen angeschickt hatte. Bevor die Jugendliche die Zigaretten in die Hand bekommen habe, habe die Erwachsene jedoch die Geldbörse mit der Ankündigung, nun bekomme sie Schwierigkeiten, geschlossen und beide seien gegangen. Zigaretten seien daher nicht ausgefolgt und der Kauf nicht abgeschlossen worden. Sie habe daher keine Tabakwaren an Unberechtigte abgegeben. Ein Tatvorwurf bestehe zu Unrecht und ein Versuch sei ihr nicht zur Last gelegt worden.  Sie habe nie gezweifelt, dass die verlangten Zigaretten für die Erwachsene gedacht gewesen seien.

Am 23. Jänner 2012 sei keine dienstliche Wahrnehmung der SPK Wels gegeben gewesen, weil keine Person aus diesem Personenkreis während ihres Kontaktes mit der weiblichen Begleitperson und der Jugendlichen anwesend gewesen sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie es am 23. Jänner 2012 eine dienstliche Wahrnehmung geben könne hinsichtlich eines – von ihr ausdrücklich bestrittenen – Vorfalls am 7. Jänner 2012.

Beantragt wird Verfahrenseinstellung, in eventu Anwendung des § 21 VStG, da Tabakwaren letztlich nicht ausgehändigt worden seien und daher keine Folgen bei einem aufgrund des Verhaltens der Begleitperson geringfügigen Verschuldens eingetreten seien, in eventu Strafherabsetzung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Aus der mit 23. Jänner 2012 datierten Anzeige der Meldungslegerin RI S. O. (Ml), PI I. S., ergibt sich, dass am 17. Jänner 2012 um 17.05 Uhr N. K. (NK) mit ihrer Tochter C. K. (CK) gegen zwei Trafikanten in der xstraße und der xgasse Anzeige erstattete, weil diese ihrer Tochter Zigaretten verkauft hätten.

NK gab niederschriftlich vernommen an, sie habe am 17. Jänner 2012 gegen 15.00 Uhr ihre Tochter CK in die Trafik in der xstraße 14 um Zigaretten geschickt, weil sie nicht geglaubt habe, dass ihre Tochter ohne Ausweis solche bekomme. Die Tochter habe eine Schachtel L. S. bestellt und, als die Verkäuferin, die die Packung eingescannt habe, Geld wollte, habe sie sie darauf aufmerksam gemacht, dass sie gerade einer 14jährigen Zigaretten verkaufe. Es sei zum Wortwechsel gekommen, wobei die Verkäuferin gesagt habe, die Tochter schaue älter aus; anschließend hätten die Mutter und die Tochter die Trafik verlassen.

Die Ml hielt fest, sie habe mit der Bw gesprochen, die den Vorfall – sinngemäß  wie nunmehr in der Berufung dargelegt – schilderte.

Die Anzeige gegen die Bw bezog sich auf den 7. Jänner 2012 (ohne Uhrzeit), weil NK angegeben hatte, sie habe am 7. Jänner 2012 bei ihrer Tochter eine Packung Zigaretten C. gefunden, die diese für Schulkollegen gekauft habe. CK habe der Mutter damals erzählt, sie habe diese am 7. Jänner 2012, 15.00 Uhr, in der xstraße gekauft, ohne einen Ausweis herzeigen zu müssen. 

 

Nach dem fristgerecht eingebrachten Einspruch der Bw gegen die – ohne dienstliche Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht gemäß § 47 Abs.1 VStG ergangene – Straf­verfügung der Erstinstanz vom 9. Februar 2012 erging ohne Ermittlungsverfahren das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 8 Abs.1 1. Satz Oö. JSchG 2001 ist Jugendlichen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr der Erwerb und der Konsum von Tabakwaren und von alkoholischen Getränken verboten. Gemäß Abs.2 dieser Bestimmung dürfen an Jugendliche keine alkoholischen Getränke oder Tabakwaren abgegeben werden, welche sie im Sinne des Abs.1 nicht erwerben und konsumieren dürfen.

 

Gemäß § 12 Abs.1 Z3 dieser Bestimmung begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder durch andere Verwaltungsvorschriften mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 7.000 Euro und im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer als Erwachsener ... 3. entgegen dem Verbot des § 8 Abs.2 an Jugendliche alkoholische Getränke oder Tabakwaren, welche diese nicht erwerben und konsumieren dürfen (§ 8 Abs.1), abgibt. Gemäß Abs.2 dieser Bestimmung liegt eine Verwaltungs­übertretung gemäß Abs.1 Z3 nicht vor, wenn sich der Erwachsene zuvor vergewissert hat, dass der Jugendliche das gemäß § 8 Abs. 1 vorgeschriebene Alter erreicht hat und ihm dies – auf seine Anfrage – vom Jugendlichen nachge­wiesen wurde.

Grundlage für den Tatvorwurf ist allein die Bemerkung von NK, ihre Tochter habe ihr, als sie am 7. Jänner 2012 bei ihr eine Packung Zigaretten gefunden habe,  erzählt, sie habe "am 7. Jänner 2012 um 15.00 Uhr Zigaretten in der Trafik in der xstraße gekauft, ohne einen Ausweis herzeigen zu müssen."

Abgesehen davon, dass der Bw innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsver­jährungs­frist lediglich eine Ausfolgung von "Zigaretten am 7. Jänner 2012" zur Last gelegt wurde, wurde die NK nicht im Rahmen eines Ermittlungs­verfahrens zeugenschaftlich, dh unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB, dazu befragt. In objektiver Hinsicht liegt eine bloße Mitteilung von NK an die Ml vor, die diese offenbar ungeprüft von ihrer Tochter übernommen hat. Abgesehen davon wurde weder die bei der Anzeigerstattung am 17. Jänner 2012 bereits 14jährige Tochter CK dazu befragt noch überhaupt die Bw als Adressatin dieses Tatvorwurfs objektiv erhoben. Der dem Tatvorwurf zugrundeliegende Sachver­halt wurde nicht erhoben, sondern stellt sich als bloßer "Tratsch" dar, der in der Begründung des Straferkenntnisses auch keinerlei Beweiswürdigung unterzogen wurde. Es ist durchaus möglich, dass NK diese Aussage – wie sie am 17. Jänner 2012 von sich aus darauf kommt, dass CK die Zigaretten am 7. Jänner 2012 "um 15.00 Uhr" gekauft hat, ist fragwürdig – gemacht hat, um ihre Anzeige von Vorfall vom 17. Jänner 2012 ausreichend zu untermauern. Laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses wurde der auf eine Verwaltungsübertretung zu beziehende Begriff "dienstliche Wahr­nehmung" (gemeint: der Meldungslegerin, nicht der PI I. S.) mit dem bloßen Hören einer Mitteilung einer Privatperson gleichgesetzt. Da aber in objektiver Hinsicht kein konkreter Sachverhalt festgestellt wurde – dazu wäre zumindest eine konkrete Erhebung in der Trafik zum für Samstag, 7. Jänner 2012, 15.00 Uhr, geschilderten Vorfall erforderlich gewesen – war mangels greifbarem Substrat der Berufung Folge zu geben und ohne Vorschreibung von Verfahrenskosten­beiträgen  spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

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