Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281448/11/Wim/Bu

Linz, 20.12.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung, hinsichtlich der Fakten 2 und 3 eingeschränkt auf die Strafhöhe, von Frau X, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 14.8.2012, Ge96-4074-2011, wegen Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 19.12.2012 zu Recht erkannt:

 

I.     Der Berufung wird hinsichtlich des Faktums 1 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstraf­verfahren eingestellt.

       Bezüglich der Fakten 2 und 3 wird die verhängte Geldstrafe auf jeweils 400 € herabgesetzt. Die verhängten Ersatzfreiheits­strafen vermindern sich auf jeweils 23 Stunden.

 

II.   Der Verfahrenskostenbeitrag der ersten Instanz zum Faktum 1 entfällt. Hinsichtlich der Fakten 2 und 3 vermindert er sich auf jeweils 40 €. Ein Verfahrenskostenbeitrag zum Berufungsverfahren entfällt.

 

       Der nunmehr zu leistende Gesamtbetrag (Strafe plus Kosten) beträgt 880 €.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 19, 44a, 45 Abs. 1 Z 3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: §§ 65 und  66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über die Berufungswerberin wegen Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes in Verbindung mit der Bauarbeiterschutzverordnung Geldstrafen in der Höhe von 3 mal 500 Euro, im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von 3 mal 24 Stunden sowie ein 10 %-iger Verfahrenskostenbeitrag verhängt.

Im Einzelnen wurde ihr vorgeworfen:

 

"Sie haben als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufene, verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Organ der X GmbH mit Sitz in X, X, diese ist Inhaberin einer Gewerbeberechtigung für "Baumeistergewerbe (§ 99 GewO 1994) eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten" am Standort X, X, nicht dafür Sorge getragen, dass die Vorschriften des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) in Verbindung mit der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) eingehalten wurden.

 

Anlässlich einer amtlichen Erhebung durch den Arbeitsinspektor X am 7.4.2011 um 14:50 Uhr auf der Baustelle X, X, wurde Folgendes festgestellt:

 

1) Der Arbeitnehmer hat ein Arbeitsgerüst betreten, welches den Anforderungen an die Gerüste nicht voll entsprochen hat, obwohl ein Gerüst nicht betreten werden darf, wenn es den Anforderungen an Gerüste nicht voll entspricht.

 

2) An der Absturzstelle waren keine Absturzsicherungen vorhanden, obwohl für den Arbeitnehmer Absturzgefahr bestanden hat, obwohl bei Absturzgefahr nach § 7 Abs. 2 Z 2 oder 4 BauV Gerüstlagen mit Wehren gemäß § 8 BauV versehen sein müssen.

 

3) als Gerüstlage wurde eine nicht tragfähige Schalungstafel verwendet, obwohl für Gerüste nur einwandfreie, ausreichend tragfähige Gerüstbauteile verwendet werden dürfen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt.

 

1) § 130 Abs. 5 1 iVm § 118 Abs. 3 ASchG und 62 Abs. 4 BauV

2) § 130 Abs. 5 1 iVm § 118 Abs. 3 ASchG und 58 Abs. 3 BauV

3) § 130 Abs. 5 1 iVm § 118 Abs. 3 ASchG und 55 Abs. 2 BauV "

 

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin rechtzeitig eine begründete Berufung erhoben, die in der öffentlichen mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Fakten 2 und 3 auf die Strafhöhe eingeschränkt wurde. Hinsichtlich der Strafhöhe wurde auf die nunmehr gegebenen persönlichen Verhältnisse der Berufungswerberin (geringes Einkommen, Sorgepflichten für 2 Kinder) verwiesen und um eine entsprechende Strafreduktion ersucht.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1)               die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2)               die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

 

Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, d.h., in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können.

Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Im Faktum 1 des angefochtenen Straferkenntnisses wurde der Berufungs­werberin lediglich vorge­worfen, dass ein Arbeitnehmer ein Arbeitsgerüst betreten habe, welches den Anforderungen an Gerüste nicht voll entsprochen hat, obwohl ein Gerüst nicht betreten werden darf, wenn es den Anforderungen an Gerüste nicht voll entspricht. Da in diesem Spruchpunkt nicht auch nur beispielsweise angeführt wurde, worin die Mängel des Gerüstes gelegen waren, wurde den oben genannten Vorgaben des § 44a VStG nicht entsprochen und war daher dieser Spruchpunkt zu beheben.

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen. Da innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keine fristgerechte Verfolgungshandlung getätigt wurde, war es dem Unabhängigen Verwaltungssenat auch verwehrt eine dahingehende Spruchergänzung vorzunehmen.

 

3.2. Durch die Einschränkung der Berufung auf die Strafhöhe war hinsichtlich der Fakten 2 und 3 nur mehr die Strafbemessung einer Überprüfung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat zu unterziehen.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand inwieweit die Tat sonst nachteiligen Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungs­strafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelst es sich bei der Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.

 

In Anbetracht der nunmehr bekannten finanziellen und persönlichen Verhältnisse der Berufungswerberin (laufendes Insolvenzverfahren und nur geringes unselbständigen Einkommen sowie Sorgepflichten für 2 Kinder) war die vorgenommene geringfügige Strafreduktion geboten. Auch der in der öffentlichen mündlichen Verhandlung anwesende Vertreter des Arbeitsinspektorates hat dagegen keine Einwände erhoben.

 

Von der Anwendung der Bestimmungen der §§ 20 und 21 VStG (außer­ordentliche Strafmilderung bzw. Absehen von der Strafe) war Abstand zu nehmen, da die dafür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen (geringes Verschulden sowie unbedeutende Folgen der Tat bzw. Überwiegen der Milderungsgründe) nicht gegeben sind.

 

4. Die nunmehrige Kostenregelung ergibt sich aus den angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Leopold Wimmer

 

 

 

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