Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166787/8/Bi/Th

Linz, 17.09.2012

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn x, x, vertreten durch Herrn RA x, x, x, gegen das Straferkenntnis des Bezirks­hauptmannes von Vöcklabruck vom 2. Februar 2012, VerkR96-21267-2011-Hai, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 13. September 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

I.                  Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt wird, dass der erste Satz zu lauten hat: "Sie haben am 2. September 2011 gegen 18.10 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen x in V. gelenkt, wobei Sie auf Höhe des Hauses O. mit dem entgegenkommenden Pkw mit dem Kennzeichen x kollidiert sind." Die Geldstrafe wird auf 100 Euro herabgesetzt.

 

II. Der Beitrag zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz ermäßigt sich auf 10 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs,4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1 und 19 VStG

zu II.: §§ 64f VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO

1960 eine Geldstrafe von 120 Euro (72 Stunden EFS) verhängt, weil er am 2. September 2011 gegen 18.10 Uhr den Pkw, Kz. x, in V. von der xstraße kommend gelenkt habe und in den O. abgebogen sei, wobei er auf Höhe des Hauses O. mit dem entgegenkommen­den Pkw, Kz, x, kollidiert sei. Trotzdem der Verkehrsunfall mit Sach­schaden in ursächlichen Zusammenhang gestanden sei, habe er es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden zu verständigen, obwohl er Namen und Adresse dem Geschädigten nicht nachgewiesen habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 12 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­waltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 13. September 2012 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Bw Herrn x durchgeführt. Der Bw und die Vertreterin der Erstinstanz waren entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, auf dem im Akt liegenden Foto sei nicht sein Pkw abgebildet, sondern der Pkw des Unfallgegners x. An seinem Pkw sei kein Schaden entstanden, auch keine Kratzspuren, wie die Erstinstanz gemeint habe. Der Vorfall sei so gewesen, dass sich im Gegenverkehr der Außenspiegel seines und der des Fahrzeuges F. leicht berührt hätten. Er sei danach sofort stehengeblieben, dann aber, nachdem sich unmittelbar hinter ihm zahlreiche Fahrzeuge befunden hätten, auf den ca 70 m entfernten Parkplatz gefahren, habe dort das Fahrzeug abgestellt und sei zur Unfallstelle zurück­gegangen, um nach auf der Fahrbahn liegenden Splittern oä zu suchen. Da aber keine Fahrzeugteile auf der Fahrbahn gelegen seien und der Unfallgegner ohne stehenzubleiben weitergefahren sei und er auch keine Beschädigungen am Seitenspiegel seines Fahrzeuges ersehen habe könne, sei er berechtigterweise davon ausgegangen, dass überhaupt kein Sachschaden eingetreten sei. Abgesehen davon wäre es im Sinne der Erhebungspflicht von der Behörde zu eruieren gewesen, ob tatsächlich die Abriebspuren am Seitenspiegel des Pkw x von seinem Fahrzeug stammten. Die Behörde habe auch kein Verschulden seinerseits aufgezeigt, weshalb er auch keine Fahrerflucht begangen haben könne. Er habe außerdem seine Gattin, die Beifahrerin gewesen sei, als Zeugin angeboten - diese sei aber ohne Angabe von Gründen nicht vernommen worden. Außerdem habe die Erstinstanz ein zu hohes Einkommen der Strafbemessung zugrundegelegt. Beantragt wird Verfahrenseinstellung, in eventu der Ausspruch einer Ermahnung, in eventu Strafherabsetzung

Der Berufung beigelegt ist eine Mitteilung der S. d. B., Linz, vom 2. Februar 2012, wonach der Bw eine Alterspension von netto 1.075,73 Euro erhält.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsvertreter des Bw gehört und die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des Straferkenntnisses berücksichtigt wurden.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw lenkte am 2. September 2011 gegen 18.10 Uhr den auf ihn zugelassenen Pkw in V. - allerdings nicht von der xstraße kommend, sondern auf Höhe des Hauses O. in Richtung B., wie bereits aus der Anzeige des Zeugen M. F. hervorgeht. Unbestritten ist, dass es um ca 18.10 Uhr auf Höhe des Hauses O. im Begegnungsverkehr zwischen den beiden Pkw zu einer Berührung im Bereich der beiden linken Außenspiegel kam. Unbestritten ist im Ergebnis auch, dass es letztendlich nicht zu einem Identitätsnachweis zwischen den beiden am Unfall beteiligten Lenkern kam. Während der Zeuge F., der an seinem Außenspiegel die auf dem im Akt befindlichen Foto ersichtlichen Kratzer im Lack vorfand, nach dem Unfall offenbar sofort zur Polizei V. fuhr und bereits um 18.15 Uhr den Unfall meldete, musste der Bw, der die Fahrt schließlich fortgesetzt hatte, weil nach seinen Angaben der Lenker des anderen Pkw nicht mehr an die Unfallstelle zurück­gekehrt war, von der Polizei V. telefonisch kontaktiert werden. An eine Unfallmeldung hatte er offensichtlich nicht gedacht, was er im Wesentlichen damit begründete, an seinem Pkw sei kein Schaden festzustellen gewesen und daher sei er davon ausgegangen, dass beim Vorfall überhaupt kein Schaden entstanden war. Von Fahrerflucht könne aber keine Rede sein, weil er nur wegen der Verkehrsbehinderung ein Stück bis zu einem Parkplatz weitergefahren sei und dann zu Fuß zur Unfallstelle zurückgegangen sei, wo er aber weder den Unfallgegner noch auf der Fahrbahn liegenden Fahrzeugteile, Splitter oä vorfand. Die Angaben des Bw über sein verkehrsbedingtes Weiterfahren und Zurückgehen an die Unfallstelle sind glaubwürdig, sodass sich die Einvernahme seiner Gattin als Zeugin erübrigte.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen: Gemäß § 4 Abs.5 StVO haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die im Abs.1 genannten Personen - das sind alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang steht - die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn diese Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Voraussetzung für die Meldepflicht des Abs.5 ist als objektives Tatbestands­merkmal der Eintritt eines Sachschadens und in objektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte (vgl VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, uva).

Zweck des § 4 ist es nicht, an Ort und Stelle festzustellen, ob ein Sachschaden von einem Unfall herrührt, ob die Angaben der am Unfall Beteiligten stimmen und das Verschulden an einem Unfall zu klären, sondern um den am Unfall beteiligten Fahrzeuglenkern die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensregulierung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird (vgl VwGH 26.1.2002, 2001/02/0240; uva). Sinn der Verständigungspflicht des Abs.5 ist es, gerade im Falle, dass ein gegenseitiger Identitätsnachweis zwischen den Beteilig­ten an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden - aus welchen Gründen immer -nicht zustande gekommen ist, die Unfallbeteiligten in die Lage zu versetzen, durch Nachfrage bei der Polizei die Daten des Unfallgegners für einen allfälligen Schadenersatz in Erfahrung zu bringen (vgl E 11.5.2004, 2004/02/0064).

Unter dem Begriff "ohne unnötigen Aufschub" kann nur verstanden werden, dass die Meldung über einen Verkehrsunfall, bei dem nur Sachschaden entstanden ist, nach Durchführung der am Unfallort notwendigen, durch das Gebot der Verkehrssicherheit erforderlich erscheinenden Maßnahmen bzw nach einem ver­geblichen Versuch eines Identitätsnachweises zu erfolgen hat (vgl E 12.11.1970, 1771/69).

 

Bezogen auf den ggst Fall ist zu sagen, dass die Meldepflicht schon deswegen gegeben war, weil die Kollision zweier Pkw mit dem jeweiligen Außenspiegel erfahrungsgemäß Schäden an einem Außenspiegel nach sich ziehen kann, auch wenn der Bw selbst am Außenspiegel seines Pkw keinen Schaden feststellte. Wenn, wie in diesem Fall, der Pkw des Unfallgegners nicht mehr aufzufinden ist, hätte der Bw daher nicht automatisch davon ausgehen dürfen, dass beim Vorfall überhaupt keim Schaden entstanden ist, sondern er hätte, da er die Möglichkeit eines Schaden in objektiver Hinsicht nicht mit Sicherheit ausschließen konnte, den Unfall melden müssen. Dabei geht es nicht schon um die Frage der Schuldzuweisung dahingehend, wer letztlich zu weit links fuhr und damit den Schaden tatsächlich verursacht hat,  und auch  nicht darum, wie alt der ersichtliche Schaden ist und ob er bei diesem Vorfall entstanden sein kann, sondern allein darum, die Daten der beteiligten Lenker für eventuelle spätere Schadenersatzforderungen festzuhalten. Wenn der Bw, wie er selbst ausführt, nach eventuell an der Unfallstelle liegenden Fahrzeugteilen gesucht hat, muss der Zusammenstoß zumindest von solcher Intensität gewesen sein, dass er das Hinunterfallen von Splittern oä für möglich gehalten hat. Damit konnte er aber einen Schaden beim Fahrzeug des Unfallgegners nicht ausschließen und wäre, eben weil es ihm nicht möglich war, einen solchen tatsächlich auszuschließen, zur Unfallmeldung "ohne unnötigen Aufschub" verpflichtet gewesen. Dafür hätte die telefonische Meldung nach der Feststellung, dass der Unfallgegner nicht an die Unfallstelle zurückgekehrt ist, ausgereicht.

Damit hat der Bw den ihm zur Last gelegten Tatbestand - mit Ausnahme der gemäß § 44a Abs.1 VStG eliminierten Fahrtrichtung, die für den Vorwurf der Nichtmeldung eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden letztlich ohne Belang ist -zweifellos verwirklicht und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten, zumal ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.

 

Von geringfügigem Verschulden (an der Nichtmeldung) und unbedeutenden Folgen ist nicht auszugehen, weil der Bw anhand des Pkw-Kennzeichens eruiert werden musste. Die Voraussetzungen des § 21 VStG liegen daher ebenso wenig vor wie die des § 20 VStG mangels Strafuntergrenze im § 99 Abs.3 StVO.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Der Bw ist unbescholten und erschwerende Umstände waren nicht zu berücksichtigen. Die Erstinstanz ging mangels irgendwelcher Angaben des Bw auf die konkrete Frage nach seinem finanziellen Verhältnissen von einem geschätzten monatlichen Netto-Einkommen von 1.500 Euro aus. Tatsächlich hat der Bw nunmehr Unterlagen vorgelegt, wonach er lediglich 1.075 Euro Netto-Pension bezieht. Demnach war die Geldstrafe zu reduzieren, nicht aber die Ersatzfreiheitsstrafe, weil deren Bemessung nichts mit dem Einkommen zu tun hat.

Die nunmehr verhängte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, hält generalpräven­tiven Überlegungen stand und soll den Bw in Zukunft zur Einhaltung der Lenker­pflichten nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden anhalten. Es steht ihm frei, mit der Erstinstanz eine Vereinbarung zur Bezahlung der Geldstrafe in Teilbeträgen zu treffen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

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