Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101344/6/Lg/Shn

Linz, 06.08.1993

VwSen - 101344/6/Lg/Shn Linz, am 6. August 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Langeder über die Berufung des H Z, Im R, O, vertreten durch Dr. J P Rechtsanwalt in Linz, Fadingerstraße 24, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 26. Mai 1993, Zl. VerkR-96/15626/1992-Hu, nach der am 27. Juli 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I.: Die Berufung wird gemäß § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II.: Gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG hat der Berufungswerber zusätzlich zu den Kosten des Verfahrens vor dem Bezirkshauptmann von Linz-Land einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in Höhe von 500 S (20 % der Geldstrafe) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem genannten Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 2.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil er am 11. Oktober 1992 um 11.57 Uhr im Gemeindegebiet A, auf der W A , ABkm 168.525, in Richtung Salzburg, den PKW,, im Bereich des Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 100 km/h" mit einer Geschwindigkeit von 145 km/h gelenkt habe und daher gemäß § 52 lit.a Z10a und § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 in der genannten Höhe zu bestrafen gewesen sei.

Soweit für die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich erheblich, führt das Straferkenntnis im wesentlichen begründend aus, daß die erlaubte Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten wurde, von einem geschätzten Einkommen von 2.500 DM, von den aktenkundigen Familienverhältnissen (Sorgepflicht für Gattin und zwei Kinder), dem Vorliegen eines Geständnisses und von der bisherigen Unbescholtenheit des Bestraften auszugehen gewesen sei.

1.2. Dem Straferkenntnis war eine Strafverfügung derselben Behörde vom 2. Februar 1993, unter derselben Zahl, vorausgegangen, mit welcher über den Berufungswerber eine Geldstrafe in gleicher Höhe (2.500 S), aber eine höhere Ersatzfreiheitsstrafe (72 Stunden) verhängt worden war. Im auf vollen Einspruch hin ergangenen Straferkenntnis wurde also nur die Ersatzfreiheitsstrafe, nicht aber die Geldstrafe herabgesetzt.

2. Gegen das erwähnte Straferkenntnis wendet sich die rechtzeitige und zulässige - Berufung vom 4. Juni 1993. In der Berufung - in Verbindung mit den Ausführungen des Berufungswerbers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung - wird im wesentlichen geltend gemacht:

2.1. Im Falle des Einspruchs gegen eine Strafverfügung sei die bloße Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig. Setzt die Behörde die Ersatzfreiheitsstrafe herab, so sei sie an den in der Strafverfügung gewählten Schlüssel zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe dahingehend gebunden, daß im dadurch gegebenen Verhältnis auch die Geldstrafe entsprechend herabzusetzen sei. Die rechtliche Grundlage für diese Rechtsmeinung sieht der Berufungswerber in der bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, 1992, S 160 zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 16 VStG, in gebotenen Analogien zu Bestimmungen des Strafgesetzbuches (StGB) bzw. der Strafprozeßordnung 1975 (StPO) sowie in allgemeinen rechtsstaatlichen Erwägungen.

2.2. Weiters macht die Berufung Geringfügigkeit des Verschuldens geltend, die darin begründet sei, daß der Berufungswerber den Sinn des gegenständlichen Vorschriftszeichens mißdeutet habe. Abgesehen von der Bedeutung dieses Umstandes für die Strafbemessung seien deshalb die Voraussetzungen des § 21 Abs.1 VStG gegeben.

2.3. Schließlich rügt die Berufung am Verfahren vor der belangten Behörde, daß über die Schuldform (Vorsatz, Fahrlässigkeit) keine Feststellungen getroffen wurden.

2.4. Aus diesen Gründen beantragt der Berufungswerber - eine der Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden gemäß dem erwähnten Proporz angemessene Herabsetzung der Geldstrafe; - in eventu eine Herabsetzung der Geldstrafe auf ein schuldangemessenes Maß; - in eventu den Ausspruch einer Ermahnung gemäß § 21 Abs.1 VStG.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den Akt Einsicht genommen und nach Durchführung der ausdrücklich verlangten öffentlichen mündlichen Verhandlung (§ 51e Abs.2 VStG) erwogen:

3.1. (Zum Verhältnis zwischen Strafverfügung und Straferkenntnis:) Nach einhelliger Rechtsprechung und Lehre stellt sich die Rechtslage hinsichtlich des Verhältnisses Strafverfügung/Straferkenntnis wie folgt dar: Kennzeichnend für die Strafverfügung ist das Fehlen eines ordentlichen Verfahrens hinsichtlich des Sachverhalts einschließlich der Ermittlung und Berücksichtigung von im Zusammenhang mit § 19 Abs.2 VStG erheblichen Umständen. Im Falle des vollen Einspruchs tritt die Strafverfügung ex lege außer Kraft. Im folgenden ordentlichen Verfahren kann auch eine andere, sei es eine höhere, sei es eine geringere Strafe verhängt werden. Dies ist, obwohl seit der VStG-Novelle 1990 eine einschlägige ausdrückliche Vorschrift fehlt, nach wie vor der Fall (vgl. für den früheren Gesetzeswortlaut den bei Ringhofer, ebd., S 416 abgedruckten AB und hinsichtlich der Rechtslage aufgrund der aktuellen Gesetzesformulierung, statt vieler, Ringhofer, ebd., S 417, Anm 11 zu § 49 VStG und Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, 1990, S 998 f, Anm 10 zu § 49). Hinter diesem Konzept steht offensichtlich die Überlegung, daß im ordentlichen Verfahren Umstände erheblich werden können, die im abgekürzten Verfahren aufgrund der wesensgemäß eingeschränkten Ermittlungsbefugnis der Behörde noch nicht hervortreten konnten. Diese Umstände können auch zum Nachteil des Einspruchswerbers ausschlagen - kein Verbot der reformatio in peius.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich sieht sich wegen der Anregung eines Analogieschlusses von der StPO auf das Verwaltungsstrafrecht durch den Berufungswerber nicht veranlaßt, von dieser, der langjährigen und einhelligen verwaltungsrechtlichen Doktrin entsprechenden Auffassung abzugehen. Dies vor allem aus zwei Gründen: Erstens liegt - wegen der gemäß §§ 260 ff StPO im Gerichtsstrafrecht gegebenen mangelnden Differenzierung zwischen vollem Einspruch und bloßem Einspruch gegen die Strafhöhe keine analogiefähige Situation vor und zweitens gilt das in Rede stehende Verbot für den Einspruch gegen die Strafverfügung gemäß den erwähnten Bestimmungen der StPO nach herrschender Auffassung (vgl. Platzgummer, Grundzüge des österreichischen Strafverfahrens, 2. Auflage, 1989, S 153; Foregger-Serini, StPO, 5. Auflage, 1989, Anm. III zu § 462 und die dort zitierte Rechtsprechung; anderer Ansicht Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts, 3. Auflage, 1990, Rn 626) in diesem Bereich ohnehin nicht.

Auch verfassungsrechtliche Erwägungen führen zu keinem gegenteiligen Ergebnis. Das durch das Fehlen des Verschlechterungsverbots im Fall des vollen Einspruchs gegebene Risiko des Einspruchswerbers eröffnet der Behörde keineswegs die Möglichkeit zu willkürlicher Entscheidung, da sie bei der Festsetzung der Strafhöhe im ordentlichen Verfahren an gesetzlich vorgegebene und ausreichend determinierte - aber eben andere als bei der Strafverfügung gegebene - Maßstäbe gebunden ist. Dieses Risiko als solches ins Kalkül zu ziehen, ist dem Einspruchswerber - wie im übrigen auch im Zusammenhang mit ähnlichen Bestimmungen des AVG - unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zumutbar. Dies gilt sowohl für die Geldals auch für die Ersatzfreiheitsstrafe, sodaß nicht erkennbar ist, inwieweit durch die Möglichkeit einer Verschiebung des einmal gewählten Proporzes zwischen Geldund Ersatzfreiheitsstrafe die vom Berufungswerber behauptete zusätzliche "rechtsstaatliche Belastung" des Einspruchswerbers eintreten kann.

Hinsichtlich der Frage der Wirkungen des Einspruchs gegen die Strafverfügung sei ergänzend darauf hingewiesen, daß nach einhelliger Auffassung in der Literatur bei bloßem Einspruch gegen die Strafhöhe ein Verbot der reformatio in peius besteht (vgl. Ringhofer, ebd. S 417, Anm. 11 zu § 49 Hauer-Leukauf, ebd Hauer-Leukauf, ebd S 996 f, Anm. 6 zu § 49; Walter-Mayer, Grundriß des Verwaltungsverfahrensrechts, 5. Auflage, 1991, Rn.939 ff; Wielinger-Gruber, Einführung in das österreichische Verwaltungsverfahrensrecht, 5. Auflage, 1992, S 179).

Zusammenfassend ist festzuhalten, - daß im Verhältnis Strafverfügung/Straferkenntnis nur bei bloßem Einspruch gegen die Höhe der Strafe ein Verschlechterungsverbot besteht, - daß daraus keine Bindung der Strafbehörde an den in der Strafverfügung gewählten Schlüssel zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe für den Erlaß des Straferkenntnisses ableitbar ist (siehe dazu näher 3.2.) und - daß aus dem Verschlechterungsverbot bei bloßem Einspruch gegen die Strafhöhe für den Berufungswerber im vorliegenden Fall nichts zu gewinnen ist: Der Berufungswerber hat - aus welchen Gründen immer - vollen Einspruch erhoben und im Straferkenntnis wurde überdies keine höhere Strafe als in der Strafverfügung verhängt.

3.2. (Zum Verhältnis zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe:) Bei dieser Rechtslage ist davon auszugehen, daß im ordentlichen Verfahren die Tatverwirklichung und die die Strafhöhe bestimmenden Umstände durch die Behörde zu prüfen sind - und zwar ohne Bindung an die in der Strafverfügung getroffenen Feststellungen tatsächlicher und Festlegungen normativer Art. Wenn dem so ist, so kann als Maßstab für die Strafbemessung im ordentlichen Verfahren nur der gesetzliche Strafrahmen iVm § 19 VStG herangezogen werden, nicht jedoch (auch) die in der Strafverfügung festgelegte Strafe.

Die dargelegten Erwägungen treffen, wie bereits angedeutet, auch auf das Verhältnis zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zu. Ist die Behörde nicht an die in der Strafverfügung festgelegte Strafe gebunden, so gilt dies auch hinsichtlich des damals gewählten Proporzes zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe sind im erstbehördlichen Strafverfahren nur jene Maßstäbe von Bedeutung, die für die erstmalige Festsetzung der Strafen im ordentlichen Verfahren schlechthin gelten.

Dabei ist zu beachten, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Verwaltungsstrafrecht innerhalb der gesetzlichen Mindest- und Höchstsätze - kein bestimmtes Verhältnis zwischen Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe bestehen muß (vgl. VwGH 23.3.1988, Zl. 87/02/0171, 0172; 25.1.1988, Zl. 87/10/0055; 10.3.1987, Zl. 86/18/206; 30.1.1987, Zl. 86/18/0235; 28.6.1985, Zl. 85/18/0076;12.12.1984, Zl. 83/03//0003; 17.6.1983, Zl. 83/02/0010; 25.2.1983, Zl. 82/02/0224 u.a.), mag auch in den meisten Fällen ein sich aus dem Verhältnis der Strafsätze ergebender Proporz (resultierend aus identischen Bruchteilen der Strafsätze der Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe) eine passende Richtlinie für die angemessenste Lösung bilden: Beträgt beispielsweise der Strafrahmen für die Geldstrafe bis zu 10.000 S und der Strafrahmen für die Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, so entspricht nach dem "strafsätzegebundenen Umrechnungsschlüssel" (Ausschöpfung beider Strafrahmen zu je 25 %) einer Geldstrafe von 2.500 S eine Ersatzfreiheitsstrafe von 84 Stunden (= dreieinhalb Tagen). Dabei können sich aus Gründen der finanziellen Situation des Beschuldigten (Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse - § 19 Abs.2 VStG) Abweichungen ergeben, da diese Umstände (nur - § 19 Abs.2 VStG) bei der Bemessung der Geldstrafe zu berücksichtigen sind. Dem "sätzegebundenen Umrechnungsschlüssel" kommt demnach keine absolute (von der finanziellen Situation des Beschuldigten losgelöste) Verbindlichkeit zu (vgl. VwSlg. 3.825 A/1955; VwGH 12.12.1984, Zl.83/03/0003; 5.11.1987, Zl.87/18/0087 und weitere, bei Ringhofer, ebd., S 160 angegebene Judikatur).

In diesem Zusammenhang ist freilich zu beachten, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Falle eines "erheblichen Unterschieds" eine Begründung erforderlich ist (vgl. VwGH 5.11.1987, Zl.87/18/0087; Hinweis auf VwGH 27.9.1979, 2554/79). Daraus ergibt sich zweierlei:

1. daß unerhebliche Abweichungen vom sich aus dem "sätzegebundenen Umrechnungsschlüssel" ergebenden Verhältnis tolerabel sind und 2. daß erhebliche Abweichungen - bei sonstiger Rechtswidrigkeit des Bescheids - einer sachlichen Begründung bedürfen. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist die Rechtsprechung des VwGH, wonach im Berufungsverfahren die bloße Herabsetzung der Geldstrafe aus Gründen der finanziellen Situation des Beschuldigten als zulässig (vgl. VwSlg. 3.825 A/1955; VwGH 12.2.1968, 484/66 u.a.) und die bloße Herabsetzung der Geldstrafe aus anderen (als in der finanziellen Situation gelegenen) Gründen als unzulässig erachtet wurde (vgl. VwGH 27.9.1988, Zl.87/08/0026), zu verstehen.

In dieses Bild würde sich die vom Berufungswerber vertretene Auffassung, insoweit sie darauf gerichtet wäre, daß im Berufungsverfahren die bloße Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe (außerhalb des angesprochenen Toleranzspielraums) unzulässig ist, gut einfügen. Dennoch ist für den Berufungswerber im vorliegenden Fall daraus nichts zu gewinnen, da im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat (Berufungsverfahren) keine Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe in Relation zum angefochtenen Straferkenntnis erfolgt (siehe näher unten 3.3. und 3.4.). Soweit der Berufungswerber das Verhältnis Strafverfügung/Straferkenntnis im Auge hat, ist darauf zu verweisen, daß dort andere Voraussetzungen gelten als im Berufungsverfahren (siehe oben 3.1.).

Ergänzend ist - entgegen der Rechtsmeinung des Berufungswerbers - festzuhalten, daß der fixe Umrechnungsschlüssel des § 19 Abs.3 StGB (Verhältnis zwischen Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe 2:1) nicht auf das Verwaltungsstrafrecht übertragbar ist. Eine Analogie verbietet sich schon deshalb, weil das VStG eigene Regeln trifft, die sich zu einem vom Tagessatzsystem des StGB völlig verschiedenen System zusammenfügen. Auch in diesem Punkt liegt ein gefestigter Meinungsstand vor (vgl. statt vieler Walter Mayer, ebd., Rn 791 und Ringhofer, ebd., S 157, Anm. 6 zu § 16 VStG), dem entgegenzutreten sich der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht veranlaßt sieht.

3.3. (Konsequenzen für den unabhängigen Verwaltungssenat:) Für das Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ergibt sich aus dem Gesagten: Unerheblich und daher nicht zu prüfen ist, ob im gegenständlichen Straferkenntnis ein Mißverhältnis zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe im beschriebenen Sinn vorliegt. Der unabhängige Verwaltungssenat hat die das Strafausmaß bestimmenden Umstände selbständig festzustellen und zu bewerten. Er ist dabei lediglich an das Verbot der reformatio in peius gebunden (§ 51 Abs.6 VStG). Auf diese Weise kann freilich ein allfälliges Mißverhältnis zwischen Geldund Ersatzfreiheitsstrafe im Straferkenntnis der belangten Behörde auch für das Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat indirekt Bedeutung erlangen: Nach Ermittlung der angemessenen Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe durch den unabhängigen Verwaltungssenat kann sich herausstellen, daß die im Straferkenntnis verhängte Geldstrafe oder die dort verhängte Ersatzfreiheitsstrafe oder beide nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates zu niedrig bemessen ist (sind). Wegen des Verbots der reformatio in peius hat der unabhängige Verwaltungssenat in diesem Fall seinem Erkenntnis die niedrigere Geld- und/oder Ersatzfreiheitsstrafe des Straferkenntnisses zugrundezulegen. Auf diese Weise kann sich ergeben, daß (auch) die Strafen im Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates in einem Mißverhältnis stehen. Die sachliche Rechtfertigung eines solchen Mißverhältnisses liegt dann aber im vom unabhängigen Verwaltungsenat zu beachtenden Verbot der reformatio in peius. Erachtet also der unabhängige Verwaltungssenat - wie in vorliegendem Fall - die im Straferkenntnis verhängte Geldstrafe für angemessen (siehe dazu näher 3.4.), so verbietet ihm das Verschlechterungsverbot ein Hinaufsetzen der Ersatzfreiheitsstrafe auf ein angemessenes Verhältnis. Nicht jedoch verhält es sich umgekehrt: Aus der an sich gegebenen Angemessenheit einer höheren Ersatzfreiheitsstrafe kann nicht abgeleitet werden, daß der unabhängige Verwaltungssenat gezwungen wäre, die Geldstrafe auf ein unangemessenes Maß herabzusetzen. Mit anderen Worten: Das Straferkenntnis entfaltet keine dahingehende Bindungswirkung für den unabhängigen Verwaltungssenat, daß der dort gewählte Proporz zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe notwendig eine verhältnismäßige Reduktion der vom unabhängigen Verwaltungssenat als angemessen erachteten Geldstrafe nach sich zieht.

3.4. Zur Höhe der Geldstrafe im gegenständlichen Fall hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich unter Anwendung der Kriterien des § 19 VStG erwogen:

Erhebliche Geschwindigkeitsübertretungen stellen erfahrungsgemäß immer wieder eine Ursache für schwere und schwerste Verkehrsunfälle dar (VwGH 18.10.1989, Zl.88/03/0123). Eine Überschreitung einer verordneten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um etwa ein Drittel (mit Radar festgestellte Geschwindigkeit: 132 km/h) stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die StVO dar (VwGH 23.10.1986, Zl.86/02/0063). Daß keine nachteiligen Folgen eingetreten sind, rechtfertigt in solchen Fällen eine Herabsetzung der Strafe nicht (VwGH 18.10.1989, 88/03/0123;27.9.1989, Zl.89/03/0236). Mildernd wirkt im vorliegendem Fall die Unbescholtenheit des Berufungswerbers. Das Geständnis fällt weniger ins Gewicht, da es unter Umständen erfolgte, unter denen dem Täter kaum etwas anderes übrig blieb, als die Übertretung zuzugeben (vgl. dazu allgemein VwGH 13.3.1962, Zl. 1.332/60, 20.6.1978, Zl. 1573-1575/77; 25.4.1986, Zl.85/18/0390, 0391, 0392; 5.9.1986, Zl. 86/18/0118) oder - mit den entsprechenden nachteiligen Folgen - die Lenkerauskunft zu verweigern.

Der VwGH hat ferner ausgesprochen, daß bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 15.000 S, Sorgepflicht für Gattin und drei Kinder und keinem Vermögen eine Strafe von 3.000 S bei Übertretung der Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen um 46 km/h (also 176 km/h) nicht überhöht ist (VwGH 27.9.1989, Zl.89/03/0236).

Dem Hinweis des Berufungswerbers, den Sinn des gegenständlichen Vorschriftszeichen mißdeutet zu haben, ist, bei Annahme der Richtigkeit dieses Vorbringens, entgegenzuhalten, daß es sich dabei um eine verschuldete Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift handelt. Der AB erwähnt im Zusammenhang mit § 5 Abs.2 VStG ausdrücklich den Ausländer, der es unterläßt, sich vor Überschreiten der Bundesgrenze über den Inhalt der Straßenpolizeivorschriften vergewissert zu haben (zitiert nach Ringhofer, ebd., S 68). In diesem Sinne judiziert auch der VwGH in ständiger Rechtsprechung (vgl. statt vieler Ringhofer, ebd., S 83, E 89 ff). Konsequenterweise ist anzunehmen, daß verschuldete Rechtsunkenntnis eines ausländischen Kfz-Lenkers nicht nur nicht im Sinne eines Entschuldigungsgrundes entschuldigt, sondern auch sonst keine privilegierenden Wirkungen nach sich zieht, daß also ein solcher Lenker etwa bei der Feststellung des Verschuldensgrades im Zuge der Strafzumessung wenigstens grundsätzlich so zu stellen ist, wie eine Person, die die einschlägigen Normen (hier: die gesetzlich definierte Bedeutung von Verkehrszeichen) kennt. Dem möglicherweise vertretbaren Argument, daß bei Rechtsunkenntnis spezialpräventive Gründe an Gewicht verlieren (weil - zugunsten des Täters - zu unterstellen sei, daß kein Grund zur Annahme bestehe, daß er sich trotz nunmehr vermittelter Rechtskenntnis in Zukunft vorschriftswidrig verhalten werde), wäre im konkreten Fall entgegenzuhalten, daß der Gesichtspunkt der Spezialprävention keinen tragenden Grund für die Strafbemessung durch die belangte Behörde dargestellt hat und auch seitens des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich nicht ins Treffen geführt zu werden braucht, um die Strafhöhe von 2.500 S ausreichend zu fundieren.

Unter Abwägung all dieser Umstände erscheint eine Geldstrafe von 2.500 S als durchaus angemessen. Auch die im angefochtenen Straferkenntnis verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden ist zu bestätigen, da sich eine Hinaufsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe in Richtung auf das durch das Verhältnis der Höchstsätze der Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe gegebene Maß aus den erwähnten Gründen verbietet.

3.5. Hinsichtlich des vom Berufungswerber behaupteten Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 Abs.1 VStG ist zu bemerken:

Diese Voraussetzungen (geringfügiges Verschulden, unbedeutende Folgen) müssen kumulativ vorliegen (vgl. statt vieler VwGH 16.3.1987, Zl.87/10/0024). Im gegenständlichen Fall liegt keine der beiden Voraussetzungen vor: Die Geringfügigkeit des Verschuldens ist aus den dargelegten Gründen zu verneinen (siehe oben 3.4.). Die in der Berufung geäußerte Rechtsauffassung, daß bei Ungehorsamsdelikten die Folgen sozusagen wesensgemäß unbedeutend (und daher das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals stets anzunehmen) sei(en), ist schlicht unzutreffend (vgl. etwa die obzitierten Erkenntnisse des VwGH vom 18.10.1989, Zl.88/03/0123 und vom 27.9.1989, Zl.89/03/0236).

3.6. Wenn die Berufung mangelnde Feststellung der Schuldform durch die belangte Behörde rügt, so ist dem entgegenzuhalten, daß (wie hier) bei Ungehorsamsdelikten, für die nicht ausdrücklich Vorsatz gefordert ist, eine solche amtswegige "Feststellungslast" aus den in den Gesetzesmaterialien angeführten Gründen (vgl. den bei Ringhofer, ebd., S 63 ff zitierten AB) nicht besteht. Im Hinblick auf § 44a VStG sei angemerkt, daß die Schuldform (Vorsatz) nur bei Vorsatzdelikten der Anführung im Spruch bedarf (vgl. Hauer-Leukauf, ebd., S 939 VwGH 20.7.1988, Zl. 86/01/0258).

3.7. Aus all diesen Gründen war die vorliegende Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierten Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß abgesehen von gesetzlichen Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Ergeht an:

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Langeder

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