Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281385/14/Lg/Ba

Linz, 27.11.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 8. November 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des Dr. F H, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. D K, A, W, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Vöcklabruck vom 26. Jänner 2012, Zl. Ge96-4105-2011, wegen Übertretungen des Mutterschutzgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.         Die Berufung wird dem Grunde nach abgewiesen und das ange­fochtene Straferkenntnis insoweit bestätigt. Die Geldstrafen werden jedoch auf zwei Mal je 500 Euro herabgesetzt.

 

II.        Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich auf insgesamt 100 Euro. Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: §§ 16 Abs.2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: §§ 64 Abs.1 und 2, 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) zwei Geldstrafen in Höhe von je 720 Euro bzw. zwei Ersatzfrei­heitsstrafen in Höhe von je 36 Stunden verhängt, weil ihm Folgendes vorgeworfen wurde:

 

"Sie haben als zum Tatzeitpunkt handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gem. § 9 Abs. 1 VStG. 1991 zur Vertretung nach außen berufenes, verwaltungsstrafrechtliches Organ der H P Ges.m.b.H., diese ist persönlich haftende Gesellschafterin der E P Ges.m.b.H. Nfg.KG, beide mit Sitz in U, M, nicht dafür Sorge getragen, dass die Vorschriften des Mutterschutzgesetzes (MSchG) eingehalten werden. Die E P Ges.m.b.H. Nfg.KG ist Inhaberin von Gewerbeberechtigungen für 'Herstellung von Giften und Großhandel mit Giften gemäß § 215 GewO 1994', 'Drogistengewerbe (§ 223 GewO 1973)' und 'Herstellung von Arzneimitteln und Großhandel mit Arzneimitteln (§ 213 GewO 1994)', jeweils am Standort U, M.

 

Anlässlich einer Besichtigung am 13.04.2011 durch den Arbeitsinspektor DI D und die Arbeitsinspektorin DI B der Arbeitsstätte der E P Ges.m.b.H. Nfg.KG in U, M, wurde Folgendes festgestellt:

 

1) Die werdende Mutter S N wurde in der Arbeitsstätte U, M

a)      am 09.02.2011 10 h 57 min,

b)      am 07.03.2011 09 h 24 min,

c)      am 10.03.2011 10 h 08 min,

d)     am 16.03.2011 10 h 30 min,

e)      am 24.03.2011 09 h 44 min,

f)       am 28.03.2011 09 h 56 min,

g)      am 30.03.2011 09 h 31 min,

h)      am 31.03.2011 09 h 38 min und

i)        am 06.04.2011 09 h 43 min

beschäftigt, wodurch die tägliche Arbeitszeit neun Stunden überstiegen hat, obwohl werdende und stillende Mütter über die gesetzlich oder in einem Kollektivvertrag festgesetzte tägliche Normalarbeitszeit hinaus nicht beschäftigt werden dürfen. Keinesfalls darf die tägliche Arbeitszeit neun Stunden übersteigen. Die schriftliche Mitteilung über die Schwangerschaft war am 02.02.2011 im Arbeitsinspektorat eingelangt.

 

2) Die werdende Mutter S N wurde in der Arbeitsstätte U, M

a)      von 07. bis 13.02.2011 40 h 19 min,

b)      von 28.02. bis 06.03.2011 41 h 53 min,

c)      von 07. bis 13.03.2011 42 h 39 min,

d)     von 14. bis 20.03.2011 40 h 31 min,

e)      von 21. bis 27.03.2011 42 h 50 min und

f)       von 28.03 bis 01.04.2011 42 h 35 min

beschäftigt, wodurch die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden überstiegen hat, obwohl werdende und stillende Mütter über die gesetzlich oder in einem Kollektivvertrag festgesetzte tägliche Normalarbeitszeit hinaus nicht beschäftigt werden dürfen. Keinesfalls darf die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden übersteigen. Die schriftliche Mitteilung über die Schwangerschaft war am 02.02.2011 im Arbeitsinspektorat eingelangt.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt.

1)      § 37 Abs. 1 iVm § 8 MSchG 1979

2)      § 37 Abs. 1 iVm § 8 MSchG 1979"

 

Begründend führt das angefochtene Straferkenntnis aus:

 

"Gemäß § 8 Mutterschutzgesetz dürfen werdende und stillende Mütter über die gesetzlich oder in einem Kollektivvertrag festgesetzte tägliche Normalarbeitszeit hinaus nicht beschäftigt werden. Keinesfalls darf die tägliche Arbeitszeit neun Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden übersteigen.

 

Gemäß § 37 Abs. 1 Mutterschutzgesetz sind Dienstgeber oder deren Bevoll­mächtigte, die den § 2a, § 2b, § 3 Abs. 1, 3, 6 und 7, § 4 Abs. 1 bis 3, 5 und 6, § 4a, § 5 Abs. 1 bis 3, §§ 6 bis 8a, § 9 Abs. 1 und 2, § 31 Abs. 2, § 32 oder einem Bescheid nach § 4 Abs. 2 Z 9 und Abs. 5, § 5 Abs. 4, § 9 Abs. 3 und 4 zuwiderhandeln, wenn die Tat nicht nach anderen Vorschriften mit strengerer Strafe bedroht ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 70 Euro bis 1 820 Euro, im Wiederholungsfalle von 220 Euro bis 3 630 Euro zu bestrafen.

 

Der im Spruch angeführte Sachverhalt wurde von den Arbeitsinspektoren DI D und DI B dienstlich festgestellt und zur Anzeige gebracht.

 

Aufgrund dieser Anzeige wurde Ihnen der Sachverhalt nachweislich mit Aufforderung zur Rechtfertigung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 20.06.2011 zur Kenntnis gebracht und Ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

 

Mit Schreiben vom 06.07.2011 führten Sie aus, dass Sie am 01.02.2011 von der Schwangerschaft von Frau N erfahren hätten. Beim darauffolgenden Gespräch am 02.02.2011 mit der Personalabteilung, in dem auf die besonderen Schutzbestimmungen von werdenden Müttern hingewiesen worden sei, sei auch das Thema Arbeitszeit angesprochen worden. Frau N hätte ihnen schriftlich bestätigt, dass sie die Bestimmungen der Arbeitszeit für werdende Mütter kenne, in dem nicht mehr als täglich 9 Stunden und nicht mehr als wöchentlich 40 Stunden gearbeitet werden dürfe. Sie würden Frau N als ausgezeichnete Mitarbeiterin kennen, die seit 15 Jahren in ihrem Aufgabengebiet eine hervorragende Leistung erbringen würde. In Folge sei es dann im Zeitraum vom 09.02.2011 bis zum 06.04.2011 zu Überschreitungen der täglichen Arbeitszeit gekommen. Frau N sei sich nach eigenen Aussagen dieses Umstandes bewusst gewesen und hätte diese Mehrleistungen freiwillig erbracht. In der Folge hätten Sie Frau N eine schriftliche Verwarnung ausgesprochen. Sie würden bedauern, dass in diesem Falle den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprochen worden sei und würden zukünftig auf eine lückenlose Überprüfung achten.

 

Aufgrund dieser Rechtfertigung wurde das Arbeitsinspektorat Vöcklabruck um Abgabe einer Stellungnahme gebeten und führte Frau DI B mit Schreiben vom 28.07.2011 aus, dass Frau N die angezeigten Arbeitszeiten erbracht sei und dies in der Stellungnahme bestätigt würde. Die Freiwilligkeit sei im Hinblick auf die Interessen der schutzwürdigen Personen, nämlich der werdenden Mutter und das ungeborene Kind unwesentlich. Der Strafantrag bleibe daher vollinhaltlich aufrecht.

 

Dieses Schreiben wurde Ihnen nachweislich mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 01.08.2011 zur Kenntnis gebracht.

 

Anlässlich Ihrer persönlichen Vorsprache am 22.08.2011 führten Sie an, dass Sie sich nochmals auf das Schreiben vom 06.07.2011 und das Schreiben der Frau N S vom 29.06.2011 beziehen würden. Frau N hätte trotz mehrmaliger Hinweise die max. Arbeitszeit von 9 Stunden überschritten und dies auch entsprechend im bei der E existierenden Zeiterfassungssystem dokumentiert. Frau N sei sich dieser nicht erlaubten Überschreitung bewusst gewesen und hätte den mehrfachen Hinweisen durch ihre Vorgesetzten und die Personalleitung nicht entsprochen. In diesem Zusammenhang hätte weder die Geschäftsleitung noch die Vorgesetzten jemals eine Möglichkeit gehabt, diese Überschreitung zu ahnden. Die Hinweise auf eine Verwarnung und die auch durchgeführte Verwarnung hätten keinen Erfolg gehabt. Frau N hätte aufgrund ihrer eigenen persönlichen Entscheidung die Arbeitszeit überschritten und dokumentiert. Es wäre nie im Sinn der Geschäftsleitung und der Mitarbeiter gewesen, diese Überzeiten nicht zu dokumentieren. Der Geschäftsleitung und den Vorgesetzten wären keine Möglichkeiten gegeben gewesen, diese Überschreitung zu ahnden, außer der schon erwähnten Verwarnung. Eine Entlassung während der Schwangerschaft sei ausgeschlossen und sonstige Maßnahmen wie die tätliche Entfernung der Mitarbeiterin wären nicht möglich. Es stelle sich daher die Frage, wie ein Geschäftsführer und dessen Mitarbeiter eine Überschreitung der Arbeitszeit im Mutterschutz, die mehrmals auch verboten worden sei, verhindern solle. Inzwischen hätte Frau N ein gesundes Kind geboren, was auch darauf hinweise, dass offensichtlich diese freiwilligen Überschreitungen keine Gefährdung für Mutter und Kind gewesen wären. Um diese Angaben weiter zu unterstützen und zu bestätigen würden Sie auffordern, die Zeugen N S, E E und Dr. W S und möglicherweise weitere Zeugen, die den Sachverhalt bestätigen könnten und die klären könnten, dass es völlig unmöglich gewesen sei, die Überschreitung der Arbeitszeiten, durch welche Maßnahmen auch immer, zu verhindern, zu vernehmen. Sie würden den Antrag stellen, das Verfahren einzustellen, ansonsten würden Sie alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Instanenzüge ausschöpfen, um diesen Sachverhalt auch vom Gerichte klären zu lassen.

 

Im Rechtshilfeweg wurde am 23.09.2011 Frau N S beim Gemeindeamt U als Zeugin einvernommen. Sie führte an, dass ihr bewusst gewesen sei, dass sie zu diesen Gelegenheiten mehr als neun Stunden am Tag gearbeitet hätte, ihr sei auch bewusst gewesen, dass diese mit dem MSchG nicht vereinbar sei. Sie hätte gesundheitlich keine Probleme gehabt, demnach hätte sie in der allgemeinen dienstlichen Situation diese Mehrleistung in Kauf genommen. Hätte sie Beschwerden verspürt, hätte sie sofort ihre Tätigkeit beendet. Durch ihr Pflichtbewusstsein sei ihr klar gewesen, dass das Arbeitspensum vorliege und daher zu erledigen gewesen sei. Die Überschreitung sei in Eigenverantwortlichkeit in Kauf genommen worden. Einen Hinweis auf die Überschreitung der Maximalarbeitszeit hätte sie einmal und zwar von Herrn E E, Personalleiter, erhalten. Nach Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat hätte sie einen schriftlichen Hinweis auf die einzuhaltenden Kriterien für die Arbeitszeit erhalten, auf eine mehrfache Verwarnung durch den Arbeitgeber könne sie sich nicht erinnern.

 

Diese Niederschrift wurde dem Arbeitsinspektorat Vöcklabruck mit dem Ersuchen um Stellungnahme übermittelt.

 

Mit Schreiben vom 24.10.2011 führte Herr Ing. Mag. V aus, dass es sich bei den Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften, denen auch das Mutterschutzgesetz zuzurechnen sei, nach ständiger Rechtssprechung des VwGH um Ungehorsamsdelikte handeln würde. Der für die werdende Mutter verantwortliche Arbeitgeber dürfe eine Übertretung nicht dulden. Augrund der Komplexität des Arbeitnehmerschutzes und des Mutterschutzes im Speziellen hätte der Gesetzgeber den Spielraum der Eigenverantwortung sehr eng gefasst und den Bereich der Arbeitszeitüberschreitungen nicht in die Eigenverantwortlichkeit der Arbeitnehmerinnen gelegt. Gerade durch die Begrenzung der Arbeitszeit soll dem noch ungeborenen Kind höchstmöglicher Schutz in Verbindung mit dem Beruf der Mutter gewährleistet werden. Durch eine mögliche Überbeanspruchung könnten unerwünschte pränatale Veränderungen zu postnatalen Schäden beim Kind führen. Ein eventuell vorhandenes Kontrollsystem hätte gerade das eigenmächtige Handeln von Arbeitnehmern, wenn auch in guter Absicht, zu unterbinden, um die gesundheitlichen Schutzziele, gerade beim Mutterschutzgesetz, nicht zu vernachlässigen. Der Strafantrag bleibe vollinhaltlich Aufforderung zur Rechtfertigung.

 

Diese Stellungnahme wurde Ihnen nachweislich mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 28.10.2011 zur Kenntnis gebracht und nochmals die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

 

Mit Schreiben vom 10.11.2011, nunmehr rechtsfreundlich vertreten, führten Sie aus, dass das Arbeitsinspektorat wiederholt ausführe, dass der für werdenden Mütter verantwortliche Arbeitgeber Übertretungen des Mutterschutzgesetzes nicht dulden dürfe. Der Gesetzgeber hätte den Spielraum für Eigenverantwortung sehr eng gefasst hätte und den Bereich der Arbeitszeitüber­schreitungen nicht in die Eigenverantwortlichkeit der Arbeitnehmerinnen gelegt hätte. Ein eventuell vorhandenes Kontrollsystem hätte gerade das eigenmächtige Handeln von Arbeitnehmerinnen, wenn auch in guter Absicht, zu unterbinden. Nicht zu entnehmen sei der Stellungnahme des Arbeitsinspektorates, was der Dienstgeber und der Geschäftsführer im Konkreten hätten tun können, um die (geringfügigen) Arbeitszeitüberschreitungen von Frau N zu unterbinden. Sowohl der Dienstgeber als auch der Geschäftsführer hätten ausgeführt, dass Frau N mehrmals darauf hingewiesen worden sei, dass sie die tägliche Normalarbeitszeit von 9 Stunden und die wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden nicht überschreiten dürfe. Diesbezüglich sei Frau N auch von Seiten des Arbeitgebers verwarnt worden. Dabei hätte es sich mit Sicherheit um das gelindeste arbeitsrechtliche Mittel gehandelt, um die Dienstnehmerin zur Einhaltung der Arbeitszeiten zu veranlassen. Weitergehende Konsequenzen des Arbeitsgebers hätten dann sein müssen, um die Dienstnehmerin zur Einhaltung der Arbeitzeit anzuhalten, eine Kontrollperson abzustellen, die darauf achten würden, dass Frau N die tägliche Normal­arbeitszeit von 9 Stunden nicht überschreitet (was der Dienstnehmerin aber ohnehin bekannt gewesen sei). Darüber hinaus stehe dem Arbeitgeber als arbeitsrechtliche Konsequenz aufgrund der Missachtung der Weisungen die Möglichkeit der Entlassung offen. Aufgrund der Schwangerschaft von Frau N hätte es der Zustimmung des Arbeitsgerichtes gem. § 12 MSchG bedurft. Einerseits sei jedoch zu bezweifeln, dass eine diesbezügliche Zustimmung durch das ASG erteilt worden wäre und andererseits wäre durch das Gerichtsverfahren bezüglich der Zustimmung zur Entlassung der Gesundheitszustand der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes wesentlich mehr gefährdet worden, als durch die an manchen Tagen erfolgte geringfügige Überschreitung der täglichen Normalarbeitszeit durch die Dienstnehmerin (wobei nochmals darauf hingewiesen werde, dass Frau N entgegen der Anweisung des Arbeitgebers entschieden hätte, die Arbeitszeiten zu überschreiten). Es werde beantragt, die Zeugen S N, E E und Dr. W S zu vernehmen sowie ein Gutachten aus dem Bereich der Medizin einzuholen.

 

Das medizinische Gutachten diene zum Beweis, dass eine größere Gesundheitsgefährdung der Dienstnehmerin und des ungeborenen Kindes bestanden hätte, wenn sich der Geschäftsführer bzw. der Dienstgeber dazu entschlossen hätte, die Dienstnehmerin permanent durch ein Kontrollorgan zu überwachen und allenfalls, bei Überschreitung der Normalarbeitszeit, vom Arbeitsplatz zu entfernen sowohl durch die Einleitung des Entlassungsverfahrens gemäß § 12 MSchG. Sowohl der Geschäftsführer als auch der Arbeitgeber hätten das gelindeste Mittel, welches dem Schutz der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes gedient hätte, gewählt, um Frau N dazu anzuhalten, die tägliche Arbeitszeit von 9 Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden nicht zu überschreiten. Jede darüber hinausgehende arbeitsrechtliche Maßnahme, die dem Arbeitgeber und dem Geschäftsführer offen gestanden hätte, hätte schwerwiegende Konsequenzen für die werdende Mutter und das ungeborene Kinde nach sich ziehen können.

 

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme der Bezirkshaupt­mannschaft Vöcklabruck vom 29.12.2011 wurde Ihnen die mit der als Zeugin einvernommenen Frau N S übermittelt und nochmals die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

 

Mit Schreiben vom 04.01.2012 ersuchten Sie um Übermittlung einer gesamten Aktenabschrift um sicher zu gehen, dass Sie über sämtliche Aktenstücke verfügen würden. Mit Schreiben vom 10.01.2012 wurde daher eine Kopie des gesamten Verwaltungsstrafaktes übermittelt.

 

Mit Schreiben vom 16.01.2012 führten Sie aus, dass, wie sich aus der Einvernahme der Dienstnehmerin N ergebe, ihr bewusst gewesen sei, dass sie an einigen Tagen mehr als 9 Stunden gearbeitet hätte und dies mit dem Mutterschutzgesetz nicht vereinbar sei. Aufgrund der Tatsache, dass keine gesundheitlichen Probleme vorgelegen hätten sowie ihres Pflichtbewusstseins hätte sie die Überschreitung der täglichen bzw. wöchentlichen Arbeitszeit in Eigenverant­wortung in Kauf genommen. Weiters hätte Frau N bestätigt, dass sie vom Personalleiter auf die Überschreitung der Maximalarbeitszeit hingewiesen worden sei. Nach der Kontrolle des Arbeitsinspektorates hätte sie auch noch einen schriftlichen Hinweis auf die einzuhaltenden Arbeitszeiten erhalten. Aus der Einvernahme der Dienstnehmerin gehe eindeutig hervor, dass ihr die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes bekannt gewesen wären, sie auch vom Personalleiter darauf hingewiesen worden sei, dass sie die Maximalarbeitszeit nicht überschreiten dürfe. Frau N hätte sich aufgrund ihres Pflichtbewusstseins dafür entschieden, in Eigenverantwortung die Maximalarbeitszeit zu überschreiten und nicht aufgrund von Anweisungen des Arbeitgebers bzw. von Ihnen. Wie bereits ausgeführt hätten sowohl Sie als auch der Arbeitgeber das gelindeste Mittel gewählt, um Frau N dazu zu bewegen, die Maximal­arbeitszeit nicht zu überschreiten (nämlich das arbeitsrechtliche Mittel der Verwarnung). Die weitergehende Konsequenz wäre gewesen, Frau N die Entlassung anzudrohen bzw. in weiterer Folge die Zustimmung des Arbeitsgerichtes zur Entlassung einzuholen. Es bedürfe wohl keiner medizinischen Ausbildung um zu erkennen, dass die (geringfügigen) Arbeitszeitüber­schreitungen, die die Dienstnehmerin aufgrund ihres Pflichtbewusstseins in Eigenverantwortung in Kauf genommen hätte, den Gesundheitszustand der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes wesentlich weniger gefährdet hätte, als ein drohendes Gerichtsverfahren (aufgrund des Antrages des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Entlassung). Es könne auch nicht im Sinne des Arbeitsinspektorates ein, dass man werdenden Müttern die Entlassung androhe oder den Antrag auf Zustimmung des Arbeitsgerichtes zur Entlassung einhole, weil die Dienstnehmerin in Eigenverantwortlichkeit (und trotz der Verwarnung des Arbeitsgebers) von sich aus die Arbeitszeiten überschreite. Weiters würden Sie die Anträge auf Einvernahme der Zeugen E und S aufrecht erhalten. Beide beantragten Zeugen könnten bestätigen, dass Frau N nicht nur einmal sondern mehrfach auf die Einhaltung der Arbeitszeiten hingewiesen worden sei.

 

Die Behörde hat hiezu erwogen:

 

Es wird von Ihnen in keiner Weise bestritten, dass die im Spruch angelasteten Arbeitszeitüber­schreitungen stattgefunden haben. Die Verwaltungsübertretung ist somit aus objektiver Sicht als erwiesen anzunehmen.

 

Ihre Angaben anlässlich Ihrer persönlichen Vorsprache 22.08.2011 können nicht dazu beitragen, um Sie von Ihrer verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung zu befreien. Auch der Umstand, dass Frau N ein gesundes Kind zu Welt gebracht hat, vermag daran nichts zu ändern. Ziel des Mutterschutzgesetzes ist es, sowohl die werdende Mutter als auch das ungeborene Kind vor möglichen schädlichen Einflüssen zu schützen. Auf konkrete Gefährdungen bzw. konkrete postnatale Schäden beim Kind kommt es dabei nicht an.

 

Zu Ihren Angaben, die Dienstnehmerin sei mehrmals verwarnt worden wird angeführt, dass Frau N anlässlich Ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme angegeben hat, dass Sie erst nach der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat einen schriftlichen Hinweis auf die einzuhaltenden Kriterien für die Arbeitszeit erhalten hätte. Dies wird auch durch das vorgelegte Schreiben vom 13.04.2011 bestätigt. Erst mit diesem Datum, an welchem auch die Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat durchgeführt wurde, wurde Frau N auf die einzuhaltenden Arbeitszeiten hingewiesen.

 

Auch gab Frau N an, dass Sie nur einmal einen Hinweis auf die Überschreitung der Maximalarbeitszeit von Herrn E E, Personalleiter, erhalten hätte. Es kann somit nicht von einem entsprechenden Kontrollsystem gesprochen werden das geeignet ist, eigenmächtige Handlungen von Arbeitnehmerinnen zu verhindern. Ihre Angabe im Hinblick auf mehrfache Hinweise durch Vorgesetzte (siehe Niederschrift vom 22.08.2011 sowie auch das Vorbringen vom 16.01.2012) mussten somit als reine Schutzbehauptungen gewertet werden.

 

Den Ausführungen des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck vom 24.10.2011 wird seitens der Behörde vollinhaltlich zugestimmt. Auch wenn die Dienstnehmerin wusste, dass die tägliche bzw. wöchentliche Arbeitszeit nicht überschritten werden darf, liegt es in der Verantwortung des Dienstgebers die Einhaltung der Vorschriften des Mutterschutzgesetzes zu gewährleisten. Eine 'Abwälzung' dieser gesetzlichen Vorschriften auf die Dienstnehmerin ist nicht möglich. Nach Ansicht der Behörde wäre auch nicht eine permanente Überwachung der Dienstnehmerin erforderlich gewesen. Es wäre lediglich dafür zu sorgen gewesen, dass die tägliche Arbeitszeit von 9 Stunden nicht überschritten wird. Sie selbst geben an (Niederschrift vom 22.08.2011), dass bei der E ein Zeiterfassungssystem existiert. Mit Hilfe dieses Zeiterfassungssystems wäre es ein Leichtes gewesen, das Ende des 9-Stunden-Zeitraumes festzustellen und die Dienstnehmerin entsprechend anzuweisen, die Arbeit zu beenden und den Betrieb zu verlassen. Es erscheint der Behörde nicht glaubwürdig, dass zur 'Entfernung' der schwangeren Dienstnehmerin tätliche Maßnahmen notwendig gewesen wären.

 

Da der Sachverhalt nach Ansicht der Behörde zweifelsfrei feststeht, konnte von der Einvernahme der Zeugen E E und Dr. W S abgesehen werden. Ein medizinisches Gutachten wie beantragt war entbehrlich, da dieses nach Ansicht der Behörde nichts zur Klärung der Frage beigetragen hätte, ob die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen begangen wurden oder nicht. Wie bereits angeführt sind konkret vorhandene Gefährdungen für die werdende Mutter bzw. das ungeborene Kind zur Verwirklichung des angelasteten Tatbestandes unerheblich.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen stellen Ungehorsamsdelikte dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

 

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen der ständigen Judikatur des Verwaltungs­gerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs. 1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichts­hofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer 'Oberaufsicht' nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, das er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. 'Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war.'

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrmals ausgesprochen, dass ein lückenloses Kontrollsystem insbesondere auch für den Fall Platz zu greifen hat, dass Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen. Das Kontrollsystem soll nämlich genau dazu dienen, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und gegen den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen treffen und Arbeitnehmerschutz­vorschriften außer Acht lassen (z.B. Erkenntnis vom 26.9.2008, Zl. 2007/02/0317, und vom 24.9.2010, Zi. 2009/02/0097-5).

 

Sie haben die Ihnen angelasteten Verwaltungsübertretungen als handels­rechtlicher Geschäftsführer auch aus subjektiver Sicht zu verantworten. Die von Ihnen gemachten Angaben waren nicht geeignet, um Sie von Ihrer verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung zu befreien.

 

Da Sie zu Ihren Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen keine Angaben gemacht haben, wurde bei der Strafbemessung von folgender Schätzung ausgegangen: monatliches Nettoeinkommen in Höhe von ca. 3.000,00 Euro, kein Vermögen, keine Sorgepflichten.

 

Strafmildernd wurde Ihre bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertet. Straferschwerende Umstände lagen nicht vor. Die festgesetzten Geldstrafen erscheinen sowohl tat- als auch schuldangemessen und sind den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen angepasst.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle."

 

2. In der Berufung wird dagegen vorgebracht:

 

"Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck führt im Straferkenntnis aus, dass die Verwal­tungsübertretung aus objektiver Sicht als erwiesen anzunehmen sei. Die Ausführungen des Beschuldigten, dass er als Geschäftsführer alles erdenkliche getan habe, um die Arbeitszeit­überschreitungen der werdenden Mutter S N zu verhindern, stellten Schutzbe­hauptungen dar, vor allem das Vorbringen, dass S N mehrfach bezüglich der Arbeitszeitüber­schreitungen verwarnt worden sei. So habe die werdende Mutter bei ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme angegeben, erst nach der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat einen schriftlichen Hinweis auf die einzuhaltenden Kriterien für die Ar­beitszeit erhalten zu haben. Auch ein Hinweis des Personalleiters, E E, die Maximalarbeitszeit nicht zu überschreiten, stelle kein entsprechendes Kontrollsystem dar, das ge­eignet wäre, eigenmächtige Handlungen von Arbeitnehmerinnen zu verhindern. Den Ausfüh­rungen des Arbeitsinspektorats Vöcklabruck vom 24.10.2011 werde seitens der Behörde voll­inhaltlich zugestimmt. Auch wenn die Dienstnehmerin gewusst habe, dass die tägliche bzw. wöchentliche Arbeitszeit nicht überschritten werden dürfe, liege es in der Verantwortung des Dienstgebers die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten. Eine 'Abwälzung' der gesetzlichen Vorschriften auf die Dienstnehmerin sei nicht möglich. Da der Sachverhalt nach Ansicht der Behörde zweifelsfrei feststehe, könne von einer Einvernahme der beantragten Zeugen E E und Dr. W S abgesehen werden.

 

Die Ausführungen der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck sind unrichtig. Vollkommen un­verständlich ist, warum die Behörde die beantragten Zeugen E E und Dr. W S nicht einvernommen hat. Die Zeugin N führt bei ihrer Einvernahme vor dem Gemeindeamt U lediglich aus, dass sie sich an mehrfache Verwar­nungen nicht erinnern könne. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keine Verwarnungen der beantragten Zeugen gegeben hat.

 

Tatsache ist, dass die Zeugin N mehrfach von Herrn Dr. S und dem Perso­nalleiter E E darauf hingewiesen wurde, dass sie die tägliche Normalarbeitszeit bzw. die wöchentliche Normalarbeitszeit nicht überschreiten dürfe. Es gab auch Verwarnungen und stellen diese mit Sicherheit das gelindeste Mittel dar, um die Dienstnehmerin zur Ein­haltung der Arbeitszeit zu bewegen. Bereits aus der Tatsache, dass die Dienstnehmerin auf die Einhaltung der Arbeitszeiten gemäß Mutterschutzgesetz hingewiesen wurde, zeigt sich, dass ein Kontrollsystem vorgelegen hat. In diesem Zusammenhang ist auf das Schreiben des Dienstgebers vom 6.7.2011 an die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu verweisen, in welchem eindeutig dargelegt wird, dass die Zeugin N bereits am 2.2.2011 (sohin ei­nen Tag nach Bekanntgabe des Schwangerschaft) auf die besonderen Schutzbestimmungen für werdende Mütter hingewiesen wurde. Es kann dem Geschäftsführer eines Betriebs, in welchem mehr als 500 Dienstnehmerinnen beschäftigt sind, nicht zugemutet werden, zu­sätzlich zu den Hinweisen der Personalabteilung (die Schutzbestimmungen einzuhalten) weitere persönliche Gespräche mit den werdenden Mütter zu führen. Der Geschäftsführer muss darauf vertrauen können, dass sich die Dienstnehmerin an die Anweisungen hält. Als man feststellte, dass die Zeugin N die Arbeitszeiten überschritten hat, wurde sie mehrfach verwarnt (schriftlich und mündlich), was ebenfalls im Schreiben des Dienstgebers nach Ausscheiden des Beschuldigten als Geschäftsführer bestätigt wurde.

 

Beweis:           E E, H, U;

                        Dr. W S, A, M;

                        S N, E, U;

                        PV;

 

Es ist zwar zutreffend, dass gemäß § 5 Abs 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Im hier vorliegenden Fall, liegt jedoch kein fahrlässiges Verhalten des Beschuldig­ten vor. Die Zeugin N führt bei ihrer Einvernahme beim Gemeindeamt U a A aus, dass ihr bewusst war, dass sie zu mehreren Gelegenheiten mehr als 9 Stunden am Tag gearbeitet hat und dass dies mit dem Mutterschutzgesetz nicht vereinbar war. Die Zeugin hat aus eigenem Antrieb die Mehrleistungen erbracht und sich gegen die An­weisung des Dienstgebers gestellt, die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes einzu­halten.

 

Wie bereits mehrfach in den Stellungnahmen ausgeführt, wäre weitere Konsequenz gewesen, der Zeugin N die Entlassung anzudrohen bzw. in weiterer Folge die Zustimmung des Arbeitsgerichtes zur Entlassung einzuholen. Es bedarf wohl keiner medizinischen Kenntnisse, um sagen zu können, dass ein Entlassungsverfahren vor dem Arbeitsgericht den Gesund­heitszustand der Mutter und des ungeborenen Kindes wesentlich mehr beeinträchtigt hätte, als kurzfristige Arbeitszeitüberschreitungen, die die Zeugin in Eigenverant­wortlichkeit in Kauf genommen hat. Es gab keine Anweisung des Arbeitgebers diesbezüglich.

 

Der Beschuldigte hatte sohin das gelindeste Mittel gewählt, um die werdende Mutter S N zur Einhaltung der Arbeitszeiten zu bewegen. Jede darüber hinausgehende Maß­nahme, hätte den Gesundheitszustand von Frau N und ihres ungeborenen Kindes we­sentlich stärker beeinträchtigt. Es wird von der Behörde auch kein rechtmäßiges Alternativverhalten aufgezeigt, dass der Arbeitgeber bzw. der Geschäftsführer hätten an den Tag legen müssen. Ein fahrlässiges Verhalten des Beschuldigten ist sohin nicht gegeben.

 

Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass den Beschuldigten ein Verschulden an der Ar­beitszeitüberschreitung von Frau S N trifft, ist die Strafe zu hoch bemessen und wäre der Beschuldigte lediglich einmal zu bestrafen gewesen. Aufgrund der mehrmals vor­kommenden täglichen Überschreitung der Normalarbeitszeit ergibt sich auch die Überschrei­tung der wöchentlichen Normalarbeitszeit, weshalb lediglich ein Delikt vorliegt.

 

Der Strafrahmen des § 37 Abs 1 Mutterschutzgesetz bewegt sich von € 70,- bis € 1.820,--. Wenn man nun bedenkt, dass die Dienstnehmerin N aus eigenem Antrieb heraus, die Arbeitszeit überschritten hat, es keine Anweisung dazu des Dienstgebers (Beschuldigten) gegeben hat, der Beschuldigte unbescholten ist und auch keine straferschwerenden Um­stände vorliegen, so ist das Strafausmaß in der Höhe von zweimal € 720,-- gemäß der mög­lichen Strafdrohung zu hoch gegriffen. Dieser Ansicht war offensichtlich auch die Bezirks­hauptmannschaft Vöcklabruck. Aus dem Schreiben vom 4.10.2011 an das Arbeitsinspektorat Vöcklabruck geht hervor, dass der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck unter den gegebe­nen Umständen eine drastische Herabsetzung bzw. die Erteilung einer Ermahnung als ge­rechtfertigt erscheint. Warum die Behörde in weiterer Folge von ihrer Einschätzung ab­weicht, lässt sich dem Straferkenntnis nicht entnehmen. Die Aussage der Dienstnehmerin war zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt.

 

Der Beschuldigte stellt daher den

 

BERUFUNGSANTRAG:

 

Der USV Oberösterreich möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu der die Zeugen, der Verteidiger und der Beschuldigte geladen werden mögen, das erstinstanzliche Straferkenntnis aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen;

 

in eventu die über den Beschuldigten verhängte Strafe herabsetzen."

 

3. Der Akt enthält die im angefochtenen Straferkenntnis bezogenen Aktenteile.

 

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung legte S N dar, im Zeitraum, in dem sie die erlaubte Arbeitszeit überschritten habe, habe wegen der möglichen Notwendigkeit einer weltweiten Medikamenten-Rückholaktion vorüber­gehend großer Arbeits­druck geherrscht. Die heiße Phase habe von Anfang/Mitte März bis Anfang April gedauert. Es hätten die gesamten Verkäuferketten rückverfolgt werden müssen. Die Zeugin habe dafür aufgrund ihrer sonstigen Tätigkeit (Erstellung von Berichten über den Produktverkauf) die nötige Erfahrung mit den dafür erforderlichen Computerdaten gehabt. Sie habe dabei ihren unmittelbaren Vorgesetzten, Dr. B, unterstützt. Die Arbeit von Dr. B und der Zeugin sei ("wie bei Zahnrädern") ineinandergreifend gewesen; sie habe ihren Vorgesetzten daher so gut wie täglich gesehen. Zum reibungslosen Ablauf habe gehört, dass ihre einzelnen Arbeitsschritte bis jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein hätten müssen. Sich daraus ergebende geringfügige Über­schreitungen der für Schwangere zulässigen Arbeitszeit habe die Zeugin einfach übersehen bzw. im Interesse des Unternehmens in Kauf genommen. Die Zeugin habe ihren Chef in dieser heiklen Situation nicht im Stich lassen wollen. Es sei immer dringend gewesen und es wäre niemand anderer da gewesen, der ihre Arbeit gemacht hätte. Sie sei aber nicht ausdrücklich angewiesen worden, einzelne Arbeitsschritte über die maximal zulässige Arbeitszeit hinaus zu vollenden. Die Zeugin habe keine Beschwerden gehabt und es sei ihr und dem Baby, auch nach Auskunft des Arztes, gut gegangen.

 

Als die Zeugin die Schwangerschaft im Personalbüro bei Frau A gemeldet habe, sei der Personalleiter E im Krankenstand gewesen. Bei ihrer Meldung der Schwangerschaft sei die Zeugin nicht auf die für sie geltende Arbeitszeit­regelung aufmerksam gemacht worden. Sie habe sich eigeninitiativ im Internet darüber informiert. Sie sei sich daher über die dem Bw vorgeworfenen Über­schreitungen der Arbeitszeit im Klaren gewesen. Keineswegs sei jemand innerhalb der ersten Wochen nach Bekanntgabe der Schwangerschaft von Seiten des Unternehmens auf die Zeugin zugekommen und habe ihr das Reglement erklärt.

 

Nach Es Rückkehr habe die Zeugin um einen Termin bei ihm angesucht, um ihren letzten Arbeitstag zu erfragen. E habe bei diesem Gespräch im Computer nachgesehen und sei sich anhand der Stempelzeiten des vorliegenden Problems bewusst geworden. Er habe zur Zeugin gesagt, ihre Arbeitszeiten seien nicht in Ordnung. Die Zeugin habe ihm erklärt, sie wisse das und habe ihm die spezielle Situation der Abteilung erklärt. Daraufhin habe E gemeint, er müsse mit Dr. B darüber sprechen. Ob dies tatsächlich geschehen sei, wisse die Zeugin nicht.

 

Dieses sei das erste (sinngemäß: und einzige!) Gespräch mit dem Unternehmen (gemeint: vor der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat!) gewesen, in dem die vorliegende Problematik thematisiert worden sei. Hierauf sei das Arbeitsinspek­torat gekommen. Nach der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat habe es ein Gespräch mit Dr. S gegeben, in dem dieser der Zeugin gesagt habe, sie habe sich an die Arbeitszeiten zu halten. Das habe die Zeugin dann auch getan. Die Zeugin habe, ebenfalls "eindeutig, nachdem das Arbeitsinspektorat da war", einen "Brief" seitens des Unternehmens bekommen, "wo drinnen gestanden ist, wie lange ich arbeiten darf." Die Zeugin habe eine "Nachfolgerin" bekommen, die im problematischen Bereich tätig geworden sei, sodass es später einfach gewesen sei, die Arbeitszeiten nach dem Mutterschutzgesetz einzuhalten.

 

E E führte zeugenschaftlich aus, das Unternehmen habe einen Frauen­anteil von 60 %, im damaligen Zeitfenster seien 30 Schwangerschaften gemeldet gewesen. Von Seiten der Unternehmensleitung sei ein "Standardprozess" vor­gesehen gewesen, der einerseits die Evaluierung des Arbeitsplatzes (Gefährdung für Schwangere?), andererseits das persönliche Informationsgespräch (u.a. betreffend die Arbeitszeitregelung) betroffen habe. Für dieses Gespräch sei eine Dame aus dem Team des Zeugen vorgesehen gewesen. Da der Zeuge damals im Krankenhaus gewesen sei, wisse er nicht, ob dieses Gespräch tatsächlich durchgeführt worden sei. Von der Schwangerschaft der Frau N habe der Zeuge erst nach der Rückkehr aus dem Krankenstand erfahren. Es sei ihm von seiner Mitarbeiterin nicht mitgeteilt worden, dass sie vergessen habe, das Standardprogramm einzuhalten.

 

Weil der Zeuge "gesehen habe, dass es eine Arbeitszeitverletzung gibt", habe er "später" ein Gespräch mit Frau N geführt und "auf der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bestanden." Wann dieses Gespräch stattgefunden habe, wisse der Zeuge "nicht mehr genau. Ich glaube, es war Anfang März." Der Zeuge könne sich an die Anfrage von Frau N erinnern. Es habe daneben immer wieder Vieraugengespräche über die Arbeitszeit und die Einhaltung der Arbeitszeit gegeben. "Auf alle Fälle einmal vor der Kontrolle und mehrere Gespräche nach der Kontrolle. Das eine Gespräch vor der Kontrolle war das Gespräch, von dem ich jetzt gesprochen habe."

 

Der Zeuge habe die Geschäftsleitung weder davon informiert, dass im Fall der Frau N das Standardprogramm nicht eingehalten worden sei, noch davon, dass Frau N sich nicht an die Arbeitszeit gehalten hat.

 

Der Zeuge Dr. S sagte aus, er könne bestätigen, dass das Standardprogramm seines Wissens von der Personalleitung im Allgemeinen eingehalten worden sei, weil er ständig mit der Personalleitung, die ihm jedoch nicht unterstellt gewesen sei, zusammengearbeitet habe. Der Zeuge habe täglich Kontakt mit Herrn E gehabt. "Es war so, dass mich dann Herr E informierte, dass er im Gespräch mit Frau N ist und sie darauf hingewiesen hat, dass die Arbeitszeiten einzuhalten sind." Der Zeuge sei "über den ganzen Betrieb" gestanden. Für Probleme sei primär die Personalabteilung zuständig gewesen, in Fällen der Eskalation seien Fachabteilungen eingebunden worden. Dr. B sei für das Qualitätswesen zuständig gewesen. Von den Arbeitszeit­verletzungen der Frau N hat der Zeuge durch Herrn E erfahren. "Das muss Februar, März 2011 gewesen sein." Daraufhin habe der Zeuge "initiiert, dass der Dr. B ein Gespräch mit der Mitarbeiterin führt und sie darauf hinweist, dass die Arbeitszeiten einzuhalten sind."

 

Der Geschäftsleitung, d.h., dem Bw, habe der Zeuge "das nicht gemeldet. Das hat einfach nicht die nötige Signifikanz gehabt."

 

Der Bw führte aus, er sei mittlerweile aus Altersgründen aus dem Unternehmen ausgeschieden. Das Unternehmen habe 600 Mitarbeiter gehabt, darunter durchschnittlich 30 Schwangere pro Jahr. Für diese habe es ein "System" hin­sichtlich der Prüfung der Eignung des Arbeitsplatzes (eventuell mit Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes) und für die Information gegeben. Dabei sei den Schwangeren ausdrücklich untersagt worden, die vorgesehenen Arbeitszeiten zu überschreiten.

 

Für den Bw sei es "neu, dass diese Belehrung aufgrund einer Abwesenheit des Herrn E nicht erfolgt ist." "Dass das übliche Prozedere bezüglich der Frau N nicht eingehalten wurde", sei dem Bw nicht mitgeteilt worden. "Von der Tatsache, dass die Frau N die Arbeitszeit überschritten hat", habe der Bw erst durch die Anzeige erfahren. Die Belehrung hätte die Personalabteilung machen müssen, und zwar Herr E oder, im Fall dessen Verhinderung, eine seiner Mitarbeiterinnen. Zur Überprüfung der Arbeitszeiten sei der Personalchef zuständig gewesen. Dieser sei, "dann auch mit den jeweiligen Vorgesetzten, d.h. mit dem Herrn S, zuständig, dieses Thema in den Griff zu bekommen."

 

Der Vertreter des Arbeitsinspektorates wies darauf hin, dass erst in "Folgefällen" nach einer "schriftlichen Aufforderung" (d.h. einem Hinweis auf eine geschehene Verletzung des Mutterschutzgesetzes) es zur Anzeige komme. Eine Überwälzung der Verantwortung auf das "letzte Glied der Hierarchiekette" sei nicht möglich. Das Kontrollsystem sei, vor allem im Hinblick auf die Zeiträume, unzulänglich gewesen. Wegen der besonderen Situation im Zusammenhang mit der Rückhol­aktion sei das Arbeitsinspektorat mit einer geringfügigen Herabsetzung der Geldstrafen einverstanden.

 

Der Vertreter des Bw führte aus, ein Kontrollsystem sei sehr wohl vorhanden gewesen, es habe nur in einem einzelnen Fall aufgrund von Fehlern der befassten Personen nicht gegriffen. Vom Versagen des Kontrollsystems im Einzelfall sei der Bw nicht informiert worden. Frau N habe nicht aufgrund von Vorgaben ihres Vorgesetzten länger gearbeitet, sondern auf eigene Initiative. Den Bw treffe kein Verschulden daran, dass das von der Geschäfts­führung eingesetzte Kontrollsystem im Einzelfall nicht gegriffen hat.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Die Überschreitungen der zulässigen Arbeitszeit nach dem Mutterschutzgesetz sind unbestritten. Ebenso die Verantwortung des Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer des Unternehmens. Zum Verschulden des Bw ist Folgendes auszuführen:

 

Hinsichtlich der Form bzw. der zeitlichen Abfolge der Belehrungen und der Frage der arbeitsrechtlichen Maßnahmen ist der Darstellung des Sachverhalts durch die Zeugin N zu folgen. Ihre Darstellung war prägnant, konsistent und nach dem persönlichen Auftreten in der öffentlichen mündlichen Verhandlung überzeugend. Demgegenüber war die Darstellung durch die Zeugen E und Dr. S in entscheidenden Punkten vage und von Unsicherheit gekenn­zeichnet. Überzeugend wirkt insbesondere die Behauptung, dass E im einzigen Gespräch vor der Kontrolle gleichzeitig die Arbeitszeitüberschreitung und die Notsituation der Abteilung begreifend, eine Klärung mit dem Abteilungsleiter anstrebte.

 

Demnach ist davon auszugehen, dass Frau N sich vor der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat über die Arbeitszeitregelungen selbst informierte. Erst in einem von ihr initiierten Gespräch mit Herrn E zu einem anderen Thema fiel diesem die Überschreitung der Arbeitszeit überhaupt erst auf und erzeugte keine über die Ankündigung eines Gesprächs mit dem unmittelbaren Vorgesetzten hinaus­gehende Reaktion. Alle anderen Kontakte bzw. Maßnahmen, worin diese immer bestanden haben mögen, erfolgten erst nach der Kontrolle durch das Arbeits­inspektorat, mithin nach den vorgeworfenen Tatzeiträumen.

 

Dass die bloße Ankündigung des Personalleiters nach Auffälligwerden von Arbeitszeitüberschreitungen im Zusammenhang mit einem von der Arbeitnehmerin eingeforderten Gespräch zu einem anderen Thema, mit dem unmittelbaren Vorgesetzten der Arbeitnehmerin ein Gespräch führen zu wollen, den Anforderungen eines Kontrollsystems nicht genügen kann, liegt auf der Hand.

 

Selbst wenn man annähme, dass bereits vor der Kontrolle durch das Arbeits­inspektorat "Gespräche" seitens des Unternehmens mit Frau N statt­fanden, ergibt sich aus den Zeugenaussagen von Herrn E und Dr. S nicht mit hinreichender Klarheit, dass zumindest Weisungen oder formelle Abmahnungen erteilt wurden, die Frau N die entschiedene Missbilligung des Unternehmens von Arbeitszeitüberschreitungen vor Augen führte. Die Behauptung Es, er habe im Gespräch vor der Kontrolle "auf der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bestanden", bringt dies nicht deutlich genug zum Ausdruck. Durchaus zu Recht verweist das angefochtene Straferkenntnis auf die Möglichkeit, die Arbeitsnehmerin jeweils ad hoc anzuweisen, die Arbeit sofort zu beenden. Vielmehr wurde schlicht toleriert, dass die ineinandergreifende Zusammenarbeit mit ihrem Vorgesetzten laufend zu den pönalisierten Effekten führte. Ns unmittel­barem Vorgesetzten mussten (so dieser überhaupt über die Problematik informiert war, was natürlich E nach dem Gespräch mit N oblegen wäre) bei gehöriger Aufmerksamkeit die laufenden Verstöße gegen das Mutterschutzgesetz bewusst sein. Daher hätte er die Zusammenarbeit so zu steuern gehabt, dass die Arbeitszeitüberschreitungen erst gar nicht entstehen konnten (etwa durch Inkaufnahme eines geringeren Erledigungsumfanges pro Tag). Die Unternehmensleitung hätte durch entsprechende organisa­torische Maßnahmen (Beistellung einer weiteren Arbeitskraft) den Druck abfangen können. Allein aus diesen Umständen ergibt sich, dass die Arbeitszeitüberschreitungen dem Unternehmen und nicht der Arbeitnehmerin zuzurechnen sind. Es kommt nicht darauf an, ob Frau N ausdrücklich im Einzelnen zu Arbeitsschritten angewiesen wurde, die im Effekt zu den Arbeitszeitüberschreitungen führten. Entscheidend ist vielmehr, dass Ns Leistungsumfang – ihre Arbeit erfolgte selbstverständlich in persönlicher Abhängigkeit bei zumindest "stiller Autorität" – unbeanstandet akzeptiert wurde, oder besser: der Vorgesetzte die Zahnräder so ineinander greifen ließ, dass es zu den in Rede stehenden Überschreitungen kam. Vor diesem Hintergrund kann nicht ernsthaft die Rede davon sein, dass sich die Arbeitnehmerin beharrlich mit entsprechendem Nachdruck erteilten Weisungen  bzw. einer formellen Abmahnung zur Einhaltung des Mutterschutzgesetzes widersetzt habe. Die Wurzel des Problems liegt in der Gestaltung des Arbeitsablaufs durch den Vorgesetzten, nicht in einer geradezu aufsässigen Betriebsloyalität der Arbeitnehmerin. Das Arbeitsinspektorat ist mit der Behauptung, dass eine Überwälzung der Verantwortung auf die Arbeitnehmerin mit dem Argument, sie habe eigeninitiativ die einzelnen Arbeitsschritte gesetzt, nicht möglich ist, im Recht.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Beschuldigte nur bei Vorliegen eines funktionierenden Kontrollsystems entschuldigt. Das "Standardprogramm" ist als Weisung zu qualifizieren. Bloße Weisungen genügen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes den Voraussetzungen eines ausreichenden Kontrollsystems nicht. Das "Standardprogramm" war außerdem nach der Darstellung in der öffentlichen mündlichen Verhandlung dem Wesen nach bloß ein (insuffizientes) Informationssystem (ohne die Vorsprache Ns wären die Verstöße vor der Kontrolle im Unternehmen gar nicht aufgefallen) und kein Kontrollsystem. WE war vorgesehen, wie allfälligen Verstößen vorgebeugt wird, noch, wie sie erfasst werden, noch, wie die Informationskette zum Bw funktioniert, noch wie durch ein Sanktionssystem in der Verantwortungskette rasch und wirksam auf bekannt gewordene Verstöße reagiert wird.

 

Mangels eines funktionierenden Kontrollsystems ist von Fahrlässigkeit auszugehen.

 

Bei der Bemessung der Strafhöhe ist von einem Strafrahmen von 70 Euro bis 1820 Euro und den im angefochtenen Straferkenntnis angegebenen finanziellen Verhältnissen des Bw sowie der strafmildernden Wirkung der Unbescholtenheit auszugehen. Im Hinblick auf die besondere Situation im Rahmen der Rückholaktion und das Ausmaß der Überschreitungen werden die Geldstrafen auf zwei Mal je 500 Euro herabgesetzt. Bei Anwendung derselben Strafbemessungs­kriterien erweist sich eine Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafen nicht erforder­lich. Überwiegende Milderungsgründe  im Sinne des § 20 VStG liegen nicht vor. Die Taten bleiben auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schulgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 VStG gerechtfertigt sein könnte.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

 

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