Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730698/2/BP/WU

Linz, 20.12.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geb. am
X, StA von Kroatien, dzt. X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 9. November 2012, GZ: Sich40-17496-1996, betreffend die Erlassung eines auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes für das Bundesgebiet der Republik Österreich, zu Recht erkannt:

 

 

         Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid   ersatzlos aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

1.1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 9. November 2012, GZ: Sich40-17496-1996, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 63, 64 und 61 FPG 2005 iVm § 53 FPG 2005, § 10 StaatsbürgerschaftsG ein 10-jähriges Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

 

1.1.2. Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt Folgendes aus:

"Sie sind bosnischer Staatsbürger und haben am 29. Jänner 1999 über die österreichische Botschaft in X einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - Familien­gemeinschaft - gestellt. Ihr Antrag ist schließlich von der hs. Niederlassungsbehörde bewilligt worden und Sie haben am 27. Dezember 1999 gültig bis zum 21. Juli 2000 eine entsprechende Niederlassungsbewilligung erhalten. Aufgrund Ihres Verlängerungsantrages vom 24. Jänner 2002 ist Ihnen von der hs. Niederlassungsbehörde am 05.02.2002 eine unbefristete Niederlassungsbe­willigung erteilt worden.

 

Gegen Sie sind nachstehende Anzeigen an die zuständigen Gerichte bzw. Staatsanwaltschaften erstattet worden:

1.             PI X am 21.10.2008, GZ B6/25751/2008, wegen § 91 StGB

2.             PI X am 27.11.2009, GZ B6/31029/2009, wegen § 27 SMG

3.             PI X am 09.02.2010, G2 B6/2524/2010, wegen § 125 StGB

4.             PI X am 13.03.2010, GZ B6/4532/2010, wegen § 83 StGB

5.             PI X am 16.03.2010, GZ B6/4814/2010, wegen § 27 SMG

6.             PI X am 31.03.2010, GZ B6/6500/2010, wegen § 127 StGB

7.             PI X am 27.04.2010, GZ B6/9495/2010, wegen § 136 StGB

8.             PI X am 27.04.2010, GZ B5/2084/2010, wegen § 129 StGB, wegen § 27 SMG (Tatzeit 01.01.2007 bis 19.02.2010), wegen § 129 StGB in zwei Fällen, sowie wegen § 129 StGB (Tatzeit 01.08.2009 bis 30.09.2009)

9.             PI X vom 12.05.2010, GZ B6/11067/2010 wegen § 127 StGB u wegen § 27 SMG

10.         PI X vom 14.05.2010, GZ B6/8968/2010 wegen § 27 SMG

11.         PI X vom 11.06.2010, GZ B6/13821/2010, wegen § 127 StGB

12.         PI X vom 17.06.2010, GZ B6/13552/2010, wegen § 127 StGB

13.         PI X vom 19.06.2010, GZ B6/12977/2010, wegen § 127 StGB

14.         PI X vom 05.10.2010, GZ B6/24660/2010, wegen § 127 StGB

15.         PI X vom 08.10.2010, GZ B6/23164/2010, wegen § 223 StGB

16.         PI X vom 12.10.2010, GZ B6/25791/2010, wegen §§ 27 u 30 SMG

17.         PI X vom 15.10.2010, GZ B6/22324/2010, wegen § 83 StGB

18.         PI X vom 20.11.2010, GZ B5/24911/2010, wegen § 142 StGB

19.         PI X vom 16.04.2011, GZ B6/8328/2011, wegen § 91 StGB

20.         PI X vom 25.06.2011, GZ B6/15795/2011, wegen § 91 StGB

21.         PI X vom 08.11.2011, GZ B6/29492/2011, wegen § 27 SMG

22.         PI X vom 14.03.2012, GZ B6/6615/2012, wegen § 27 SMG

23.         PI X vom 22.03.2012, GZ B5/4681/2012, wegen §§ 127,127, 229,127, 127 u 130 StGB

24.         PI X vom 06.04.2012, GZ B6/6310/2012, wegen §§ 127 u 127 StGB

25.         PI X vom 05.09.2012, GZ B6/24389/2012, wegen § 107 StGB

 

Sie weisen folgende gerichtliche Verurteilungen auf:

·       LG Wels, Z115 Hv 94/2010G, vom 05.11.2010 wegen §§ 15 Abs. 1, 127, 129 Abs. 1, 130 (1.4. Fall), §§ 127, 142 Abs. 1, 83 Abs. 1, 229, 223 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon Freiheitsstrafe 16 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre

·       LG Wels, ZI 025 HV 36/2011 b vom 07.07.2011 wegen §§ 15 u 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Wochen bedingt, Probezeit 3 Jahre.

·       BG Vöcklabruck, ZI 39 U 124/11d-34, vom 08.10.2012, wegen § 91 Abs. 2 Z 1 StGB u §§ 27 Abs. 1 1, 2. u , 27 SMG, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten, bedingt auf 3 Jahre

·       LG Wels, Zi 15 Hv102/12m vom 02.10.2012 wegen §§ 106 Abs. 1 u 105 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten.

 

Vom Bezirksanwalt beim BG Vöcklabruck ist am 24.04.2009 schriftlich mitgeteilt worden, dass das Ermittlungsverfahren (Raufhandel § 91 StGB) gemäß § 204 Abs. 1 StPO eingestellt worden ist. Weiters hat der Bezirksanwalt beim BG Vöcklabruck am 6. Mai 2010 schriftlich mitgeteilt, dass ihr Ermittlungsverfahren gemäß § 35 Abs. 1 SMG vorläufig für eine Probezeit von 2 Jahren zurückge­legt wird.

 

Mit rechtskräftigem Bescheid der hs. Sicherheitsbehörde vom 12. Oktober 2010, Zl Sich50-154-2010, ist gegen Sie ein Waffenverbot erlassen worden.

 

Sie besitzen nachstehende rechtskräftige Verwaltungsstrafen:

 

1.        BH Vöcklabruck, ZI VerkR96-17806-2008, wegen Übtr. n § 102 Abs. 10 KFG, vom 25.07.2008, Geldstrafe in der Höhe von € 30,-

2.        BH Vöcklabruck, ZI VerkR96-17806-2008, wegen Übtr. § 102 Abs. 1 KFG iVm. § 20, vom 25.07.2008, Geldstrafe in der Höhe von € 70,-

3.        BH Vöcklabruck, ZI VerkR96-67110-2009, wegen Übtr. n § 8 Abs. 4 StVO 1960 vom 15.12.2009, Geldstrafe € 36,-

4.        BH Vöcklabruck, ZI Sich96-174-2010, wegen Übtr. n § 81 Abs. 1 SPG, vom 13.04.2010, Geldstrafe € 100,-

5.        BH Vöcklabruck, ZI VerkR96-10970-2010, wegen Übtr. n § 37 Abs. 1 iVm. § 1 Abs. 3 FSG, vom 17.06.2010, Geldstrafe € 365,-

6.        BH Vöcklabruck, ZI VerkR96-10970-2010, wegen Übtr. n § 37 Abs. 1 iVm. § 1 Abs. 3 FSG, vom 17.06.2010, Geldstrafe € 365,-

7.        BH Vöcklabruck, Sich96-355-2010, wegen Übtr. ri § 1 Abs. 1 oö. PolStG., vom 07.07.2010, Geldstrafe € 100,-

8.        BH Vöcklabruck, Sich96-445-2010, wegen Übtr. n § 81 Abs. 1 SPG vom 24.08.2010, Geldstrafe € 150,-

9.        BH Vöcklabruck, Sich96-583-2010, wegen Übtr. n § 81 Abs. 1 SPG vom 12.01.2011, Geld­strafe € 100,-

10.    BH Vöcklabruck, Sich96-206-2011, wegen Übtr. n § 81 Abs. 1 SPG vom 03.05.2011, Geld­strafe € 150,-

11.    BH Vöcklabruck, VerkR96-22560-2011, wegen Übtr. n § 134 Abs. 3 KFG, vom 29.09.2011, Geldstrafe € 50,-

12.    BH Vöcklabruck, Sich96-458-2012, wegen Übtr n § 81 Abs. 1 SPG vom 08.08.2012, Geld­strafe € 100,-.

 

Weiters wird deutlich angeführt, dass Geldstrafe in der Gesamthöhe von € 1.595,- noch offen sind.

 

Zur Zeit verbüßen Sie neuerlich eine Haftstrafe im Ausmaß von 4 Monaten, nachdem Sie rechtskräftig vom LG Wels, Z115 Hv 102/12m-22, vom 05.10.2012 wegen §§ 15 StGB, §§ 106 Abs. 1 Z1 1. Fall, 105 Abs. 1 StGB verurteilt worden sind.

 

Mit nachweislichem Schreiben vom 17. September 2012 ist Ihnen mitgeteilt worden, dass die hs. Fremdenpolizeibehörde beabsichtigt, gegen Sie ein 10jähriges Aufenthaltsverbot für das Bundes­gebiet der Republik Österreich zu erlassen. Weiters sind Sie mit dem zitiertem Schreiben aufge­fordert worden binnen zwei Wochen nach Erhalt des angeführten Schreibens schriftlich zur beab­sichtigten Erlassung eines 10jährigen Aufenthaltsverbots Stellung zu nehmen.

 

Ihre schriftliche Stellungnahme vom 29.09.2012 ist am 11. Oktober 2012 bei derhs. Fremdenpoli­zeibehörde eingelangt.

 

In Ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 29.09.2012, eingelangt bei der hs. Fremdenpolizeibe­hörde am 11.10.2012, haben Sie angeführt, Sie seien seit 1999 mit Ihrer Mutter und ihrer Schwester in Österreich. Sie haben die Haupt- und Volksschule in X von 1999 bis 2007 besucht und diese auch abgeschlossen. Nach Ihrer Hauptschulzeit haben Sie eine Lehre als Bodenleger begonnen, die Sie noch nicht beendet haben. Hierin Österreich haben Sie Ihre Familie und zwar: Mutter: X, Schwestern: X, X und X. Weiters haben Sie eine eigene Wohnung in X, X.

 

In Ihrer schriftlichen Stellungnahme haben Sie weiters angeführt, dass Sie eine Freundin haben, mit der Sie schon über zwei Jahre zusammen sind, die Sie heiraten und mit ihr eine Familie gründen wollen. All dies werde Ihnen hierin Österreich ermöglicht."

 

1.1.3. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde ua. aus:

 

"Faktum ist, dass Sie von der PI X am 21.10.2008, GZ B6/25751/2008 wegen § 91 StGB und von der PI X am 27.11.2009, GZ B6/31029/2009, wegen § 27 SMG zur Anzeige ge­bracht worden sind. Weiters hat die PI X ermitteln können, dass Sie im Zeitraum August 2009 bis zum 29. Jänner 2010 gemeinsam mit X, geb. X, insgesamt 9 Einbruchsdiebstähle, wobei Sie als Haupttäter insgesamt 2 Einbrüche in das Jugendzentrum X, 3 Einbrüche in Baucontainern in X und 4 PKW-EDs in X verübt haben. Diesbezüglich sind Sie von der PI X, GZ B5/2084/2010, an die zuständige Staats­anwaltschaft angezeigt und in weiterer Folge auch rechtskräftig verurteilt worden. Somit wird festgestellt, dass Sie bereits im August 2009 ein persönliches Verhalten gesetzt haben, das für die öffentliche Sicherheit eine tatsächliche, erhebliche und gegenwärtige Gefährdung darstellt, das auch ein Grundinteresse der Gesellschaft betrifft, nämlich die Akzeptanz von fremden Vermögen. Bedenkt man, dass Sie zu diesem Zeitpunkt bereits einmal wegen Verg d Verg n § 91 StGB und einmal wegen Verd d Verg n § 27 SMG angezeigt worden sind, haben Sie durch Ihr persönliches Verhalten deutlich gezeigt, wie Sie Ihre eigene kriminelle Energie gesteigert haben. Aus diesem Grund steht fest, dass von Ihnen bereits zu diesem Zeitpunkt eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ausgegangen ist. Daher hätte Ihnen zu diesem Zeitpunkt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden können.

 

Da Sie Ihr persönlich gesetztes Verhalten nicht geändert, Ihre kriminelle Energie weiterentwickelt und Sie dieser Energie ungehindert weiterhin freien Lauf gelassen haben, sind Sie in der Zeit zwischen dem 09.02.210 bis zum 25.10.2010 insgesamt 15mai an die zuständige Staatsan­waltschaft zur Anzeige gebracht worden (siehe die umseitig angeführten Anzeigen der Polizeiinspektionen). Festgestellt wird auch, dass Sie in diesem Zeitraum 6mal wegen Diebstahls, einmal wegen Einbruchsdiebstahles, 5mal nach dem Suchtmittelgesetz sowie zweimal wegen Körperverletzungen an die zuständige Staatsanwaltschaft Wels angezeigt worden sind. Dennoch haben Sie Ihr persönlich gesetztes Verhalten nicht geändert, nein, Sie haben Ihr persönlich gesetztes Verhalten noch weiter gesteigert, indem Sie am 07.10.2010 die Jet-Tankstelle in X um 04:10 Uhr überfallen haben. Aufgrund dieser Tatausübung sind Sie schließlich in das gerichtliche Gefangenenhaus Wels - U-Haft - eingeliefert worden.

 

Trotz der Verbüßung Ihrer unbedingten Haftstrafe im Ausmaß von 8 Monaten haben Sie bis dato Ihr persönlich gesetztes Verhalten nicht geändert. Ganz im Gegenteil. Sie haben neuerlich in unverbesserlicher Art und Weise strafbare Handlungen gesetzt und weiterhin die öffentliche Sicherheit enorm gefährdet. Auch die Umstände, dass Sie neuerlich zweimal in U-Haft genommen worden sind, hat Ihr persönlich gesetztes Verhalten nicht geändert. Zur Zeit befinden Sie sich in der Justizanstalt Wels und verbüßen neuerlich eine Haftstrafe im Ausmaß von 5 Monaten, da Sie rechtskräftig wegen §§ 105 u 106 StGB verurteilt worden sind. Sie sind nicht gewillt, die öster­reichischen Rechtsnormen entsprechend zu respektieren und nach diesen Normen Ihr Leben hier in Österreich zu gestalten. Es hat den Anschein, dass Sie in Ihrem Verhalten unverbesserlich sind und Sie bewusst und gewollt die öffentliche Sicherheit hier im Bundesgebiet der Republik Österreich enorm gefährden. Sie haben bis dato kein persönliches Verhalten gezeigt, dass diese Annahme nicht rechtfertigen würde. Im Gegenteil, auch Haftstrafen haben Ihr persönlich gesetztes Verhalten nicht ändern können. Auch der Umstand, dass Sie von der hs. Niederlassungsbehörde gemäß § 28 Abs. 1 NAG 2005 rückgestuft worden sind - Ihre unbefristete Niederlassung ist in eine befristete Niederlassung umgewandelt worden - hat ebenfalls nicht bewirkt, dass Sie Ihr persön­liches Verhalten entsprechend geändert hätten. Sie ignorieren vehement hier geltende Rechts­normen. Faktum ist, dass von Ihnen eine erhebliche, massive, nachhaltige und maßgebliche Gefährdung für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Dies wird durch Ihr eigenes, persönliches und gegenwärtiges Verhalten zur Gänze bestätigt.

 

(...)

 

Hiezu führt die hs. Fremdenpolizeibehörde an, dass Sie als Ihre Familie Ihre Mutter, X, geb. X und Ihre Schwestern , X, geb. X, X, geb. X u X, geb. X, bezeichnen. Festgestellt wird, dass Sie weder bei Ihrer Mutter noch bei Ihren Schwestern wohnen. Weiters sind Sie nicht im Besitz einer eigenen Wohnung, sondern Sie wohnen bei Ihrem Vater. Auch wohnen Ihre Schwestern ebenfalls nicht bei Ihnen. In Ihrem Schreiben haben Sie selbst nicht angeführt, ob Sie Kontakt zu Ihrer Mutter und zu Ihren Schwestern haben. Sie haben auch darüber nichts erwähnt, wie intensiv Ihre Bindung zu Ihrer Mutter und zu Ihren Schwestern ist. Intensiv kann jedoch diese Bindung nicht sein, da Sie weder von Ihrer Mutter noch von Ihren Schwestern den Aufenthaltsort bekanntgegeben haben. Weiters wohnen sowohl Ihre Mutter als auch Ihre Schwestern nicht bei Ihnen. Aus diesem Grund steht fest, dass dieser familiäre Kontakt als gering bezeichnet werden muss.

 

In Ihrer schriftlichen Stellungnahme haben Sie weiters angeführt, Sie seien sich bewusst, dass Sie oft straffällig geworden sind, Sie haben große Probleme mit dem SMG-Gesetz und darum beab­sichtigten Sie eine Therapie zu machen, Sie möchten in Österreich bleiben und eine SMG ent­sprechende Therapie zu machen und Ihre Lehre fertig bringen!

 

Hiezu wird von der hs. Fremdenpolizeibehörde festgestellt, dass Sie sich bereits in entsprech­enden sozialen Programmen diesbezüglich befinden bzw. befunden haben. Doch diese Programme haben nicht bewirken können, dass Sie Ihre Sucht in Griff bekommen hätten. Ganz im Gegenteil, Sie haben nachweislich mehrere Aufforderungen zur Abgabe einer Urinprobe bei der hs. Sanitätsbehörde ignoriert und haben weiterhin Suchtmitte) konsumiert. Weiters haben Sie bereits Zeit genug gehabt, Ihre berufliche Ausbildung hier in Österreich abzuschließen. Da Sie jedoch augenscheinlich Ihr persönlich gesetztes Verhalten trotz Verbüßung von Strafhaften bzw. Untersuchungshaft nicht ändern wollen, geht diese Argumentation völlig ins Leere.

 

Die hs. Fremdenpolizeibehörde führt deutlich an, dass auch Ihre Freundin, mit der Sie seit mehr als zwei Jahren zusammen sind und der hs. Fremdenpolizeibehörde nicht nennen wollen, Sie nicht darin hindern habe können, Ihr persönlich gesetztes Verhalten entsprechend zu ändern. Ihnen ist es zum Tatzeitpunkt und bei der Tatausführung völlig egal gewesen, ob Sie eine Freundin, mit der Sie bereits seit zwei Jahren liiert sind, haben. Auch der Umstand, dass Sie Ihre Freundin ehelichen wollen, ändert an Ihrer Gefährlichkeit nichts. Im Gegenteil, bei den Tatausführungen haben Sie diesen Umstand auch nicht bedacht, sondern haben Ihrer kriminellen Energie freien Lauf gelassen. Die Erhebungen der hs. Fremdenpolizeibehörde ergaben, dass es sich bei Ihrer Freundin um X, geb. X, öster. StA, whft in X, X, handelt.

 

In Ihrer schriftlichen Stellungnahme haben Sie weiters angegeben, Sie wissen, dass Sie in Österreich oft negativ aufgefallen seien und Sie entschuldigen sich für dieses Verhalten. Sie versichern der hs. Fremdenpolizeibehörde, dass Sie eine große Wendung in Ihrem Leben machen werden und darum bitten Sie höflichst um eine letzte Chance, damit Sie beweißen können, dass es Ihnen ernst sei. In Ihrem Heimatland haben Sie überhaupt keine Perspektiven auf ein normales Leben.

 

Von der hs. Fremdenpolizeibehörde wird dazu Ihnen mitgeteilt, dass Sie bereits mehrere Chancen gehabt haben um Ihr persönlich gesetztes Verhalten zu ändern. Weiters haben auch Freiheits­entzüge Sie nicht bewegen können, Ihr persönliches Verhalten zu ändern bzw. einzustellen. Im Gegenteil, diese Freiheitsentzüge haben - so hat es den Anschein - Sie bei der Auslebung Ihrer kriminellen Energie nur gestärkt. Sie haben bis dato keine Tendenz gezeigt, tatsächlich Ihr persönlich gesetztes Verhalten zu ändern. Sie sind nicht gewillt, sich an die österreichischen Rechtsnormen zu halten. Dieser Umstand wird auch dadurch untermauert, dass auch die amtswegige Rückstufung gemäß § 28 Abs. 1 NAG 2005 nicht bewirken hat können, Ihr Verhalten zu stoppen bzw. zu ändern. Sie ignorieren jegliche Behörden- und Gerichtsentscheidung.

 

Zu Ihrem Privat- und Familienleben wird nachstehendes festgestellt:

 

Sie sind kroatischer Staatsbürger und sind im Alter von 7 Jahren, nachdem Sie und Ihre Mutter aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich während des Ausweisungsverfahren freiwillig ausgereist sind, gemeinsam mit Ihrer Mutter legal nach Österreich eingereist, da sowohl Ihnen als auch Ihrer Mutter eine entsprechende Niederlassungsbewilligung erteilt worden sind. Hier in Österreich haben Sie aufgrund der österreichischen Schulpflicht die Volks- und Hauptschule besucht, anschließend haben Sie eine Lehre als Bodenleger begonnen, die Sie in weiterer Folge selbst abgebrochen haben.

Aus Ihrem Versicherungsdatenauszug ist ersichtlich, dass Sie seit dem 23.07.2007 - Beginn der Lehre - immer wieder für längere Zeit arbeitslos gewesen sind. Eine berufliche Integration am Arbeitsmarkt kann deutlich verneint werden. Sie haben diesbezüglich auch mehrere Chancen nicht genützt, sich am Arbeitsmarkt entsprechend zu integrieren. Sie zeigen tatsächlich keinen Willen, Ihr Berufsleben zu ändern, wirtschaftlich selbständig zu werden. Ihr Lehrverhältnis hat zwei Jahre gedauert. Anzeichen, Ihren Lehrabschluss nachzuholen bzw. eine neue Lehre zu beginnen, haben Sie keine gesetzt.

 

Zur Zeit besitzen Sie keine eigene Krankenversicherung. Festgestellt wird, dass Sie völlig mittel­los sind.

 

Betreffend Ihrer strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Delinquenz wird umseitig verwiesen.

 

Von der hs. Fremdenpolizeibehörde wird weiters festgestellt, dass Sie volljährig sind und bei Ihrem Vater, in X X, X, wohnen. Sowohl Ihre Mutter als auch Ihre Schwestern wohnen nicht bei ihnen. Die Ehe zwischen Ihrer Mutter und Ihrem Vater ist geschie­den worden. Ob Sie noch entsprechende Bindungen zu Ihrer Mutter und Ihren Schwestern haben, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, da Sie selbst darüber keine Angaben gemacht haben. Sie haben auch der hs. Fremdenpolizeibehörde nicht mitgeteilt, wo Ihre Mutter und Ihre Schwester wohnhaft sind. Dies deutet jedenfalls daraufhin, dass Sie keinen entsprechenden familiären Kontakt mehr zu Ihnen haben. Ihre Schwester, X, geb. X, ist polizeilich in X, Ihre Mutter, X, geb. X ist in X X, wohnhaft.

 

Die Frage, ob Sie eine intensive Beziehung zu Ihrem Vater, X, geb. X, whft in X X, X, haben, kann ebenfalls verneint werden, da Sie in Ihrer eigenen und schriftlichen Stellungnahme vom 29.09.2012 diesbezüglich überhaupt keine Angaben gemacht haben. Sie haben lediglich Ihre Mutter und Ihre Schwester erwähnt. Folglich, besteht keine intensive Bindung zu Ihrem Vater, der an der gleichen Adresse polizeilich gemeldet ist wie Sie, da Sie ansonsten Ihren Vater entsprechend erwähnt hätten.

 

In Ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 29.09.2012 haben Sie angeführt, dass Sie mit Ihrer Freundin bereits zwei Jahre lang liiert sind. Sie haben keinen Namen genannt. Die Erhebungen der hs. Fremdenpolizeibehörde hat ergeben, dass es sich dabei um X, geb. X, öster. StA., Schülerin, whft in X X, X. Angeführt wird, dass Ihre Freundin minderjährig ist. Weiters wird deutlich festgehalten, dass Sie gemeinsam mit Ihrer Freundin, X am 22.02.2012 mehrere Ladendieb­stähle in Vöcklabruck begangen haben. Diesbezüglich ist von der PI X, ZI B6/4681/2012, am 14.03.2012 Anzeige an die Staatsanwaltschaft Wels erstattet worden. Gerade dieses Verhalten zeigt deutlich Ihre andauernde, gegenwärtige, tatsächliche, nachhaltige und maßgebliche Gefährlichkeit für die Gesellschaft. Sie scheuen davor nicht zurück, gemeinsam mit Ihrer Freundin Ihre kriminelle "Lust" zu befriedigen. Sie hindern aktiv Ihre minderjährige Freundin nicht daran, strafbare Handlungen zu setzen. Vielmehr zeigt Ihr Verhalten deutlich, dass Sie gewillt sind, gemeinsam strafbare Taten zu setzen und damit liefern Sie ihre Freundin der Gefahr aus, dass gegen Ihre Freundin gerichtliche Schritte - bis hin zu einer gerichtlichen Verurteilung (Vorstrafe) - gesetzt werden. Dieser Umstand stellt eine erhebliche Verantwortungslosigkeit dar ; und mindert entsprechend die Beziehung zu ihr.

 

Betreffend Ihrer Bindungen zum Heimatstaat Kroatien wird angeführt, dass Ihre Eltern hier in Österreich leben. Ob Sie dort noch Großeltern mütterlicherseits haben, ist der hs. Fremden­polizeibehörde nicht bekannt. Sie sprechen Ihre Heimatsprache und aufgrund Ihrer Volljährigkeit ist es Ihnen auch zumutbar, sich eine neue soziale und wirtschaftliche Existenz in Kroatien aufzu­bauen. Ihnen ist es auch zuzumuten, dass Sie Ihre begonnene Lehre als Bodenleger in Kroatien beendigen bzw. auch in Kroatien eine neue Lehre beginnen können. Kroatien ist voraussichtlich mit Juli 2013 ein Mitgliedstaat der europäischen Union und weist somit entsprechende europäische Standards auf.

 

Aufgrund der technischen Kommunikationsmitteln ist es Ihnen jederzeit möglich entsprechenden Kontakt zu Ihrer Freundin, X, zu halten. Wie intensiv dieser Kontakt ausfällt, hängt sowohl von Ihnen als auch von Ihrer Freundin selbst ab. Angeführt wird auch, dass bei Volljährigkeit Ihrer Freundin Sie jederzeit in Kroatien besuchen kann, da Sie keiner­lei Reisebeschränkungen mehr unterliegt.

 

Die hs. Fremdenpolizeibehörde verkennt nicht den hohen Eingriff in Ihr Privat- und Familienleben, jedoch ist diese Vorgehensweise notwendig, um die öffentliche Sicherheit wieder herzustellen und Sie daran gehindert werden, weitere strafbare Handlungen im Bundesgebiet der Republik Österreich zu setzen. Dies deshalb, weil von Ihnen - wie umseits dargestellt - eine andauernde, nachhaltige, gegenwärtige, maßgebliche und tatsächliche Gefahr ausgeht, die die öffentliche Sicherheit - im Bereich der Akzeptanz von fremden Vermögen und der körperlichen Unversehrtheit - erheblich gefährdet, die wesentliche Grundinteressen der Gesellschaft darstellen. Selbst Freiheitsstrafen haben nicht bewirken können, Ihr persönlich gesetztes Verhalten hier in Österreich zu ändern."

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw mit Schriftsatz vom 20. November 2012 – bei der belangten Behörde eingelangt am 6. Dezember 2012 – rechtzeitig Berufung.

 

Darin stellt der Bw zunächst folgende Anträge:

 

I.         den hier angefochtenen, oben bezeichneten Bescheid zur Gänze zu beheben, in eventu

II.       die Dauer des Aufenthaltsverbots auf das gesetzliche Mindestmaß zu reduzieren, sowie

III.    eine öffentliche Verhandlung anzuberaumen.

 

Begründend führt der Bw wie folgt aus:

 

"1.

Mit angefochtenem Bescheid wird gegen mich ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

 

Begründend wird diesbezüglich angeführt, dass mein Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde - verwiesen wird dabei auf meine strafgerichtlichen Verurteilungen -, weshalb in Ansehung dessen auch der Eingriff in mein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gerechtfertigt sei.

 

Die Verhängung eines Aufenthaltsverbots ist jedoch gemäß § 64 Abs.1 Z.1 FPG 2005 nicht möglich, wenn vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gem. § 10 Abs. 1 StbG verliehen hätte werden können.

 

Dieser Umstand treffe nach Ansicht der Behörde nicht zu, da ich im Dez. 1999 in Österreich eingereist sei und eine Niederlassungsbewilligung erhalten habe, aber vor Ablauf der 10 Jahre schon im August 2009 Delikte verübt hätte und mir so gem. § 10 Abs. 1 Z.6 StbG die Staatsbürgerschaft nicht verliehen hätte werden können

 

Damit geht die Behörde rechtlich fehl.

 

Ich wurde erst im Februar 2010 erstmalig wegen Diebstahls von der PI angezeigt. Mit Ablauf der 10 Jahresfrist, sohin im Jan. 2010 hätte die Z.6 des § 10 Abs.1 StbG noch nicht als Hinderungsgrund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft herangezogen werden können.

Es ist zwar richtig, dass es im Okt. 2008 eine Anzeige wegen § 91 StGB gab, das diesbezügliche Ermittlungsverfahren wurde jedoch im April 2009 eingestellt.

Es ist auch richtig, dass es im Nov. 2009 eine Anzeige wegen § 27 SMG gab, das   diesbezügliche    Ermittlungsverfahren   wurde   jedoch   vorläufig zurückgestellt.

 

In Zusammenfassung gab es daher als einzigen Hinweis dafür, dass ich im Sinne von § 10 Abs. 1 Z.6 StbG eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellen würde, die soeben angeführte Anzeige wegen § 27 SMG.

 

Dieser Umstand ist jedoch nicht geeignet, die Voraussetzung von Z.6 leg. cit als erfüllt ansehen zu können und hätte von der belangten Behörde richtigerweise auch nicht in diesem Sinne gewertet werden dürfen.

 

Bei richtiger Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung hätte der angefochtene Bescheid daher nicht erlassen werden dürfen.

 

2.

Sollte dieser Ansicht nicht gefolgt werden, so ist aufgrund des Umstandes, dass ich mich seit dem 7.Lebensjahr in Österreich aufhalte, hier sozialisiert worden bin, in Österreich meine Familienangehörigen und meine Freundin leben, die verhängte Dauer des Aufenthaltsverbotes von 10 Jahren f unverhältnismäßig   und   erscheint   aus   diesem   Grunde   als   ein ungerechtfertigter Eingriff in meine Rechte gem. Art. 8 EMRK.

 

3.

Mit Rechtswidrigkeit behaftet ist der angefochtene Bescheid überdies deshalb, da er auf einem rechtswidrig geführten Verfahren beruht.

 

Gemäß § 84 Abs.1 FPG ist in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (auch: Aufenthaltsverbot) oder eines Rückkehrverbotes, dem Fremden kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite zu stellen.

 

Mir wurde jedoch dieser Rechtsbeistand erst ab Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbots ermöglicht (Datum des Bescheides: 09.11.2012; Rechtsberatungsanfrage: 12.11.2012).

 

Im Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbots wurde mir jedoch kein Rechtsberater zur Seite gestellt. Gerade in diesem Verfahrensstadium wurde mir mit Schreiben vom 17.09.2012 die beabsichtigte Erlassung des Aufenthaltsverbots mitgeteilt und ich diesbezüglich zur Stellungnahme aufgefordert, welche ich ohne gebotene rechtliche Unterstützung verfasst habe.

 

In Ansehung des angefochtenen Bescheides wird deutlich, dass die Stellungnahme betreffend die Begründung des Aufenthaltsverbotes eine entscheidungswesentliche Bedeutung innehatte, da die Behörde sich mit ihr sehr ausführlich auseinandergesetzt hat.

 

Aus diesem Grunde hätte mir die Behörde schon im genannten Verfahrensstadium eine kostenlose Rechtsberatung im Sinne von §§ 84 und 85 FPG zur Verfügung stellen müssen, was sie verabsäumt und dadurch den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet hat.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit (wohl irrtümlich datiertem) Schreiben vom 5. November 2012 – beim UVS eingelangt am 17. Dezember 2012 - dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung vor.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Nachdem sich schon aus der Aktenlage ergab, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte – trotz diesbezüglich gestelltem Antrag – auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verzichtet werden.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.2., und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.3.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetztes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 87/2012, kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2. anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z1, 2,4,5,7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z1, 2,4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

3.1.2. Es ist nun im vorliegenden Fall völlig unbestritten, dass der Bw aufgrund bestehender Aufenthaltstitel seit dem Jahr 1999 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war, weshalb für die intendierte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes § 63 FPG grundsätzlich zur Anwendung gebracht werden muss. Nachdem der Bw nicht unter den Begünstigtenkreis der §§ 65, 65a sowie 65 b FPG zu subbsumieren ist, scheidet eine Anwendung des § 67 FPG im vorliegenden Falll aus.

 

Im Verfahren umstritten war insbesondere, ob im Fall des Bw eine Aufenthaltsverfestigung im Sinne des § 64 FPG zum Tragen kommt.

 

3.2.1. Gemäß § 64 Abs. 1 FPG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Ausweisung gemäß § 62 und ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 nicht erlassen werden, wenn

1.      ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die   Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes         1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2.      er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes - StBG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn

1. er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;

2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;

3. er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist;

4. gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist;

5. durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist und

8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.

 

Gemäß § 10 Abs. 1a StBG liegt eine gemäß Abs. 1 Z2 oder 3 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie in Strafregisterauskünfte an die Behörde nicht aufgenommen werden darf. Eine gemäß Abs. 1 Z 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt vor, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 StBG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden nicht verliehen werden, wenn

1. bestimmte Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 Z 2, 3, 5, 8, 9 und Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, vorliegen; § 53 Abs. 5 FPG gilt;

2. er mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt, insbesondere wegen § 99 Abs. 1 bis 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, wegen § 37 Abs. 3 oder 4 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, §366 Abs. 1 Z1 i.Vm. Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, wegen §§81 bis 83 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991, oder wegen einer schwerwiegenden Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005, des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG), BGBl. Nr. 435/1996, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, rechtskräftig bestraft worden ist; § 55 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, gilt;

3. gegen ihn ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung anhängig ist;

4. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß §§ 63 oder 67 FPG besteht;

5. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

6. gegen ihn das mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG einhergehende Einreiseverbot weiterhin aufrecht ist oder gegen ihn in den letzten 18 Monaten eine Ausweisung gemäß §§ 62 oder 66 FPG oder § 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, rechtskräftig erlassen wurde oder

7. er ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.

 

3.2.2. Es ist nun anzumerken, dass sich der Bw nicht auf § 64 Abs. 1 Z. 2 FPG berufen könnte, zumal er zwar mit 7 Jahren nach Österreich kam, dies aber nicht als von klein auf hier aufgewachsen gilt.

 

3.2.3.1. Fraglich ist nun, ob dem Bw nach § 10 Abs. 1 StBG die Staatsbürgerschaft hätte bereits verliehen werden können. Er erfüllt zunächst den über 10-jährigen Aufenthalt; dies mit Ablauf Dezember 2009.

 

3.2.3.2. Von den Alternativen des § 10 ABs. 1 StBG ist ua. Z. 6 zu erörtern, da der Bw zumindest nachträglich gezeigt hat, dass er durchaus in der Lage ist, Zweifel an seiner bejahenden Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung hervorzurufen und die öffentliche Ruhe und Ordnung zu beeinträchtigen. Bis zum relevanten Zeitpunkt im Jahr 2009 war dies aber noch nicht der Fall, zumal auch die einschlägigen, zahlreichen verwaltungsstrafrechtlichen Verurteilungen großteils erst ab 2010 erfolgten.

 

3.2.3.3. Auch § 10 Abs. 1 Z. 2 StGB war zum relevanten Zeitpunkt noch nicht erfüllt.

 

3.2.3.4. Besonders aber ist zu überprüfen, ob - wie in Z. 4 leg. cit. normiert - gegen den Bw nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig war.

 

Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, erfolgten im Oktober 2009 eine Anzeige wegen Raufhandels (§ 91 StGB) und eine Anzeige wegen § 27 SMG im November 2009.

 

Entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. April 2001 zu Zl. 2000/01/0135 ist die gerichtliche Anhängigkeit gem. § 10 Abs. 1 Z 4 StbG erst ab dem Zeitpunkt anzunehmen, ab dem die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung gestellt hat. Vorerhebungen begründen hingegen keine gerichtliche Anhängigkeit.

 

Im vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass vom Bezirksanwalt beim BG Vöcklabruck am 24. April 2009 schriftlich mitgeteilt wurde, dass das Ermittlungsverfahren (Raufhandel § 91 StGB) gemäß § 204 Abs. 1 StPO – also aufgrund von Diversion - eingestellt worden war. Weiters hatte der Bezirksanwalt beim BG Vöcklabruck am 6. Mai 2010 schriftlich mitgeteilt, dass das Ermittlungsverfahren gemäß § 35 Abs. 1 SMG vorläufig für eine Probezeit von 2 Jahren zurückge­legt worden war.

 

In Heranziehung der obigen Judikatur des VwGH ist auch nach Änderung der StPO davon auszugehen, dass in beiden Fällen nicht von einer gerichtlichen Anhängigkeit im engeren Sinn gesprochen werden kann, somit diese verneint werden muss.

 

3.2.4. Im Ergebnis bedeutet dies aber, dass dem Bw gemäß § 64 Abs. 1 Z. 1 FPG iVm. § 10 Abs. 1 StBG die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können, weshalb von Aufenthaltsverfestigung auszugehen ist und die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes somit ausgeschlossen werden muss.

 

3.3. Es erübrigt sich somit auf die weiteren Einwendungen der Berufung einzugehen, bzw. insbesondere eine Interessensabwägung im Sinne des § 61 FPG vorzunehmen, wobei aber hier anzumerken ist, dass eine solche wohl zu dem Ergebnis führen würde, dass die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht zulässig wäre, zumal der Bw, dessen gesamte Familie im Bundesgebiet aufhältig ist, hier gravierende Elemente vor allem der sozialen Integration aufweist.

 

3.4.1. Es war daher der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

3.4.2. Da der Bw offenbar der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte die Übersetzung des Spruchs sowie der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG unterbleiben. 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühren) angefallen.

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 19.03.2013, Zl.: 2013/21/0027-3 

 

 

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