Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301219/4/WEI/BZ/Ba

Linz, 21.11.2012

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der F G GmbH, vertreten durch Dr. E J, Rechtsanwalt in W, T, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Linz-Land vom 9. Februar 2012, Zl. Pol96-58-2012, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruchpunkt II (Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) ersatzlos zu entfallen hat.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit dem oben bezeichneten, an die Berufungswerberin zu Händen ihres handelsrechtlichen Geschäftsführers adressierten Bescheid der belangten Behörde der sowohl der Berufungswerberin als auch dem Finanzamt zugestellt wurde, hat die belangte Behörde wie folgt abgesprochen:

 

"Bescheid

 

Über die am 3.2.2012 um ca. 11.15 Uhr in der 'X Servicestation' in E, F, von Organen des Finanzamtes Linz durchgeführte vorläufige Beschlagnahme von der 'X Servicestation' in E ergeht von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als gemäß § 50 Abs.1 Glücksspielgesetz zuständige Verwaltungsbehörde I. Instanz folgender

 

Spruch:

 

I.

Von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wird zur Sicherung der Einziehung die Beschlagnahme des vorläufig beschlagnahmten Glücksspielgerätes mit der Gerätebezeichnung 'Sportwetten MVP Multi Virtual Player' und der Seriennummer 360525 und den dazugehörigen Schlüsseln

 

angeordnet.

 

II.

Einer anfälligen Berufung gegen diesen Bescheid kommt keine aufschiebende Wirkung zu.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:   § 53 Abs.1, Zif.1, lit.a Glücksspielgesetz, BGBl.Nr. I 73/2010;

Zu II.: § 64 Abs.2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF."

 

 

1.2. Zur wesentlichen Begründung zu Spruchpunkt I führt die belangte Behörde wie folgt aus:

 

"Bei einer von Organen der Abgabenbehörde am 3.2.2012 um ca. 11.15 Uhr in der 'X Servicestation' in E, F 22, durchgeführten Kontrolle wurde Glücksspielgeräte mit der Gerätebezeichnung 'Sportwetten MVP Multi Virtual Player' und der Seriennummer 360525 Ihres Unternehmens 'F G GmH.' mit Sitz in W, B, betriebsbereit und eingeschaltet vorgefunden. Mit diesen wurden zumindest von 22.10.2010 bis 3.2.2012 wiederholt Glücksspiele in Form von virtuellen Walzenspielen durchgeführt. Aufgrund der in Aussicht gestellten Gewinne und den möglichen Einsätzen bestand der Verdacht, dass mit dem Geräte durch das Veranstalten von verbotenen Ausspielungen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wurde, weil weder die dafür erforderliche Konzession des Bundesministerium für Finanzen vorlag, noch das Gerät nach den Bestimmungen des § 4 Glücksspielgesetz vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen waren. Von den kontrollierenden Organen wurde daher das Glücksspielgerät gemäß § 53 Abs. 3 Glücksspielgesetz vorläufig in Beschlag genommen.

 

[...] Die auf dem vorläufig beschlagnahmten Glücksspielgerät angebotenen Spiele waren unter anderem virtuelle Walzenspiele. Die Spiele waren deshalb als Glücksspiele im Sinne des § 1 Abs. 1 Glücksspielgesetz anzusehen, weil den Spielern keinerlei Möglichkeiten geboten wurde, bewusst auf das Zustandekommen eines bestimmten Spielergebnisses Einfluss zu nehmen. Die Spieler konnten nur einen Einsatz und den dazugehörigen Gewinnplan auswählen. Anschließend wurden bei den Walzen- und Kartenspielen für die Dauer von einer Sekunde die am Bildschirm dargestellten Symbole ausgetauscht oder in ihrer Lage verändert. Die neue Symbolkombination konnte einer im Gewinnplan dargestellten Kombination entsprechen oder nicht. Bei den Zahlenratespielen wurden Zahlen eingeblendet, die mit den vom Spieler durch Antippen der entsprechende Bildschirmfelder zuvor ausgewählten Zahlen übereinstimmen konnten oder nicht. Die Entscheidung über den Spielausgang hing daher ausschließlich vom Zufall ab. Diese Glücksspieleigenschaft wurde durch Probespiele einwandfrei festgestellt.

 

[...] Das oa. Unternehmen hat den im Spruch angeführten Automaten auf eigene Gefahr und eigenes Risiko betrieben und damit Glücksspiele mit dem Vorsatz veranstaltet, fortgesetzt Einnahmen aus deren Durchführung zu erzielen, also als Unternehmer Ausspeilungen iSd § 2 Abs. 1 Glücksspielgesetz veranstaltet. Da für diese Ausspielungen keine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erteilt worden ist und eine Ausnahme gemäß § 4 Glücksspielgesetz nicht vorlag, waren diese Aussielungen verboten.

[...] Das oa. Unternehmen steht daher im Verdacht mit den angeführten Glücksspielgeräten in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen und eine Verwaltungsübertretung gemäß § 52 Abs. 1 Z.1 Glücksspielgesetz begangen zu haben.

 

[...] Von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wurde daher die Beschlagnahme der 3 vorläufig sichergestellten Glücksspielgeräte gemäß § 53 Abs. 1 Z.1 lit. a Glücksspielgesetz zur Sicherung der Einziehung angeordnet, weil für diese die Einziehung gemäß § 54 Abs. 1 Glücksspielgesetz vorgesehen ist und der begründete Verdacht besteht, dass mit diesen Glücksspielgeräten, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen die Bestimmung des § 52 Abs. 1 Glücksspielgesetz verstoßen wird.

 

Der konkrete Verdacht des Eingriffes in das Glücksspielmonopol des Bundes ergab sich dadurch, weil bei den betreffenden Glücksspielgeräten virtuelle Walzenspiele, Kartenpokerspiele und Zahlenratespiele angeboten wurden. Die Spiele waren deshalb als Glücksspiele im Sinne des § 1 Abs. 1 Glücksspielgesetz anzusehen, weil den Spielern keinerlei Möglichkeiten geboten wurde, bewusst auf das Zustandekommen eines bestimmten Spielergebnisses Einfluss zu nehmen. Die Spieler konnten nur einen Einsatz und den dazugehörigen Gewinnplan auswählen. Anschließend wurden für die Dauer von einer Sekunde die am Bildschirm dargestellten Symbole ausgetauscht oder in ihrer Lage verändert. Die neue Symbolkombination konnte einer im Gewinnplan dargestellten Kombination entsprechen oder nicht. Diese Glücksspiele wurden in Form einer Ausspielung von einem Unternehmer veranstaltet, der nicht, über die dafür erforderliche Konzession oder Bewilligung nach dem Glücksspielgesetz verfügte. Somit wurde fortgesetzt gegen die Bestimmung des § 52 Abs. 1 Z. 1 Glücksspielgesetz verstoßen."

 

Nach Darstellung der Rechtslage gelangt die belangte Behörde zur Beurteilung, dass aufgrund des festgestellten Sachverhaltes und der durchgeführten Ermittlungen erwiesen sei, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beschlagnahme vorliegen würden, so dass spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

 

Weiters führt die belangte Behörde zu Spruchpunkt II aus, dass gemäß § 64 Abs 2 AVG die Behörde die aufschiebende Wirkung ausschließen könne, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse der Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sei. Ein solcher Ausspruch sei tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen. Aus dem vorliegenden Sachverhalt sei einwandfrei zu erkennen, dass Gefahr im Verzuge vorliege, weil bereits durch eine fortgesetzte Eingriffshandlung in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen worden sei und die Verhinderung weiterer Eingriffe zum Nachteil des Bundes dringend geboten erscheine. Es sei daher einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen.

 

 

2. Gegen diesen Bescheid, der der F G GmbH als Berufungswerberin (im Folgenden kurz: Bwin) am 13. Februar 2012 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig am 27. Februar 2012 zur Post gegebene Berufung gleichen Datums, mit der die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides angestrebt wird.

 

Die rechtsfreundlich eingebrachte Berufung wird wie folgt begründet:

 

"Der Bescheid wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten.

 

Als Berufungsgründe werden unvollständige Sachverhaltsfeststellung, Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zur Sicherung der Einziehung die Beschlagnahme des Internet-Terminals mit der Gerätebezeichnung 'Sportwetten MVP Multi Virtual Player' mit der Seriennummer 360 525 angeordnet.

 

Das beschlagnahmte Internet-Terminal ist - soweit es die Teilnahme an Glücksspielen Ausspielungen gemäß § 12a GSpG) ermöglicht - als Video Lotterie-Terminal i.S.d. § 12a GSpG zu qualifizieren, zumal der Spielvertrag über elektronische Medien abgeschlossen, die Entscheidung über Gewinn und Verlust zentralseitig herbeigeführt und zur Verfügung gestellt wird und der Spielteilnehmer unmittelbar nach Spielteilnahme vom Ergebnis dieser Entscheidung Kenntnis erlangt. Dieses Internet-Terminal entspricht seiner Funktionsweise nach den von der Glücks­- und Unterhaltungsspiel BetriebsgesmbH in den WINWIN 'Standorten' Ebreichsdorf, Bruck an der Leitha, Zwettl, Schärding, Wels, Steyr, Vöcklabruck, Zell am See, Mayrhofen, Kufstein, Lienz und Landeck aufgestellten Video Lotterv Terminals mit denen im Rahmen der Elektronischen Lotterien nach §12a GSpG über die Spieleplattform win2day.at in einem virtuellen Gamesroom diverse Glücksspiele wie zB 'Pferderennen', 'Schatzinsel', 'Escalero', 'El Dorado' usw angeboten werden. (Schwartz/Wohlfahrt, GSpG2 [2006] § 12a Rz 11-13), und die wie folgt beschrieben werden:

 

'Spiele der Video Lotterie Terminals sind elektronische Lotterien. Elektronische Lotterien sind gemäß § 12a des Glücksspielgesetzes Ausspielungen, bei denen der Spielvertrag über elektronische Medien abgeschlossen wird. Die Entscheidung über Gewinn und Verlust wird zentralseitig herbeigeführt. Der Spielteilnehmer erfährt unmittelbar nach der Spielteilnahme das Ergebnis dieser Entscheidung.

 

Video Lotterien Terminals ähneln optisch den klassischen Spielautomaten, unterscheiden sich von diesen aber ganz wesentlich in der Spielmechanik. Bei den Video Lotterien Terminals wird die Entscheidung über Gewinn und Verlust vom Zufallsgenerator eines zentralen Rechners - basierend auf vorgegebenen Gewinnpyramiden - getroffen. Der zentrale Rechner (bei den österreichischen Lotterien) übermittelt dann die Ergebnisse per Telekommunikation über Game Controller (Server) an die jeweiligen Terminals. Der klassische Spielautomat entscheidet eigenständig per Zufallsgenerator über Gewinn und Verlust.

 

Man kann bereits mit einem Einsatz von 1 Cent am Spiel teilnehmen. Der maximale Spieleinsatz beträgt € 9,00, der maximale Gewinn € 25.000,00. Einsätze werden über Tickets oder mit Banknoten, jedoch ohne Münzen, getätigt. Im Gewinnfall druckt der Terminal ein Ticket aus, das an der Kassa entweder bar, als Scheck oder in Form einer Banküberweisung ausbezahlt wird.'

 

Beweis: Konvolut,  aufgerufen   und   ausgedruckt   aus   www.X  am 09.12.2009

              Technische Beschreibung der X und MVP Multi Virtual Player      (Beilage ./1)

 

Die Einschreiterin hatte das gegenständliche Internet-Terminal in den von Herrn W S gepachteten Räumlichkeiten in E, F aufgestellt und damit Gästen, die am Online-Angebot der W I L interessiert waren, die Wett- und Spielteilnahme ermöglicht. Es wurden dabei die Wett- und Spieleinsätze im Namen und für Rechnung der W I L zur Weiterleitung and die W I L entgegengenommen, Gewinnauszahlungen im Namen und für Rechnung der W I L vorgenommen, wobei eine seriöse Wett- und Spielabwicklung und die Verantwortung jedem einzelnen Wett- und Spielteilnehmer gegenüber im Vordergrund standen.

 

Beweis:  M H, p.A. F G GmbH, B, W

 

I) Unanwendbarkeit der §§ 52 und 53 GSpG infolge Unvereinbarkeit mit und Verdrängung durch primäres Gemeinschaftsrecht:

 

Die W I L, X, X, X, verfügt über aufrechte maltesische Lizenzen, und zwar die von der X ausgestellte Remote Gaming-Licence der Klasse I und Remote Gaming-Licence der Klasse II, die die W I L zum Anbieten von Sportwetten wie auch zum Anbieten von Glücksspielen berechtigt.

 

Die aufrechten Lizenzerteilungen sind auf der Homepage der X unter X abrufbar.

 

Die bwin-Gruppe, deren Dienstleistungsangebot mit dem der W I L im hier verfahrensgegenständlichen Umfang in rechtlicher Hinsicht gleichsam ident ist, hat zu den relevanten Rechtsfragen - insbesondere der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Anbietens von Sportwetten und Glücksspielen in Österreich - mehrere Rechtsgutachten führender österreichischer Experten des Glücksspielrechtes eingeholt und der W I L zur Verfügung gestellt. Diese werden, da die Ausgangssituation und Fragestellungen zur jeweils dargestellten Rechtslage und Rechtsfragenlösung mit der hier gegenständlichen Problematik im Wesentlichen ident sind, auch hier in diesem Verfahren vorgelegt.

 

Die Rechtslage wurde in mehreren Gerichtsverfahren, insbesondere durch die in den Rechtssachen

 

·                   Omnia Communication-Centers GmbH gegen die WETT-PUNKT Betriebsgesellschaft m.b.H.,

·                   Omnia Communication-Centers GmbH gegen die bwin I Ltd. und bwin Interactive Entertainment AG, und

·                   Omnia Communication-Centers GmbH gegen die Cashpoint Malta Ltd.

 

ergangenen Entscheidungen von jeweils verschiedenen Senaten des Oberlandesgerichtes Wien, und zwar

 

·                   des Senates 1 (Senatpräsidentin des Oberlandesgerichtes Wien Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie Richter des Oberlandesgerichtes Wien Dr. Brenn und KR Böhm) zu 1 R 135/07s vom 27.08.2007,

·                   des Senates 3 (Senatspräsident des Oberlandesgerichtes Wien Dr. Jelinek als Vorsitzender, Richter des Oberlandesgerichtes Wien MMMag. Frank und KR Staska) zu 3 R 80/07t vom 25.07.2007, und

·                   des Senates 5 (Senatspräsident des Oberlandesgerichtes Wien Dr. Reitermaier als Vorsitzender und Richterin des Oberlandesgerichtes Wien Dr. Strolz und KR Lüftner) zu 5 R 161/07v vom 31.10.2007

geklärt.

 

Die Omnia Communication-Centers GmbH hat gegen obgenannte Gesellschaften Klagen und Anträge auf die Erlassung einstweiliger Verfügungen eingebracht,

 

·                   es zu unterlassen, die Veranstaltung von Glücksspielen im Sinn des § 1 GSpG (insbesondere von Casinospielen wie 'Black Jack' oder Walzen-Automatenspielen wie 'Wild Fruits' oder Pokerspielen wie 'Magic Poker' und/oder Roulettespiele) in Österreich oder für den österreichischen Markt, insbesondere im Internet, anzubieten und zu veranstalten, zu fördern und/oder zu unterstützen, und/oder diese, insbesondere im Internet, für Spielteilnehmer aus Österreich durchzuführen, solange sie über keine ausreichende gesetzliche inländische Zulassung (Konzession) dafür verfügen. 

 

In den Verfahren über die Erlassung der von der Omnia Communication-Centers GmbH beantragten einstweiligen Verfügungen wurden Rechtsgutachten führender Rechtsgelehrter und Experten vorgelegt, namentlich

 

·                   das Rechtsgutachten des Verfassungs- und Verwaltungsrechtsexperten Univ.-Prof.DDr. Heinz Mayer und Rechtsanwalt Dr. X vom 17.10.2006 zur gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Anbietens von Sportwetten und Glücksspielen in Österreich,

·                   das Rechtsgutachten derselben vom 26.04.2007 zur Frage der Verdrängung des §168 StGB infolge Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht und unter besonderer Berücksichtigung der jüngsten EuGH-Judikatur,

 

·                   das Rechtsgutachten des Verfassungs- und Verwaltungsrechtsexperten Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger vom 18.04.2007 zum österreichischen Glücksspielmonopol im Lichte des Placanica-Urteils und der Rechtmäßigkeit und Straflosigkeit des Angebots von bwin in Österreich, und

 

·                   das Rechtsgutachten des Strafrechtsexperten Univ.-Prof. DDr. Peter Lewisch vom 02.05.2007 betreffend gemeinschaftsrechtliche und strafrechtliche Fragen des Glücksspiels (§ 168 StGB)

 

die allesamt zum Ergebnis gelangen, dass das österreichische Glücksspielmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung gemeinschaftsrechtswidrig ist und dem Gemeinschaftsrecht der Vorrang gegenüber den im Widerspruch stehenden österreichischen Gesetzesbestimmungen zukommt.

 

Die Einschreiterin legt zunächst das von der bwin-Gruppe zur Verfügung gestellte, von den Herren Univ.Prof. Dr. Heinz Mayer und Dr. Walter Schwartz (des Mitverfassers des im Jahr 2006 in 2. Aufl im Manz-Verlag erschienenen Kommentars zum GSpG) am 17.10.2006 erstattete Rechtsgutachten zur gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Anbietens von Sportwetten und Glücksspielen in Österreich hiemit als Beilage ./2 vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird der Inhalt dieses Gutachtens seinem rechtlichen Inhalt nach auch zum Vorbringen in diesem Schriftsatz erhoben, zumal die gelösten Rechtsfragen in Bezug auf das Dienstleistungsangebot der bwin-Gruppe und deren Lizenzen auch auf das Dienstleistungsangebot der W I L und deren Lizenzen zutreffen.

 

Mayer/Schwartz kommen nach eingehender Prüfung des Sachverhalts und der Rechtslage zusammenfassend zu folgendem hervorzuhebenden Ergebnis (Beilage ./2 S 25 ff):

 

·                   'Bei den von bwin angebotenen Dienstleistungen lassen sich vor dem Hintergrund der österr Rechtsordnung Sportwetten, Gesellschaftswetten, Glücksspiele und Geschicklichkeitsspiele unterscheiden. Die - mit dem österr Glücksspielmonopol formal konfligierenden - Glücksspielangebote der bwin-Ltd werden auf der Grundlage einer gibraltesischen Lizenz angeboten. (hier: Die Glücksspielangebote der W I L werden auf Grundlage einer maltesischen Lizenz angeboten.)

 

·                   Sowohl Sportwetten als auch Glücksspiele sind als Dienstleistungen im Sinn der Art 49 ff EGV zu qualifizieren. Sie fallen daher in den Schutzbereich der gemeinschaftsrechtlich verbürgten Dienstleistungsfreiheit.

 

·                   Beschränkungen dieser Dienstleistungsfreiheit sind nach der Judikatur des EuGH nur dann zulässig, wenn sie (i) durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und (ii) die beschränkende Maßnahme das jeweils gelindeste zu Gebote stehende Mittel ist.

 

·                   Die mit dem österr Glücksspielmonopol einhergehenden Beschränkungen der gemeinschaftsrechtlich verbürgten Dienstleistungsfreiheit können nicht mit Verbraucherschutzerwägungen gerechtfertigt werden. Dies deshalb nicht, weil Gesetzgeber und Monopolbetreiber das Glücksspielangebot in den vergangenen Jahren nicht nur kontinuierlich ausgeweitet haben, sondern auch exzessiv bewerben. Von einer 'kohärenten und systematischen Begrenzung' der Glücksspieltätigkeit, wie sie der EuGH fordert, kann mithin in Österreich keine Rede sein.

 

·                   Die mit dem österr Glücksspielmonopol einhergehenden Beschränkungen der gemeinschafts­rechtlich verbürgten Dienstleistungsfreiheit können weiters auch nicht mit Spielerschutz­erwägungen gerechtfertigt werden. Dies erweist sich schon daraus, dass erst jüngst die bei weitem bedeutsamste Spielerschutzbestimmung des Spielbankenbereichs (§25 Abs 3 GSpG) entgegen der spielerschutzfreundlichen Judikatur des OGH zum Nachteil der suchtgefährdeten Spieler abgeändert wurde.

 

·                   Die mit dem österr Glücksspielmonopol einhergehenden Beschränkungen der gemeinschafts­rechtlich verbürgten Dienstleistungsfreiheit können auch nicht mit Gründen der Verbrechensprävention gerechtfertigt werden. Die Veranstaltung von Glücksspielen ist in ganz Europa reglementiert. Auch in Gibraltar (hier: Malta) werden an die Bewilligungswerber hohe Anforderungen in Hinblick auf die Verbrechensprävention gestellt; nur wer die Voraussetzungen erfüllt, darf Glücksspiele veranstalten oder bewerben. Dem allgemeinen Interesse der Verhinderung von Verbrechen wird somit bereits durch die einschlägigen Regelungen des Heimatstaats Rechnung getragen.

 

·                   Beschränkungen des Glücksspiels lassen sich auch nicht mit der Notwendigkeit von Maßnahmen zur Verhinderung der Geldwäsche begründen. Da alle Mitgliedstaaten gemeinschaftsrechtlich dazu verpflichtet sind, jene Berufe und Unternehmenskategorien streng zu überwachen, die sich für Zwecke der Geldwäsche besonders eignen, sind europäische Glücksspielanbieter bereits aufgrund ihrer jeweiligen nationalen Gesetzgebung zur Umsetzung der entsprechenden Richtlinien­bestimmungen verpflichtet; zusätzliche Dienstleistungs­beschränkungen im Zielstaat sind mithin nicht erforderlich.

 

·                   Schließlich: Es fehlt eine nachvollziehbare Begründung, warum die vom Glücksspielgesetzgeber ins Treffen geführten ordnungspolitischen Zielsetzungen nur durch eine Monopolisierung erreicht werden können. Einem ehrlich besorgten Gesetzgeber stehen gelindere Mittel zur Zielerreichung zur Verfügung als einen gesamten Wirtschaftszweig dem Wettbewerb zu entziehen.

 

In einem gemeinsamen Binnenmarkt sind nationale Monopole wirtschaftspolitische Fremdkörper, die einer besonderen sachlichen Rechtfertigung bedürfen. Wir verkennen nicht, dass nationale Glücksspielmonopole ausnahmsweise gerechtfertigt sein können. Angesichts der rezenten Judikatur des EuGH kann unseres Erachtens aber kein Zweifel daran bestehen, dass das österr Glücksspielmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung gemeinschaftsrechtswidrig ist. Dies bedeutet, dass die monopolisierenden Bestimmungen des § 14 und des § 21 GSpG infolge Widerspruchs gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht verdrängt sind, bwin (hier: wie auch die W I L) ist mithin berechtigt, die hier in Rede stehenden Dienstleistungen in Österreich anzubieten. Eine Verkennung dieser Vorrangwirkung wäre staatshaftungsbegründend.'

 

Beweis:  Gutachten von Mayer/Schwartz vom 17.10.2006, (Beilage ./2),

                 in Kopie beigeschlossen

 

Ein Verbot der Teilnahme an Glücksspielen, die - wie die hier beanstandeten - von einem Veranstalter mit Sitz in der EU rechtmäßig durchgeführt werden, steht mit der vom Gemeinschafts­recht verlangten Dienstleistungsfreiheit in eklatantem Widerspruch. Im Sinne des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts verdrängt somit die Dienstleistungsfreiheit eine ihr widersprechende staatliche Regelung: Diese darf von den österreichischen Behörden nicht angewendet werden. Das gilt für alle monopolisierenden Bestimmungen des GSpG wie auch für § 168 StGB.

 

Im Hinblick auf die Entscheidung 'Placanica' des EuGH wurden weitere Gutachten eingeholt.

 

Zunächst wurden die Herren Univ.Prof. Dr. Heinz Mayer und Dr. Walter Schwartz gebeten, ihr Gutachten Beilage ./2 im Hinblick auf die E Placanica zu überprüfen. Dabei war auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Europäische Kommission gegen Österreich inzwischen ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und in ihrem Aufforderungsschreiben vom 12.10.2006 schwerwiegende Bedenken gegen die das Glücksspielverbot betreffenden Vorschriften sowie gegen § 168 StGB erhoben hat. In diesem Aufforderungsschreiben hält die Kommission abschließend folgendes fest:

 

'Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften gelangt daher zu der Auffassung, dass Österreich mit der Beschränkung der grenzüberschreitenden Bewerbung und Veranstaltung von Glücksspielen und der Teilnahme daran sowie des Schutzes der Glücksspielteilnehmer, insbesondere durch die Bestimmungen von §§ 3, 21, 22, 25 und 56 Glücksspielgesetz sowie § 168 Strafgesetzbuch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 49 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verstoßen hat'.

 

In ihrem ergänzenden Gutachten vom 26.4.2007 bestätigen Mayer/Schwartz (unter Berücksichtigung der jüngsten gemeinschaftsrechtlichen Erkenntnisse) das Ergebnis ihres Gutachtens vom 17.10.2006, Beilage ./2, vollinhaltlich und kommen zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:

 

'Als Ergebnis der vorstehenden Ausführungen bleibt mithin zusammenfassend festzuhalten:

 

·                   Bereits in unserem Gutachten vom 17.10.2006 haben wir dargelegt, dass angesichts der rezenten Judikatur des EuGH kein Zweifel daran bestehen kann, dass das österreichische Glücksspielmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung gemeinschaftsrechtswidrig ist.

 

·                   Die monopolisierenden Bestimmungen des § 14 und des § 21 GSpG sind mithin infolge Widerspruchs gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht verdrängt. Daraus folgt, dass Unternehmen mit Glücksspielkonzessionen bzw -lizenzen aus anderen Mitgliedstaaten berechtigt sind, ihre Dienstleistungen auch in Österreich anzubieten.

 

·                   Wenn die Konzessionen gemäß den §§ 14 und 21 GSpG als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund anzusehen sind, muss dies auch für Glücksspielkonzessionen bzw -lizenzen aus anderen Mitgliedstaaten der EU gelten. Glücksspielveranstalter, die über eine aufrechte Glücksspielkonzession eines EU-Mitgliedstaats verfügen, können somit nicht gemäß § 168 StGB gerichtlich strafbar sein.

 

·                   Die jüngsten Entwicklungen - das Urteil des EuGH vom 06.03.2007, Rs C-338/04 ua 'Placanica' und die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Republik Österreich durch das Aufforderungsschreiben der Europäischen Kommission vom 12.10.2006 - stützen und bestätigen die Ergebnisse unseres Gutachtens vom 17.10.2006. Das österreichische Glücksspielmonopol ist in seiner derzeitigen Ausgestaltung gemeinschaftsrechtswidrig; taugliche Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.'

 

Beweis: Ergänzungsgutachten von Mayer/Schwartz vom 26.4.2007, (Beilage ./4);

 

Ferner hat die bwin-Gruppe auch den allgemein anerkannten Experten Univ.Prof. DDr. Peter Lewisch um Überprüfung der Frage gebeten, ob dem Glücksspielangebot der bwin I Ltd. § 168 StGB entgegensteht. Herr Univ.Prof. DDr. Lewisch kommt in seinem Gutachten zum eindeutigen Ergebnis, dass § 168 StGB kraft des vom EuGH in 'Placanica' begründeten gemeinschaftsrechtlichen Sanktionierungsverbots unangewendet bleiben muss. Herr Univ.Prof. DDr. Lewisch kommt zusammenfassend zu folgenden Ergebnissen:

 

'a.    § 168 StGB ist ein Handlungsdelikt, das keinen tatbestandlich vorausgesetzten Erfolg kennt. Im Falle eines im Ausland eingerichteten und betriebenen Internet-Glücksspielangebots besteht ein Handlungsort bloß im Ausland, nicht aber im Inland; einen inländischen Erfolgsort gibt es nicht. Eine derartige Verhaltensweise unterliegt daher nicht österreichischem Strafrecht (§§ 62, 67 StGB).

 

b.             Aus dem Urteil des EuGH iS 'Placanica' ergibt sich ein unmittelbar kraft Gemeinschaftsrechts geltendes Sanktionierungsverbot für den Fall einer gemeinschaftsrechtswidrigen innerstaatlichen Ausgestaltung der Zugangsregeln zum Glücksspielmarkt. Diesfalls dürfen Angebot und der Vertrieb einschlägiger (für sich genommen strafrechtlich verpönter) Glücksspiele sanktionenrechtlich nicht unterbunden werden. Alle einschlägigen innerstaatlichen Strafnormen unterliegen einem Anwendungsverbot.

 

c.              Das österreichische Glücksspielrecht ist in Hinblick auf seine Marktzugangsregeln gemeinschaftswidrig. Daher findet das gemeinschaftsrechtliche Sanktionierungsverbot auf die einschlägigen österreichischen Strafvorschriften Anwendung.

 

d.             Das gemeinschaftsrechtliche Sanktionierungsverbot bedeutet, dass § 168 StGB auf die unter I. geschilderten Konstellationen nicht angewendet werden darf. Dieses gemeinschaftsrechtlich abgesicherte Sanktionierungsverbot lässt sich in concreto auf vier unterschiedlichen - der Sache nach gleichwertigen, im Gutachten im Einzelnen dargestellten - Wegen, sowohl auf Tatbestandsebene wie auch auf Rechtfertigungsebene, sicherstellen. Im Ergebnis ist daher eine Anwendung des § 168 StGB auf die in I. geschilderten Konstellationen gemeinschaftsrechtlich ausgeschlossen.'

 

Beweis:  Gutachten von Univ.Prof. DDr. Peter Lewisch vom 2.5.2007, (Beilage ./6)

                in Kopie beigeschlossen

 

Rechtfertigungsgründe für nationale Beschränkungen des Glücksspiels liegen gerade in Österreich nicht vor. Insbesondere lassen sich die mit dem Glücksspielmonopol einhergehenden Beschränkungen der gemeinschaftsrechtlich verbürgten Dienstleistungsfreiheit nicht mit Verbraucher- oder Spielerschutzerwägungen rechtfertigen:

 

a)            In den letzten Jahren wurden in Österreich die - der Österreichischen Lotterien GmbH ('ÖLG') für den Lotteriebereich und der Casinos Austria AG ('CASAG') für den Spielbankenbereich übertragenen - faktischen Glücksspielmonopole mehrfach erweitert. So dürfen die Monopolisten seit der GSpG-Nov 1997 auch Glücksspiele via Internet anbieten; heute gehört dieser Bereich des 'Online-Gaming' zum stärksten und am schnellsten wachsenden Geschäftsfeld der OLG. Grund dafür ist auch die den Monopolisten eingeräumte Möglichkeit, außerhalb der zwölf Spielbankenstandorte Automatenkasinos zu betreiben, die in den letzten Jahren sprunghaft steigende Umsätze erzielen. Überdies wurde die Angebotspalette der Monopolisten durch die GSpG-Nov 1997 um 'Bingo' und 'Keno', also um zwei Klassiker des Internationalen Glücksspiels, erweitert. Schließlich haben die OLG im Jahr 2004 das europäische Lotto 'EuroMillionen' - gleichfalls mit rasanten Umsatzzuwächsen - eingeführt.

 

Beweis:  S 20 f des Gutachtens von Mayer/Schwartz, Beilage ./2

 

b)            Der Werbeaufwand der Monopolisten ist enorm. Die OLG sind (nach Telekom,
Rewe und Spar) der viertgrößte Werbekunde Österreichs. Der Werbeaufwand für das 'staatliche' Glücksspiel betrug im Jahr 2006 rund € 38 Mio (Beilage ./9). Ein erheblicher Teil davon entfällt auf die Werbung von X; diese Tochtergesellschaft der X betreibt - wie die Erstbeklagte - das Online-Gaming.

 

Zu den direkten Werbeaufwendungen (die allein 75 % der gesamten Werbeausgaben im Wett- und Gaming-Bereich für den österreichischen Markt betragen) kommen noch zahlreiche Sponsorleistungen sowie sonstige Werbeaktivitäten wie etwa Direktübertragungen zB der Ziehungen von 'Lotto 6 aus 45', 'EuroMillionen' und 'Zahlenlotto'.

 

Beweis:     Aufstellung des Medienunternehmens Focus über die Werbeausgaben im österreichischen Wett- und Gaming-Bereich, 2 CDs mit Beispielen von Werbemitteln der ÖLG und der CASAG,

 

c)             Diese Ausweitung des Glücksspielangebots vor allem im Online-Bereich zielt - ebenso wie die aggressive Bewerbung der von den Monopolisten angebotenen Glücks­spiele - darauf ab, den Markt auf neue Verbrauchergruppen auszu­dehnen. Schon deshalb kann das Glücksspielverbot nicht aus Gründen des Verbraucher- und Spielerschutzes gerechtfertigt sein; denn dazu müssten die Anbieter einer solchen Ausweitung entgegenwirken (vgl Beilage ./2 S 22).

 

d)            Die ökonomische Entwicklung und Expansion des 'staatlichen' Glücksspiels in Österreich und die Schutzbestimmungen für die Monopolisten zu Lasten spielsüchtiger Personen beweisen ganz klar, dass der Verbraucher- und Spielerschutz iS einer Vermeidung von Anreizen zu überhöhten Ausgaben für das Spielen kein Ziel der Reglementierungen des österreichischen Glücksspielmarkts ist.

 

Ebenso wenig können allfällige im Allgemeininteresse gelegenen Rechtfertigungsgründe - etwa Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Spielablaufs durch staatliche Kontrolle oder das Verhindern von Wirtschaftsverbrechen wie Betrug oder Geldwäsche - vorliegen. Das weisen Mayer/Schwartz auf S 23 f ihres Gutachtens Beilage ./2 eindeutig nach.

 

Die Reglementierung des österreichischen Glücksspielmarkts hat vielmehr ausschließlich fiskalische Gründe. (Immerhin zahlten ÖLG und CASAG im Jahr 2005 Steuern von rund € 525 Mio.) Fiskalische Gründe können diese gemeinschaftsrechtswidrigen Reglementierungen aber nicht rechtfertigen.

 

Demzufolge stellt sich die Rechtslage bei richtiger rechtlicher Beurteilung wie folgt dar:

 

a)            Glücksspielmonopol

Gemäß § 3 GSpG ist das Recht zur Durchführung von Glücksspielen, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt wird, dem Bund vorbehalten (Glücksspielmonopol). Das Recht zur Durchführung von Ausspielungen i.S.d. §§ 6-12b GSpG (Lotto, Toto, Bingo, Keno und verschiedene Lotterieformen) kann der Bundesminister für Finanzen gemäß §14 Abs 1 und Abs 2 Z 1 GSpG einer Kapitalgesellschaft durch Erteilung einer Konzession übertragen. Einzige Konzessionärin ist die Österreichische Lotterien GmbH. Auch das Recht zum Betrieb einer Spielbank kann der Bundesminister für Finanzen gemäß § 21 Abs 1 und Abs 2 Z 1 GSpG einer Kapitalgesellschaft durch Erteilung einer Konzession verleihen.

 

Gemäß § 21 Abs 5 GSpG dürfen insgesamt höchstens 15 derartige Konzessionen erteilt werden. All diese Konzessionen werden von der Casinos Austria AG gehalten. Die Veranstaltung und Bewerbung verbotener Glücksspiele ist nach § 52 Abs 1 Z 1 und Z 9 GSpG und § 168 StGB strafbar.

 

Im Placanica-Urteil vom 06.03.2007 hat der EuGH daran festgehalten, dass wirtschaftliche Aktivitäten auf dem Glücksspielsektor als Dienstleistungen i.S.d. Art 49 EG einzustufen sind (insbesondere Nr. 42, Tenor Nr. 1-4). Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs sind in diesem Bereich zulässig, wenn sie dem Verbraucherschutz, der Betrugsvorbeugung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spiel oder die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen dienen (Nr. 46). Nationale Beschränkungen müssen darüber hinaus geeignet sein, die Verwirklichung der angestrebten Ziele zu gewährleisten, und dürfen weder unverhältnismäßig noch diskriminierend sein (Nr. 48-49). Ein Konzessionssystem kann unter Umständen ein wirksamer Mechanismus sein, um die im Bereich der Glücksspiele tätigen Wirtschaftsteilnehmer mit dem Ziel zu kontrollieren, der Ausbeutung dieser Tätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen (Nr. 57). Im konkreten Fall hat der EuGH die Prüfung der Frage, ob die in Italien vorgesehene Beschränkung auf 1000 (!) Glücksspielkonzessionen die Verwirklichung dieses kriminalpolitischen Ziels in verhältnismäßiger Weise ermöglicht, den nationalen Gerichten überlassen (Nr. 57-58). Gleichzeitig hat der Gerichtshof betont, dass eine Regelung, die börsen-notierte Kapitalgesellschaften von der Konzessionserlangung generell ausschließt, dem Gemeinschaftsrecht widerspricht (Nr. 59-62 und Tenor Nr. 3). Hat ein Unternehmen aufgrund einer gemeinschaftsrechtlichen Beschränkung von vornherein keine Möglichkeit, eine Konzession zu erlangen, darf der betreffende Mitgliedsstaat über dieses Unternehmen keine Sanktionen mit der Begründung verhängen, die wirtschaftlichen Aktivitäten erfolgten konzessionslos (Nr. 63 und Tenor Nr. 4).

 

Die von der X GmbH beantragten einstweiligen Verfügungen wurden in allen drei Fällen abgewiesen, wobei die Gerichte (das Landesgericht Korneuburg und das Handelsgericht Wien in erster Instanz und das Oberlandesgericht Wien in drei unterschiedlichen Senatsbesetzungen als Rechtsmittelinstanz)   im Wesentlichen  gleichlautend   argumentiert  bzw.   ihre Entscheidungen begründet haben und den vorgelegten, oben erwähnten Rechtsgutachten gefolgt sind.

 

 

II.) Unanwendbarkeit der S 52 bis 54 GSpG aufgrund unionsrechtlich begründetem Anwendungsverbot:

 

a) Am 09.09.2010 wurde das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft in der Rechtssache C-64/08 (Engelmann) verkündet. Ausgangsfall für die Entscheidung 'Engelmann' war ein Strafverfahren nach § 168 StGB, weil Herr Engelmann, ein deutscher Staatsbürger, in Linz und Schärding Spielcasinos betrieb. Herr Engelmann verfügte über keine Konzession für den Betrieb einer Spielbank in Österreich. Er bestritt auch nicht, eine solche gar nicht beantragt zu haben, brachte aber vor, dass er eine Konzession aufgrund zahlreicher unionsrechtswidriger Bestimmungen im österreichischen Glücksspielgesetz auch gar nicht hätte erlangen können. In erster Instanz wurde er noch zu einer Geldstrafe von EUR 2.000,-verurteilt. Das Landesgericht Linz als Berufungsgericht hatte allerdings erhebliche unionsrechtliche Zweifel

 

·                   an dem Erfordernis einer Niederlassung in Form einer Aktiengesellschaft in Österreich,

·                   an der Kohärenz und Systematik der österreichischen Politik zur Beschränkung des Glücksspiels,

·                   sowie an der Vorgangsweise des Bundesministeriums für Finanzen bei der Vergabe von Glücksspielkonzessionen in Österreich.

 

Zu dem in der Rechtssache C-64/08 (Engelmann) ergangenen Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ist zunächst auf die Randnr. 24 und 26 hinzuweisen, wonach es dem vorlegenden Landesgericht Linz zufolge von der - in Übereinstimmung auch mit dem Unionsrecht - Zulässigkeit des Ausschlusses von Herrn X vom Erhalt einer Spielbank­konzession abhing, ob Herr X den Tatbestand des unerlaubten Glücksspiel nach § 168 StGB verwirklicht hat. Daher waren nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes zuerst die erste und die dritte Vorlagefrage der Randnr. 25 zu prüfen.

 

Zur erfolgten Vergabe der Spielbankkonzessionen nimmt der Gerichtshof dann in Randnrn. 49-57 Stellung und kommt in Randnr. 58 zum Ergebnis, dass das Transparenzgebot, das sich aus den Art. 43 EG und 49 EG sowie aus dem Gleichbehandlungs­grundsatz und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ergibt, einer Vergabe sämtlicher Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates, die ohne Ausschreibung erfolgt, entgegensteht.

 

•  CVRIA Pressemitteilung Nr. 80/10 vom 09. Sept. 2010, bereits vorgelegt

 

Da sich aus der Beantwortung der ersten und dritten Vorlagefrage bereits ergeben hat, dass der Ausschluss von Herrn X vom Erhalt einer Spielbankkonzession gegen das Unionsrecht verstoßen hat und unrechtmäßig war, erachtete der Gerichtshof in Randnr. 59 die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage o Vereinbarkeit/Zulässigkeit eines innerstaatlichen Monopols für den Betrieb von Spielbanken, wenn es im Mitgliedsstaat insgesamt an einer kohärenten und systematischen Politik zur Beschränkung des Glücksspiels fehlt, weil die innerstaatlich konzessionierten Veranstalter zur Teilnahme an Glücksspielen ermuntern o für nicht mehr notwendig.

 

b) Anregung auf Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union wegen der gegen die Art 49 und 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union und den Grundsatz des Art. 4 des Vertrages über die Europäische Union verstoßenden Verhängung von Sanktionen gegen die Aufstellung und den Betrieb der verfahrensgegenständlichen Internet-Terminals:

 

Ebensowenig wie Herr X über eine Konzession für den Betrieb einer Spielbank in Österreich verfügte, verfügen weder die W I L, noch die F G GmbH über eine in Österreich erteilte Konzession zur Durchführung von Ausspielungen gemäß § 12a GSpG, da sowohl der Angeklagte, als auch die WETT-PUNKT Betriebsgesellschaft m.b.H. - wie auch die W I L von der Möglichkeit der Erlangung einer in Österreich erteilten Konzession zur Durchführung von Ausspielungen gemäß § 12a GSpG unionsrechts­widriger Weise ausgeschlossen waren und bis zur Neuvergabe dieser Konzession auch weiterhin ausgeschlossen sind, zumal die einzige Konzession im Jahr 1997 vom Bundesministerium für Finanzen unter Verstoß gegen das im Unionsrecht verankerte Transparenzgebot ohne Ausschreibung und unter Vermeidung einer transparenten Interessentensuche bis zum  30.09.2012 an die X Lotterien Ges.m.b.H. übertragen worden war.

 

Beweis:  Parlamentarische Anfrage vom 12.12.1997, 3477/J (XX GP) und

               Anfragebeantwortung vom 10.02.1998, 3372/AB (XX GP), (Beilage ./8)

               Fragebeantwortung der Republik Österreich vom 26.11.2010 in der

               Rechtssache C-347/09 (Dickinger/Ömer), (Beilage ./9)

               jeweils in Kopie vorgelegt

 

Abgesehen davon, dass die Fragebeantwortung der Republik Österreich vom 26.11.2010 (Beilage ./9) in Widerspruch mit der Anfragebeantwortung vom 10.02.1998 auf die Parlamentarische Anfrage vom 12.12.1997 (Beilage ./8) steht, und in der Fragebeantwortung vom 26.11.2010 von der Republik Österreich verschwiegen wird, dass - trotz Alleinkonzessionssystem ('Umstand, dass das Glücksspielgesetz im Bereich der §§ 6-12b nur die Vergabe einer Konzession für Lotterien zulässt') - im Amtsblatt der Wiener Zeitung vom 06.11.2001 eine Ausschreibung der Konzession (lediglich) zur Durchführung der Sofortlotterien gemäß § 9 GSpG, der Klassenlotterie gemäß § 10 GSpG und der Nummernlotterien gemäß § 12 GSpG für den Zeitraum 01.01.2005 - 31.12.2019 erfolgt ist - steht fest, dass die Konzession für Ausspielungen gemäß § 12a GSpG - ohne Ausschreibung oder Interessentensuche - mit Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 01.10.1997, GZ 264600/63-V/14/97 auf die - für den Zeitraum 01. Dez. 1994 - 31. Dez. 2004 - bestehende 'Alleinkonzession' der Österreichischen Lotterien GmbH 'erstreckt' wurde und auch gleich bis 30. Sept. 2012 'verlängert' wurde.

 

In einem solchen Fall dürfen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes Sanktionen gegen Betreiber, die infolge des gemeinschaftsrechtswidrigen Ausschlusses über keine Konzession verfügen, nicht verhängt werden.

 

Zum unrechtmäßigen, gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßenden Ausschluss von Wirtschafts­teil­nehmern vom Erhalt einer Konzession in einem Mitgliedsstaat hat der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 06. März 2007 (Strafverfahren gegen Massimiliano Placanica) für Recht erkannt (Punkt 3.), dass die Art. 43 EG und 49 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die Wirtschaftsteilnehmer mit der Rechtsform von Kapitalgesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt werden, vom Glücksspielsektor ausschließt und darüber hinaus im Sinne eines solchen Ausschlusses fortwirkt.

 

Zu den Folgen des unrechtmäßigen, gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßenden Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern vom Erhalt einer Konzession in einem Mitgliedsstaat nimmt der Gerichtshof in Randnr. 63 Stellung, wobei im letzten Satz festgehalten wird, dass in jedem Fall festzustellen ist, dass in Ermangelung eines Verfahrens der Konzessionsvergabe, das auch den bei der letzten Ausschreibung rechtswidrig von einem möglichen Konzessionserhalt ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmern offensteht, der Umstand, dass sie keine Konzession besitzen, nicht zum Anlass für die Verhängung einer Sanktion gegen sie genommen werden darf. (Generelles Sanktionsverbot)

 

Zu strafrechtlichen Sanktionen im speziellen wird in diesem Zusammenhang in Randnr. 69 festgehalten, dass sich aus der Rechtsprechung ergibt, dass ein Mitgliedsstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat (vgl. in diesem Sinn Urteil vom 15. Dezember 1983, Rienks, 5/83, Slg 1983, 4233, Randnr. 10 und 11).

 

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften gilt sowohl für die  Vergangenheit als auch bis zur Herstellung einer unionsrechtskonformen Rechtslage der Grundsatz, dass Sanktionen jenen Anbietern, die bisher aufgrund unionsrechtswidriger Umstände von vornherein keine Konzession erhalten konnten, nicht entgegengehalten werden dürfen (dazu auch EuGH vom 08.09.2010, Markus Stoß u.a. C-316/07 unter anderem RN 115 iVm 19), sowie

X in ecolex 2010, 617 ff,

X in ecolex 2010,1006 ff, mwN,

X in medien und recht 5/2010,247 ff. mwN,

X in RdW 2011,134 ff. mwN7 und

X in medien und recht 5/2011, 243 ff. mwN

jeweils in Kopie beigeschlossen

 

Schließlich ist desweiteren auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 08.09.2010, C-409/06, W  GmbH hinzuweisen, wonach jedes nationale Gericht verpflichtet ist, das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte die es den Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechtes unangewendet lässt (EuGH Winner Wetten, C-409/06 RN 55).

 

Unter Berufung auf den Europäischen Gerichtshof vertritt auch Koppensteiner (Der EuGH und das Glücksspiel, RdW 2011, 134), dass 'im Fall eines unionsrechtswidrigen Marktzugangsregimes das dieses Marktzugangregime strafrechtlich absichernde Sanktionsrecht unanwendbar zu bleiben hat'.

 

Der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtschutzes ist nach ständiger Rechtssprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechtes. Die Gerichte der Mitgliedsstaaten haben insoweit den Schutz der Rechte zu gewährleisten, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen (EuGH, Winner Wetten, C-409/06 RN 58).

 

Auch in der Entscheidung vom 15.09.2011, Rs C-347/09 Dickinger und Ömer betont der Gerichthof der Europäischen Gemeinschaften in Rn 32 und 43 abermals und unzweideutig, dass der Verstoß gegen eine Regelung im Glücksspielbereich nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen darf, wenn diese Regelung unionsrechtswidrig ist. Diese Rechtsfolge haben die österreichischen Gerichte und Behörden größtenteils trotz ihrer aus Art 4 Abs 3 des Vertrages über die Europäische Union entspringen Pflicht zur Anwendung der EuGH-Rechtsprechung ignoriert.

 

Stellt sich in einem Verfahren eine vom Gemeinschaftsrecht vorgegebene Vorfrage im Rahmen der zu treffenden Entscheidung, so kann diese Vorfrage dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorgelegt werden.

 

Die Unionsrechtswidrigkeit der intransparenten Vergabe bezieht sich nicht nur auf den Zeitpunkt der Vergabe, sondern dauerhaft bis zur Neuausschreibung und korrekten Vergabe der Konzession. Es steht im groben Widerspruch zu der Rechtsprechung des EuGH und der effektiven Durchsetzung der europarechtlichen Grundfreiheiten, im Falle einer Vergabe der Konzessionen 'unter der Hand' von mitgliedstaatlichen Anbietern die Erfüllung der Konzessions­voraussetzungen vor einer europarechtskonformen, rechtmäßigen Ausschreibung zu verlangen. Vielmehr liegt es am jeweiligen Mitgliedstaat die fehlende Rechtfertigung der Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu sanieren. Bis dahin schlagen aber die Grundfreiheiten durch.

 

Angesichts der eindeutigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und der übereinstimmenden Literatur ist es daher dringend geboten dem Europäischen Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

 

'Sind die Art 49 und 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 4 des Vertrages über die Europäische Union sowie die zum Glücksspielrecht ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dahingehend auszulegen, dass gegen einen Glücksspielanbieter, der über keine nach nationalem Recht des Mitgliedsstaates erteilte Konzession verfügt, auch dann wegen des Fehlens dieser Konzession keinerlei Strafsanktionen verhängt werden dürfen, wenn dieser Glücksspielanbieter nicht sämtliche nach dem nationalen Recht des Mitgliedsstaates vorgeschriebenen Konzessionsvoraussetzungen erfüllt, wenn bei der Vergabe dieser einzigen, nach dem nationalen Recht des Mitgliedsstaates zu vergebenden Konzession jegliche Transparenz gefehlt hat und der Glücksspielanbieter schon aufgrund dieser unionsrechtswidrigen Vergabe der Konzession für den Zeitraum bis 30.09.2012 von der Möglichkeit ausgeschlossen ist, sich um eine solche Konzession zu bewerben?'

 

Die Einschreiterin weist insbesondere darauf hin, dass alle Beschränkungen an den europarechtlichen Grundfreiheiten zu messen sind und die österreichische Glücksspielpolitik nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes insgesamt kohärent und systematisch auf im zwingenden Allgemeininteresse liegende Rechtsfertigungsgründe ausgerichtet sein muss. Bemerkenswerterweise ist der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Engelmann nicht mehr auf die ihm gestellte Frage nach der (In)Kohärenz der österreichischen Glücksspielpolitik eingegangen, da er dies aufgrund der bereits festgestellten Unionsrechtswidrigkeiten für nicht mehr erforderlich hielt (vgl Koppensteiner, Der Europäische Gerichtshof und das Glücksspiel, RdW 2011, 134 (136)). Das bedeutet aber gerade nicht, dass österreichische Gerichte und Behörden auf die Kohärenzprüfung verzichten könnten, zumal an der Erfüllung dieses Erfordernisses nach wie vor erhebliche Zweifel bestehen (vgl bspw Talos/Stadler, EuGH kippt österreichisches Glücksspielmonopol, ecolex 2010, 1006 (1008); Leidenmühler, Das 'Engelmann'-Urteil des EuGH - Rien ne va plus für das österreichische Glücksspielgesetz, Medien und Recht 2010, 247).

 

Der Europäische Gerichtshof hat jüngst klargestellt, dass bei jeder nationalen Beschränkung der Grundfreiheiten im Glücksspielbereich zu prüfen ist, ob sie tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (EuGH vom 15.09.2011, Rs C-347/09 Dickinger und Ömer, Rn 56). Insbesondere hat der Europäische Gerichtshof auch Präzisierungen dahingehend vorgenommen, dass zur Rechtfertigung der Errichtung eines Monopols der Mitgliedstaat ein besonders hohes Schutzniveau verfolgen muss, da es sich um eine besonders schwere Restriktion handelt (EuGH vom 15.09.2011, Rs C-347/09 Dickinger und Ömer, Rn 48, 71). Die nationalen Gerichte haben dabei zu prüfen, 'ob die nationalen Behörden im entscheidungserheblichen Zeitraum tatsächlich bestrebt waren, im Hinblick auf die geltend gemachten Ziele ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, und ob die Errichtung eines Monopols im Licht dieses angestrebten Schutzniveaus tatsächlich als erforderlich angesehen werden konnte' (EuGH vom 15.09.2011, Rs C-347/09 Dickinger und Ömer, Rn 54). Der Europäische Gerichtshof bestätigt in diesem Zusammenhang, dass die tatsächliche Verhältnismäßigkeit der restriktiven Regelung vom Mitgliedstaat bewiesen werden muss (EuGH vom 15.09.2011. Rs C-347/09 Dickinger und Ömer. Rn 54) und dass es grundsätzlich Feststellungen geben muss. dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht im betreffenden Mitgliedstaats ein Problem darstellen (EuGH vom 15.09.2011. Rs C-347/09 Dickinger und Ömer. Rn 66 und 100).

 

Dieser Nachweis wurde bis heute vor keinem österreichischen Gericht und vor keiner österreichischen Behörde erbracht. Ebensowenig wurden derartige Feststellungen bis dato in keiner einzigen Entscheidung eines österreichischen Gerichtes und in keiner einzigen Entscheidung einer österreichischen Behörde jemals getroffen.

 

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 15.09.2011, Rs C-347/09 Dickinger und Ömer enthält weiters Präzisierungen zum zulässigen Umfang der vom Monopolisten betriebenen Werbung. Nach dem Europäische Gerichtshof ist zwischen Strategien des Monopolinhabers zu unterscheiden, die nur die potenzielle Kunden über die Existenz der Produkte informieren und durch Lenkung der Spieler in kontrollierte Bahnen einen geordneten Zugang zu Glücksspielen sicherstellen sollen, und Strategien, die zu aktiver Teilnahme an Glücksspielen auffordern, anregen oder anreizen. Es müsse zwischen einer restriktiven Geschäftspolitik, die nur den vorhandenen Markt für den Monopolinhaber gewinnen oder die Kunden an ihn binden soll, und einer expansionistischen Geschäftspolitik, die auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten abzielt, differenziert werden (EuGH vom 15.09.2011, Rs C-347/09 Dickinger und Ömer, Rn 69). Angesichts der gängigen exzessiven Werbepraxis der österreichischen Monopolisten ergeben sich erhebliche Bedenken, ob diesen europarechtlichen Anforderungen genügt wird.

 

Im Gegensatz zum Landesgericht Linz, das selbst das Vorlageverfahren in der Rechtssache Engelmann initiiert hatte und Herrn Engelmann dennoch ohne weitere Feststellungen zur Werbestrategie des Monopolinhabers und zur (In)Kohärenz der österreichischen Glücksspielpolitik getroffen zu haben und trotz der festgestellten Unionsrechtswidrigkeiten verurteilte, hat das Bezirksgericht Zell am See jüngst die richtige Konsequenz der Sanktionsfreiheit für Herrn X gezogen und ihn aufgrund der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom Strafantrag freigesprochen. Dies führt zu dem kuriosen Ergebnis, dass sich Herr X offenbar in Oberösterreich nicht auf seine europarechtlich garantierten Grundfreiheiten berufen kann, während dies in Salzburg sehr wohl möglich ist. Auch aus diesem Grund ist es dringest geboten, beim Europäischen Gerichtshof über obige Vorlagefrage möglichst rasch die Klarstellung der Rechtsfolgen festgestellter Unionsrechtswidrigkeiten im Glücksspielsektor, insbesondere zum Fehlen einzelner, mehrerer oder auch aller nach nationalem Recht gesetzlich vorgeschriebener Konzessionsvoraussetzungen nach erfolgter unionsrechtswidriger Konzessions­vergabe ohne jeglicher Transparenz einer Ausschreibung herbeizuführen.

 

 

III) Entscheidungen österreichischer Verwaltungsbehörden und Gerichte:

 

a)            Desweiteren gibt die Einschreiterin bekannt, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihren Geschäftsführer M H zu einem vollkommen gleichgelagerten Sachverhalt wie dem hier gegenständlich zu beurteilenden, nämlich wegen der Aufstellung von neun Internet-Terminals wie der hier gegenständlichen am 10.06.2009 im Wettbüro in X, X, eingestellt und der ausgesprochene Verfall der neun Internet-Terminals ersatzlos aufgehoben wurde. Da der Spieleinsatz für viele der Spiele, an denen mittels der - auch hier verfahrensgegenständlichen - Internet-Terminals MVP Multi Virtual Player, FV623PC teilgenommen wird, festgestelltermaßen zwischen 10 Cent und 45 Euro variierte und variiert, hat das Landespolizeikommando Tirol Anzeige bei der der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 168 StGB erstattet, die am 26.01.2010 gemäß § 190 Zi. 2 StPO zurück gelegt worden war, da dem Beschuldigten M H ein rechtswidriges Handeln nicht nachzuweisen war.

 

Beweis:   beizuschaffender Akt des Unabhängigen Verwaltungssenates Tirol,

              uvs-2010/K3/2554-2,

              Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 16.08.2010,

              SA-130-2009,

              Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Tirol vom 14.12.2010,

              uvs-2010/K3/2554-2,

              M H

 

Dementsprechend hat die F G GmbH am 17.01.2011 den Antrag auf Aufhebung der Beschlagnahme vom 12.06.2009 bei der Bezirkshauptmannschaft Lienz eingebracht, dem mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 02.02.2011 entsprochen und die Beschlagnahme mit sofortiger Wirkung aufgehoben wurde.

 

Beweis:  beizuschaffender Akt der Bezirkshauptmannschaft Lienz, GZ: SI-1013-2008

              Antrag auf Aufhebung der Beschlagnahme vom 17.01.2011,

              Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 02.02.2011,

 

b)            Ferner gibt die Einschreitend bekannt, dass wegen der Aufstellung von Internet-
Terminals wie der hier verfahrensgegenständlichen am 12.05.2010 im Wettbüro in X, X ein Strafverfahren, und zwar beim Bezirksgericht Innsbruck zu 7 U 34/10p gegen ihren Geschäftsführer M H anhängig war.

 

In diesem Strafverfahren wurde aufgrund des Strafantrages der Staatanwaltschaft Innsbruck vom 18.11.2010 ein Hauptverhandlungstermin für den 23.02.2011 anberaumt. Nach der Stellungnahme des Einschreitervertreters vom 21.01.2011 hat die Staatsanwaltschaft Innsbruck jedoch ihren Strafantrag vom 18.11.2010 zurückgezogen, woraufhin das Strafverfahren gemäß § 227 Abs. 1 StPO eingestellt wurde.

 

Beweis:  beizuschaffender Akt des Bezirksgerichtes Innsbruck, 7 U 34/10p

               Ladung zur Hauptverhandlung am 23.02.2011 samt Strafantrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 18.11.2010,

               Stellungnahme des Beschuldigtenvertreters vom 21.01.2011

               Einstellungsbeschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 01.02.2011 samt Abberaumung des Hauptverhandlungstermines 23.02.2011,

 

c)             Schließlich weist die Einschreiterin beispielsweise auf das Urteil des Bezirksgerichtes Schärding vom 20.12.2010, 1 U 74/09g, den Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 14.01.2011, 51 U 50/09i und den Beschluss des Bezirksgerichtes Landeck vom 09.12.2010, 7 U 72/09k hin, mit dem die Gerichte nach obigen unionsrechtlichen Grundsätzen vorgegangen sind.

 

 

IV) Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land:

 

An dem gegenständlichen Internet-Terminal wurde nicht nur mit Spieleinsätzen bis zu € 10,00 pro Spiel gespielt, sondern auch mit Spieleinsätzen bis zu € 25,00 pro Spiel.

 

Beweis:  M H

               S S, F, P,

               S S, T, K,

 

Bei solchen Spieleinsätzen ist die Annahme, es wäre 'bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge' gespielt worden, ausgeschlossen, sodass infolge der Subsidiarität des § 52 Abs 1 GSpG gegenüber § 168 StGB (vgl. VwGH 22.03.1999, 98/17/0134 und VwGH 08.09.2009, 2009/17/0181) eine allfällige Bestrafung wegen des aktenkundig festgestellten Sachverhaltes ohne jeden Zweifel ausschließlich in die Zuständigkeit der Strafgerichte als Vergehen nach § 168 StGB fällt.

 

Gemäß Art 83 Abs 2 B-VG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die Verfassungsbestimmung ist auf den Schutz und die Wahrung der gesetzlich begründeten Behördenzuständigkeit schlechthin gerichtet, wobei gesetzlicher Richter im Sinn dieses Grundrechts jede staatliche Behörde, d.h. jedes Gericht und jede Verwaltungsbehörde die mit hoheitlichen Kompetenzen ausgestattet ist, ist (VfSlg 2536/1953).

 

Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verletzt ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde das Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt und damit eine Sachentscheidung verweigert (VfSlg 12889/1991; 13280/1992; 14544/1996; 14713/1997 u.v.a.m.).

 

Der Gesetzgeber ist dazu verpflichtet, die Behördenzuständigkeit nach objektiven Kriterien, exakt, klar und eindeutig festzulegen (VfSlg 10.311/1984; 12.788/1991). Die Regelung der Behördenzuständigkeit hat präzise zu sein. Die Zuständigkeit darf nicht von Umständen abhängen, die vom Rechtsunterworfenen nicht vorhersehbar sind und eine willkürliche Änderung der Zuständigkeit ermöglichen (VfSlg 14.192/1995).

 

§ 52 Abs 2 erster Satz Glücksspielgesetz sieht vor, dass dann, wenn im Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über EUR 10,00 von Spielern oder anderen geleistet werden, es sich nicht mehr um geringere Beträge handelt und insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach §168 StGB zurücktritt. Gemäß § 52 Abs 2 erster Satz Glücksspielgesetz sollen 'die Befugnisse der Organe der öffentlichen Aufsicht gem. § 50 Abs 2 sowie die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach §§ 53, 54 und 56 a (...) davon unberührt (bleiben).'

 

Wie sich aus § 52 Abs. 2 erster Satz GSpG ergibt, ist eine Strafzuständigkeit der Verwaltungsbehörden ausschließlich bei Einsetzen bis zu € 10,00 pro Spiel gegeben. Bei einem Einsatz der € 10,00 pro Spiel überschreitet, ist hingegen Strafzuständigkeit der (ordentlichen) Strafgerichtsbarkeit gegeben. Die seitens des Bundesgesetzgebers getroffene Zuständigkeitsregelung, die sich am wertmäßigen Einsatz des jeweils getätigten Spieles orientiert, ist insofern eindeutig.

 

In weiterer Folge schreibt § 52 Abs. 2 letzter Satz GSpG vor, dass die Befugnisse der Organe der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs. 2 sowie die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach den §§ 53, 54 und 56a davon unberührt bleiben.

 

Die Anordnung der Beschlagnahme hat, auch im Zusammenhang mit dem Vollzug des Glücksspielgesetzes, regelmäßig durch verfahrensrechtlichen Bescheid zu erfolgen, wobei für die Anordnung der Beschlagnahme die (jeweils) zur Strafverfolgung zuständige Behörde zuständig ist. Die Beschlagnahme von Verfallsgegenständen ist Teil des (verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen) Strafverfahrens, in dessen Zusammenhang die Beschlagnahme erfolgt. Bei einer im Zusammenhang mit § 52 GSpG erfolgten Beschlagnahme ist daher stets insbesondere auch die nach dieser Bestimmung vorgezeichnete Zuständigkeitsgrenze zwischen Verwaltungsbehörde und Strafgericht zu beachten. Es kann insofern aber auch nicht im Belieben der die Beschlagnahme anordnenden Behörde stehen, eine solche Beschlagnahme außerhalb der ihr nach verwaltungsstrafrechtlichen Grundsätzen zukommenden sachlichen Zuständigkeit anzuordnen.

 

Erfolgt die Beschlagnahme von Glücksspielautomaten, sonstigen Eingriffsgegenständen und technischen Hilfsmitteln iSd § 53 Abs. 1 GSpG im Zusammenhang mit der Begehung einer strafbaren Handlung nach § 168 StGB, so ist die Beschlagnahme daher nicht von der Verwaltungsbehörde (in Vollziehung gerichtlichen Strafrechtes), sondern ausschließlich vom sachlich und örtlich zuständigen Gericht anzuordnen. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch aus den Erläuterungen des Gesetzgebers zu der einschlägigen Bestimmung des Glücksspielgesetzes (658 Big. XIV. GP). Eine (doppelte) Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde zur Anordnung der Beschlagnahme sowohl bei Begehung einer Verwaltungsübertretung als auch bei Vorliegen eines Verstoßes nach § 168 StGB steht in Widerspruch zum in Art. 94 B-VG verankerten Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen.

 

Art. 94 B-VG bildet einen wesentlichen Bestandteil des Gewalten trennenden Grundprinzips des B-VG. Danach müssen alle Aufgaben der Vollziehung vom Gesetzgeber nach objektiven Kriterien entweder der Gerichtsbarkeit oder der Verwaltung übertragen werden. Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen nicht zur Entscheidung in derselben Sache berufen werden.

 

Im Zusammenhalt mit Art. 83 Abs. 2 B-VG wird verfassungsrechtlich garantiert, dass Gerichte und Verwaltungsbehörden entsprechend ihrer materiellen Aufgabenzuordnung tätig werden. Maßt sich die Behörde eine Zuständigkeit an, die ihr nach dem Gesetz nicht zukommt, liegt eine Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vor (VfSlg 9696/1983). Da es sich bei der Beschlagnahme um eine akzessorische Maßnahme im Zusammenhang mit der Begehung bestimmter Straftatbestände handelt (VwGH 27.05.1983, Zl. 83/17/0034; 28.01.1997, Zl. 96/04/0215; 17.03.1998, Zl. 96/04/0264; 31.08.1999, Zl. 99/05/0039), hängt die Zuständigkeit zur Anordnung der Beschlagnahme stets auch von der Zuständigkeit in der Strafsache ab, in deren Zusammenhang die Beschlagnahme angeordnet wird.

 

Für den Fall des § 52 Abs. 2 erster Satz GSpG bedeutet das, dass bei Übertretungen des Glücksspielgesetzes im Fall, dass mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel unter € 10,00 von Spielern oder anderen geleistet werden, verwaltungsbehördliche Zuständigkeit (auch) für die Anordnung der Beschlagnahme gegeben ist. Werden im Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über € 10,00 von Spielern oder anderen geleistet, so liegt ein gerichtlicher Straftatbestand vor, sodass auch die Anordnung der Beschlagnahme jedenfalls durch das sachlich und örtlich zuständige Gericht zu erfolgen hat.

 

Im gegenständlichen Fall fehlt es an einer gerichtlichen Anordnung der erfolgten Beschlagnahme, sodass diese von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als unzuständige Behörde vorgenommen wurde. Damit wurde gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verstoßen, sodass der angefochtene Bescheid auch aus diesem Grund aufzuheben ist."

 

 

3.1. Mit Schreiben vom 13. März 2012 übermittelte die belangte Behörde unter gleichzeitiger Vorlage der Berufung Teile des Verwaltungsaktes. Über ergänzende Anforderung wurden weitere Akteninhalte, wie die Fotodokumentation und die Niederschrift vom 3. Februar 2012 mit Frau C S der einschreitenden Organe des Finanzamtes, vorgelegt.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt sowie die Dokumentation (Bescheinigung, Niederschrift, Aktenvermerk, Lichtbilder) der einschreitenden Organe des Finanzamtes.

 

Da die Entscheidung über eine Beschlagnahme einen verfahrensrechtlichen Bescheid darstellt, konnte der Unabhängige Verwaltungssenat unter Zugrundelegung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.12.2011, Zl. 2011/17/0171; ebenso VwGH 27.4.2012, Zl. 2011/17/0313 sowie VwGH 27.4.2012, Zl. 2011/17/0315) gemäß § 51e Abs 4 VStG von einer Verhandlung absehen, zumal eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Verfahrensangelegenheit "Beschlagnahme" nicht erwarten lässt und dem auch nicht Art 6 EMRK entgegensteht. Mit anderen Worten: Es waren ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen; der dafür entscheidungswesentliche Sachverhalt war aufgrund der Aktenlage eindeutig geklärt. Die Beurteilung der Glücksspielnatur des in Rede stehenden Spieltyps und der vorliegenden Verdachtslage iSd § 53 Abs 1 Z 1 lit a) GSpG war unzweifelhaft möglich.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht unter Hinweis auf die erstbehördliche Darstellung von folgendem im Wesentlichen unbestrittenen  S a c h v e r h a l t  aus:

 

Aufgrund einer von Organen der Abgabenbehörde am 3. Februar 2012 um ca. 11.15 Uhr in der "X Servicestation" in E, F, durchgeführten Kontrolle wurde das oa. Gerät aufgestellt und grundsätzlich funktionsfähig vorgefunden und in der Folge vorläufig beschlagnahmt.

 

Mit diesem Gerät wurden jedenfalls vom 22. Oktober 2010 bis zur Beschlagnahme am 3. Februar 2012 wiederholt virtuelle Walzenspiele durchgeführt, bei denen für einen bestimmten Einsatzbetrag in Verbindung mit bestimmten Symbolen Gewinne in Aussicht gestellt worden sind (vgl dazu die Ausführungen des Finanzamtes im Aktenvermerk über die erfolgten Probespiele samt Fotodokumentation, an deren Richtigkeit kein Grund zu zweifeln besteht).

 

Der konkrete Spielablauf der auf dem gegenständlichen Gerät verfügbaren Spiele stellt sich für das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates unter Bezugnahme auf den Aktenvermerk vom 3. Februar 2012 wie folgt dar:

 

Die virtuellen Walzenspiele konnten an dem Gerät durch Betätigung mechanischer Tasten oder virtueller Bildschirmtasten zur Durchführung aufgerufen werden. Nach Eingabe von Geld, Auswahl eines Einsatzbetrages mit der "Setzen"-Taste und Auslösung des Spieles durch die Start-Taste oder die Auto(matic)-Start-Taste wurden die am Bildschirm dargestellten Symbole auf den virtuellen Walzen ausgetauscht oder in ihrer Lage verändert, sodass der optische Eindruck von rotierenden, senkrecht ablaufenden Walzen entstand. Nach etwa einer Sekunde kam der "Walzenlauf" zum Stillstand. Ein Vergleich der nun neu zusammengesetzten Symbole mit den im Gewinnplan angeführten gewinnbringenden Symbolkombinationen ergab nun einen Gewinn oder den Verlust des Einsatzes. Die Spieler hatten keinerlei Möglichkeit, gezielt Einfluss auf das Zustandekommen gewinnbringender Symbolkombinationen zu nehmen. Dem Spieler war es nur möglich, nach Eingabe eines Geldbetrages als Spielguthaben, ein Spiel auszuwählen, die Start-Taste so lange zu betätigen, bis das aufgerufene Walzenspiel ausgelöst wurde und nach etwa einer Sekunde den Verlust des Einsatzes oder einen Gewinn festzustellen. Der Ausgang dieses Spiels konnte vom Spieler nicht beeinflusst werden. Die Entscheidung über das Spielergebnis hing somit jedenfalls vorwiegend vom Zufall ab.

 

Nach der Aussage der Frau C S, Angestellte in der "X Servicestation", ist die F G GmbH Eigentümerin des in Rede stehenden Gerätes (vgl die Niederschrift vom 3. Februar 2012). Nach der Berufung hat sie den gegenständlichen Internet-Terminal im Lokal ("X Servicestation" in E, F 2) aufgestellt und Gästen die Wett- und Spielteilnahme am Online-Angebot der W I L ermöglicht und im Namen und für Rechnung dieser L Wett- und Spieleinsätze entgegen genommen und Gewinnauszahlungen vorgenommen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Zur Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates ist darauf hinzuweisen, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz für die Durchführung von Strafverfahren in zweiter Instanz zuständig sind. Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung (VwGH 3.7.2009, Zl. 2005/17/0178; VwGH 3.7.2009, Zl. 2009/17/0065) davon aus, dass die "Vorschriften des § 53 [Glücksspielgesetz] als (von § 39 VStG abweichende) Regelungen des Verwaltungsstrafverfahrens zu verstehen" sind. Eine solche Beschlagnahme sei daher "nicht ... als eine Beschlagnahme, die nicht im Rahmen eines Strafverfahrens ergeht, zu qualifizieren". Da der bezogene Regelungsgehalt des § 53 Glücksspielgesetz auch in der gegenständlich maßgeblichen Rechtslage im Wesentlichen unverändert geblieben ist, ist nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates § 53 Glücksspielgesetz (nach wie vor) dem Verwaltungsstrafverfahren zuzurechnen. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben, da dieser gemäß § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz (sowie auch unmittelbar nach Art 129a Abs 1 Z 1 B-VG; vgl. diesbezüglich die zitierten Entscheidungen des VwGH sowie auch jüngst VwGH 20.7.2011, Zl. 2011/17/0097, 27.4.2012, Zl. 2012/17/0057) für Strafverfahren (nicht aber für Administrativverfahren – mit Ausnahme von Betriebsschließungen) zuständig ist.

 

Örtlich zuständig ist dabei gemäß § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz iVm § 51 Abs 1 VStG der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

Hinsichtlich der Zuständigkeit der belangten Behörde ergibt sich aus § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz – GSpG, BGBl. Nr. 620/1989, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 76/2011, dass für die Durchführung von Strafverfahren – hierzu zählen, wie bereits dargelegt, auch Beschlagnahmen iSd § 53 GSpG – in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörden, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion diese, zuständig sind.

 

Im vorliegenden Fall wurde die Kontrolle und Beschlagnahme im örtlichen Wirkungsbereich der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land von Beamten des Finanzamtes Linz vorgenommen. Der angefochtene Bescheid wurde daher von der nach § 50 Abs 1 GSpG sachlich und örtlich zuständigen Behörde erlassen.

 

4.2. Der bekämpfte Bescheid wurde der Bwin gegenüber durch Zustellung am 13. Februar 2012 erlassen. Der Bwin kommt schon als Sacheigentümerin des beschlagnahmten Geräts Parteistellung im Beschlagnahmeverfahren zu (vgl. VwGH 14.12.2011, Zl. 2011/17/0084 mwN; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1502, E 3a und 3b zu § 39 VStG), weshalb die vorliegende Berufung hinsichtlich der Beschlagnahme des oa. Geräts jedenfalls zulässig ist.

 

4.3. Zum Berufungsvorbringen betreffend Unzuständigkeit der belangten Behörde (vgl Punkt IV der Berufung), welches unter Bezugnahme auf mögliche Spieleinsätze bis 25 Euro pro Spiel auf die in § 52 Abs 2 GSpG angesprochene Subsidiarität der Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG im Verhältnis zum § 168 StGB abzielt, ist festzuhalten, dass es für das Beschlagnahmeverfahren unerheblich ist, ob auch mit Einsätzen von über 10 Euro tatsächlich gespielt wurde. Nach stRsp des Verwaltungsgerichtshofs (vgl VwGH 27.4.2012, Zl. 2011/17/0046 unter Hinweis auf VwGH 20.7.2011, Zl. 2011/17/0097; ebenso nunmehr auch VfGH 14.06.2012, G 4/12-10) ist von der Zulässigkeit der verwaltungsbehördlichen Beschlagnahme auch in Fällen der Subsidiarität des verwaltungsbehördlichen Straftatbestandes auszugehen. Denn die Notwendigkeit der Sicherung des Verfalls oder der Einziehung sei im Fall eines subsidiären Verwaltungsstraftatbestandes in gleicher Weise gegeben wie im Fall eines kumulativ neben einem gerichtlichen Straftatbestand anwendbaren Straftatbestandes oder im Falle des gänzlichen Fehlens eines gerichtlichen strafbaren Tatbestandes, der durch die verwaltungsstrafrechtlich sanktionierten Handlungen verwirklicht sein könnte. Da nach dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof eine verwaltungsbehördliche Beschlagnahme auch dann zulässig ist, "wenn wegen der inkriminierten Handlungen gleichzeitig ein gerichtliches Strafverfahren geführt wird bzw zu führen ist", stellt sich auch nicht die Frage, "welcher Grad der Wahrscheinlichkeit der Erfüllung eines gerichtlichen Straftatbestandes vorliegen muss, um die Beschlagnahme unzulässig zu machen".

 

4.4. Mit der Novelle BGBl I Nr. 73/2010 wurde das Glücksspielwesen einem grundsätzlich neuen System unterstellt, und zwar derart, dass neben den dem Monopol des Bundes unterliegenden Ausspielungen in Form von Lotterien und Spielbanken nunmehr auch das für vergleichsweise geringere Einsätze und Gewinne konzipierte sog. "kleine Glücksspiel" mittels Automaten explizit einer Konzessionspflicht unterstellt und damit für zulässig erklärt ist, wobei die darauf bezüglichen Vorschriften vom Landesgesetzgeber zu erlassen sind; hinsichtlich derartiger "Landesausspielungen" besteht sohin (mangels eines entsprechenden Kompetenztatbestandes in Art 12 B-VG) eine ergänzende, inhaltlich allerdings auf jener des Bundes notwendig aufbauende Regelungszuständigkeit der Länder (die jedoch – im Gegensatz zum Verhältnis zwischen Grundsatz- und Ausführungsgesetz gemäß Art 12 B-VG – von Letzteren nicht in Anspruch genommen werden muss, also auch ungenutzt bleiben kann).

 

Im Besonderen gilt nunmehr Folgendes:

 

4.4.1. Gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lit a) GSpG kann die Behörde die Beschlagnahme von Glücksspielautomaten, sonstigen Eingriffsgegenständen und technischen Hilfsmitteln anordnen, und zwar, sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn der Verdacht besteht, dass mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen wird.

 

Gemäß § 54 Abs 1 GSpG sind Gegenstände, mit denen gegen Bestimmungen des § 52 Abs 1 leg.cit. verstoßen wird, zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen nach den Bestimmungen des § 52 Abs 1 leg.cit. einzuziehen, es sei denn, der Verstoß war geringfügig.

 

Gemäß § 52 Abs 3 letzter Satz GSpG unterliegen Gegenstände, mit deren Hilfe eine verbotene Ausspielung iSd § 2 Abs 4 GSpG durchgeführt oder auf andere Weise in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, sofern sie nicht gemäß § 54 leg.cit. einzuziehen sind, dem Verfall.

 

Nach § 52 Abs 1 Z 1 GSpG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 GSpG veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer iSd § 2 Abs 2 GSpG daran beteiligt.

 

Gemäß § 52 Abs 1 Z 6 GSpG begeht ebenso eine Verwaltungsübertretung, wer die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 GSpG – insbesondere durch die Vermittlung der Spielteilnahme, das Bereithalten von anderen Eingriffsgegenständen als Glücksspielautomaten oder die unternehmerische Schaltung von Internet-Links – fördert oder ermöglicht.

 

Gemäß § 2 Abs 1 GSpG sind Ausspielungen Glücksspiele (vgl § 1 Abs 1 GSpG: Spiele, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt),

1.      die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich    macht und

2.      bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusam-   menhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und

3.      bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermö- genswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).

 

Gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 GSpG ist Unternehmer, wer selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausübt, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein. Der Unternehmerbegriff wird im 2. Satz noch wie folgt erweitert:

 

"Wenn von unterschiedlichen Personen in Absprache miteinander Teilleistungen zur Durchführung von Glücksspielen mit vermögenswerten Leistungen im Sinne der Z 2 und 3 des Abs 1 an einem Ort angeboten werden, so liegt auch dann Unternehmereigenschaft aller an der Durchführung des Glücksspiel unmittelbar beteiligten Personen vor, wenn bei einzelnen von Ihnen die Einnahmenerzielungsabsicht fehlt oder sie an der Veranstaltung, Organisation oder dem Angebot des Glücksspiels nur beteiligt sind."

 

Gemäß § 2 Abs 3 Satz 1 GSpG liegt eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten vor, wenn die Entscheidung über das Spielergebnis nicht zentralseitig, sondern durch eine mechanische oder elektronische Vorrichtung im Glücksspielautomaten selbst erfolgt.

 

Gemäß § 2 Abs 4 GSpG sind solche Ausspielungen verboten, für die einerseits eine Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG nicht erteilt wurde und die andererseits auch nicht iSd § 4 GSpG vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen sind.

4.4.2. Nach § 4 Abs 2 GSpG unterliegen Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten gemäß § 5 GSpG (unter Einhaltung ordnungspolitischer Mindestanforderungen an Bewilligungswerber sowie besonderer Begleitmaßnahmen) nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes. Dies trifft – soweit im vorliegenden Fall von Interesse – insbesondere dann zu, wenn im Zuge einer Ausspielung in einem Automatensalon (mit mindestens 10 und höchstens 50 Glücksspielautomaten) als ordnungspolitische Mindestvoraussetzung eine Spielsuchtvorbeugung derart, dass die vermögenswerte Leistung des Spielers höchstens 10 Euro pro Spiel beträgt und der Gewinn 10.000 Euro pro Spiel nicht überschreitet, bzw im Zuge einer Ausspielung im Wege einer Einzelaufstellung als ordnungspolitische Mindestvoraussetzung eine Spielsuchtvorbeugung derart, dass die vermögenswerte Leistung des Spielers höchstens 1 Euro pro Spiel beträgt und der Gewinn 1.000 Euro pro Spiel nicht überschreitet, eingehalten wird (§ 5 Abs 1 Z 1 iVm § 5 Abs 5 lit a Z 1 und 2 bzw § 5 Abs 5 lit b Z 1 und 2 GSpG).

 

Insgesamt folgt daraus für den vorliegenden Fall, dass Landesausspielungen mittels Glücksspielautomaten in Automatensalons bzw im Wege der Einzelaufstellung dann schon von vornherein nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes unterliegen, wenn der Höchsteinsatz von 10 Euro bzw 1 Euro pro Spiel bzw der Höchstgewinn von 10.000 Euro bzw 1.000 Euro pro Spiel nicht überschritten wird.

 

4.4.3. Gemäß § 12a Abs 1 GSpG sind elektronische Lotterien Ausspielungen, bei denen die Spielteilnahme unmittelbar durch den Spieler über elektronische Medien erfolgt und die Entscheidung über das Spielergebnis zentralseitig herbeigeführt sowie über elektronische Medien zur Verfügung gestellt wird.

 

Elektronische Lotterien bzw über Internet betriebene Terminals (Video Lotterie Terminals - VLT) werden im § 12a GSpG näher geregelt. Sie unterliegen dem Glücksspielmonopol und der Konzessionspflicht nach § 14 GSpG und sind nicht von der Ausnahme nach § 4 Abs 2 GSpG für Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten erfasst. Für Ausspielungen mit solchen zentralseitig vernetzten Video Lotterie Terminals an ortsfesten öffentlich zugänglichen Betriebsstätten ist überdies nach § 12a Abs 2 GSpG eine Standortbewilligung des Bundesministers für Finanzen (BMF) erforderlich.

 

4.4.4. Das GSpG geht ersichtlich davon aus, dass der Betrieb eines Automatensalons ebenso wie eine Landesausspielung in Form der Einzelaufstellung einer Konzession bzw Bewilligung bedarf (vgl zBsp § 5 Abs 1 und 8 sowie die §§ 31a und 31b GSpG); es normiert das Verfahren zur Konzessions- bzw Bewilligungserteilung jedoch nicht unmittelbar selbst, sondern überlässt dessen Regelung den Landesgesetzgebern.

 

Soweit es das Land Oberösterreich betrifft, besteht eine an § 5 GSpG anknüpfende Regelung der Landesausspielungen erst durch das am 4. Mai 2011 kundgemachte Oö. Glücksspielautomatengesetz (LGBl Nr. 35/2011), welches in den §§ 3 ff für die Ausspielung mit Glücksspielautomaten eine Bewilligung durch die Landesregierung vorsieht.

 

4.5. Die vorliegende Beschlagnahme erfolgte aufgrund des Verdachts, dass gegen die Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG fortgesetzt verstoßen wird. Dieser Verdacht iSd § 53 Abs 1 Z 1 lit a) GSpG muss entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates) ausreichend substantiiert sein (vgl VwGH 26.1.2009, Zl. 2005/17/0223 und Zl. 2008/17/0009; VwGH 10.5.2010, Zl. 2009/17/0202; jüngst auch VwGH 20.7.2011, Zl. 2011/17/0097).

 

Hinsichtlich des Charakters der an dem beschlagnahmten Gerät verfügbaren virtuellen Walzenspielen ergibt sich aufgrund des unter Pkt. 3.3. skizzierten Spielablaufes der begründete Verdacht, dass das Spielergebnis zumindest vorwiegend vom Zufall abhängt und die Spiele damit als Glücksspiele iSd § 1 Abs 1 GSpG zu qualifizieren sind, was im Übrigen von den Bwin auch nicht bestritten wird.

 

4.6. Weiters handelt es sich bei diesen auf dem Gerät verfügbaren Glücksspielen offensichtlich um Ausspielungen iSd § 2 GSpG: Aufgrund des oa. Gerätes mit den darauf verfügbaren Spielen, bei denen Spieleinsätze zu leisten und Gewinne in Aussicht gestellt sind, ist – in Ermangelung einer Konzession oder Bewilligung nach dem Glücksspielgesetz – von einer verbotenen Ausspielung iSd § 2 Abs 1 iVm Abs 4 GSpG auszugehen. Dabei ist es im Rahmen des Beschlagnahmeverfahrens unerheblich, ob die Ausspielung mit Glücksspielautomaten iSd § 2 Abs 3 GSpG oder in Form von elektronischen Lotterien iSd § 12a Abs 1 GSpG erfolgte; in beiden Fällen liegt bei Fehlen einer entsprechenden Konzession bzw Ausnahme vom Glücksspielmonopol des Bundes eine verbotene Ausspielung gemäß § 2 Abs 4 leg.cit. vor.

 

Auch die genaue rechtliche Qualifikation der Stellung der Berufungswerberin in Bezug auf die strafbare Handlung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist noch nicht von Bedeutung (VwGH 10.5.2010, Zl. 2009/17/0202). So ist unter Zugrundelegung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 52 Abs 1 Z 1 iVm § 53 Abs 1 Z 1 lit a) GSpG nicht ausschlaggebend, ob die Berufungswerberin selbst Veranstalterin der entgegen dem Glücksspielgesetz betriebenen Glücksspiele ist bzw ob diese Spiele auf ihre Rechnung betrieben wurden. Ausschlaggebend ist lediglich der Verdacht eines Verstoßes gegen das Glücksspielgesetz. Unerheblich ist es, ob die Berufungswerberin selbst eine Übertretung des Glücksspielgesetzes zu verantworten hat.

 

Für die Beschlagnahme genügt iSd § 53 Abs 1 Z 1 lit a) GSpG der entsprechend substantiierte Verdacht, dass mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen (mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird) fortgesetzt gegen § 52 Abs 1 leg.cit. verstoßen wird; es muss also etwa ein begründeter Verdacht von (fortgesetzten) verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 leg.cit. – konkret von deren Veranstaltung, Organisation oder unternehmerischem Zugänglichmachen oder der Beteiligung als Unternehmer (§ 52 Abs 1 Z 1 leg.cit.) oder von der Förderung oder Ermöglichung der Teilnahme an solchen Ausspielungen (§ 52 Abs 1 Z 6 leg.cit.) – bestehen. Dass aber mit dem gegenständlichen Gerät jedenfalls von 22. Oktober 2010 bis zur vorläufigen Beschlagnahme am 3. Februar 2012 verbotene Ausspielungen iSd § 2 leg.cit. im oa. Aufstellungslokal mit entsprechend erbrachten Spieleinsätzen der Spieler bei in Aussicht gestellten Gewinnen durchgeführt wurden bzw jedenfalls ein diesbezüglicher Verdacht vorliegt, ergibt sich unstreitig aus den Ausführungen in der Niederschrift des Finanzamtes und wird auch von der Berufungswerberin dem Grunde nach nicht bestritten. Darauf gründet sich der Verdacht, dass auch künftig – dh "fortgesetzt" – gegen die Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen wird (vgl eingehend VwGH 20.12.1999, Zl. 97/17/0233).

 

4.7. Zur Argumentation in der Berufung, dass das beschlagnahmte Gerät als Video-Lotterie-Terminal iSd § 12a GSpG zu qualifizieren wäre ist zu bemerken, dass es im Beschlagnahmeverfahren auch nach stRspr. des Verwaltungsgerichtshofes (noch) dahinstehen kann, ob es sich bei den gegenständlichen Ausspielungen um "elektronische Lotterien" iSd § 12a GSpG oder um Ausspielungen mit Glücksspielautomaten iSd § 2 Abs 3 leg.cit. handelt; denn als strafrechtlicher Anknüpfungspunkt, auf den sich der begründete Verdacht nach § 53 Abs 1 Z 1 lit a) GSpG bezieht, dient ausschließlich das Vorliegen einer verbotenen Ausspielung gemäß § 2 Abs 4 GSpG. In beiden Fällen ist die Beschlagnahme nach § 53 Abs 1 Z 1 lit a) GSpG vorgesehen (vgl VwGH 10.05.2010, Zl. 2009/17/0202 mwN). Der für die Beschlagnahme nach § 53 GSpG erforderliche Verdacht liegt auch vor, wenn die beschlagnahmten Geräte als "elektronische Lotterien" (im Besonderen auch Video-Lotterie-Terminals) anzusehen sind (vgl VwGH 04.11.2009, Zl. 2009/17/0147). Eine abschließende Klärung, ob ein Glücksspielautomat iSd § 2 Abs 3 GSpG oder ein Gerät (Terminal) vorliegt, bei dem das Spielergebnis zentralseitig (über einen Server im Internet) herbeigeführt wird, ist für die Rechtmäßigkeit des Beschlagnahmebescheids nicht von Bedeutung (vgl VwGH 27.04.2012, Zl. 2011/17/0074 unter Hinweis auf VwGH 27.01.2012, Zl. 2011/17/0269).

 

Da im Beschlagnahmeverfahren der begründete Verdacht eines fortgesetzten Verstoßes gegen die Bestimmungen iSd § 52 Abs 1 GSpG genügt und im Rahmen des Beschlagnahmeverfahrens "noch keine endgültige und gesicherte rechtliche Beurteilung der Spiele erforderlich" ist (VwGH 26.01.2009, Zl. 2005/17/0223), braucht eine abschließende Beurteilung der Spiele und eine abschließende Klärung, ob das beschlagnahmte Gerät ein Glücksspielautomat oder ein sonstiger Eingriffsgegenstand iSd GSpG ist oder nicht (VwGH 03.07.2009, Zl. 2005/17/0178), im gegenständlichen Beschlagnahmeverfahren – anders als in einem Straferkenntnis – (noch) nicht getroffen zu werden.

 

4.8. Die in der Berufung vorgebrachten unionsrechtlichen Bedenken gegen die österreichische Rechtslage nach dem Glücksspielgesetz können im Lichte der für den Oö. Verwaltungssenat maßgeblichen höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs als nicht ausreichend angesehen werden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2011, Zl.2011/17/0068, mit der Judikatur des EuGH (insb Urteil v 8.09.2010, Rs C-316/07 ua, Rechtssachen Placanica und Stoß, und Urteil v 9.09.2010, Rs C-64/08, Rechtssache Engelmann) zum Art 43 und 49 EGV (nunmehr Art 49 und 56 AEUV) und weiter im darauffolgenden Erkenntnis vom 20. Juli 2011, Zl. 2011/17/0097, damit befasst. Dabei hat er ausgesprochen, dass aus der jüngeren Judikatur des EuGH nicht abgeleitet werden könne, dass das Gemeinschafts-recht (Unionsrecht) der Anwendung jeglicher nationaler Vorschrift auf dem Gebiet des Glücksspielwesens entgegenstünde, sobald nur eine Regelung auf diesem Gebiet nicht unionsrechtskonform ist. Die Verpflichtung zur Nichtanwendung nationaler Rechtsvorschriften bestehe nach der Rechtsprechung des EuGH nur für solche Rechtsvorschriften, die im Widerspruch zu Unionsrecht stehen. So könne eine nationale Vorschrift, die das Erfordernis einer bestimmten Rechtsform (Aktiengesellschaft) für die Verleihung einer Konzession auf dem Gebiet des Glücksspielwesens normiere, für sich nicht unionsrechtlich bedenklich sein. Eine aus der Rechtsprechung des EuGH ableitbare Unanwendbarkeit von Sanktionen gegenüber Personen, denen unionsrechtswidriger Weise die Erlangung einer Konzession verwehrt worden wäre, greife etwa gegenüber einem Rechtsträger in Form einer GmbH nicht. Dies sei auch auf die Rechtsform der L zu übertragen.

 

Entsprechend der vom EuGH in der Rechtssache Engelmann (Urteil v 9.09.2010, Rs C-64/08) mit Rücksicht auf das Transparenzgebot geforderten Ausschreibung wurde die österreichische Rechtslage der §§ 14 und 21 GSpG zur Konzessionsvergabe bekanntlich inzwischen geändert (BGBl I Nr. 111/2010) und eine öffentlich Interessentensuche vorgesehen, wobei sich auch Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz im Hoheitsgebiet von anderen Mitgliedsstaaten bewerben können.

 

Auch aus der Rechtssache Dickinger und Ömer (Urteil v 15.09.2011, Rs C-347/09) lässt sich die in der Berufung behauptete Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols und die Unanwendbarkeit von glücksspielrechtlichen Bestimmungen nicht ableiten. Der EuGH hat in dieser Entscheidung zur österreichischen Rechtslage festgehalten, dass ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonderes Schutzniveau für Verbraucher im Glücksspielsektor zu gewährleisten, Grund zu der Annahme haben kann, dass ihm nur die Errichtung eines Monopols zugunsten einer einzigen Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, erlaubt, die Kriminalität in diesem Sektor zu beherrschen und hinreichend wirksam zu verfolgen. In diesem Zusammenhang können auch gewisse verhältnismäßige Beschränkungen des Monopolinhabers erforderlich sein: Etwa kann das Erfordernis einer bestimmten Rechtsform der Glücksspielanbieter durch das Ziel der Geldwäsche- und Betrugsvorbeugung gerechtfertigt sein; ebenso kann sich das Erfordernis, über ein Gesellschaftskapital in einer bestimmten Höhe zu verfügen, als nützlich erweisen, um eine gewisse Finanzkraft des Anbieters zu gewährleisten und sicherzustellen, dass er in der Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen, die er gegenüber Gewinnern haben könnte. Das Unionsrecht sei auch derart auszulegen, dass – um mit den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und der Verringerung der Spielgelegenheiten im Einklang zu stehen – eine nationale Regelung nur den Einsatz maßvoller Werbung zulassen darf.

Der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, könne keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben.

 

Im zitierten Urteil des EuGH in der Rechtssache Dickinger und Ömer hält der Gerichtshof fest, dass es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei steht, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele – im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung – festzulegen. Es steht durchaus im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben, wenn der österreichische Gesetzgeber davon ausgeht, dass das Glücksspielmonopol vorrangig ordnungspolitischen Zielen (wie Verbraucherschutz ist Spielerschutz sowie soziale Sicherheit der Familien und Kinder, Jugendschutz, Vorbeugung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Kriminalitätsabwehr, Wettbewerbsfairness – vgl. eingehend RV 657 BlgNR 14. GP) dient (vgl. die Er der RV 1067 und AB 1139 BlgNR 17. GP; weiters Strejcek/Bresich, Glücksspielgesetz-Kommentar [2009], 24 und Rz 9 ff zu § 3 GSpG).

 

Eine entsprechende Aufsicht über die Ausübung der Konzessionen durch den Bundesminister für Finanzen ist ausdrücklich im § 31 GSpG vorgesehen. Durch das Erfordernis eines gewissen Stamm- und Grundkapitals für die Erteilung einer Konzession (nach § 14 Abs 2 und nach § 21 Abs 2 GSpG) will der Gesetzgeber sicherstellen, dass "das verlangte eingezahlte Eigenkapital dem konzessionierten Spielbetrieb bei Konzessionsantritt als Haftungsstock auch unbelastet zur Verfügung steht" (RV 981 BlgNR 14. GP zu § 14 und zu § 21 GSpG). Weiters wird im § 56 Abs 1 GSpG normiert, dass bei Werbeauftritten ein "verantwortungsvoller Maßstab" zu wahren ist, was im Aufsichtswege überwacht wird.

 

Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats hat die Berufung keine hinreichend schlüssige Argumentation vorgebracht, warum die geltende Regelung nicht im Sinne der Judikatur des EuGH verhältnismäßig sein soll. Deshalb sind beim erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenats auch keine Bedenken wegen der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit aufgekommen. Von der schlechthin behaupteten Unanwendbarkeit von glücksspielrechtlichen Bestimmungen kann – insbesondere im Lichte der dargestellten höchstgerichtlichen Judikatur - keine Rede sein.

 

4.9. Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Spruchpunkt II:

 

Die belangte Behörde hat zunächst verkannt, dass ein Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 64 Abs 2 AVG insofern unzulässig ist, als diese Bestimmung gemäß § 24 VStG im Verwaltungsstrafverfahren – und das Beschlagnahmeverfahren ist, wie unter Pkt. 4.1. erörtert, als solches zu werten – nicht anzuwenden ist.

 

§ 53 GSpG stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine von § 39 VStG abweichende Regelung dar (VwGH 3.7.2009, Zl. 2005/17/0178; VwGH 3.7.2009, Zl. 2009/17/0065). Dies bedeutet allerdings keineswegs, dass die Verfahrensbestimmung des § 39 Abs 6 VStG – das Ex-lege-Fehlen der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen die Beschlagnahme – nicht auch im Beschlagnahmeverfahren nach dem GSpG anzuwenden wäre. Denn diesbezüglich hat der Materiengesetzgeber eben keine vom § 39 Abs 6 VStG abweichende Regelung geschaffen. Diese wäre im Übrigen auch nicht "zur Regelung des Gegenstandes erforderlich" iSd Art 11 Abs 2 B-VG, sondern würde vielmehr den Zweck der Beschlagnahme nach § 53 GSpG (als vorläufige Sicherungsmaßnahme im Strafverfahren) naturgemäß vollkommen unterlaufen.

 

Da somit gemäß dem § 39 Abs 6 VStG, der auch im Beschlagnahmeverfahren nach dem GSpG Anwendung findet, einer Berufung ex lege keine aufschiebende Wirkung zukommt, ist darüber weder im Spruch des erstbehördlichen Beschlagnahmebescheides gesondert abzusprechen, noch bedarf es einer Interessenabwägung iSd § 64 Abs 2 AVG.

 

 

5. Im Ergebnis lag und liegt auch noch zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung (vgl. VwGH 26.01.2009, Zl. 2005/17/0223) ein hinreichend begründeter Verdacht des Eingriffes in das Glücksspielmonopol im gegenständlichen Fall vor. Die Beschlagnahme des im angefochtenen Bescheid näher bezeichneten Glücksspielgerätes war daher rechtmäßig und die Berufung im Spruchpunkt I. als unbegründet abzuweisen.

 

 

6. Abschließend sei für das weitere Verfahren noch Folgendes angemerkt:

 

Wenn auch die Beurteilung des Vorliegens eines begründeten Verdachts iSd § 53 Abs 1 GSpG noch keine abschließende rechtliche Beurteilung des konkreten Sachverhalts als Verwaltungsübertretung iSd GSpG erfordert, wird dies insbesondere auch im Hinblick auf eine endgültige und gesicherte Abgrenzung zum Gerichtsdelikt nach § 168 StGB - der im Lichte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Doppelbestrafungsverbotes und der vom Verwaltungsgerichtshof postulierten Subsidiarität des Verwaltungsstraftatbestandes gegenüber dem Gerichtsdelikt (vgl VwGH 22.3.1999, Zl. 98/17/0134; VwGH 8.9.2009, Zl. 2009/17/0181) besondere Bedeutung zukommt - im Rahmen eines allfällig folgenden Strafverfahrens sehr wohl Gegenstand sein.

 

Da es im vorliegenden Fall schon im Beschlagnahmeverfahren nicht ausgeschlossen erscheint, dass das dem Verdacht iSd § 53 Abs 1 Z 1 lit a) GSpG zugrundeliegende Verhalten den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet und infolge der Subsidiarität der Verwaltungsstraftatbestände nach § 52 GSpG nicht von den Verwaltungsbehörden zu ahnden wäre, wird die belangte Behörde eingehend zu prüfen haben, ob (auch) ein Verdacht auf eine gemäß § 30 Abs 2 VStG relevante gerichtlich strafbare Handlung vorliegt; gegebenenfalls wird – unter Zugrundelegung der diesbezüglich eindeutigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.12.2011, Zl. 2011/17/0233; VwGH 22.3.1999, Zl. 98/17/0134) – gemäß § 78 Abs 1 StPO Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu erstatten und sodann das Verwaltungsstrafverfahren bis zum Ausgang des gerichtlichen Strafverfahrens gemäß § 30 Abs 2 VStG auszusetzen sein.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  W e i ß

 

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