Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167449/6/Kof/CG

Linz, 14.01.2013

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung der Frau x,
geb. 19x, x, x, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt x, x, x gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 26. November 2012, VerkR96-25697-2012, betreffend Übertretungen des § 4 StVO, nach der am
10. Jänner 2013 durchgeführten mündlichen Verhandlung einschließlich Verkündung des Erkenntnisses, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das erstinstanzliche Straferkenntnis  bestätigt.

Die Berufungswerberin hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat 20 % der verhängten Geldstrafen zu zahlen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 16, 19 und 24 VStG

§ 64 Abs.1 und 2 VStG

 

 

Die Berufungswerberin hat somit insgesamt zu entrichten:

-         Geldstrafe (250 + 200 =)…………………….……………………… 450 Euro

-         Verfahrenskostenbeitrag I. Instanz ………………………….…… 45 Euro

-         Verfahrenskostenbeitrag II. Instanz ………………..…………… 90 Euro

                                                                                                     585 Euro

 

Die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt insgesamt (4 + 3 =)…………….… 7 Tage.

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat über die nunmehrige Berufungswerberin (Bw) das

in der Präambel zitierte Straferkenntnis – auszugsweise – wie folgt erlassen:

 

Sie lenkten am 14.6.2012 um 02.56 Uhr den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen
x-…… im Gemeindegebiet von G. auf der O.straße aus Richtung T.straße kommend in Fahrtrichtung der Ortschaft K., wobei Sie auf Höhe des Hauses O.straße Nr… an einem Verkehrsunfall beteiligt waren, bei dem Sachschaden entstand.

Obwohl Ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall stand, unterließen Sie es,

 

1.  das von Ihnen gelenkte Fahrzeug sofort anzuhalten.

 

2.  die nächste Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub von diesem Verkehrsunfall
zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw. der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben ist.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§§  1.  4 Abs.1 lit.a StVO;     2.  4 Abs.5 StVO

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von              Ersatzfreiheitsstrafe                           Gemäß    

      Euro

1.   250                                                  4 Tage                                    § 99 Abs.2 lit.a StVO

2.   200                                                  3 Tage                                    § 99 Abs.3 lit.b StVO

 

Ferner haben Sie § 64 VStG folgend 45 Euro

als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten, das sind 10% der Strafe.

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe + Kosten) beträgt daher ………………… 495 Euro."

 

Gegen dieses Straferkenntnis – zugestellt am 28. November 2012 – hat die Bw  innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 12.12.2012 erhoben und insbesondere vorgebracht, sie sei bedingt durch

·         den Unfall und die dabei erlittene Gehirnerschütterung sowie

·         den Unfallschock

iSd § 3 VStG nicht zurechnungsfähig gewesen.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG) erwogen:

 

 

 

Die Bw lenkte am 14. Juni 2012 um 02:56 Uhr einen – auf sie zugelassenen – dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW auf einer näher bezeichneten Straße mit öffentlichem Verkehr in G.

Dabei kam sie rechts von der Fahrbahn ab, geriet auf den Grünstreifen und stieß gegen die neben der Fahrbahn aufgestellte Messkabine ("Radarkasten").

Die Messkabine wurde vollständig aus der Verankerung gerissen und durch die Wucht als des Anpralls als Ganzes ca. 2 Meter vom ursprünglichen Standort weg "katapultiert".

Der von der Bw gelenkte PKW wurde schwer beschädigt;  

siehe die im erstinstanzlichen Verfahrensakt enthaltene Anzeige einschl. Lichtbilder.

 

Die Schadenshöhe beträgt nach „vorläufiger vorsichtiger Schätzung“ – siehe Anzeige

-         beim auf die Bw zugelassenen PKW: ca. 11.000 Euro

-         bei der Radarkabine: ca. 20.000 Euro

 

Die Bw fuhr nach diesem Verkehrsunfall mit dem PKW weiter und hat es unterlassen, die nächste Polizeidienststelle zu verständigen.

 

Das vordere Kennzeichen des von der Bw gelenkten PKW ist an der Unfallstelle verblieben – die Bw konnte dadurch rasch als Zulassungsbesitzerin des Unfallfahrzeuges erhoben werden.

 

Die Bw wurde jedoch von der Polizei weder telefonisch erreicht,

noch trotz mehrmaliger Nachschau an ihrer Wohnadresse angetroffen.

 

Die Bw hat im Verfahren – insbesondere in der Berufung – vorgebracht, sie sei beim Verkehrsunfall mit dem Kopf gegen den Innenspiegel geprallt und aus diesem Grund iSd § 3 VStG nicht zurechnungsfähig gewesen.

 

Am 10. Jänner 2013 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher die Bw sowie deren Rechtsvertreter teilgenommen und folgende Stellungnahmen abgegeben haben:

 

Stellungnahme der Bw:

„Am Donnerstag, dem 14. Juni 2012 um ca. 03:00 Uhr früh, fuhr ich von meinem Wohnort in ….. (Adresse), zum Haus in welchem mein Freund wohnt, Adresse: ….. .

 

Die gesamte Fahrtstrecke beträgt geschätzt ca. 3 Kilometer.

 

Bei dieser Fahrt bin ich irgendwo angefahren –

heute weiß ich: an einem Radarkasten.

Ab diesem Zeitpunkt fehlt mir die Erinnerung.

 

Ich habe vor dem Anstoß nach meinem Handy gegriffen,

welches mir hinuntergefallen war.

Dadurch war ich abgelenkt und bin von der Fahrbahn abgekommen.

 

Die erste Erinnerung nach diesem Unfall hatte ich um ca. Mittag in der Wohnung, genau genommen im Schlafzimmer meines Freundes.

Ich bin wach geworden und hatte starke Kopfschmerzen.

Ich nahm eine Tablette und legte mich wieder ins Bett.

 

Am Nachmittag kam mein Freund.

Dieser hatte zuvor mein Auto gesehen und natürlich auch den Anfahrschaden.

Er fragte mich nach dem Grund dieses Schadens.

Ich konnte ihm nur sagen, dass "irgendetwas gewesen ist" jedoch keine näheren Angaben machen.

 

Ich telefonierte anschließend mit meinem Versicherungsvertreter.

 

Es handelte sich um den ersten Verkehrsunfall, den ich verursacht habe und

ich wusste daher nicht so recht, was ich tun sollte.

 

Der Versicherungsvertreter hat mir empfohlen, die Polizei zu verständigen,

um herauszufinden, gegen welches Hindernis ich gefahren bin.

 

Ich fuhr anschließend zur Polizei in G. und habe dort erfahren,

dass ich höchstwahrscheinlich gegen den Radarkasten gefahren bin.

 

Ich war bei dieser Fahrt mit Sicherheit nüchtern und habe am gesamten Vortag keinen Tropfen Alkohol getrunken.

 

Stellungnahme des Rechtsvertreters der Bw:

Ich verweise auf meine bisherigen Eingaben, insbesondere auf die Berufung vom 12.12.2012."

 

Ein sog. "Unfallschock" kann nur in besonders gelagerten Fällen und bei einer gravierenden psychischen Ausnahmesituation das Unterlassen eines pflichtgemäßen Verhaltens entschuldigen.

Einem dispositionsfähig gebliebenen Unfallbeteiligten ist trotz eines sog. Unfallschocks iVm einer begreiflichen affektiven Erschütterung pflichtgemäßes Verhalten zumutbar, zumal von einem Kraftfahrer, welcher die Risiken einer Teilnahme am Straßenverkehr auf sich nimmt, ein solches Maß
an Charakter– und Willensstärke zu verlangen ist, dass er den Schock über
den Unfall und die etwa drohenden Folgen zu überwinden vermag;

VwGH vom 25.06.2003, 2002/03/0112; vom 29.11.1989, 88/03/0154;

          vom 05.04.1989, 88/03/0260; vom 20.6.2006, 2005/02/0146.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist es bereits auf Grund eines "situationsbezogenen" Verhaltens eines KFZ-Lenkers entbehrlich, ein (amts-) ärztliches und/oder fachärztliches Sachverständigengutachten über dessen Zurechnungsfähigkeit einzuholen;

 

VwGH- Erkenntnisse betreffend § 4 StVO und § 31 Abs.1 StVO:

vom 26.01.2007, 2007/02/0013; vom 22.04.1994, 94/02/0108;

vom 25.09.1991, 91/02/0055; vom 25.09.1991, 90/02/0217;

vom 03.10.1990, 90/02/0120.

 

VwGH-Erkenntnisse betreffend andere Übertretungen nach der StVO:

Vom 30.11.2007, 2007/02/0268; vom 23.05.2006, 2006/02/0091;

vom 30.10.2006, 2005/02/0332; vom 23.07.2004, 2004/02/0215;

vom 09.09.2005, 2004/02/0097; vom 30.01.2004, 2003/02/0223;

vom 28.01.2000, 99/02/0042; vom 28.02.1997, 96/02/0562;     

vom 27.05.1999, 96/02/0388.

 

VwGH-Erkenntnisse  betreffend  "Gehirnerschütterung":

vom 23.05.2006, 2006/02/0091; vom 30.10.2006, 2005/02/0332;

vom 20.06.2006, 2005/02/0146; vom 09.09.2005, 2004/02/0097;

vom 16.10.2003, 2001/03/0070; vom 25.01.2002, 2001/02/0024 uva.

 

Die Bw hatte von vornherein beabsichtigt, von ihrer Wohnung in G. zum Haus ihres Freundes in O. – Fahrtstrecke ca. 3 km – zu fahren.

 

Die Bw ist nach dem Verkehrsunfall zum Wohnhaus ihres Freundes in O. weitergefahren – somit zu exakt jenem Fahrtziel,

welches sie schon bei Fahrtantritt bzw. vor dem Verkehrsunfall erreichen wollte

und legte sich dort in das Bett.

 

Das Verhalten der Bw unmittelbar nach dem Verkehrsunfall

war offenbar zielgerichtet und in diesem Sinne auch erfolgreich;

VwGH vom 25.09.1991, 90/02/0217

 

Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung und entbehrt jedweder Logik, dass die Bw

unmittelbar nach dem Verkehrsunfall

·     zwar zum Wohnhaus ihres Freundes in O. gefahren ist – dieses Fahrtziel hatte sie

    bei Fahrtantritt bzw. vor dem Verkehrsunfall bereits beabsichtigt,

      jedoch gleichzeitig

·         aufgrund der von ihr behaupteten mangelnden Schuld- und Zurechnungsfähigkeit nicht in der Lage gewesen sein soll, den Verpflichtungen nach § 4 StVO nachzukommen!

 

Aufgrund des situationsbezogenen Verhaltens der Bw steht für den UVS fest,
dass die Bw zur „Tatzeit“ schuld- und zurechnungsfähig gewesen ist und somit
die im erstinstanzlichen Straferkenntnis enthaltene Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.5 StVO begangen hat.

 

Dass sie Bw nach dem Verkehrsunfall

-         das von ihr gelenkte Fahrzeug sofort angehalten und

-         die nächste Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub von diesem Verkehrsunfall verständigt hat, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw. der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben ist,

behauptet sie selbst nicht.

 

Die "Anhaltepflicht" nach § 4 Abs.1 lit.a StVO einerseits und

die "Verständigungspflicht" nach § 4 Abs.5 leg.cit andererseits

sind zwei voneinander verschiedene unabhängige Verpflichtungen.

Deren Verletzungen sind je gesondert zu bestrafen.

VwGH vom 20.10.1999, 99/03/0252 mit Vorjudikatur

 

Die Berufung war daher betreffend den Schuldspruch als unbegründet abzuweisen.

 

Gemäß § 19 Abs.1 und 2 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46 VStG) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe – soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen – gegeneinander abzuwägen.

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.

Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind

die § 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten

des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Betreffend die Strafbemessung wird verwiesen:

auf die zutreffende Begründung im erstinstanzlichen Straferkenntnis –

ein derartiger Verweis ist nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH zulässig;   

siehe die in Walter-Thienel, Band I, 2. Auflage E48, E58 und E 60 zu § 60 AVG (Seite 1049ff) sowie E19 zu § 67 AVG (Seite 1325) zitierten VwGH-Erkenntnisse.

sowie auf die Erkenntnisse des VwGH vom 29.06.1994, 92/03/0269;

vom 26.03.2004, 2003/02/0279; vom 26.01.2007, 2007/02/0013 – in diesem Erkenntnis wurde sogar eine Geldstrafe von 1.100 Euro als rechtmäßig bestätigt bzw. die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

Im Hinblick auf den enormen Schaden, welcher bei diesem Verkehrsunfall entstanden ist – siehe die eingangs angeführte „vorsichtige vorläufige Schätzung“ – sind die von der belangten Behörde festgesetzten Geldstrafen (250 Euro bzw. 200 Euro) als sehr milde zu bezeichnen.

 

Die Berufung war somit auch betreffend das Strafausmaß abzuweisen.

 

Gemäß § 64 Abs.2 VStG beträgt der Kostenbeitrag für das Verfahren I. Instanz 10 % und für das Berufungsverfahren weitere 20 % der verhängten Geldstrafen.

 

Es war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen, das erstinstanzliche Straferkenntnis zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;   diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen -
jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

 

Mag. Josef Kofler

 

 

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