Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222638/13/Bm/Th

Linz, 12.12.2012

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung der Frau A M, vertreten durch Rechtsanwältin MMag. Lisa M J, B, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 04.10.2012, BZ-Pol-10066-2012, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der GewO 1994, zu Recht erkannt:

 

 

       I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

    II.      Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 04.10.2012, BZ-Pol-10066-2012, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 92 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 368 und § 113 GewO 1994 iVm. § 1 Abs.3 Oö. Sperrzeitenverordnung 2002 verhängt.

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben es als Gewerbeinhaberin hinsichtlich des Gastgewerbebetriebes 'W' (Betriebsart: 'Bar'), S, W, zu verantworten,

dass dieser Gastgewerbebetrieb zumindest am 17.04.2012 noch um 04.20 Uhr offengehalten wurde (mit Anwesenheit von ca. 12 bis 15 Personen, welche noch Getränke konsumierten !)

obwohl Gastgewerbebetriebe in der Betriebsart 'Bar' spätestens um '04.00 Uhr' geschlossen werden müsse; diese dürfen frühestens um 18.00 Uhr geöffnet werden."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Bw innerhalb offener Frist Berufung erhoben und darin im wesentlichen ausgeführt, im Zuge des Verwaltungsverfahrens habe die belangte Behörde das Beweisanbot der Bw, mehrere Zeugen für das Vorbringen im Einspruch namhaft zu machen, einfach übergangen. Die belangte Behörde habe die Bw nicht aufgefordert, den Namen und die ladungsfähige Adresse dieser Zeugen bekannt zu geben. Es seien keine Zeugen einvernommen worden. Die belangte Behörde sei bei der Erlassung des bekämpften Straferkenntnisses ausschließlich von den Angaben des Stadtpolizeikommandos Wels ausgegangen. Hätte die belangte Behörde die angebotenen Beweise aufgenommen, wäre sie keinesfalls zum Schluss gelangt, dass am 17.04.2012 nach 04.00 Uhr morgens noch Gäste, welche Getränke konsumierten, im Lokal anwesend gewesen seien. Aufgrund der Missachtung dieses Beweisanbotes sei das bekämpfte Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet. Es liege eine Verletzung des Rechts nach § 25 Abs.2 VStG vor, wonach die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände zu berücksichtigen seien. Überdies liege eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein faires Verfahren nach Artikel 6 EMRK vor. Es stelle einen Akt der unzulässigen antizipierten Beweiswürdigung dar, wenn die belangte Behörde ganz offensichtlich die Auffassung vertrete, die Einvernahme von Zeugen, welche das Vorbringen der Bw bestätigen könne, sei entbehrlich. Es werde daher der Antrag gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge

1. das angefochtene Straferkenntnis der Stadt Wels ersatzlos aufheben und das Verfahren einstellen;

2. in eventu das angefochtene Straferkenntnis aufheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheids an die Stadt Wels zurückverweisen;

3. in eventu die verhängte Geldstrafe auf ein schuld- und tatangemessenes Maß herabsetzen.

 

3. Der Bürgermeister der Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung für 14.12.2012.

 

4.1. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

 

Die Bw verfügt über die Berechtigung für die Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart Bar für den Standort W, S.

Am 17.06.2012 um 04.20 Uhr wurde von Polizeiorganen das gegenständliche Lokal "W" auf die Einhaltung der Sperrzeit überprüft.

Mit Eingabe vom 18.06.2012 wurde von den überprüfenden Organen Anzeige an den Magistrat der Stadt Wels wegen Übertretung der Sperrzeitenverordnung hinsichtlich des Lokals der Bw gelegt. Als Tatzeit wurde auf Seite 1 der Anzeige der 17.04.2012, 04.20 Uhr angeführt.

Unter sonstige Angaben wurde auf Seite 3 der Anzeige die Tatzeit mit 17.06.2012 beschrieben.

In der daraufhin vom Bürgermeister der Stadt Wels ergangenen Strafverfügung wurde als Tatzeit 17.04.2012 angeführt, diese Tatzeit enthält auch das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

Aufgrund der vom Oö. Verwaltungssenat an die überprüfenden Polizeiorgane ergangene Ladung für die Berufungsverhandlung wurde von diesen mitgeteilt, dass der tatsächliche Tatzeit nicht der 17.04.2012, sondern der 17.06.2012 war.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 368 GewO 1994 begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 1.090 Euro zu bestrafen ist, wer andere als in den §§ 366 und 367a GewO 1994 genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder deren Bescheide, die auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen ergangen sind, nicht einhält.

 

Gemäß § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (in § 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

5.2. "Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Dies bedeutet für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens, dass die Berufungsbehörde trotz ihrer Berechtigung den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, doch auf die Ahndung der dem Beschuldigten im Strafverfahren erster Instanz zur Last gelegten Tat beschränkt bleibt, sodass sie ihn nicht für eine Tat schuldig sprechen darf, die ihn im Verfahren vor der ersten Instanz gar nicht zur Last gelegt worden ist. Hingegen ist es grundsätzlich nicht rechtswidrig, wenn die Berufungsbehörde das Verhalten des Beschuldigten einem anderen Tatbestand (Tatbild) unterstellt, als die Behörde erster Instanz, sofern es sich um ein und dasselbe Verhalten des Täters handelt, also Identität der Tat vorliegt. In diesem Rahmen ist die Berufungsbehörde auch zu sonstigen Modifikationen und Präzisierungen des Spruches der Behörde erster Instanz berechtigt (vgl. VwGH v. 22.01.2002, 99/09/0050).

Vom Verwaltungsgerichtshof wird weiters ausgeführt, dass im Fall einer Berichtigung auch offenkundig sein muss, dass der unterlaufene Fehler auf einem bloßen Versehen beruhte, welches einem Schreib- oder Rechenfehler gleichzuhalten ist. § 62 Abs.4 AVG gestattet auch nur die Bereinigung textlicher Unstimmigkeiten, die den wahren Sinn des Bescheides nicht in Frage stellen dürfen. Nachträgliche Auswechslungen der Tat sind jedenfalls unzulässig.

Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses mit der Tatzeit 17.06.2012 nicht vor, weil der Strafbehörde erster Instanz in dieser Hinsicht kein Versehen im Sinne des

§ 62 Abs.4 AVG unterlaufen ist. Die angenommene Tatzeit 17.04.2012 entstammt der Anzeige der Polizeiorgane und enthält auch die Strafverfügung als erste Verfolgungshandlung gleichlautend die Tatzeit 17.04.2012.

 

Im Sinne der obigen Ausführungen ist eine Berichtigung des Tatzeitpunktes im Berufungsverfahren nicht möglich, da die Sache des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs.4 AVG überschritten und eine Auswechslung der Tat darstellen würde.

 

Aus den angeführten Sach- und Rechtsgründen war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

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