Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-740207/2/WEI/BZ/Ba

Linz, 15.01.2013

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Herrn W B, U, S, vertreten durch Dr. P R, Rechtsanwalt in I, K, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 4. Oktober 2012, Zl. Pol 96-175-2012, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Beschlagnahmebescheid bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid des Bezirkshauptmanns von Gmunden, der an den Berufungswerber (im Folgenden kurz Bw) und an das zuständige Finanzamt ergangenen ist, hat die belangte Behörde wie folgt abgesprochen:

 

"Bescheid über eine Beschlagnahme

 

Es wird Ihnen zur Last gelegt, folgende Verwaltungsübertretungen begangen zu haben:

Taten (einschließlich Ort, Datum und Zeit der Begehung)

Sie haben es als Gewerbeinhaber und somit als Eigentümer der nachstehenden Glücksspielgeräte verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass durch die erwähnten Geräte

 

1)      WEBAK Casino, Seriennummer: x, Gerätenummer x

2)      MONACO, Seriennummer x

 

welche zumindest von 01.07.2008 bis 28.06.2012 in S, H, aufgestellt waren, obwohl der Verdacht besteht, dass mit diesen Glücksspielgeräten, mit dem in das Glückspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 Glücksspielgesetz verstoßen wird.

 

Verwaltungsübertretungen nach       

§ 53 Abs. 1 iVm §52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. I. Nr. 73/2010

 

l. Zur Sicherung der Einziehung werden folgende Gegenstände in Beschlag genommen:

 

1)               WEBAK Casino, Seriennummer: x, Gerätenummer  x

2)     MONACO, Seriennummer x

 

Rechtsgrundlage: §§53 Abs. 1 Z. 1 lit. a Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. I. Nr. 73/2010

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde auszugsweise wie folgt aus:

 

"Begründung:

 

Bei einer von den Organen des Finanzamtes Linz am 28.06.2012 um 15:29 Uhr durchgeführten Kontrolle nach dem Glückspielgesetz wurden die im Spruch näher bezeichneten Glücksspielgeräte betriebsbereit und eingeschaltet vorgefunden. Mit diesem wurden zumindest seit 01.07.2008 wiederholt Glücksspiele, in Form von virtuellen Walzenspielen durchgeführt. Aufgrund der in Aus­sicht gestellten Gewinne in der Höhe des jeweils Mehrfachen des gewählten Einsatzes bestand der Verdacht, dass mit den Geräten durch das Veranstalten von verbotenen Ausspielungen in das Glückspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, weil die dafür erforderliche Konzession des Bundesministerium für Finanzen nicht vorlag.

 

Durch die dienstlichen Wahrnehmungen der Kontrollorgane wurde festgestellt, dass der Spieler keine Möglichkeit hatte, gezielt Einfluss auf das Zustandekommen gewinnbringender Symbol­kombinationen zu nehmen. Dem Spieler war es nur möglich, nach Eingabe eines Geldbetrages als Spielguthaben, ein Spiel auszuwählen und zur Durchführung aufzurufen, den Einsatz zu wählen, die Start-Taste so lange zu betätigen, bis das aufgerufene Spiel ausgelöst wurde und nach etwa einer Sekunde den Verlust des Einsatzes oder einen Gewinn festzustellen. Die Entscheidung über das Spielergebnis hing bei allen diesen Spielen somit vorwiegend vom Zufall ab.

 

Die Inhaberin der BP Tankstelle, Frau B B, geb. X, gab zudem niederschriftlich im Wesentlichen an, dass die vorgefundenen Automaten seit 01.07.2008 im Lokal aufgestellt sind.

 

Über die Eigentumsverhältnisse bezüglich der Automaten gab B an, dass sich diese im Besitz von Herrn B befinden. Von 01.07.2008 bis 30.09.2011 wurde der Kasseninhalt zwischen Herrn B und Frau B 70 : 30 abgerechnet. Seit 01.10.2011 hätte sie die Geräte von Herrn B W angemietet. Gewinn und Verlust trage zur Gänze sie, Herr B bekomme jedoch eine Miete in der Höhe von 300,00 Euro pro Gerät. Der Mietvertrag wurde den Finanzbeamten in Kopie übergeben. Die Gewinne werden von der BP-Kasse ausbezahlt. Am nächsten Tag folge die Tagesabrechnung, dabei werden die Auszahlungszettel herausgenommen und von der Pokerkasse wieder aufgefüllt. Der verbleibende Rest des Geldes werde auf das Geschäftskonto einbezahlt. Bei den Fragen bezüglich der möglichen Spielarten, des Spielverlaufes, des Spieleinsatzes, der Höchstgewinne und zusätzlicher Gewinnmöglichkeiten gab Frau B zu Protokoll, dass sie dies nicht wisse. In der Handhabung der Geräte habe sie Herr B unterwiesen. Weiters wurden ihr zwei Schlüsselbunde mit jeweils einem Steckschlüssel für die Buchhaltung, einem Kassenschlüssel und einem Schlüssel für ein Vorhängeschloss über­geben. Das Entleeren der Gerätekassen und das Abrechnen der ausbezahlten Gewinne übernehme hauptsächlich der Mann von Frau B, Herr G B, der die Gerätekassen zuletzt am 26.06.2012 entleert hat. Wie viel Geld entnommen wurde könne sie nicht sagen. Bei Störungen an den Geräten werde Herr B verständigt. Wartungs-, Reinigungs- und Service­arbeiten führe ebenfalls Herr B durch. Da die Automaten selbständig und nicht über das Internet laufen, gebe es auch keine Datenleitung.

 

Von den kontrollierenden Organen wurden die Glückspielgeräte gemäß § 53 Abs. 2 vorläufig beschlagnahmt.

 

Der Eigentümer der Geräte und die Inhaberin der Tankstelle wurden mit der Bescheinigung über die vorläufige Übernahme gemäß § 53 Abs. 2 Glückspielgesetz aufgefordert sich binnen 4 Wochen bei der BH Gmunden als zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zu melden. Eine diesbezügliche Meldung langte bisher bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden jedoch nicht ein.

 

[...]

 

Dazu stellt die Bezirkshauptmannschaft Gmunden fest (rechtliche Beurteilung):

 

Herr W B, geb. X, als Eigentümer der Geräte, sowie Frau B B, geb. X als Inhaberin der BP-Tankstelle haben seit 01.07.2008 die im Spruch angeführten Glücksspielgeräte selbständig zur Erzielung von Einnahmen betrieben. Die erwähnten Firmen bzw. deren Verantwortliche haben daher Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 1 GSpG veranstaltet, da sie als Unternehmer Glücksspiele veranstaltet haben, bei denen die Spieler eine vermögenswerte Leistung mit der Teilnahme am Glücksspiel erbracht haben und denen vom Unternehmer eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt worden ist.

 

Es lagen jedenfalls Ausspielungen vor, für welche keine Konzession oder Bewilligung nach dem Glücksspielgesetz erteilt worden ist, eine Ausnahme nach § 4 GSpG lag nicht vor. Die Ausspiel­ungen waren daher verboten.

 

Es wurde bei der Kontrolle weiters festgestellt, dass mit diesen Geräten wiederholt Glücksspiele in Form von virtuellen Walzenspielen durchgeführt wurden. Es wurde den Spielern keine Möglich­keiten geboten, bewusst auf das Zustandekommen eines bestimmten Spielergebnisses Einfluss zu nehmen. Die Spieler konnten nur einen Einsatz und den dazugehörenden Gewinnplan auswählen.

 

Die genannten Verantwortlichen stehen daher im Verdacht, ais Unternehmer mit den angeführten Glücksspielgeräten in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen und eine Verwaltungs­übertretung gemäß § 52 Abs. 1 2. 1 GSpG begangen zu haben.

 

Die Organe der Abgabenbehörde waren daher auch befugt, die Glücksspielgeräte aus eigener Macht vorläufig in Beschlag zu nehmen.

 

Die vorläufige Beschlagnahme der im Spruch genannten Geräte wurde im Zuge der Kontrolle durchgeführt.

 

Der dringende Verdacht, dass mit den Geräten Verwaltungsübertretungen iSd. Glücksspielgesetzes begangen worden sind, liegt somit eindeutig vor.

 

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes und der durchgeführten Ermittlungen war für die Bezirkshauptmannschaft Gmunden erwiesen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beschlagnahme vorliegen.

 

Somit war wie im Spruch zu entscheiden."

 

 

2.1. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 8. Oktober 2012 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig am 22. Oktober 2012 per Fax rechtsfreundlich eingebrachte Berufung gleichen Datums, mit der die ersatzlose Aufhebung des bekämpften Bescheides angestrebt wird.

 

Zur Begründung wird in der Berufung ausgeführt:

 

"Der Bescheid wird in seinem gesamten Inhalt angefochten.

 

 

Begründung:

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 04.10.2012 zur Zahl POL96-175-2012 wurde gegenüber dem Einschreiter die Beschlagnahme eines x Casino mit der Seriennummer x und eines Monaco mit der Seriennummer x zur Sicherung der Einziehung in Beschlag genommen.

Begründend führte die Erstbehörde aus, dass der dringende Verdacht bestehe, dass mit den Geräten Verwaltungsübertretungen im Sinne des Glückspielgesetzes begannen worden seien. Die gesetzlichen Vorausaussetzungen für eine Beschlagnahme lägen somit vor.

 

Dem ist zu entgegnen.

 

1.)

Bei den gegenständlichen Geräten handelt es sich weder um Glückspielautomaten noch um elektronische Lotterien im Sinne des § 12a GSpG und ist ein Eingriff in das Glückspielmonopol des Bundes sohin denkunmöglich.

 

2.)

Dem Bescheid ist noch nicht einmal ein ansatzweiser Spielablauf zu entnehmen und kann dieser sohin nicht rechtlich überprüft werden.

 

3.)

Dem Bescheid ist noch nicht einmal zu entnehmen, ob Probespiele durchgeführt wurden und gegebenfalls welche auf welchem Gerät und mit welchen Einsätzen.

 

Es wird beantragt eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und alle bei der Kontrolle anwesenden Beamten einzuvernehmen, dies zum Beweis dafür, dass mit den gegenständlichen Geräten nicht in das Glückspielmonopols des Bundes eingegriffen werden kann.

 

4.)

Auf nachstehende Judikatur - zusammen- und dargestellt von Univ.Prof. Dr. Franz Leidenmühler, Institut für Europarecht, Johannes Kepler Universität Linz - wird hingewiesen:

 

Österreichische Monopolregelung im Glücksspiel als Beschränkung der Grundfreiheiten des Unionsrechts

 

1.     Glücksspielmonopol als Beschränkung der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit

 

Die österreichische Regelung, wonach die Veranstaltung von elektronischen Lotterien ausschließlich vom (einzigen) Ausspielungskonzessionär (Österreichische Lotterien GmbH) durchgeführt werden darf (§ 3 iVm. § 12a u. § 14 GSpG) sowie die zur Absicherung erlassene Strafnorm des § 166 StGB und § 52 GSpG beschränken die unionsrechtlich garantierte Dienstleistungs- (Art. 56 AEUV) sowie Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV). Zu dieser Auffassung ist mittlerweile auch der größte Teil des einschlägigen Schrifttums gelangt.

 

Siehe Griller/Reindl, Unvereinbarkeit des österreichischen Glücksspielgesetzes mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht, ZfV 1998, 234 ff.; Schwarte, Glücksspielmonopol mit Ablaufdatum, ecolex 1999, 582 ff. (584); Streit, Glücksspiel ohne Grenzen im Binnenmarkt?, MR 1999, 360 ff.; Wohlfahrt, Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel, ecolex 2000, 166 ff. (167 f.); Leidenmühler/Plöckinger, Grenzüberschreitende Internet-Glücksspiele, ÖJZ 2006, 842 ff. (848); FaffelB, Österreichisches Glücksspielgesetz europarechts­konform?, ÖJZ 2008, 847 ff, (849); Leidenmühler, Internet-Glücksspiel und Dienstleistungsfreiheit nach 'Liga Portuguesa' - Weiterhin viele offene Fragen, EuLF 2010, 11-1 ff.; ders.. Das 'Engelmann'-Urteil des EuGH - Rien ne va plus für das österreichische Glücksspielgesetz, MR 2010, 247 ff.; BarbistPinggera, Zur Zulässigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols, EuZW 2010, 285 f.; Tafos/Stadler, EuGH kippt österreichisches Glücksspielmonopol, ecolex 2010, 1006 ff.; Koppensteiner, Der EuGH und das Glücksspiel, RdW 2011, 134 ff.; Leidenmühler, EuGH-Urteil Dickinger und Ömer; Neues zum Online-Glücksspiel, MR 2011, 243 ff.; Aquilina/Arzt, Der Kampf um den Glücksspielmarkt geht in die nächste Runde, ecolex 2011, 1070 ff. (1072); Kohl, Straflosigkeit von konzessionslosem Glücksspiel?, ZfV 2011, 756 ff.

 

Auch immer mehr Gerichte kommen mittlerweile zum Ergebnis der Unionsrechtswidrigkeit der österreichischen Glücksspielregelungen.

 

Siehe z.B. LG Korneuburg 8.6.2007, 2 Cg 81/07 y; HG Wien 11.7.2007, 17 Cg 37/07 h-4; LG Ried 14.3.2011, 22 Bl 33/08 d; LG Linz 22.3.2012, 1 Cg 190/11 y-14; LG Ried 23.4.2012, 22 Bl 13/12 v; LG Ried 23.7.2012, 22 Bl 29/12x.

 

Und zuletzt hat der EuGH in seiner Entscheidung in der Rs. Dickinger und Ömer hinsichtlich der österreichischen Rechtslage festgestellt:

 

'41. Eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die des Ausgangsverfahrens, die die Veranstaltung und die Förderung von Glücksspielen einer Ausschließlichkeitsregelung zugunsten eines einzigen Anbieters unterwirft und es allen anderen - auch den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen - Anbietern untersagt, im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats von dieser Regelung erfasste Dienstleistungen über das Internet anzubieten, stellt eine Beschränkung des in Art. [56 ABU V] verbürgten freien Dienstleistungsverkehrs dar'

 

Eine Regelung wie die österreichische, 'die die Veranstaltung und die Förderung von Glücksspielen einer Ausschließlichkeitsregelung zugunsten eines einzigen Anbieters unterwirft und es allen anderen - auch den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen - Anbietern untersagt, im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats von dieser Regelung erfasste Leistungen anzubieten' beschränkt nicht nur den freien Dienstleistungsverkehr, wie vom EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer ausdrücklich festgestellt, sondern auch die Niederlassungsfreiheit jener Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten, die nicht nur - wie die Dienstleistungserbringer - vorübergehend, sondern dauerhaft Leistungen in Österreich anbieten wollen.

 

So ist auch der EuGH schon in seinem Urteil im Fall Engelmann (EuGH, Rs. C-64/08, Engelmann) davon ausgegangen, dass sich die Regelungen des österreichischen GSpG auch an der Niederlassungsfreiheit messen lassen müssen (Rz. 28 u. 32).

 

2.    Beschränkung der Grundfreiheiten nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen zulässig; Ausnahmen zu den Grundfreiheiten sind eng auszulegen

 

Der EuGH gesteht den Mitgliedstaaten in ständiger Rsp. zwar zu, in die Grundfreiheiten des Binnenmarkts, etwa durch Errichtung einer Monopolregelung, einzugreifen, dies aber nur ganz ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen.

 

Siehe EuGH, Rs. C-260/89, ERT. Rz. 24, wonach Ausnahmen zu den Grundfreiheiten immer 'eng auszulegen' sind. Ähnlich EuGH, Rs. C-273/97, Sirdar, Rz, 16: Ausnahmen nur 'in ganz außergewöhnlichen Fällen'.

 

Im Folgenden wird dargelegt, dass derzeit weder die vom EuGH geforderten verfahrensmäßigen Vorgaben (I.), noch die materiellen Voraussetzungen (II.) für eine zulässige Beschränkung der Grundfreiheiten von Anbietern aus anderen Mitglied Staaten erfüllt sind.

 

I. Verfahrensrechtliche Vorgabe des Unionsrechts für die Zulässigkeit einer Monopolregelung im Glücksspielbereich: Nichtdiskriminierung und Transparenz

 

In seinem Urteil im Fall Engelmann hat der EuGH die Kriterien für die Vergabe der Konzessionen im Zusammenhang mit dem österreichischen GSpG klargestellt. Der EuGH weist darauf hin, dass

 

'49. [...] die öffentlichen Stellen, die solche Konzessionen vergeben, [...] die Grundregeln der Verträge, insbesondere Art. [49] und [56 AEUV ...] zu beachten haben'.

 

Aus den betreffenden Bestimmungen über die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit leitet der EuGH ein Diskriminierungsverbot sowie ein Transparenzgebot ab.

Aus diesem Grund hat er die damals gegebene Verpflichtung der Konzessionsinhaber, ihren Sitz im Inland zu haben, als unvereinbar mit der in Art. 49 AEUV gewährleisteten Niederlassungsfreiheit angesehen (Rs. C-64/08, Engelmann, Rz. 32).

 

Außerdem stellte nach Auffassung des EuGH die ohne angemessenen Grad an Öffentlichkeit durchgeführte Vergabe einer Konzession an einen Wirtschaftsteilnehmer, der in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, dem der öffentliche Auftraggeber angehört (die Österreichische Lotterien GmbH), eine Ungleichbehandlung zum Nachteil von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmern dar, die keine reale Möglichkeit hatten, ihr Interesse an der fraglichen Konzession zu bekunden. Eine derartige Ungleichbehandlung verstößt laut EuGH daher gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und stellt eine (mittelbare) Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, die nach den Art. 49 und 56 AEUV verboten ist.

 

Siehe EuGH, Rs. C-64/08, Engelmann, Rz. 43, 51 u. 58. Zum Transparenzgebot vgl. Stadter/Aquilina, Der unionsrechtliche Transparenzgrundsatz im Glücksspiel, ecolex2010, 813 ff.

 

Ob mit der im Jahr 2011 auf Basis der GSpG-Novelle 2011 (BGBl. I Nr. 111/2010) durchgeführten Neuvergabe der Konzession für Ausspielungen gem. § 14 GSpG den Anforderungen des EuGH an ein nicht-diskriminierendes und transparentes Verfahren tatsächlich Genüge getan wurde, ist zu bezweifeln (Verfahren vor dem VfGH laufen). Die vom EuGH im Urteil Engelmann festgestellten Unionsrechtswidrigkeiten wurden immer noch nicht beseitigt.

 

Zwar wurde das Sitzerfordernis für die Ausspielungskonzession derart abgeändert, dass ein Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausreichend wäre, allerdings nur, wenn der potentielle Konzessionär auch im anderen Mitgliedsstaat, in dem er niedergelassen ist, über eine 'vergleichbare Lizenz' verfügt. Andernfalls muss der Konzessionär, im Fall einer erfolgreichen Bewerbung, eine Niederlassung in Österreich gründen. Die Erläuternden Bemerkungen des Ministerialentwurfs (zu den §§ 14 und 21 GSpG) führen weiters aus, dass es die Pflicht der Bewerber (!), die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, ist, den Nachweis der Vergleichbarkeit der Konzessionen sowie eine Erklärung der ausländischen Glücksspielaufsichtsbehörde zur Bereitschaft zur Verwaltungszusammenarbeit mit den österreichischen Behörden beizubringen.

 

Diese Änderungen durch die GSpG-Novelle 2011, auf deren Grundlage das Vergabeverfahren für die Ausspielungskonzession durchgeführt wurde, diskriminieren Konzessionswerber aus anderen Mitgliedstaaten weiterhin, weil es für Konzessionswerber aus Österreich ausreicht, einen Sitz im Inland zu haben, während Interessenten aus anderen Mitgliedstaaten zahlreiche Hürden zu absolvieren haben: Selbst mit einem Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat muss eine vergleichbare Lizenz in diesem Mitgliedstaat nachgewiesen und die Erklärung der dortigen Behörde beigebracht werden, während ein österreichischer Bewerber keines von beidem vorweisen muss. Darüber hinaus lässt die Bestimmung 'vergleichbare Aufsicht und Kontrolle im Ausland' der österreichischen Behörde einen allzu weiten Ermessensspielraum. Eine Erklärung seitens der ausländischen Glücksspielbehörde, die der Bewerber einholen muss, ist nicht rechtfertigbar. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist es die Pflicht der österreichischen Behörden (und nicht des Bewerbers), die Verwaltungszusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden aufrecht zu erhalten.

 

Zudem war die Vergabe der Ausspielungslizenz an Kriterien geknüpft, die auf den bisherigen Konzessionsinhaber, die x GmbH zugeschnitten waren (Mindestkapital, Namensaktien, Verbot von Filialbetrieben außerhalb Österreichs, Bestellung eines Staatskommissärs usw.) und über das zur Zielerreichung erforderliche hinausgehen und daher mit der Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar sind.

 

Siehe Talos/Stadler, EuGH kippt österreichisches Glücksspielmonopol, ecolex 2010, 1006 ff- (1007}; Leidenmühler, Internet-Glücksspiel und Dienstleistungsfreiheit nach 'Liga Portuguesa' -Weiterhin viele offene Fragen, EuLF 2010, 11-1 ff. (4); Kattinger, Als ob Casinos Austria ausgeschrieben hätte, NZZ v.27.12.2011.

 

Dies führt zum Ergebnis, dass das GSpG selbst nach den Novellierungen 2011 weiterhin nicht unionsrechtskonform ausgestaltet ist und die Konzessionsvergabe an die x GmbH nicht in einem den Anforderungen des Unionsrechts genügenden Verfahren erfolgt ist.

 

Eingehend Stadler/Aquiline, Das Engelmann-Urteil und seine Auswirkungen auf Österreich, TIME Law News 05/2010,10 ff. (15 t),

 

In einem ähnlich gelagerten Fall hat der EuGH am 16.2.2012 im Urteil Costa und Cifone (verb. Rs. C-72/10 u. C-77/10) verlangt, dass im Falle einer Neuausschreibung einer Konzession die Geschäftspositionen des bisherigen Inhabers nicht geschützt werden dürfen:

 

'53. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die von den bestehenden Betreibern erworbenen Geschäftspositionen durch innerstaatliche Rechtsvorschriften geschützt werden. Bereits der Umstand, dass die bestehenden Betreiber einige Jahre früher als die rechtswidrig ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer ihre Tätigkeit aufnehmen und sich auf dem Markt mit einer gewissen Bekanntheit und Stammkunden etablieren konnten, verschafft ihnen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil. Ihnen gegenüber den neuen Konzessionären zusätzliche Wettbewerbsvorteile einzuräumen, hat zur Folge, dass die Wirkungen des rechtswidrigen Ausschlusses dieser neuen Konzessionäre [...] aufrechterhalten und verstärkt werden, und stellt damit eine weitere Verletzung der Art. [49 u. 56 AEUV]' sowie des Grundsatzes der Gleichbehandlung dar. Eine solche Maßnahme erschwert auch rechtswidrig von der Ausschreibung [...] ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmern übermäßig die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte, so dass sie nicht dem Effektivitätsgrundsatz genügt.'

 

Damit gilt auch bis auf weiteres die vom EuGH im Engelmann-Urteil - sowie zuvor schon in den Fällen Placanica (verb. Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Placanica u.a., Hz. 69) und Stoß (verb. Rs. C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07, Markus Stoß u.a., Rz. 115) -getroffene Feststellung, wonach keine Bestrafung wegen Nichterfüllung einer Verwaltungsformalität erfolgen darf, wenn die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt wurde.

 

'Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat [...].'

 

Diese Rechtslage dauert so lange an, bis in einem tatsächlich diskriminierungsfreien Verfahren eine unionsrechtskonforme Konzessionsvergabe erfolgt ist.

 

Siehe Leidenmühler, Das 'Engelmann'-Urteil des EuGH - Rien ne va plus für das österreichische Glücksspielgesetz, MR 2010, 247 ff. (249); Stoiber, Tore für Glücksspiel weit offen, SN v. 28.9.2010, 14; Strejcek, Glücksspiel ohne Konzession gehört entkriminalisiert, Der Standard v. 13.10.2010; Koppensteiner, Der EuGH und das Glücksspiel, RdW 2011, 134 ff.

 

II.   Materielle Vorgabe des Unionsrechts für die Zulässigkeit eines Monopols im Glücksspielbereich: Kohärenz

 

In seinem Urteil in der Rs. Dickinger und Ömer (Rs. C-347/09), hat der EuGH seine Judikatur zu den Voraussetzungen für die Errichtung eines Glücksspielmonopols präzisiert. Der EuGH geht dabei speziell auf die österreichischen rechtlichen und faktischen Gegebenheiten ein und knüpft die Kohärenz und damit die Zulässigkeit eines Monopols als Eingriff in die Grundfreiheiten des Unionsrechts an drei kumulative Voraussetzungen.

 

Liegen diese nicht vor, so können die betreffenden Regelungen jenen Unternehmen, die sich auf die Grundfreiheiten des Unionsrechts stützen können ( - sei es direkt, sei es aufgrund des innerstaatlich normierten Gleichheitssatzes - ) nicht entgegengehalten werden - die gesamte Monopolregelung ist unanwendbar (Rz. 40 ff.)!

 

Der Ausgangssachverhalt im Fall Dickinger und Ömer hat die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs betroffen. Der EuGH hat dies aber zum Anlass genommen, sich ganz allgemein mit der unionsrechtlichen Zulässigkeit einer Monopolregelung im Glücksspielbereich auseinanderzusetzen, sodass diese Kriterien unverändert auf die Zulässigkeit von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit übertragen werden können.

 

Die Beweislast für die ausnahmsweise Zulässigkeit der Beschränkung der Grundfreiheiten durch eine monopolistische Regelung trägt dabei die Republik Österreich (EuGH, Rs. Dickinger und Ömer, Rz. 54).

 

Im Detail verlangt der EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer, dass zur Beurteilung ihrer   ausnahmsweisen   unionsrechtlichen   Zulässigkeit   die   österreichische

 

Monopolregelung hinsichtlich Ausspielungen ganz streng auf folgende drei (kumulativ zu bejahende) Fragen zu prüfen ist:

 

1.        Kann der Nachweis geführt werden, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht in Österreich tatsächlich ein Problem dargestellt haben und nur eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können?

 

2.        Zum zweiten ist der Nachweis zu führen, dass die Geschäftspolitik des Konzessionärs - und insbesondere seine Werbeaktivitäten - maßvoll und begrenzt sind. Dies, so der EuGH, ist z.B. dann nicht der Fall, wenn 'verführerisch bedeutende Gewinne in Aussicht' gestellt werden.

 

3.        Zum dritten muss das Gesamtsystem der innerstaatlichen Glücksspielregelungen den Vorgaben des EuGH hinsichtlich seiner Kohärenz genügen.

 

Den mit der Frage der unionsrechtlichen Zulässigkeit des österreichischen Glücksspielregelungen im Einzelnen befassten Gerichten und Behörden wird damit vom EuGH eine ganze Reihe umfangreicher empirischer Feststellungen sowie rechtlicher Würdigungen aufgetragen.

 

Vgl. Leidenmühler, EuGH-Urteil Dickinger und Ömer: Neues zum Online-Glücksspiel, MR 2011, 243 ff. (244).

 

Liegen diese drei Voraussetzungen nicht kumulativ vor, so ist laut EuGH die gesamte Monopolregelung nicht unionsrechtskonform und kann daher (inklusive der entsprechenden Strafbestimmung des § 168 StGB sowie der entsprechenden verwaltungsstrafrechtlichen Regelungen) wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht mehr angewendet werden:

 

'43. Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist zunächst festzustellen, dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine in einem Mitgliedstaat erlassene Monopolregelung im Glücksspielbereich nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit [dem Unionsrecht] nicht vereinbar ist'.

 

Die Beweislast trifft dabei nicht nur aufgrund der in Art. 6 Abs. 2 EMRK grundgelegten Unschuldsvermutung in allen Punkten die Republik Österreich. Der EuGH hat in der Rs. Dickinger und Ömer auch auf seine ständige Rsp. hingewiesen, wonach die Rechtfertigungslast für einen Eingriff in eine unionsrechtliche Grundfreiheit generell und jedenfalls beim Mitgliedstaat liegt, der ausnahmsweise eine Beschränkung dieser Garantien vornehmen will (Rz. 54).

 

1.    Erste Voraussetzung: Kriminelle Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Spiel müssen ein Problem darstellen

 

Zum ersten hält der EuGH im Urteil Dickinger und Ömer fest, dass die Monopolregelung nur dann eine Beschränkung der Grundfreiheiten eines Anbieters aus einem anderen EU-Mitgliedstaat rechtfertigen kann, wenn es der Republik Österreich, gelingt (Beweislast!), den Nachweis zu führen, dass im entscheidungserheblichen Zeitraum kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht in Österreich tatsächlich ein Problem dargestellt haben ('erheblicher Umfang der rechtswidrigen Tätigkeiten'; vgl. Rz. 67) und nur eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können:

 

'66. Im Rahmen dieser Prüfung hat das vorlegende Gericht insbesondere zu untersuchen, ob im entscheidungserheblichen Zeitraum die kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht in Österreich ein Problem waren und eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können'.

 

2.    Zweite Voraussetzung: Geschäftspolitik und Werbeverhalten des Monopolisten müssen maßvoll und begrenzt sein

 

Zum zweiten stellt der EuGH wie schon bisher in ständiger Rsp. fest, dass für die Rechtmäßigkeit eines Monopols die vom Inhaber des Monopols verfolgte Geschäftspolitik besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich ihres kohärenten und systematischen Charakters erfordert. Dabei wird das vorlegende Gericht vom EuGH aufgefordert, zu prüfen, ob die staatlichen Kontrollen über die Tätigkeit des Monopolinhabers gewährleisten können, dass dieser tatsächlich in der Lage ist, die geltend gemachten Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen.

 

'57. Das vorlegende Gericht wird folglich u. a. unter Berücksichtigung der Entwicklung des Glücksspielmarkts in Österreich prüfen müssen, ob die staatlichen Kontrollen über die Tätigkeit des Inhabers des Monopols gewährleisten können, dass dieser tatsächlich in der Lage sein wird, die geltend gemachten Ziele mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieser Ziele quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen'.

 

Vor allem erwartet der EuGH von der Republik Österreich, den Beweis zu führen, dass die Geschäftspolitik des Konzessionärs, insbesondere seine Werbeaktivitäten, maßvoll und begrenzt sind, und nicht etwa 'verführerisch bedeutende Gewinne in Aussicht stellen' und damit auf das Wachstum des gesamten Marktes an Spieltätigkeiten abzielen.

 

Insgesamt weist der EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer mit einer bislang nicht da gewesenen Deutlichkeit darauf hin, dass eine von intensivem Werbeaufwand begleitete expansionistische, sich an die Allgemeinheit wendende Politik des Monopolisten unzulässig ist. Dass die Werbepolitik der x GmbH aber genau diesen - wie wir nun wissen unzulässigen - expansionistischen Charakter aufweist, hat schon das BG Linz in seinem Vorlageantrag im Fall Dickinger und Ömer vom 10.4.2009 (GZ. 19 U 65/07z) festgehalten (Vorlagefrage 1 .b); siehe dazu EuGH, Rs, Dickinger und Ömer, Rz. 59).

 

Und tatsächlich liegt es klar auf der Hand, dass die von intensivem Werbeaufwand begleitete expansionistische Politik des Monopolisten (x GmbH und x AG können aufgrund der wechselseitigen Beteiligungsverflechtungen hier durchaus als Einheit betrachtet werden) den vom EuGH geforderten Schutz der Verbraucher vor einem Anreiz zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen geradezu konterkariert.

 

Nach den eindeutigen Vorgaben des EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer darf die Werbung des Konzessionsinhabers nämlich keinesfalls

 

'[68] darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen'.

 

Der EuGH erlaubt damit nur Strategien des Monopolinhabers, die die am Markt vorhandenen Kunden über die Existenz der Produkte informieren sollen. Jene Strategien dagegen, die zu aktiver Teilnahme an Glücksspielen auffordern und anregen, die also auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten abzielen, sind strikt untersagt, wenn das Monopol unionsrechtskonform sein will (EuGH, Rs. Dickinger und Ömer, Rz. 69). Erfüllt der Konzessionsinhaber diese Voraussetzungen nicht, ist die gesamte Monopolregelung nicht unionsrechtskonform und kann wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht mehr angewendet werden (EuGH, Rs. Dickinger und Ömer, Rz. 43).

 

Dies wurde jüngst auch von GA x in den Schlussanträgen vom 20.09.2012 zu den verbundenen Rechtssachen C-186/11 William Hill und C-209/11 Sportingbet Plc festgestellt!

 

Die Marktpolitik der Konzessionsinhaber x GmbH und x AG erfüllt geradezu mustergültig alle vom EuGH aufgestellten Kriterien, wie das Marktverhalten des Monopolisten gerade NICHT sein darf:

 

a.        Anregung zur aktiven Teilnahme am Spiel

 

In zahlreichen Werbekampagnen erfolgt eine Anregung zur aktiven Teilnahme am Spiel. So stehen die x GmbH/ x AG bei den Werbeausgaben in Österreich an 7. Stelle (35,5 Mio Euro; x 2010). Regelmäßig erfolgen ganzseitige Einschaltungen in sämtlichen Tagesmedien.

 

Eine neue Video-Kampagne (ausgestrahlt im TV und im Internet) für die Internet-Plattform x ('Das Glück ist, wo Sie sind') zielt darauf ab, Menschen aus tristen oder belastenden Alltagssituationen in eine bunte Welt der Online-Spiele abtauchen zu lassen.

 

Durch die Kooperation mit dem x, z.B. durch Ausstrahlung der Lottoziehungen oder der Sendung 'Money Maker' (öffentliche Lottoziehungen im Vorabendprogramm wurden    übrigens von deutschen Gerichten aus Kohärenzgründen schon als EU-widrig angesehen - vgl. OVG Münster, 29.9.2011, Az. 4 A 17/08) wird eine große Reichweite erzielt.

 

Weiters dienen Werbekampagnen wie z.B. für die Produkte 'Magic Money', 'Lucky Joker' oder 'Cherry Star' eindeutig der Anregung zur aktiven Teilnahme am Spiel.

 

Ein weiterer Beleg für die Strategie, das Glücksspiel 'massentauglich' zu machen; ist der über die Post abgewickelte Verkauf von Briefmarken zu € 1,45 mit dem Motiv '25 Jahre Lotto'. Oberhalb der Marke befindet sich ein Barcode, den man in der Trafik für einen Lotto-Gratistipp einlösen kann.

 

Beweis:     Einschaltung 'Ihre Glücksseite' in der Tageszeitung Österreich;

              Werbebeispiel für das Produkt 'Lucky Joker' (Beilage ./I),

 

b.        Dem Spielen als solchem wird ein positives Image zugeschrieben

 

Werbebotschaften wie z.B. 'Gewinnen macht schön' oder 'Das Glück steht Ihnen gut' schreiben dem Spielen als solchem definitiv ein positives Image zu. Auch Slogans wie 'Gewinne Ruhm für die Ewigkeit!' beim Hörsaal-Poker oder 'Lotto sichert Ihre Pension' belegen das Spielen um 'Ruhm' oder um die Altersversorgung positiv.

 

Bildliche Verknüpfungen mit erfreulichen Ereignissen (z.B. Hochzeit) konnotieren das Spielen ebenfalls positiv.

 

Zudem wird durch das Suggerieren der vermeintlichen gemeinnützigen Ver­wendung der Erlöse der x GmbH/ x AG (z.B. Unterstützung des Wiener Burgtheaters) dem Spielen ein positives Image zugeschrieben ('Ein Gewinn für die Kultur' und 'Gut für Österreich')

 

Beweis:     Annoncen 'Gewinnen macht schön'; 'Das Glück steht Ihnen gut';

                  'Hörsaal-Poker' (Beilage ./II);

                  Annonce 'Brautpaar' (Beilage ./III);

                  Anzeige im Burgtheatermagazin 'Ein Gewinn für die Kultur!' (Beilage ./IV);

 

c.        Bedeutende Gewinne werden verführerisch in Aussicht gestellt

 

Im Rahmen der 'Euro-Millionen' werden Gewinne bis zu 120 Millionen Euro (I) in Aussicht gestellt; Zeitungswerbung '10 Millionen Euro an einem Tag'; Einschaltung mit Sujets wie 'Automatisch Millionär werden; Millionär auf Knopfdruck mit MegaMillion'; permanent werden millionenschwere 'Lotto-Jackpots' beworben.

 

Beweis:    Einschaltungen 'Euro-Millionen' (Beilage ./V);

 

d.    Neue Zielgruppen werden zum Spielen animiert

 

Durch das Ansprechen neuer Zielgruppen (insbesondere Frauen und junge Menschen der 'Generation Facebook') wird versucht, den Markt für Spiele insgesamt zu erweitern.

 

aa)      Frauen

Die Werbelinie 'Diamantenfieber' im Jahr 2009 sollte Frauen zum 'Damentag' in die Casinos locken; im Jahr 2010 war eine Muttertagswerbeaktion für einen Casino-Besuch gezielt auf Frauen als neue Zielgruppe ausgerichtet, Erklärungen in den Annoncen ('Wie funktioniert Roulette?'; 'Wie funktioniert Poker?') belegen explizit, dass von diesen Werbungen neue Zielgruppen angesprochen werden sollen und damit der Markt für Glücksspiel insgesamt erweitert werden soll, da dem bestehenden Publikum die Regeln dieser populärsten Spiele sicherlich bekannt sind. Kommt hinzu, dass solche Einschaltungen, mit denen etwa das Funktionieren von Roulette erklärt wird, durchaus geeignet sind, die Adressaten dieser Einschaltung (im Fall der gegebenen Annonce: Frauen) herabzuwürdigen, da ihnen derlei fundamentale Kenntnisse nicht zugetraut werden.

 

Beweis:    Annoncen 'Damentag'; 'Diamantenfieber' (Beilage ./VI);

 

bb)      'Generation Facebook'

 

Jugendliche Internet-Benutzer wiederum sollen beispielsweise durch die an das populäre Facebook-Spiel 'Farmville' angelehnte Internet-Slotmaschine 'Farmwin' angesprochen werden. Mit dem Unterschied, dass im Gegensatz zum ohne Einsatz zu spielenden Facebook-Spiel 'Farmville' bei der Variante auf win2day.at pro Spiel ein Einsatz von bis zu € 15 möglich ist.

Viele andere Spiele (z.B. 'Pinguin Splash - die coole Slot'! oder 'Panda') sprechen in Stil und Bewerbung jugendliches Zielpublikum an.

 

Eines der jüngsten Produkte, das ebenfalls durch graphischen Auftritt und Bedienweise vorrangig auf die 'Generation Facebook' ausgerichtet Ist, ist die Multi-line-Slotmaschine 'Robbie Rich', die in jugendlichem Design speziell zum Spielen unterwegs mit iPhone oder Android ausgelegt ist: Im Werbetext auf der Homepage win2day.at heißt es dazu: 'Damit Sie Robbie Rich immer griffbereit haben, können Sie das Spiel direkt auf Ihr Handy laden'. Das Spiel wird weiters mit dem Slogan 'Unterwegs abtauchen mit Robbie Rich' beworben. Pro Spiel ist ein Einsatz von bis zu 15 € möglich.

 

In Richtung junges Zielpublikum geht schließlich auch die Einrichtung einer eigene x -Facebook-Seite

 

Beweis:  Werbung Internet-Spiele 'Farmwin'; 'Robbie Rich' (Beilage ./VII).

 

cc)      Stylisches und selbstbewusstes Zielpublikum

 

Nach Eigenangaben soll schließlich durch eine neue 'stylische' Werbelinie im Internetauftritt auch der moderne, selbstbewusste Gast angesprochen werden. So heißt es im Subtext eines Werbevideos auf 'Youtube.com':

 

'Start der neuen Werbelinie Stylish, modern und zeitgemäß — die neue Kampagne von x inszeniert das 'Erlebnis Casino' aus einem neuen Blickwinkel. Der neue Auftritt - kreiert und umgesetzt von der Agentur 'Löwe GGK' -stellt dabei den modernen, selbstbewussten Gast ins Zentrum der Kommunikation, setzt das Erlebnis gekonnt in Szene und verleiht den x einen neuen, stilsicheren Auftritt. Gespielt wird bei den Sujets mit Headlines in Dialogform wie etwa 'Sie sind ein Glückskind? Beweisen Sie es!' die mit Augenzwinkern und einer stylischen Bildsprache das Flair der Casinos wiederspiegelt'.

 

Beweis:  Video mit Subtext auf Youtube:

               www.youtube.com/watch?v=WiQNFBIoQJU: hochgeladen von casagTV am 27.9.2011

 

e.                           Zwischenergebnis

 

Das faktische Verhalten der Konzessionsinhaber x GmbH und x AG widerspricht damit den klaren Vorgaben des EuGH eindeutig und offenkundig. Zu diesem Ergebnis gelangen auch sämtliche bislang publizierten Beiträge zu diesem Thema aus der Wissenschaft.

 

Siehe Aquilina/Arzt, Der Kampf um den Glücksspielmarkt geht in die nächste Runde, ecolex 2011, 1070 ff.; 'Bei der Erfüllung der Kohärenzkriterien scheitert Österreich nach wie vor' (1072); ebenso Leidenmühler, EuGH-Urteil Dickinger und Ömer: Neues zum Online-Glücksspiel, MR 2011,243 ff.

 

Damit steht jedenfalls fest, dass das österreichische Monopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung nicht der klaren, vom EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer vorgegebenen Voraussetzung einer 'maßvollen und begrenzten Werbung des Monopolisten' entspricht und daher unionsrechtswidrig ist

 

Da die betreffende Regelung nicht mit den unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten des Unionsrechts vereinbar ist, kann der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers (sei es eines solchen, der sich direkt auf die Grundfreiheiten des Unionsrechts stützen kann, sei es eines solchen, auf den diese aufgrund des innerstaatlichen Gleichheitssatzes zu übertragen sind) dagegen nach der insoweit klaren Aussage des EuGH nicht zu rechtlichen Sanktionen führen (EuGH, Rs. Dickinger und Ömer, Rz. 43).

 

3.         Dritte   Voraussetzung:   Kohärenz   der   gesamten   staatlichen Glücksspielpolitik

 

Hinzu kommt, dass auch die dritte der vom EuGH geforderten kumulativen Voraussetzungen für die ausnahmsweise Beschränkung der Grundfreiheiten durch ein Glücksspielmonopol nicht vorliegt: nämlich die Kohärenz der staatlichen Glücksspielpolitik insgesamt.

 

Denn nach der ständigen Rsp. des EuGH können Beschränkungen des Binnenmarktes im Bereich des Glücksspiels, wie sie etwa aus einem Konzessions- ­oder Monopolsystem resümieren, nur dann gerechtfertigt werden, wenn sie geeignet sind, die geltend gemachten Ziele, etwa der Ordnungspolitik und des Verbraucherschutzes, 'in einer kohärenten und systematischen Weise' zu erreichen (Rs. Dickinger und Ömer, Rz. 56).

 

In zahlreichen Urteilen (z.B. EuGH, Rs. C-46/08, Carmen Media Group) hat der EuGH die Anforderungen an die Gesamtkohärenz präzisiert. Muss demnach festgestellt werden, dass

'71. [-][a] andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen, als auch [b], dass in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren, [so kann] das nationale Gericht berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben [...], dass ein solches Monopol nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.'

 

In ersten Äußerungen im Schrifttum wird festgestellt, dass es angesichts seiner konkreten Anwendungsmodalitäten dem österreichischen rechtlichen Rahmen im Glücksspielsektor jedenfalls an der vom EuGH geforderten Kohärenz mangelt.

 

Tafos/Stadler, EuGH kippt österreichisches Glücksspielmonopol, ecolex 2010, 1006 ff. (1007 f.). Siehe zum Kohärenzerfordernis weiters Lippert, Das Kohärenzerfordernis des EuGH, EuR 2012, 90 ff.

 

Der Grund liegt darin, dass die Normierung des Glücksspielsektors im weiteren Sinne ein erhebliches Maß an Inkonsequenz aufweist, da Glücksspiele mit gleichartigem Gefahrenpotential sowie Sportwetten völlig unterschiedlich reguliert werden. So ist etwa für Spielbanken mittlerweile die Vergabe von 15 Konzessionen an private Unternehmen vorgesehen (§ 21 Abs. 5 GSpG), für Ausspielungen (darunter fallt auch das Internet-Glücksspiel) die Vergabe einer Konzession (§14 GSpG), ebenso kann das Recht zur Durchführung sonstiger Ausspielungen unter bedeutend weniger strengen Auflagen an private Rechtsträger übertragen werden (§§ 32 bis 36 GSpG), weiters ist derzeit noch bis zum Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.2014 das sog. 'kleine Automatenglücksspiel' den Bundesländern zur Regelung überlassen (§ 60 Abs. 25 Z. 2 GSpG) und in vier Ländern zulässig, ebenso die Sportwetten, die in ganz Österreich aufgrund landesgesetzlicher Vorschriften als nur sehr locker reguliertes freies Gewerbe - u.a. auch online - angeboten werden.

 

Diese Inkohärenz ist durch die GSpG-Novellen 2008, 2010 u. 2011, die die Vergabe einer Konzession für einen 'Pokersalon' an einen privaten Bewilligungswerber (§ 22 GSpG) durch den Bundesminister für Finanzen sowie die Vergabe von Bewilligungen für 'Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten' (§ 5 GSpG) durch die Bundesländer neu einführen, weiter verstärkt worden.

 

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass nach den Bestimmungen des österreichischen GSpG die Einnahmen aus dem Glücksspiel grundsätzlich den privaten Anbietern zugutekommen. Ebenso dienen das auf landesgesetzlicher Grundlage angebotene 'kleine Automatenglücksspiel' bzw. die 'Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten' sowie das Sportwettenangebot in erster Linie privater Gewinnerzielung.

 

Dazu kommt die stete Ausweitung des Angebots durch den Konzessionsinhaber, gerade im Bereich des Online-Glücksspiels, verbunden mit einer aggressiven, nahezu omnipräsenten Werbestrategie durch die x GmbH und win2day.

 

Wetters entspricht auch der Spielerschutz, insbesondere der Schutz der Spieler vor übermäßigen Spielausgaben (z.B. durch persönliche Einsatzlimits u.a.) in der Praxis des Konzessionärs (siehe etwa den Fall 'Kartnig') nicht den unionsrechtlichen Anforderungen an ein kohärentes System.

 

Und schließlich enthält das GSpG immer noch eine Reihe von Bestimmungen, die Anbieter aus anderen EU-Mitgliedstaaten unzulässig diskriminieren, wie z.B. die Werbebeschränkungen für Spielbanken aus dem EU-Raum (§ 56 Abs. 2 GSpG), wie kürzlich GA x in den Schlussanträgen zur Rs. C-176/11, Hit Larix, festgestellt hat.

 

4.                 Zwischenergebnis

 

Die vom EuGH präzisierten (kumulativen) Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Beschränkung der Grundfreiheiten von Glücksspielanbietern durch die Republik Österreich liegen allesamt nicht vor, vor allem wegen des in der Rs. Dickinger und Ömer präzisierten Maßstabs, der an das (Werbe)Verhalten des Monopolisten anzulegen ist.

 

Da die Monopolregelung und -praxis des österreichischen Glücksspielgesetzes nicht den Vorgaben der Judikatur des EuGH entspricht und daher unionsrechtswidrig ist, kann sie in Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug sowie auf jene Inlandssachverhalte, wo dies aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes geboten ist, nicht weiter angewendet werden.

 

Vorabentscheidungsurteile des EuGH binden formal zwar nur das vorlegende Gericht (im gegebenen Fall das BG Linz) sowie die mit dem Fall befassten Instanzen; die vom EuGH vorgenommene Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts hat aber durchaus auch Bedeutung für alle anderen mit gleichgelagerten Sachverhalten befassten Gerichte und Behörden.

 

Daher hat auch das LG Linz - soweit ersichtlich das erste Gericht, das seit der EuGH-Entscheidung in der Rs. Dickinger und Ömer mit einem einschlägigen Sachverhalt befasst war-zutreffend ausgeführt (LG Linz 22.3.2012, 1 Cg 19Ö711y - (Beilage ./D) anonymisiert in Kopie beigeschlossen):

 

„In seiner jüngst ergangenen Entscheidung vom 15.09.2011, Rs. C-34 7/09, Dickinger und Ömer, wies der EuGH darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung ein Glücksspielmonopol eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt, eine solche Beschränkung jedoch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, wie dem Ziel, ein besonders hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, gerechtfertigt sein kann. [...]

 

Vor dem Hintergrund der soeben beschriebenen Judikatur des EuGH gilt es nunmehr zu klären, ob im Allgemein Interesse liegende zwingende Gründe bestehen, die das Österreichische Glücksspielmonopol in seiner konkreten rechtlichen Ausgestaltung als adäquat und verhältnismäßig erscheinen lassen. [...]

 

Der Werbeaufwand des Monopolisten ist enorm [...].

 

Unter Heranziehung der Judikatur des EuGH ist festzuhalten, dass die mit dem Glücksspielmonopol einhergehenden Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nicht mit Verbraucher- oder Spielerschutzerwägungen gerechtfertigt werden können. Die (aggressive) Bewerbung der von den Monopolisten angebotenen Glücksspiele zielt vielmehr darauf ab, den Markt auf neue Verbrauchergruppen auszudehnen anstatt einer solchen Ausweitung im Interesse des Verbraucherschutzes entgegenzuwirken. [...]

 

Im Ergebnis hegt das erkennende Gericht daher keinen Zweifel daran, dass das österreichische Glücksspielmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung unionsrechtswidrig ist. Dies bedeutet wiederum, dass die monopolisierenden Bestimmungen der §§ 14, 21 GSpG infolge Widerspruchs gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht verdrängt sind. Die Beklagten sind sohin berechtigt, die gegenständlichen Dienstleistungen in Österreich anzubieten[...].

 

Der Einwand [...], wonach die Beklagten nicht berechtigt seien, das Roulettespiel in Österreich über das Internet anzubieten, da sie keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz hätten, geht sohin ins Leere, da dieser Umstand nur dann relevant wäre, wenn gar keine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit vorliegen würde.'

 

III.       Konsequenzen

 

Die Monopolregelung und -praxis des österreichischen Glücksspielgesetzes entsprechen nicht den Vorgaben der Judikatur des EuGH für eine zulässige Beschränkung der Grundfreiheiten durch eine Monopolregelung und sind daher unionsrechtswidrig. Aus diesem Grunde ist die gesamte Monopolregelung des GSpG derzeit infolge Widerspruchs gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht verdrängt (Vorrang des EU-Rechts) und kann in Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug wie im Falle der Erst- und Dritteinschreiterin nicht weiter angewendet werden.

 

Gleiches gilt aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes auch für reine Inlandssachverhalte wie im Falle der Zweiteinschreiterin.

 

Das hat eine Reihe von Konsequenzen:

 

          Keine (gerichtliche) Strafbarkeit gem. § 168 StGB

 

Die Unanwendbarkeit der Monopolbestimmungen muss laut EuGH auch auf die das Monopol absichernde Strafvorschrift des § 168 StGB sowie auf die diversen verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmungen durchschlagen. Der EuGH hält in der Rs. Dickinger und Ömer dazu in aller Klarheit fest: 'Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist festzustellen, dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine in einem Mitgliedstaat erlassene Monopolregelung im Glücksspielbereich nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung [i.e. die Monopolregelung] mit Art. [49 AEUV] nicht vereinbar ist'

 

          Keine Verwaltungsstrafen gem. § 52 GSpG

 

Die vom EuGH geforderte Straflosigkeit umfasst auch verwaltungsstrafrechtliche Bestimmungen.

 

          Keine Beschlagnahmen (§ 53 GSpG) und Einziehungen (§ 54 GSpG)

 

Da die unionsrechtswidrige Monopolregelung als solche gegenüber jenen Anbietern aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die ihre Grundfreiheiten in Anspruch nehmen (sowie aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes auch für vergleichbare Inlandssachverhalte), nicht zur Anwendung gebracht werden darf, ist auch eine Beschlagnahme aus den Gründen der § 53 iVm. § 52 Abs. 1 Z, 1, 2, 6 und 9 nicht zulässig. Selbiges gilt für (anschließende) Einziehungen iSv. § 54 GSpG.

 

IV. Zusammenfassung

 

·                   Ein Mitgliedstaat, der ausnahmsweise in diese Freiheiten eingreifen will, braucht dafür einen Rechtfertigungsgrund und trägt die Beweislast der Verhältnismäßigkeit und Kohärenz seines Eingriffs.

 

·                   Die vom EuGH präzisierten (kumulativen) Voraussetzungen für eine solche ausnahmsweise Beschränkung der Grundfreiheiten durch die Republik Österreich liegen allesamt nicht vor, vor allem wegen des in der Rs. Dickinger und Ömer präzisierten Maßstabs, der an das (Werbe)Verhalten des Monopolisten anzulegen ist.

 

·                   Da die Monopolregelung und -praxis des österreichischen Glücksspielgesetzes nicht den Vorgaben der Judikatur des EuGH entspricht und daher unionsrechtswidrig ist, darf sie jedenfalls in Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug nicht weiter angewendet werden (Vorrang der unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten des Unionsrechts). Sie kann daher Wirtschaftsteilnehmern aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die ihrer Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen, nicht entgegengehalten werden. Gleiches gilt aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes auch für vergleichbare Inlandssachverhalte, da dieser nach ständiger Judikatur des VfGH im gegebenen Fall vorschreibt, dass inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitglied Staats in der gleichen Lage kraft Unionsrechts zustünden.

 

·                   Die durch das österreichische Glücksspielrecht normierten Einschränkungen sind damit unwirksam.

 

·                   Das schlägt u.a, auch auf die das Monopol absichernde Strafvorschrift des § 168 StGB sowie auf die diversen Verwaltungssanktionen (Strafbestimmungen, Beschlagnahmen, Einziehungen gem. §§ 52 ff. GSpG) durch.

 

B) Zur Unanwendbarkeit der Beschlagnahmeregelungen des Glücksspielgesetzes (GSpG), BGBl. 620/1989 idF BGBl. 69/2012 ist - Univ.Prof. Dr. Franz Leidenmühler und Ass.Prof. Dr. Michael Mayrhofer, Johannes Kepler Universität Linz, folgend - insbesondere auszuführen:

 

I. Rechtslage

Die Behörde darf die Beschlagnahme von Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, gemäß § 53 Abs. 1 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl 620/1989 idF BGBl 169/2012, anordnen, wenn

 

'1. der Verdacht besteht, dass

a) mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder[...]

 

2. fortgesetzt oder wiederholt mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen gemäß Z 1 lit. a gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird[...].'

 

Zufolge Abs. 2 können die

'Organe der öffentlichen Aufsicht [...] die in Abs. 1 genannten Gegenstände auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, dass die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 nicht fortgesetzt begangen oder wiederholt werden. [...]'.

 

Nach dem jeweils verwiesenen § 52 Abs. 1 GSpG sind Übertretungen des GSpG, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes (§ 3 GSpG) eingegriffen wird, sanktioniert. Eine Beschlagnahme nach § 53 Abs. 1 oder 2 GSpG ist auch dann zulässig, wenn eine Strafbarkeit nach § 168 StGB vorliegen und sohin eine Anwendung des insofern bloß subsidiären § 52 Abs. 1 GSpG ausscheiden sollte (§ 52 Abs 2 GSpG; VwGH 207.2011, 2011/17/0097; 16.11.2011, 2011/17/0226; VfGH 14.6.2012, G 4/12, Rz. 26, 31). Erst sobald die ausschließliche Gerichtszuständigkeit feststeht, kommt eine verwaltungsbehördliche Sicherungsmaßnahme nicht mehr in Betracht (VfGH 14.6.2012, G 4/12, Rz. 31). In diesem Fall ist eine Sicherstellung von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen (§ 110 StPO).

 

Die Beschlagnahme setzt sohin den Verdacht des (fortgesetzten) Verstoßes mit Glücksspielautomaten (oder sonstigen Eingriffsgegenständen) gegen Bestimmungen des Glücksspielstrafrechts, namentlich gegen eine verwaltungsstrafrechtliche Bestimmung des § 52 Abs, 1 GSpG oder gegen kriminalstrafrechtliche Bestimmung des § 168 StGB voraus. Sie steht - als typische Sicherungsmaßnahme - damit in einem untrennbaren normativen Zusammenhang mit dem Glücksspielstrafrecht (siehe in diesem Sinne zu § 39 VStG zB VwGH 23.7.2009, 2007/05/0184). Das Glücksspielstrafrecht wiederum dient der Sicherung des Glücksspielmonopols des Bundes gemäß § 3 GSpG.

 

Im diesem Sinn führt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes (UVS ) in einem Vorlageantrag an den EuGH vom 10.8.2012, VWSen-740121/2/Gf/Rt ua„ zutreffend das Folgende aus:

 

'Mit dieser behördlichen Strafkompetenz sind zugleich umfassende behördliche Sicherungsbefugnisse - bzw. aus der Sicht der über die Glücksspielautomaten Verfügungsberechtigten: umfassende Eingriffsbefugnisse der Behörde - verbunden, um - auch bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem die anfällige Strafbarkeit einer Handlung noch in keiner Weise feststeht - weitere Verletzungen des Glückspielmonopols i.S.d. § 3 GSpG hintanhalten zu können, nämlich die Befugnis zur vorläufigen und dauerhaften Beschlagnahme von Glücksspielautomaten und sonstigen Eingriffsgegenständen (§ 53 Abs. 1 und 2 GSpG) sowie deren Einziehung und nachfolgende Vernichtung (§ 54 Abs. 1 und 3 GSpG) und schließlich die Befugnis zur Betriebsschließung (§ 56a GSpG).'

 

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 und 2 GSpG in einem akzessorischen Verhältnis zu den glücksspielstrafrechtlichen Bestimmungen des GSpG und des StGB steht. Die unions- und verfassungsrechtliche Beurteilung des Glücksspielstrafrechts schlägt daher auf die unions- und verfassungsrechtliche Beurteilung der Beschlagnahme durch.

 

II. Unanwendbarkeit der Regelungen über die Beschlagnahme

 

A.  Die Rechtmäßigkeit einer Beschlagnahme gemäß § 53 GSpG hängt nach dem Gesagten zwingend von der Anwendbarkeit der glücksspielstrafrechtlichen Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG sowie des § 168 StGB ab. Scheidet die Anwendung letzterer wegen Unionsrechtswidrigkeit aus, kommt eine Beschlagnahme einerseits wegen des akzessorischen Charakters dieser Sicherungsmaßnahen nicht in Betracht, weil nicht einmal ein 'Verdacht' einer Verwaltungsübertretung (§ 53 Abs. 1 GSpG) bzw einer gerichtlich strafbaren Handlung vorliegen kann. Andererseits verbietet sich eine Beschlagnahme schon aufgrund des Unionsrechts.

 

Das hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 20.7.2011, 2011/17/0097, (diesem folgend etwa UVS Wien 22.8.2012, UVS-02/11/6846/2012 ua.) bestätigt:

 

'Die vom EuGH gezogene Schlussfolgerung für strafrechtliche Sanktionen wird grundsätzlich auch auf Sicherungsmaßnahmen wie die hier vorliegende Beschlagnahme nach § 53 Abs 1Z1 GSpG zu beziehen sein [...].'

 

B. Der Widerspruch des Glücksspielmonopols des Bundes und damit der an diesen anknüpfenden (verwaltungs-)strafrechtlichen Regelungen zur Dienstleistungsfreiheit des Unionsrechts (Art. 56 ff AEUV) ist (spätestens) seit dem Urteil des EuGH vom 15.9.2011 in der Rs. C-347/09, Dickinger und Ömer, evident.

 

Wie bereits ausgeführt, verlangt der EuGH in diesem Urteil im Detail, dass zur Beurteilung ihrer ausnahmsweisen unionsrechtlichen Zulässigkeit die österreichische Monopolregelung hinsichtlich Ausspielungen ganz streng auf folgende drei (kumulativ zu bejahende) Fragen zu prüfen ist:

 

1.             Kann der Nachweis geführt werden, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht in Osterreich tatsächlich ein Problem dargestellt haben und nur eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigketten diesem Problem hätte abhelfen können?

 

2.             Zum zweiten ist der Nachweis zu führen, dass die Geschäftspolitik des Konzessionärs - und insbesondere seine Werbeaktivitäten - maßvoll und begrenzt sind. Dies, so der EuGH, ist z.B. dann nicht der Fall, wenn 'verführerisch bedeutende Gewinne in  Aussicht' gestellt werden.

 

3.             Zum dritten muss das Gesamtsystem der innerstaatlichen Glücksspielregelungen den Vorgaben des EuGH hinsichtlich seiner Kohärenz genügen.

 

(Zur Vermeidung von Wiederholungen wird in diesem Zusammenhang auf die obigen Ausführungen Seiten 9 bis 21 verwiesen).

 

Nach dem Urteil des EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer ist im Ergebnis allen österreichischen Gerichten und Verwaltungsbehörden (vgl, etwa Streinz in Streinz [HgJ, EUV/AEUV2 Art. 4 EUV Rz. 158) die Prüfung zur Pflicht gemacht, ob die Ausgestaltung des Glücksspielmonopols im Hinblick auf die drei vom EuGH genannten Kriterien mit der unionalen Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist.

 

C. Diese Prüfung führt in der Praxis regelmäßig und zutreffend zum Ergebnis, dass die Monopolregelung und -praxis des österreichischen Glücksspielgesetzes nicht den Vorgaben der Judikatur des EuGH entspricht und daher unionsrechtswidrig ist und im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten nicht weiter angewendet werden kann (zur verfassungswidrigen Inländerdiskriminierung siehe unten III.A.).

 

So hat das LG Linz - soweit ersichtlich das erste Gericht, das seit der EuGH-Entscheidung in der Rs. Dickinger und Ömer mit einem einschlägigen Sachverhalt befasst war - zutreffend ausgeführt (LG Unz 22.3.2012,1 Cg 190/11 y-14):

 

'In seiner jüngst ergangenen Entscheidung vom 15.09.2011, Rs. C-347/09, Dickinger und Ömer, wies der EuGH darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung ein Glücksspielmonopol eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt, eine solche Beschränkung jedoch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, wie dem Ziel, ein besonders hohes Verbraucherschutzniveau 2u gewährleisten, gerechtfertigt sein kann. [...]

 

Vor dem Hintergrund der soeben beschriebenen Judikatur des EuGH gilt es nunmehr zu klären, ob im Allgemeininteresse liegende zwingende Gründe bestehen, die das Österreichische Glücksspielmonopol in seiner konkreten rechtlichen Ausgestaltung als adäquat und verhältnismäßig erscheinen lassen, [...]

 

Der Werbeaufwand des Monopolisten ist enorm [...].

 

Unter Heranziehung der Judikatur des EuGH ist festzuhalten, dass die mit dem Glucksspielmonopol einhergehenden Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nicht mit Verbraucher- oder Spielerschutzerwägungen gerechtfertigt werden können. Die (aggressive) Bewerbung der von den Monopolisten angebotenen Glücksspiele zielt vielmehr darauf ab, den Markt auf neue Verbrauchergruppen auszudehnen anstatt einer solchen Ausweitung im Interesse des Verbraucherschutzes entgegenzuwirken, [...]

 

Im Ergebnis hegt das erkennende Gericht daher keinen Zweifel daran, dass das österreichische Glücksspielmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung unionsrechtswidrig ist. Dies bedeutet wiederum, dass die monopolisierenden Bestimmungen der §§ 14, 21 GSpG infolge Widerspruchs gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht verdrängt sind, Die Beklagten sind sohin berechtigt, die gegenständlichen Dienstleistungen in Österreich anzubieten [...].

 

Der Einwand [...], wonach die Beklagten nicht berechtigt seien, das Roulettespiel in Österreich über das lnternet anzubieten, da sie keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz hätten, geht sohin ins Leere, da dieser Umstand nur dann relevant wäre, wenn gar keine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit vorliegen würde.'

 

Dass die Werbepolitik der x GmbH einen - wie wir nun wissen unzulässigen - expansionistischen Charakter aufweist, hat schon das BG Linz in seinem Vorlageantrag im Fall Dickinger und Ömer vom 10.4.2O09 (GZ. 19 U 65/07z) festgehalten (Vorlagefrage 1.b; siehe dazu EuGH, Rs. Dickinger und Ömer, Rz, 59). Und tatsächlich liegt es klar auf der Hand, dass die von intensivem Werbeaufwand begleitete expansionistische Politik des Monopolisten (x GmbH und x AG können aufgrund der wechselseitigen Beteiligungsverflechtungen hier durchaus als Einheit betrachtet werden) den vom EuGH geförderten Schutz der Verbraucher vor einem Anreiz zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen geradezu konterkariert.

 

Ebenso deutlich begründet der UVS des Landes Oberösterreich in einem aktuellen Vorlageantrag vom 10.6.2012, VwSen-740121/2/Gf/Rt ua, an den EuGH die Unvereinbarkeit des Glücksspielmonopols mit der Dienstleistungsfreiheit und damit dessen Unanwendbarkeit:

 

'1.1. Davon ausgehend, dass die Behörden bislang in keinem der ho. anhängigen Fälle i.S.d. Urteils des EuGH vom 15. September 2011. C-347/09, auch nur ansatzweise versucht haben, nachzuweisen, dass die Kriminalität und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstellte(n) und bejahendenfalls, dass diesem insbesondere nur durch ein Monopolsystem mit kontrollierter Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten hätte abgeholfen werden können, sowie, dass tatsächlich die Kriminalitätsbekämpfung und der Spielerschutz - und nicht etwa bloß eine Maximierung oder massive Erhöhung der Staatseinnahmen – das wahre Ziel der Monopolregelung bildeten, und dass sich die Geschäftspolitik der Monopolisten ohnehin bloß auf eine kontrollierte Expansion mit einer maßvollen, eng auf die Zielerreichung begrenzten, nicht zu aktiver Spielteilnahme anregender oder in Verbindung mit karitativen Zwecken ein positives Image kreierender Werbung beschränkt hat - was insbesondere schon angesichts der aus den Gesetzesmaterialien resultierenden fiskalpolitischen Intentionen (s.o. [...]) und des gerichtsbekannten 'enormen' und aggressiven Werbeaufwandes' [...] geboten gewesen wäre - scheint sich zunächst zu ergeben, dass die im GSpG konkret normierte Ausgestaltung des Glücksspielmonopols des Bundes schon dem Grunde nach nicht mit der in den Art. 56 ff AEUV garantierten Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist.

 

Siehe Presseaussendung des UVS Oberösterreich vom 16.08.2012 als Beilage ./E in Kopie beigeschlossen.

 

1.2. Diese in Art. 62 i.V.m. Art. 52 Abs. 1 AEUV wurzelnde Problematik resultiert in gleicher Weise auch vor dem Hintergrund der in den Art. 15 und 16 EGRC garantierten Berufsfreiheit und unternehmerischen Freiheit der Unionsbürger.'

 

D. Die Unanwendbarkeit der Monopolbestimmungen muss laut EuGH auch auf die das Monopol absichernde Strafvorschrift des § 168 StGB sowie auf die diversen verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmungen durchschlagen. Der EuGH hält in der Rs. Dickinger und Ömer dazu in aller Klarheit fest:

 

'Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist festzustellen, dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine in einem Mitgliedstaat erlassene Monopolregelung im Glücksspielbereich nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung [i. e. die Monopolregelung] mit Art. [49 AEUV] nicht vereinbar ist'.

 

Wegen der Akzessorietät der Regelungen über die verwaltungsbehördlichen Sicherungsmaßnahmen, dh insbesondere der Regelung des § 53 GSpG über die Beschlagnahme, dürfen auch diese im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten von den Verwaltungsbehörden von sich aus (EuGH Rs. 106/77, Simmenthal II, Slg. 1978, 629, Rz, 21/23) nicht (mehr) angewendet werden. Insofern ist die Aussage des VwGH vom 20.7.2011, 2011/17/0097, in Erinnerung zu rufen:

 

'Die vom EuGH gezogene Schlussfolgerung für strafrechtliche Sanktionen wird grundsätzlich auch auf Sicherungsmaßnahmen wie die hier vorliegende Beschlagnahme nach § 53 Abs 121 GSpG zu beziehen sein [...].'

 

Einer dennoch durchgeführten Beschlagnahme fehlte - wegen der Unanwendbarkeit des § 53 GSpG sowie des § 110 StPO - die gesetzliche Grundlage. Sie wäre daher rechtswidrig.

 

III. Verfassungswidrigkeit der Regelungen über die Beschlagnahme

(Vorauszuschicken ist, dass sich die verfassungsgerichtliche Prüfung des § 53 Abs 1 GSpG im mit Erkenntnis vom 14.6.2012 abgeschlossenen Verfahren zu G 4/12 lediglich auf die Frage beziehen durfte (zur Bindung des VfGH an die im Gesetzesprüfungsantrag aufgeworfenen Bedenken vgl nur die Rz. 23 dieses Erkenntnisses), inwieweit nach dieser Regelung verwaltungsbehördliche und gerichtliche Sicherungsmaßnahmen hinreichend klar voneinander abgegrenzt sind. Zu den nachfolgenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Regelung konnte der VfGH bislang jedoch noch nicht Stellung nehmen.)

 

A. Inländerdiskriminierung

Sofern ein rein innerstaatlicher Sachverhalt vorliegt, scheidet zwar eine unmittelbare Berufung auf das Unionsrecht aus. Für die Regelung des § 53 GSpG ist damit gleichwohl nichts gewonnen. Der - in seinen konkreten Konsequenzen zuvor beschriebene - Anwendungsvorrang des Unionsrechts in Fällen mit 'grenzüberschreitenden' Sachverhalten bewirkt nämlich eine Diskriminierung von inländischen Unternehmen.

 

Von einer Inländerdiskriminierung spricht man im Zusammenhang mit dem Unionsrecht nach hA dann, wenn EU-Ausländer einerseits und Inländer (Österreicher) andererseits in Bezug auf ihre Wirtschaftstätigkeit im Inland anders behandelt werden oder inlandsbezogene und grenzüberschreitende Sachverhalte eine Ungleichbehandlung erfahren, die auf eine Benachteiligung von eigenen Staatsangehörigen mit Sitz im Inland hinauslaufen kann (vgl, etwa Öhlinger, Verfassungsrecht, Rz. 758, mit weiteren Nachweisen). Eine solche Diskriminierung widerspricht nach der ständigen, mit VfSlg. 14.963/1997 begonnenen Rechtsprechung des VfGH im Regelfall dem verfassungsgesetzlichen Gleichheitssatz (Art. 2 StGG, Art. 7 Abs. 1 B-VG) (vgl, zB VfSlg. 17.555/2005,18.656/2008 uvam.).

 

Da in der vorliegenden Konstellation keine objektive Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von österreichischen Unternehmen einerseits und Unternehmen mit Sitz in anderen EU-Mitgliedstaaten andererseits vorliegt, ist § 53 GSpG, soweit er auf Sachverhalte mit ausschließlichem Inlandsbezug angewendet wird, verfassungswidrig.

 

B. Verletzung des Bestimmtheitsgebots gemäß Art 7 EMRK iVm Art 18 B-VG

 

Selbst wenn eine Verwaltungsbehörde oder ein Gericht trotz des EuGH-Urteils in der Rs. Dickinger und Ömer und entgegen dem von der gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Praxis eingeschlagenen Weg (siehe zu diesem oben II.C.) keinen Vorrang der unionsrechtlicher Grundfreiheiten annehmen will, scheidet eine rechtmäßige Bestrafung wegen Verstößen gegen das Glücksspielrecht und damit eine Beschlagnahme von Glücksspielautomaten und sonstigen Eingriffsgegenständen auch aufgrund der nachfolgenden Erwägungen aus.

 

Der VfGH hat wiederholt im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip ausgesprochen, dass
der Gesetzgeber
klar und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen hat, wo er
strafen will,
und dass die Rechtsordnung dem Einzelnen die Möglichkeit geben muss, sich dem Recht gemäß zu verhalten. Auch Art 7 EMRK schließt das Gebot in sich,
Strafvorschriften so klar zu gestalten, dass es dem Einzelnen möglich ist, sein
Verhalten am Gesetz zu orientieren
(vgl VfSlg 11.776/1983 und 12.947/1991 jeweils
mit weiteren Nachweisen; siehe ferner zB VfSlg 13.505/1993,18.516/2008,18.895/2009;
VfGH 30.6.2012, G 132/11 uvam.). Strafvorschriften müssen sohin von verfassungs­wegen einen derart
hohen Bestimmtheitsgrad aufweisen, dass der Einzelne aus dem Wortlaut der jeweiligen Bestimmung erkennen kann, welche Handlungen ihn strafbar werden lassen {EGMR 25.5.1993, Beschwerde Nr. 14.307/88, Fall Kokkinakis, Z 52; VfSlg 18.516/2008; VfGH 30.6.2012, G 132/11). Andernfalls sind sie verfassungswidrig.

 

Die strafrechtlichen Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG sowie des § 168 StGB können seit dem Urteil des EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer nicht mehr isoliert, sondern nur im Kontext mit dem Unionsrecht betrachtet werden. Je nachdem, ob die vom EuGH genannten Kriterien für eine unionsrechtskonforme Ausgestaltung des Glücksspielmonopols vorliegen oder nicht, sind diese Bestimmungen anwendbar oder müssen unangewendet bleiben. Damit hängt die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens von Umständen ab, die (zumindest zum Teil) nur der Monopolist, nicht aber auch sonstige Glücksspielunternehmen in der Hand haben. Insbesondere hängt die Unionsrechtswidrigkeit des Monopols und sohin die Unanwendbarkeit (auch) des Glücksspielstrafrechts von der Gestaltung des jeweiligen Marktauftritts ('Werbung'), also vom Belieben des Monopolisten ab, Dieser kann in erster Linie durch sein Werbeverhalten das Glücksspielstrafrecht gleichsam 'ein- oder ausschalten'.

 

Aus dem Blickwinkel des Art 18 B-VG und des Art 7 EMRK weisen damit aber weder § 52 Abs 1 GSpG noch § 168 StGB jeweils im Verein mit dem unter bestimmten faktischen Umständen Vorrang beanspruchenden Art 56 AEUV einen Inhalt auf, der es dem Einzelnen im Sinne der Rechtsprechung des VfGH nicht ermöglicht, sein Verhalten am Gesetz zu orientieren. Es liegt auf der Hand, dass eine Strafnorm, die von den Rechtsunterworfenen subtile empirische Analysen der Aktivitäten eines Dritten, im konkreten Fall der Geschäftspolitik und der Werbeaktivitäten des Monopolisten, verlangt, nicht hinreichend bestimmt und deshalb verfassungswidrig ist. Diese Wertung schlägt zwingend auf die Regelungen über die Sicherungsmaßnahmen durch, die, wie schon begründet wurde in einem untrennbaren normativen Zusammenhang mit dem Glücksspielstrafrecht stehen und dieses qua Verweis zum tatbestandlichen Inhalt haben.

 

IV. Zusammenfassung

A.                       Die Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 und 2 GSpG steht in einem
akzessorischen Verhältnis zu den glücksspielstrafrechtlichen Bestimmungen des
GSpG und des StGB. Die unions- und verfassungsrechtliche Beurteilung des
Glücksspielstrafrechts schlägt daher auf die unions- und verfassungsrechtliche
Beurteilung der Beschlagnahme durch.

 

B.                        Da die Monopolregelung und -praxis des österreichischen Glücks­spiel­­gesetzes nicht den Vorgaben der Judikatur des EuGH entspricht und daher unionsrechtswidrig ist, darf sie jedenfalls in Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug nicht weiter angewendet werden (Vorrang der unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten des Unionsrechts). Sie kann daher Wirtschaftsteilnehmern aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die ihrer Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen, nicht entgegen­gehalten werden. Damit sind auch die Regelungen über die Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 und 2 GSpG unanwendbar.

 

C.                        Soweit ein bloßer Inlandssachverhalt vorliegt, diskriminieren die Regelungen
über die Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 und 2 GSpG Inländer bzw inländische
Unternehmen. Sie sind daher vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des
VfGH wegen Verletzung des Gleichheitssatzes
verfassungswidrig.

 

D.                       Die glücksspielstrafrechtlichen Bestimmungen des GSpG und des StGB - und in ihrem Gefolge die Regelungen über die Beschlagnahme - verlieren wegen des in erster Linie vom wirtschaftlichen Verhalten des 'privaten' Monopolisten abgängigen Anwendungsvorgangs des Unionsrechts und damit ihrer von Faktizitäten abhängigen Anwendbarkeit ihren nach Art 18 Abs 1 B-VG und Art 7 EMRK gebotenen Bestimmtheitsgrad.

 

Es wird beantragt eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen. Sodann wird beantragt der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben."

 

 

2.2. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2012 legte die belangte Behörde ihren bezughabenden Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vor.

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt sowie die Dokumentation (Bescheinigung, Niederschrift, Aktenvermerk, Lichtbilder) der einschreitenden Organe des Finanzamtes.

 

Da die Entscheidung über eine Beschlagnahme einen verfahrensrechtlichen Bescheid darstellt, konnte der Unabhängige Verwaltungssenat unter Zugrundelegung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.12.2011, Zl. 2011/17/0171; ebenso VwGH 27.4.2012, Zl. 2011/17/0313 sowie 27.4.2012,Zl. 2011/17/0315) gemäß § 51e Abs 4 VStG ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, zumal eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Verfahrensangelegenheit "Beschlagnahme" nicht erwarten lässt und dem auch nicht Art 6 EMRK entgegensteht. Mit anderen Worten: Es waren ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen; der dafür entscheidungswesentliche Sachverhalt war aufgrund der Aktenlage eindeutig geklärt. Die Beurteilung der Glücksspielnatur der in Rede stehenden Spieltypen und der vorliegenden Verdachtslage iSd § 53 Abs 1 Z 1 lit a GSpG war unzweifelhaft möglich, weshalb auch eine nachträgliche Beweisaufnahme durch eine Stellungnahme des Österreichischen Buchmacherverbandes entbehrlich war.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht vom folgenden, im Wesentlichen unbestrittenen S a c h v e r h a l t  aus:

 

Aufgrund einer von Organen der Abgabenbehörde am 28. Juni 2012 im Lokal "BP Tankstelle" in S, H, durchgeführten Kontrolle wurden die oa. Geräte mit den Bezeichnungen "x" (Nr. 1), "Monaco" (Nr. 2), betriebsbereit aufgestellt und funktionsfähig vorgefunden und in der Folge vorläufig beschlagnahmt.

 

Mit den oa. Geräten Nr. 1 und Nr. 2 wurden seit dem Aufstellungsdatum 1. Juli 2008 (Aussage B B) bis zur Beschlagnahme am 28. Juni 2012 wiederholt virtuelle Walzenspiele durchgeführt, bei denen für bestimmte Einsatzbeträge in Verbindung mit bestimmten Symbolkombinationen Gewinne in Aussicht gestellt worden sind (vgl. dazu die Ausführungen in der Fotodokumentation des Finanzamtes über die erfolgten Probespiele an den oa. Geräten, an dessen Richtigkeit kein Grund zu zweifeln besteht und die auch vom Bw nicht in Abrede gestellt wird: Bei Mindesteinsatz von 0,10 Euro – in Aussicht gestellter Gewinn 10 Euro + mehrere SG [Super Games], Einsatzsteigerungen durch vorgeschaltetes Würfelspiel möglich).

 

Der konkrete Spielablauf der auf den Geräten Nr. 1 und Nr. 2 verfügbaren Spiele stellt sich für das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates unter Bezugnahme auf den Aktenvermerk der Finanzpolizei vom 28. Juni 2012 wie folgt dar:

 

Die virtuellen Walzenspiele konnten an jedem Gerät durch Betätigung mechanischer Tasten oder virtueller Bildschirmtasten zur Durchführung aufgerufen werden. Nach Eingabe von Geld, Auswahl eines Einsatzbetrages mit der "Setzen"‑Taste und Auslösung des Spieles durch die Start-Taste oder die Auto(matic)-Start-Taste wurden die am Bildschirm dargestellten Symbole auf den virtuellen Walzen ausgetauscht oder in ihrer Lage verändert, sodass der optische Eindruck von rotierenden senkrecht ablaufenden Walzen entstand. Nach etwa einer Sekunde kam der "Walzenlauf" zum Stillstand. Ein Vergleich der nun neu zusammengesetzten Symbole mit den im Gewinnplan angeführten gewinnbringenden Symbolkombinationen ergab nun einen Gewinn oder den Verlust des Einsatzes. Die Spieler hatten keinerlei Möglichkeit, gezielt Einfluss auf das Zustandekommen gewinnbringender Symbolkombinationen zu nehmen. Dem Spieler war es nur möglich, nach Eingabe eines Geldbetrages als Spielguthaben, ein Spiel auszuwählen und zur Durchführung aufzurufen, den Einsatz zu wählen, die Start-Taste so lange zu betätigen, bis das aufgerufene Spiel ausgelöst wurde, und nach etwa einer Sekunde den Verlust des Einsatzes oder einen Gewinn festzustellen. Der Ausgang dieser Spiele konnte vom Spieler nicht beeinflusst werden. Die Entscheidung über das Spielergebnis hing somit vom Zufall ab.

 

Der Bw ist nach eigenen Angaben Eigentümer der o.a. Geräte Nr. 1 und Nr. 2 (vgl Aktenvermerk der Erstbehörde über das Telefonat mit dem Bw vom 03.07.2012).

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Zur Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates ist darauf hinzuweisen, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz für die Durchführung von Strafverfahren in zweiter Instanz zuständig sind. Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung (VwGH 3.7.2009, Zl. 2005/17/0178; VwGH 3.7.2009, Zl. 2009/17/0065) davon aus, dass die "Vorschriften des § 53 [Glücksspielgesetz] als (von § 39 VStG abweichende) Regelungen des Verwaltungsstrafverfahrens zu verstehen" sind. Eine solche Beschlagnahme sei daher "nicht ... als eine Beschlagnahme, die nicht im Rahmen eines Strafverfahrens ergeht, zu qualifizieren". Da der bezogene Regelungsgehalt des § 53 Glücksspielgesetz auch in der gegenständlich maßgeblichen Rechtslage im Wesentlichen unverändert geblieben ist, ist nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates § 53 Glücksspielgesetz (nach wie vor) dem Verwaltungsstrafverfahren zuzurechnen. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben, da dieser gemäß § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz (sowie auch unmittelbar nach Art 129a Abs 1 Z 1 B-VG; vgl. diesbezüglich die zitierten Entscheidungen des VwGH sowie auch jüngst VwGH 20.7.2011, Zl. 2011/17/0097; VwGH 27.4.2012, Zl. 2012/17/0057) für Strafverfahren (nicht aber für Administrativverfahren – mit Ausnahme von Betriebsschließungen) zuständig ist.

 

Örtlich zuständig ist dabei gemäß § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz iVm § 51 Abs 1 VStG der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

4.2. Hinsichtlich der Zuständigkeit der belangten Behörde ergibt sich aus § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz – GSpG, BGBl. Nr. 620/1989, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 69/2012, dass für die Durchführung von Strafverfahren – hierzu zählen wie bereits unter Pkt. 4.1. dargelegt auch Beschlagnahmen iSd § 53 GSpG – in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörden, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion diese, zuständig sind. Im vorliegenden Fall wurde die Kontrolle und Beschlagnahme im örtlichen Wirkungsbereich der Bezirkshauptmannschaft Gmunden von Beamten des Finanzamtes Linz vorgenommen. Der angefochtene Bescheid wurde daher von der nach § 50 Abs 1 GSpG sachlich und örtlich zuständigen Behörde erlassen.

 

4.3. Der bekämpfte Bescheid wurde dem Bw gegenüber durch Zustellung am 8. Oktober 2012 erlassen. Dem Bw kommt als Sacheigentümer der beschlagnahmten Geräte Nr. 1 und Nr. 2 Parteistellung im Beschlagnahmeverfahren zu (vgl. VwGH 14.12.2011, Zl. 2011/17/0084 mwN; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1502, E 3a und 3b zu § 39 VStG), weshalb die vorliegende Berufung des Bw zulässig ist.

 

4.4. Mit der Novelle BGBl I Nr. 73/2010 wurde das Glücksspielwesen einem grundsätzlich neuen System unterstellt, und zwar derart, dass neben den dem Monopol des Bundes unterliegenden Ausspielungen in Form von Lotterien und Spielbanken nunmehr auch das für vergleichsweise geringere Einsätze und Gewinne konzipierte sog. "kleine Glücksspiel" mittels Automaten explizit einer Konzessionspflicht unterstellt und damit für zulässig erklärt ist, wobei die darauf bezüglichen Vorschriften vom Landesgesetzgeber zu erlassen sind; hinsichtlich derartiger "Landesausspielungen" besteht sohin (mangels eines entsprechenden Kompetenztatbestandes in Art 12 B-VG) eine ergänzende, inhaltlich allerdings auf jener des Bundes notwendig aufbauende Regelungszuständigkeit der Länder (die jedoch – im Gegensatz zum Verhältnis zwischen Grundsatz- und Ausführungsgesetz gemäß Art 12 B-VG – von Letzteren nicht in Anspruch genommen werden muss, also auch ungenutzt bleiben kann).

 

Im Besonderen gilt nunmehr Folgendes:

 

4.4.1. Gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lit a) GSpG kann die Behörde die Beschlagnahme von Glücksspielautomaten, sonstigen Eingriffsgegenständen und technischen Hilfsmitteln anordnen, und zwar, sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn der Verdacht besteht, dass mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen wird.

 

Gemäß § 54 Abs 1 GSpG sind Gegenstände, mit denen gegen Bestimmungen des § 52 Abs 1 leg.cit. verstoßen wird, zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen nach den Bestimmungen des § 52 Abs 1 leg.cit. einzuziehen, es sei denn, der Verstoß war geringfügig.

 

Gemäß § 52 Abs 3 letzter Satz GSpG unterliegen Gegenstände, mit deren Hilfe eine verbotene Ausspielung iSd § 2 Abs 4 GSpG durchgeführt oder auf andere Weise in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, sofern sie nicht gemäß § 54 leg.cit. einzuziehen sind, dem Verfall.

 

Nach § 52 Abs 1 Z 1 GSpG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 GSpG veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer iSd § 2 Abs 2 GSpG daran beteiligt.

 

Gemäß § 52 Abs 1 Z 6 GSpG begeht ebenso eine Verwaltungsübertretung, wer die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 GSpG – insbesondere durch die Vermittlung der Spielteilnahme, das Bereithalten von anderen Eingriffsgegenständen als Glücksspielautomaten oder die unternehmerische Schaltung von Internet-Links – fördert oder ermöglicht.

 

Gemäß § 2 Abs 1 GSpG sind Ausspielungen Glücksspiele (vgl § 1 Abs 1 GSpG: Spiele, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt),

1.      die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich    macht und

2.      bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusam-   menhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und

3.      bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermö- genswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).

 

Gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 GSpG ist Unternehmer, wer selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausübt, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein. Der Unternehmerbegriff wird im 2. Satz noch wie folgt erweitert:

 

"Wenn von unterschiedlichen Personen in Absprache miteinander Teilleistungen zur Durchführung von Glücksspielen mit vermögenswerten Leistungen im Sinne der Z 2 und 3 des Abs 1 an einem Ort angeboten werden, so liegt auch dann Unternehmereigenschaft aller an der Durchführung des Glücksspiel unmittelbar beteiligten Personen vor, wenn bei einzelnen von Ihnen die Einnahmenerzielungsabsicht fehlt oder sie an der Veranstaltung, Organisation oder dem Angebot des Glücksspiels nur beteiligt sind."

 

Gemäß § 2 Abs 3 Satz 1 GSpG liegt eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten vor, wenn die Entscheidung über das Spielergebnis nicht zentralseitig, sondern durch eine mechanische oder elektronische Vorrichtung im Glücksspielautomaten selbst erfolgt.

 

Gemäß § 2 Abs 4 GSpG sind solche Ausspielungen verboten, für die einerseits eine Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG nicht erteilt wurde und die andererseits auch nicht iSd § 4 GSpG vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen sind.

4.4.2. Nach § 4 Abs 2 GSpG unterliegen Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten gemäß § 5 GSpG (unter Einhaltung ordnungspolitischer Mindestanforderungen an Bewilligungswerber sowie besonderer Begleitmaßnahmen) nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes. Dies trifft – soweit im vorliegenden Fall von Interesse – insbesondere dann zu, wenn im Zuge einer Ausspielung in einem Automatensalon (mit mindestens 10 und höchstens 50 Glücksspielautomaten) als ordnungspolitische Mindestvoraussetzung eine Spielsuchtvorbeugung derart, dass die vermögenswerte Leistung des Spielers höchstens 10 Euro pro Spiel beträgt und der Gewinn 10.000 Euro pro Spiel nicht überschreitet, bzw im Zuge einer Ausspielung im Wege einer Einzelaufstellung als ordnungspolitische Mindestvoraussetzung eine Spielsuchtvorbeugung derart, dass die vermögenswerte Leistung des Spielers höchstens 1 Euro pro Spiel beträgt und der Gewinn 1.000 Euro pro Spiel nicht überschreitet, eingehalten wird (§ 5 Abs 1 Z 1 iVm § 5 Abs 5 lit a Z 1 und 2 bzw § 5 Abs 5 lit b Z 1 und 2 GSpG).

 

Insgesamt folgt daraus für den vorliegenden Fall, dass Landesausspielungen mittels Glücksspielautomaten in Automatensalons bzw im Wege der Einzelaufstellung dann schon von vornherein nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes unterliegen, wenn der Höchsteinsatz von 10 Euro bzw 1 Euro pro Spiel bzw der Höchstgewinn von 10.000 Euro bzw 1.000 Euro pro Spiel nicht überschritten wird.

 

4.4.3. Gemäß § 12a Abs 1 GSpG sind elektronische Lotterien Ausspielungen, bei denen die Spielteilnahme unmittelbar durch den Spieler über elektronische Medien erfolgt und die Entscheidung über das Spielergebnis zentralseitig herbeigeführt sowie über elektronische Medien zur Verfügung gestellt wird.

 

Elektronische Lotterien bzw über Internet betriebene Terminals (Video Lotterie Terminals - VLT) werden im § 12a GSpG näher geregelt. Sie unterliegen dem Glücksspielmonopol und der Konzessionspflicht nach § 14 GSpG und sind nicht von der Ausnahme nach § 4 Abs 2 GSpG für Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten erfasst. Für Ausspielungen mit solchen zentralseitig vernetzten Video Lotterie Terminals an ortsfesten öffentlich zugänglichen Betriebsstätten ist überdies nach § 12a Abs 2 GSpG eine Standortbewilligung des Bundesministers für Finanzen (BMF) erforderlich.

 

4.4.4. Das GSpG geht ersichtlich davon aus, dass der Betrieb eines Automatensalons ebenso wie eine Landesausspielung in Form der Einzelaufstellung einer Konzession bzw Bewilligung bedarf (vgl zBsp § 5 Abs 1 und 8 sowie die §§ 31a und 31b GSpG); es normiert das Verfahren zur Konzessions- bzw Bewilligungserteilung jedoch nicht unmittelbar selbst, sondern überlässt dessen Regelung den Landesgesetzgebern.

 

Soweit es das Land Oberösterreich betrifft, besteht eine an § 5 GSpG anknüpfende Regelung der Landesausspielungen erst durch das am 4. Mai 2011 kundgemachte Oö. Glücksspielautomatengesetz (LGBl Nr. 35/2011), welches in den §§ 3 ff für die Ausspielung mit Glücksspielautomaten eine Bewilligung durch die Landesregierung vorsieht.

 

4.5. Die gegenständliche Beschlagnahme erfolgte aufgrund des Verdachts, dass gegen die Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG fortgesetzt verstoßen wird. Dieser Verdacht iSd § 53 Abs 1 Z 1 lit a) GSpG muss entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates) ausreichend substantiiert sein (vgl VwGH 26.1.2009, Zl. 2005/17/0223 und Zl. 2008/17/0009; VwGH 10.5.2010, Zl. 2009/17/0202; jüngst auch VwGH 20.7.2011, Zl. 2011/17/0097).

 

Hinsichtlich des Charakters der an den beschlagnahmten Geräten Nr. 1 und Nr. 2 verfügbaren virtuellen Walzenspielen ergibt sich aufgrund des unter Punkt 3.2. skizzierten Spielablaufes der begründete Verdacht, dass das Spielergebnis zumindest vorwiegend vom Zufall abhängt und die Spiele damit als Glücksspiele iSd § 1 Abs 1 GSpG zu qualifizieren sind.

 

4.6. Weiters handelt es sich bei diesen auf den Geräten Nr. 1 und Nr. 2 verfügbaren Glücksspielen offensichtlich um Ausspielungen iSd § 2 GSpG: Aufgrund der oa. Geräte mit den darauf verfügbaren Spielen, bei denen Spieleinsätze zu leisten und Gewinne in Aussicht gestellt sind, ist – in Ermangelung einer Konzession oder Bewilligung nach dem Glücksspielgesetz – von einer verbotenen Ausspielung iSd § 2 Abs 1 iVm Abs 4 GSpG auszugehen. Dabei ist es im Rahmen des Beschlagnahmeverfahrens unerheblich, ob die Ausspielung mit Glücksspielautomaten iSd § 2 Abs 3 GSpG oder in Form von elektronischen Lotterien iSd § 12a Abs 1 GSpG erfolgte; in beiden Fällen liegt bei Fehlen einer entsprechenden Konzession bzw Ausnahme vom Glücksspielmonopol des Bundes eine verbotene Ausspielung gemäß § 2 Abs 4 leg.cit. vor.

 

Auch die genaue rechtliche Qualifikation der Stellung des Berufungswerbers in Bezug auf die strafbare Handlung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist noch nicht von Bedeutung (VwGH 10.5.2010, Zl. 2009/17/0202). So ist unter Zugrundelegung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 52 Abs 1 Z 1 iVm § 53 Abs 1 Z 1 lit a) GSpG nicht ausschlaggebend, ob der Berufungswerber selbst Veranstalter der entgegen dem Glücksspielgesetz betriebenen Glücksspiele ist bzw ob diese Spiele auf seine Rechnung betrieben wurden. Ausschlaggebend ist lediglich der Verdacht eines Verstoßes gegen das Glücksspielgesetz. Unerheblich ist es, ob der Berufungswerber selbst eine Übertretung des Glücksspielgesetzes zu verantworten hat.

 

Für die Beschlagnahme genügt iSd § 53 Abs 1 Z 1 lit a) GSpG der entsprechend substantiierte Verdacht, dass mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen (mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird) fortgesetzt gegen § 52 Abs 1 leg.cit. verstoßen wird; es muss also etwa ein begründeter Verdacht von (fortgesetzten) verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 leg.cit. – konkret von deren Veranstaltung, Organisation oder unternehmerischem Zugänglichmachen oder der Beteiligung als Unternehmer (§ 52 Abs 1 Z 1 leg.cit.) oder von der Förderung oder Ermöglichung der Teilnahme an solchen Ausspielungen (§ 52 Abs 1 Z 6 leg.cit.) – bestehen. Dass aber mit den Geräten Nr. 1 und 2 von etwa Juli 2008 bis zur Beschlagnahme verbotene Ausspielungen iSd § 2 leg.cit. im oa. Aufstellungslokal mit entsprechend erbrachten Spieleinsätzen der Spieler bei in Aussicht gestellten Gewinnen durchgeführt wurden bzw jedenfalls ein diesbezüglicher Verdacht vorliegt, ergibt sich unstreitig aus den Ausführungen in der Niederschrift des Finanzamtes und wird auch vom Bw dem Grunde nach nicht bestritten. Darauf gründet sich der Verdacht, dass auch künftig – dh "fortgesetzt" – gegen die Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen wird (vgl eingehend VwGH 20.12.1999, Zl. 97/17/0233).

 

4.7. Die in der Berufung umfassend vorgebrachten unionsrechtlichen Bedenken gegen die österreichische Rechtslage nach dem Glücksspielgesetz können im Lichte der für den Oö. Verwaltungssenat maßgeblichen höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht als ausreichend angesehen werden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2011, Zl.2011/17/0068, mit der Judikatur des EuGH (insb Urteil v 8.09.2010, Rs C-316/07 ua, Rechtssachen Placanica und Stoß, und Urteil v 9.09.2010, Rs C-64/08, Rechtssache Engelmann) zum Art 43 und 49 EGV (nunmehr Art 49 und 56 AEUV) und weiter im darauffolgenden Erkenntnis vom 20. Juli 2011, Zl. 2011/17/0097, damit befasst. Dabei hat er ausgesprochen, dass aus der jüngeren Judikatur des EuGH nicht abgeleitet werden könne, dass das Gemeinschafts-recht (Unionsrecht) der Anwendung jeglicher nationaler Vorschrift auf dem Gebiet des Glücksspielwesens entgegenstünde, sobald nur eine Regelung auf diesem Gebiet nicht unionsrechtskonform ist. Die Verpflichtung zur Nichtanwendung nationaler Rechtsvorschriften bestehe nach der Rechtsprechung des EuGH nur für solche Rechtsvorschriften, die im Widerspruch zu Unionsrecht stehen. So könne eine nationale Vorschrift, die das Erfordernis einer bestimmten Rechtsform (Aktiengesellschaft) für die Verleihung einer Konzession auf dem Gebiet des Glücksspielwesens normiere, für sich nicht unionsrechtlich bedenklich sein. Eine aus der Rechtsprechung des EuGH ableitbare Unanwendbarkeit von Sanktionen gegenüber Personen, denen unionsrechtswidriger Weise die Erlangung einer Konzession verwehrt worden wäre, greife etwa gegenüber einem Rechtsträger in Form einer GmbH nicht. Dies sei auch auf die Rechtsform der Limited zu übertragen.

 

Entsprechend der vom EuGH in der Rechtssache Engelmann (Urteil v 9.09.2010, Rs C-64/08) mit Rücksicht auf das Transparenzgebot geforderten Ausschreibung wurde die österreichische Rechtslage der §§ 14 und 21 GSpG zur Konzessionsvergabe bekanntlich inzwischen geändert (BGBl I Nr. 111/2010) und eine öffentlich Interessentensuche vorgesehen, wobei sich auch Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz im Hoheitsgebiet von anderen Mitgliedsstaaten bewerben können.

 

Auch aus der Rechtssache Dickinger und Ömer (Urteil v 15.09.2011, Rs C-347/09) lässt sich die in der Berufung behauptete Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols und die Unanwendbarkeit von glücksspielrechtlichen Bestimmungen nicht ableiten. Der EuGH hat in dieser Entscheidung zur österreichischen Rechtslage festgehalten, dass ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonderes Schutzniveau für Verbraucher im Glücksspielsektor zu gewährleisten, Grund zu der Annahme haben kann, dass ihm nur die Errichtung eines Monopols zugunsten einer einzigen Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, erlaubt, die Kriminalität in diesem Sektor zu beherrschen und hinreichend wirksam zu verfolgen. In diesem Zusammenhang können auch gewisse verhältnismäßige Beschränkungen des Monopolinhabers erforderlich sein: Etwa kann das Erfordernis einer bestimmten Rechtsform der Glücksspielanbieter durch das Ziel der Geldwäsche- und Betrugsvorbeugung gerechtfertigt sein; ebenso kann sich das Erfordernis, über ein Gesellschaftskapital in einer bestimmten Höhe zu verfügen, als nützlich erweisen, um eine gewisse Finanzkraft des Anbieters zu gewährleisten und sicherzustellen, dass er in der Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen, die er gegenüber Gewinnern haben könnte. Das Unionsrecht sei auch derart auszulegen, dass – um mit den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und der Verringerung der Spielgelegenheiten im Einklang zu stehen – eine nationale Regelung nur den Einsatz maßvoller Werbung zulassen darf.

Der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, könne keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben.

 

Im zitierten Urteil des EuGH in der Rechtssache Dickinger und Ömer hält der Gerichtshof fest, dass es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei steht, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele – im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung – festzulegen. Es steht durchaus im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben, wenn der österreichische Gesetzgeber davon ausgeht, dass das Glücksspielmonopol vorrangig ordnungspolitischen Zielen (wie Verbraucherschutz ist Spielerschutz sowie soziale Sicherheit der Familien und Kinder, Jugendschutz, Vorbeugung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Kriminalitätsabwehr, Wettbewerbsfairness – vgl. eingehend RV 657 BlgNR 14. GP) dient (vgl. die Er der RV 1067 und AB 1139 BlgNR 17. GP; weiters Strejcek/Bresich, Glücksspielgesetz-Kommentar [2009], 24 und Rz 9 ff zu § 3 GSpG).

 

Eine entsprechende Aufsicht über die Ausübung der Konzessionen durch den Bundesminister für Finanzen ist ausdrücklich im § 31 GSpG vorgesehen. Durch das Erfordernis eines gewissen Stamm- und Grundkapitals für die Erteilung einer Konzession (nach § 14 Abs 2 und nach § 21 Abs 2 GSpG) will der Gesetzgeber sicherstellen, dass "das verlangte eingezahlte Eigenkapital dem konzessionierten Spielbetrieb bei Konzessionsantritt als Haftungsstock auch unbelastet zur Verfügung steht" (RV 981 BlgNR 14. GP zu § 14 und zu § 21 GSpG). Weiters wird im § 56 Abs 1 GSpG normiert, dass bei Werbeauftritten ein "verantwortungsvoller Maßstab" zu wahren ist, was im Aufsichtswege überwacht wird.

 

Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats hat die Berufung keine hinreichende Argumentation vorgebracht, warum die geltende Regelung nicht im Sinne der Judikatur des EuGH verhältnismäßig sein soll. Von der schlechthin behaupteten Unanwendbarkeit von glücksspielrechtlichen Bestimmungen kann im Lichte der dargestellten höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs keine Rede sein.

 

 

5. Im Ergebnis lag und liegt auch noch zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung (vgl VwGH 26.01.2009, Zl. 2005/17/0223) ein hinreichend begründeter Verdacht des Eingriffes in das Glücksspielmonopol im gegenständlichen Fall vor. Die Beschlagnahme der im angefochtenen Bescheid näher bezeichneten Glücksspielgeräte war daher rechtmäßig und die Berufung als unbegründet abzuweisen.

 

 

6. Abschließend sei für das weitere Verfahren noch Folgendes angemerkt:

 

Wenn auch die Beurteilung des Vorliegens eines begründeten Verdachts iSd § 53 Abs 1 GSpG noch keine abschließende rechtliche Beurteilung des konkreten Sachverhalts als Verwaltungsübertretung iSd GSpG erfordert, wird dies insbesondere auch im Hinblick auf eine endgültige und gesicherte Abgrenzung zum Gerichtsdelikt nach § 168 StGB - der im Lichte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Doppelbestrafungsverbotes und der vom Verwaltungsgerichtshof postulierten Subsidiarität des Verwaltungsstraftatbestandes gegenüber dem Gerichtsdelikt (vgl VwGH 22.3.1999, Zl. 98/17/0134; VwGH 8.9.2009, Zl. 2009/17/0181) besondere Bedeutung zukommt - im Rahmen eines allfällig folgenden Strafverfahrens sehr wohl Gegenstand sein.

 

Da es im vorliegenden Fall schon im Beschlagnahmeverfahren nicht ausgeschlossen erscheint, dass das dem Verdacht iSd § 53 Abs 1 Z 1 lit a) GSpG zugrundeliegende Verhalten den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet und infolge der Subsidiarität der Verwaltungsstraftatbestände nach § 52 GSpG nicht von den Verwaltungsbehörden zu ahnden wäre, wird die belangte Behörde eingehend zu prüfen haben, ob (auch) ein Verdacht auf eine gemäß § 30 Abs 2 VStG relevante gerichtlich strafbare Handlung vorliegt; gegebenenfalls wird – unter Zugrundelegung der diesbezüglich eindeutigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.12.2011, Zl. 2011/17/0233; VwGH 22.3.1999, Zl. 98/17/0134) – gemäß § 78 Abs 1 StPO Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu erstatten und sodann das Verwaltungsstrafverfahren bis zum Ausgang des gerichtlichen Strafverfahrens gemäß § 30 Abs 2 VStG auszusetzen sein.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  W e i ß

Beachte:


vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.

VwGH vom 13.03.2014, Zl.: 2013/17/0150-7


 

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