Linz, 27.12.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, X, vom 28.9.2012 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 11.9.2012, Zl. VerkR96-2855-2012, wegen mehrerer Übertretung des KFG nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 14.11.2012 zu Recht erkannt:
I. Die Punkte 1., 3., 4. und 5. des Straferkenntnisses werden zu einer Übertretung zusammengefasst, der Berufung gegen die Strafhöhe wird teilweise statt gegeben und die verhängte Geldstrafe auf 400 Euro sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 80 Stunden herabgesetzt.
II. Der Berufung gegen die Strafhöhe betreffend Punkt 6. des Straferkenntnisses wird teilweise statt gegeben und die Geldstrafe auf 150 Euro sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 30 Stunden herabgesetzt.
III. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten bezüglich der Punkte 1., 3., 4., 5 und 6. reduzieren sich auf 55 Euro, für das Berufungsverfahren sind keine Kosten zu bezahlen.
Rechtsgrundlagen:
zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 19 VStG;
zu II.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e, 19 und 20 VStG
zu III.: §§ 64 ff VStG.
Hinweis:
Der Berufungswerber hat in der mündlichen Verhandlung die Berufung gegen Punkt 2. des Straferkenntnisses zurückgezogen, sodass die deswegen verhängte Geldstrafe in Höhe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) sowie der Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 30 Euro rechtskräftig sind. Dieser Betrag ist ebenfalls ehestens zu bezahlen.
Entscheidungsgründe:
Zu I. und II.:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis folgendes vorgeworfen:
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist gemäß
Euro Ersatzfreiheitsstrafe von
1), 3), 4), 5) 550,00 110 Stunden § 134 Abs.1 iVm Abs.1b KFG
2) 300,00 60 Stunden § 134 Abs.1 iVm Abs.1b KFG
6) 300,00 60 Stunden § 134 Abs.1 iVm Abs.1b KFG
Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung der Vorhaft):
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Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
115,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15,00 Euro angerechnet);
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 1.265,00 Euro."
2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber zusammengefasst aus, dass er vom 6. – 9.4.2011 Herrn X zur Probe in seinem Lkw mitgehabt hatte. Am 9.4. habe dieser den Lkw wieder verlassen. Die gesamte Fahrt sei so geplant gewesen, dass er die Fähre am 10.4. um 14:00 Uhr in Kiel erreichen könne, weshalb er die Fahrt fortsetzen musste.
Am 13. und 14.4.2011 habe er Herrn X als Mitfahrer im Lkw gehabt und er sei davon ausgegangen, dass der 30 Stunden Zeitraum erst ab dem Zeitpunkt gelte, wenn der zweite Fahrer den Lkw besteigt. Dies betreffe auch die Fahrt am 21.4.2011 (Punkt 5.). Die Übertretung vom 14. zum 15.4.2011 habe er nicht begangen, er habe lediglich deshalb die Ruhezeit unterbrechen müssen, weil er den Lkw zum Reifendienst gebracht habe und dabei wenige Minuten habe fahren müssen. Ansonsten sei die Ruhezeit hier durchgehend gewesen.
Zu den zu kurzen Lenkpausen (Punkt 6.) führte er aus, dass er die Fähre nicht verpassen habe dürfen und wegen eines Staues die 30 Minuten Pause nicht habe einhalten können.
Der Berufungswerber wies weiters daraufhin, dass er sich in einem Privatkonkurs befinde und auf das Existenzminimum gepfändet werde, weshalb die Strafen auch deutlich überhöht seien.
3. Der Bezirkshauptmann von Freistadt hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 14.11.2012. An dieser hat der Rechtsvertreter des Berufungswerbers teilgenommen, der Berufungswerber selbst und die Erstinstanz waren entschuldigt. Der Vertreter des Berufungswerbers hat hinsichtlich des Punktes 2. die Berufung in der Verhandlung zurück gezogen, bezüglich der übrigen Punkte hat er sie auf die Strafhöhe eingeschränkt.
4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:
Der Berufungswerber lenkte am 2. Mai 2011 das im Spruch angeführte Sattelkraftfahrzeug. Bei einer Kontrolle auf der B 310 bei Km 38,100 wurde um 12:01 Uhr seine Fahrerkarte ausgewertet. Diese ergab, dass der Berufungswerber bis zum Ende des sechsten 24-Stunden-Zeitraumes am 12.4.2011 um 04:55 Uhr nur eine Ruhezeit von 20 Stunden und 52 Minuten eingelegt hatte. Auch wenn man berücksichtigt, dass der ursprünglich vorgesehene zweite Lenker den Lkw am 9.4. verlassen hatte, hätte der Berufungswerber – sofern er am Samstag am 9.4. nach Einhaltung einer täglichen Ruhezeit sofort los gefahren wäre - am 10.4. die Fähre in Kiel noch so rechtzeitig erreicht, dass er zumindest eine annähernd ausreichend lange wöchentliche Ruhezeit hätte einhalten können.
Der Berufungswerber hat im 24-Stunden-Zeitraum, beginnend am 13.4.2011 um 06:53 Uhr nur eine Ruhezeit von 4 Stunden und 2 Minuten eingehalten. Im 24- Stunden-Zeitraum, beginnend am 21.4.2011 um 09:15 Uhr hat er nur eine Ruhezeit von 4 Stunden und 48 Minuten eingehalten. Der Lkw war am 13.4. von 21:13 Uhr bis 14.4. 06:14 Uhr sowie am 21.4. von 14:50 Uhr bis 20:04 Uhr mit einem zweiten Fahrer besetzt.
Im 24-Stunden-Zeitraum, beginnend am, 14.4.2011 um 15:39 Uhr hielt der Berufungswerber nur eine Ruhezeit von 7 Stunden und 45 Minuten ein. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass eine grundsätzliche ausreichend lange Ruhezeit am Morgen des 15.4.2011 lediglich durch eine 8 Minuten lange Fahrt unterbrochen wurde. Die Behauptung des Berufungswerbers, dass diese kurze Fahrt wegen des Reifenwechsels notwendig war, ist glaubwürdig.
Der Berufungswerber hielt am 27.4.2011 in der Zeit von 08:29 Uhr – 19:29 Uhr bei einer Lenkzeit von 8 Stunden und 19 Minuten nur Lenkpausen im Ausmaß von 21 und 22 Minuten ein.
5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:
5.1. Vorerst ist nochmals festzuhalten, dass der Berufungswerber seine Berufung bezüglich Punkt 2. zurückgezogen und bezüglich aller anderen Punkte auf die Strafhöhe eingeschränkt hat. Der Schuldspruch der gegenständlichen Übertretungen ist daher in Rechtskraft erwachsen und es ist lediglich die Strafbemessung zu überprüfen.
5.2. Gemäß Art 4 lit.a der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 bezeichnet der Ausdruck "Mehrfahrerbetrieb" den Fall, in dem während der Lenkdauer zwischen 2 aufeinander folgenden täglichen Ruhezeiten oder zwischen einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit mind. 2 Fahrer auf dem Fahrzeug zum Lenken eingesetzt sind. während der ersten Stunde des Mehrfahrerbetriebes ist die Anwesenheit eines anderen Fahrers oder anderer Fahrer fakultativ, während der restlichen Zeit jedoch obligatorisch.
Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass der vom Berufungswerber bezüglich der Punkte 2. und 5. gelten gemachte zweite Lenker für die rechtliche Beurteilung nicht von Bedeutung ist, weil dieser nicht während des gesamten Zeitraumes zwischen 2 täglichen Ruhezeiten im Lkw anwesend war.
5.3. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5.000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer diesem Bundesgesetz zuwiderhandelt, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Art. 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABL Nr. L370 vom 31.12.1985, Seite 1, sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr, ABL Nr. L370 vom 31.12.1985, Seite 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3572/90, ABL Nr. L353 vom 17.12.1990, Seite 12, zuwiderhandelt.
Gemäß § 134 Abs.1b KFG werden die Verstöße gegen die Verordnungen (EG) Nr. 561/2006 und (EG) Nr. 3821/85 anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, in der Fassung der Richtlinie 2009/5/EG, ABL Nr. L29 vom 30. Jänner 2009, Seite 45, nach ihrer Schwere in drei Kategorien (sehr schwere Verstöße – schwere Verstöße – geringfügige Verstöße) aufgeteilt. Die Höhe der Geldstrafe ist nach der Schwere des Verstoßes zu bemessen und hat im Falle eines schweren Verstoßes nicht weniger als 200 Euro und im Falle eines sehr schweren Verstoßes nicht weniger als 300 Euro zu betragen.
Allgemein ist festzuhalten, dass bei deutlich zu langen Lenkzeiten bzw. zu kurzen Ruhezeiten die Konzentration der Kraftfahrer stark nachlässt, weshalb es immer wieder zu gefährlichen Situationen und auch zu Verkehrsunfällen kommt. Diese führen insbesondere wegen der Größe der beteiligten Fahrzeuge oft zu schweren Verletzungen und darüber hinaus zu massiven Verkehrsbeeinträchtigungen auf Durchzugsstraßen. Es ist daher im Interesse der Verkehrssicherheit notwendig, die Einhaltung dieser Bestimmungen durch entsprechend strenge Strafen sicher zu stellen.
Dem Berufungswerber kommt seine bisherige Unbescholtenheit als strafmildernd zu Gute. Auch der Umstand, dass das gegenständliche Verfahren ca. 1 1/2 Jahre gedauert hat, wobei diese Verzögerungen nicht durch den Berufungswerber verursacht wurden, ist als strafmildernd zu berücksichtigen. Sonstige Strafmilderungs- oder Straferschwerungsgründe liegen hingegen nicht vor.
Der Berufungswerber hat die erforderliche tägliche Ruhezeit in 2 Fällen nicht eingehalten, wobei die tatsächlich innerhalb des 24 Stunden Zeitraumes eingehaltene Ruhezeit jeweils nur ca. 4 Stunden betragen hat. Es handelt sich daher um einen sehr schwerwiegenden Verstoß im Sinne des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, weshalb die gesetzliche Mindeststrafe dafür 300 Euro beträgt. Da der Berufungswerber die Ruhezeit jedoch in 2 Fällen nicht eingehalten hat und weiters auch in einem Fall die verkürzte wöchentliche Ruhezeit unterschritten hat, konnte mit der Mindeststrafe nicht das Auslangen gefunden werden. Unter Berücksichtigung der oben angeführten Milderungsgründe sowie der ausgesprochen ungünstigen finanziellen Situation des Berufungswerbers (Pfändung bis zum Existenzminimum auf Grund eines Privatkonkurses) konnte die Strafe jedoch herabgesetzt werden.
Der Vorfall vom 14.4.2011 betreffend die zu kurze Ruhezeit wird bei der Strafbemessung nicht berücksichtigt, weil der Berufungswerber die grundsätzlich ausreichende Ruhezeit nur durch eine 8-minütige - wegen des Reifendienstes notwendige - Fahrt unterbrochen hatte.
Bezüglich der nicht eingehaltenen Lenkpausen ist es glaubwürdig, dass der Berufungswerber auf Grund eines Staues und des fix einzuhaltenden Termins bei der Fähre die Lenkpause nicht im ausreichenden Ausmaß einhalten konnte. Sein Verschulden ist daher nur relativ gering. Weiters ist zu berücksichtigen, dass er ohnedies Lenkpausen im Umfang von 21 und 22 Minuten eingelegt hatte. Wäre die zweite Lenkpause um 8 Minuten länger gewesen, so hätte er diesbezüglich überhaupt keine Übertretung begangen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann die gesetzliche Mindeststrafe von 300 Euro gemäß § 20 VStG bis zur Hälfte unterschritten werden.
Die herabgesetzten Geldstrafen entsprechen dem Unrechtsgehalt der Übertretungen und erscheinen ausreichend, um den Berufungswerber in Zukunft zur genaueren Einhaltung der Bestimmungen anzuhalten. Die herabgesetzten Strafen halten auch generalpräventiven Erwägungen stand.
Zu III.:
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Gottfried Z ö b l