Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-560196/2/BMa/MG/Th

Linz, 09.01.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der Frau X vom 25.07.2012 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16.07.2012, Zl. 301-12-2/1ASJF, wegen Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs nach dem Oö. Mindestsicherungsgesetz zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheids des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16.07.2012, Zl. 301-12-2/1ASJF, wird aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG idgF iVm
§ 67a Abs. 1 AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16.07.2012, Zl. 301-12-2/1ASJF, zugestellt am 17.07.2012, wurde dem Antrag der Berufungswerberin vom 01.10.2011 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs gemäß § 27 und § 31 Oö. BMSG iVm § 1 Oö. BMSV insofern stattgegeben, als ihr für sich und ihren im gemeinsamen Haushalt wohnenden Sohn X ab 01.06.2012 Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs in Form von laufenden monatlichen Geldleistungen wie folgt zuerkannt wurde:

 

" a) x, geb. X

       Mindeststandard für Alleinerzieher/in gem. § 1 Abs.1 Z1 Oö. BMSV

  b) x, geb. X

     Mindeststandard für Volljährigen mit Familienbeihilfe gem. § 1 Abs.1 Z2   lit.c Oö. BMSV"

 

Nach Spruchpunkt 2. des bekämpften Bescheids sind als eigene Mittel der Berufungswerberin Pflegegeld abzüglich pflegegeldbezogener Ausgaben einzusetzen.

 

Als Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die von der Berufungswerberin eingebrachten monatlichen finanziellen Aufwendungen insoweit vom Pflegegeld in Abzug gebracht worden seien, als sie tatsächlich die Pflege ihres Sohnes beträfen. Vom Pflegegeld seien insgesamt 106,75 Euro abgezogen worden, wobei sich dieser Betrag aus Apothekenrechnungen (74,75 Euro für einen Monat) und Kosten für Batterien für das Hörgerät des Sohnes (monatlich 32,00 Euro) zusammensetze. Die Differenz in Höhe von 117,55 Euro sei als monatliches Einkommen der Berufungswerberin berücksichtigt worden.

 

Die von der Berufungswerberin eingebrachten Rechnungen von Lebensmitteldiskontern deuteten trotz behaupteter diätetischer Lebensweise des Sohnes auf keinen Mehraufwand hin, weshalb die betreffenden Rechnungen nicht als Aufwand berücksichtigt worden seien. Ebenso habe die vorgelegte Rechnung der Tochter der Berufungswerberin bezüglich Arztfahrten und Einkäufen mit deren PKW nicht in Abzug gebracht werden können, da die Berufungswerberin bei der Vorsprache selbst angegeben habe, dass sie alle Einkäufe erledige und ihre Tochter maximal zweimal monatlich mit ihrem Sohn zum Arzt fahre.

 

§ 9 Abs.1 Z3 Oö. BMSG sehe eine Einrechnung von Pflegegeld als Einkommen vor, sofern es sich nicht um eigenes Pflegegeld, sondern um jenes eines zu pflegenden Angehörigen handle. Gemäß den Erläuterungen AB 434/2011 zu
§ 9 Abs.1 Z3 Oö. BMSG werde klargestellt, dass nur pflegebezogene Geldleistungen, die für die Deckung des eigenen Pflegebedarfs zuerkannt würden, von der Anrechnung als Einkommen ausgenommen seien. Demgegenüber könnten jedoch Geldleistungen bei einem pflegenden Angehörigen sehr wohl einzusetzende Mittel darstellen.

 

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Berufung eingebracht und in dieser im Wesentlichen dargelegt, dass infolge Krankheit und Pflegebedürftigkeit des Sohns die Berufungswerberin aus den vorhandenen Mitteln noch gesonderte Ausgaben zu leisten habe. Dementsprechende Angaben und Nachweise seien der Behörde vorgelegt worden. Im erstinstanzlichen Bescheid seien ein monatlicher Betrag von 32 Euro für Batterien zur Stromversorgung des Hörgeräts ihres Sohnes und ein monatlicher Betrag von 74,75 Euro für diverse Apothekenrechnungen berücksichtigt worden. Zudem seien der Behörde Belege über erhöhte Fahrtkosten ("Krankentransport" des Sohnes zu Ärzten usw.) sowie über erhöhte Ausgaben für Spezial- bzw. Diätnahrung (notwendig infolge der Krankheit ihres Sohnes) übergeben worden, welche jedoch nicht bzw. nur teilweise berücksichtigt worden seien.

 

Zur Einführung der bundesweiten bedarfsorientierten Mindestsicherung, die vor allem der Armutsbekämpfung sowie der Weiterentwicklung und Harmonisierung der bisherigen Sozialhilferegelungen der Länder unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Bestimmungen zur Ausgleichszulage dienen sollte, sei eine Gliedstaatsvereinbarung zwischen Bund und Ländern nach Art. 15a B-VG abgeschlossen worden. Derartige Gliedstaatenverträge begründeten laut Literatur und Judikatur grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbares Bundes- oder Landesrecht, sondern verpflichteten vielmehr die Vertragspartner bzw. Länder, eine entsprechende Transformation in ein Gesetz oder bei Vorliegen der Voraussetzungen in eine Verordnung vorzunehmen. In Art. 13 der Art. 15a-Vereinbarung finde sich eine dem Prinzip der Subsidiarität angepasste Regelung über die Berücksichtigung von Leistungen Dritter und eigener Mittel. Nach Abs.3 Z3 leg.cit sei Pflegegeld von der Mindestbezieherin selbst oder von der dritten Person nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften oder andere pflegebezogene Leistungen bei der Berechnung der bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht zu berücksichtigen. Dies entspreche auch den Regelungen zur Ausgleichszulage im ASVG oder anderen Sozialversicherungsgesetzen.

Nach § 292 Abs.4 lit.d ASVG hätten Einkünfte wie Pflegegeld bei der Berechnung der Ausgleichszulage außer Betracht zu bleiben. Die Ausgleichszulage sei mit Richtsätzen für Alleinstehende und – demgegenüber abgestuft (gemeinsame Deckung der Haushaltskosten – "Synergieeffekte") – im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatten bzw. Partner bei Festlegung der Richtsätze sowie der anrechenbaren Leistung ähnlich bzw. gleich konzipiert wie nunmehr die bedarfsorientierte Mindestsicherung. In den Erläuterungen zu Art. 13 der Art. 15a-Vereinbarung finde sich zu dem Ausnahmekatalog nach Abs.3 der Hinweis, dass diese "... den gleichsam kleinsten gemeinsamen Nenner der bisherigen Landesvorschriften..." darstellten und es den Ländern unbenommen bleibe, noch weitere Ausnahmen vorzunehmen.

Entgegen diesen Ausführungen sei jedoch ein Teil des Pflegegeldes des im gemeinsamen Haushalt lebenden Sohnes angerechnet worden.

 

Unbestritten würden EU-Verordnungen und – bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen – auch EU-Richtlinien in Österreich unmittelbares und verbindliches Recht. Es wäre gerade unverständlich, falls etwaige nach dem Bundesverfassungsgesetz zwischen gesetzgebenden Körperschaften abgeschlossene Verträge für Rechtsunterworfene in Österreich keinerlei Verbindlichkeit oder Auswirkung haben sollten. Vielmehr sollten die Art. 15a-Vereinbarung auch bei der Schaffung der notwendigen Landesgesetze oder bei Erlassen der Verwaltungsakte bzw. Bescheide Berücksichtigung finden.

 

Die maßgebliche Regelung widerspreche nicht nur der Art. 15a-Vereinbarung, sondern sei auch durch Verletzung des Sachlichkeitsgebots gleichheitswidrig, da eine unsachliche Differenzierung vorgenommen worden sei. Wenn der Pflegebedürftige selbst mangels Einkommens einen Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung stellen würde, könnte das Pflegegeld ex lege nicht in Anrechnung gebracht werden. Da aber – wie krankheitsbedingt wohl in den meisten Fällen – gegenständlich die Angehörige den Antrag bei der Behörde eingebracht habe, sei bei der Berechnung der Höhe der gebührenden Mindestsicherung dieses Pflegegeld, allenfalls unter Anrechnung notwendiger Aufwendungen und Kosten, berücksichtigt worden. Dies stelle eine unsachliche bzw. willkürliche Unterscheidung dar, zumal der Antrag von allen im Haushalt lebenden Angehörigen eingebracht werden könne und daraus unterschiedliche Ergebnisse bzw. Rechtswirkungen folgten. Der gegenständliche Sachverhalt lasse nicht klar erkennen, wer tatsächlich als Hilfesuchender bzw. Anspruchsberechtigter anzusehen sei. So unterliege es wohl der Entscheidung innerhalb der Familie, wer den Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung einbringe.

 

Die Berufungswerberin weist weiters auf § 11 Abs.3 Z4 Oö. BMSG hin, wonach von nahen Angehörigen von Beziehern einer bedarfsorientierten Mindestsicherung, die ein Pflegegeld von zumindest der Stufe 3 beziehen, der Einsatz der Arbeitskraft nicht verlangt werden könne. Offenbar werde angenommen, dass in diesem Fall die Bezieher selbst als Pflegekräfte auftreten würden und sich gesondert dieser Aufgabe widmen könnten – ohne mögliche Vermittlungen bzw. Verweisungen auf offene Arbeitsstellen. Im Gegenschluss sei anzunehmen, dass bei Personen, die nahe Angehörige mit einer Pflegestufe von 1 oder 2 betreuten, trotz vorzunehmender Pflegetätigkeiten (bis zu 119 Stunden im Monat) auch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssten bzw. vermittelbar wären. Es liege eine Regelung ohne sachlich notwendige Differenzierung vor, weil offenbar in jedem Falle – ungeachtet der Vermittelbarkeit bzw. der Verpflichtung, eine Arbeitsstelle anzunehmen oder einer Wiedereingliederungsmaßnahme beizutreten – eine Anrechnung des Pflegegeldes von Dritten bzw. von der/dem nahen Angehörigen erfolge. Wie angeführt sei wiederum davon auszugehen, dass ein Bescheid auf Grundlage eines grundrechtswidrigen Gesetzes erlassen worden sei.

 

Weiters bringt die Berufungswerberin vor, die erstinstanzliche Behörde habe nur einen Teil der von ihr angegebenen und belegten Kosten berücksichtigt, welche für die Betreuung und Pflege ihres Sohnes notwendig seien. Von der angerufenen Behörde erfolge eine willkürliche Unterscheidung, zumal auch etwaige Kosten für Diätnahrung oder für die Fahrten zu Ärzten bzw. Therapieeinrichtungen sicherlich überschießende bzw. über das "übliche" Ausmaß hinausgehende Kosten für Pflege darstellten und daher ein größerer Betrag anzurechnen wäre. Zudem wäre zu berücksichtigen, dass ein Teil des Pflegegeldes im Sinne eines "Taschengeldes" der pflegebedürftigen Person selbst zustehe.

 

Die Berufungswerberin stellt abschließend den Antrag, den strittigen Bescheid zu beheben und ihr ab 01.06.2012 Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs in Form von laufenden monatlichen Geldleistungen in vollem Ausmaß ohne Anrechnung des Pflegegeldes in Höhe von 1.037,80 Euro zu gewähren.

 

3. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt. Gemäß § 49 Abs.1 Oö. BMSG ist der Unabhängige Verwaltungssenat zuständige Berufungsinstanz, die gemäß § 27 Oö. BMSG iVm § 67a AVG durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Da schon auf Grund der Aktenlage der Sachverhalt zweifelsfrei feststeht und eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde und auch nicht als erforderlich erachtet wurde, war eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 67d AVG nicht anzuberaumen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Folgender Sachverhalt steht als erwiesen fest:

 

Die Berufungswerberin, geb. 01.11.1977, österreichische Staatsbürgerin, wohnhaft in X, hat am 01.10.2011 einen Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs nach dem Oö. BMSG für sich und ihren im gemeinsamen Haushalt lebenden Sohn X, geb. X, österreichischer Staatsbürger, eingebracht. Die Berufungswerberin ist Alleinerzieherin ihres Sohnes, für welchen sie Familienbeihilfe bezieht. Sowohl die Berufungswerberin als auch ihr Sohn sind weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig.

 

Seit 01.02.2010 erhält Herr X Pflegegeld der Stufe 2 in Höhe von 224,30 Euro monatlich. Er muss sich diätetisch ernähren und ist Träger eines Hörgerätes.

Die Berufungswerberin legte der erstinstanzlichen Behörde (Amt für Soziales, Jugend und Familie, Magistrat der Landeshauptstadt Linz) am 16.04.2012 Apothekenrechnungen und Supermarktrechnungen (Lebensmittel) vor, welche Ausgaben für ihren Sohn belegen. Zwischen dem 17.03.2012 und dem 07.04.2012 gab die Berufungswerberin insgesamt 74,75 Euro für den Kauf von Medikamenten für ihren Sohn aus. Die Kosten der Batterien für das Hörgerat des Sohnes belaufen sich auf ca. 32 Euro pro Monat.

Die Berufungswerberin selbst erledigt die Einkäufe für sich und ihren Sohn. Die Tochter der Berufungswerberin stellt ihr Fahrzeug ihrem Bruder regelmäßig zu Wahrnehmung von Arztterminen, Behördenterminen oder für notwendige Einkäufe zur Verfügung. Für die Nutzung des PKWs ersetzt der Sohn der Berufungswerberin seiner Schwester monatlich durchschnittlich 50 Euro. Er hat monatlich durchschnittlich zwei Arzttermine wahrzunehmen.

 

Mit Schreiben vom 24.05.2012 verständigte die erstinstanzliche Behörde die Berufungswerberin vom Ergebnis der Beweisaufnahme und teilte ihr Folgendes mit:

 

"1. Es wird Ihnen für sich und die folgenden in Ihrem Haushalt lebenden Personen ab 01.06.2012 zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs in Form von laufenden monatlichen Geldleistungen wie folgt zuerkannt:

 

a)    X, geb. X

     Mindeststandard für Alleinerzieher/in gem. § 1, Abs. 1, Z. 1 Oö. BMSV

b)    X, geb. X

     Mindeststandard für Minderjährige(r) mit FB gem. § 1, Abs. 1, Z. 2c Oö.   BMSV

 

Der Umstellungsbescheid vom 14.05.2012 ist somit per 31.05.2012 eingestellt.

 

2. Als eigene Mittel sind einzusetzen:

·         X, geb. X

     Pflegegeld für Sohn X abzüglich pflegegeldbezogener Ausgaben"

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass dem Antrag vollinhaltlich entsprochen worden sei, eine weitere Begründung könne daher gemäß § 58 Abs.2 AVG entfallen Der Berufungswerberin wurde eine Frist von einer Woche ab Zustellung zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

 

Mit rechtzeitigem Schreiben vom 31.05.2012 brachte die Berufungswerberin eine solche Stellungnahme ein. Darin führte sie im Wesentlichen aus, dass laut § 9 Oö. BMSG Pflegegeld, das zur Deckung des Pflegeaufwandes zuerkannt wurde, nicht als anzurechnendes Einkommen anzusehen sei. Sie lebe mit ihrem Sohn im gemeinsamen Haushalt. Neben der Familienbeihilfe und dem Pflegegeld der Stufe 2 habe ihr Sohn keine weiteren Ansprüchen bzw. "Bezüge". Aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen hätten sie erhöhte Aufwendungen zu leisten (Krankentransporte, Diätnahrung usw.). Die Anrechnung des Pflegegeldes bzw. eines Teiles davon sei nicht gerechtfertigt, zumal die "Mindestsicherungsleistung" auch zur Deckung des Lebensunterhaltes ihres Sohnes diene.

 

Mit Schreiben vom 03.07.2012 ergänzte die erstinstanzliche Behörde die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme. Darin führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass nur pflegegeldbezogene Geldleistungen, die für die Deckung des eigenen Pflegebedarfs zuerkannt würden, von der Anrechnung als Einkommen ausgenommen sind. Demgegenüber könnten Geldleistungen bei einem pflegenden Angehörigen sehr wohl einzusetzende Mittel darstellen.

Die von der Berufungswerberin eingebrachten monatlichen finanziellen Aufwendungen seien insoweit vom Pflegegeld in Abzug gebracht worden, als sie tatsächlich die Pflege ihres Sohnes beträfen. Somit seien insgesamt 106,75 Euro vom Pflegegeld abgezogen und die Differenz von 117,55 Euro als monatliches Einkommen berücksichtigt worden. Weiters habe die Berufungswerberin Rechnungen von Lebensmitteldiskontern vorgelegt, da sie angegeben habe, für ihren Sohn diätetisch kochen zu müssen. Eine Überprüfung der Belege habe jedoch auf keinen Mehraufwand hingedeutet und die betreffenden Rechnungen hätten daher nicht als Aufwand berücksichtigt werden können. Die vorgelegten Bestätigungen der Tochter bezüglich Arztfahrten und Einkäufen mit deren PKW hätten nicht in Abzug gebracht werden können, da die Berufungswerberin bei ihrer Vorsprache angegeben hätte, selbst die Einkäufe zu erledigen und ihre Tochter maximal zweimal monatlich mit ihrem Sohn zu Arzt fahre. Wiederum räumte die erstinstanzliche Behörde der Berufungswerberin eine Stellungnahmefrist von einer Woche ab Zustellung ein.

Innerhalb der gesetzten Frist langte keine Stellungnahme der Berufungswerberin ein.

 

Es kann nicht festgestellt werden, ob und in welchem Umfang die Berufungswerberin Pflegeleistungen für ihren Sohn erbringt und dadurch ein Einkommen aus den Pflegeleistungen bezieht.

 

5.2. Beweiswürdigend wird ausgeführt, dass die aufgenommenen Beweise den festgestellten Sachverhalt in sich widerspruchsfrei und schlüssig dargetan haben.

 

Zur Erbringung von Pflegeleistungen der Mutter für ihren Sohn und gegebenenfalls zum Umfang der erbrachten Leistungen und zur Bezahlung dieser durch den pflegegeldbeziehenden Sohn wurden von der belangten Behörde keine Feststellungen getroffen. Es ist daher zu Gunsten der Rechtsmittelwerberin davon auszugehen, dass sie durch eine allfällige Erbringung von Pflegeleistungen kein zusätzliches Einkommen bezieht.

 

5.3. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.3.1. Zur Gewährung bedarfsorientierter Mindestsicherung müssen die persönlichen sowie die sachlichen Voraussetzung gem. §§ 4 ff Oö. BMSG erfüllt sein.

 

Gemäß § 49 Abs.1 Oö. BMSG ist für die Erlassung von Bescheiden in I. Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde und in II. Instanz der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, soweit nicht anderes bestimmt ist.

 

Gemäß § 4 Abs.1 Oö. BMSG kann bedarfsorientierte Mindestsicherung, sofern dieses Landesgesetz nicht anderes bestimmt, nur Personen geleistet werden, die

1.  ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Österreich haben und die Voraussetzungen des § 19 oder des § 19a Meldegesetz, BGBl. Nr. 9/1992, idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, erfüllen und

2.  a)  entweder österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger oder deren Familienangehörige,

     b)  Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte,

     c)  EU-/EWR-Bürgerinnen oder -Bürger, Schweizer Staatsangehörige oder deren Familienangehörige, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistung nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

     d) Personen mit einem Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" oder "Daueraufenthalt – Familienangehörige" oder mit einem Niederlassungs­nachweis oder einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung,

     e)  Personen mit einem sonstigen dauernden Aufenthaltsrecht im Inland, soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

sind.

 

Als österreichische Staatsbürgerin mit Hauptwohnsitz in 4030 Linz erfüllt die Berufungswerberin die persönlichen Voraussetzungen für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung gem. § 4 Abs.1 Z1 und Z2 lit.a Oö. BMSG.

 

Als sachliche Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung statuiert § 5 Oö. BMSG, dass eine Person im Sinn des § 4 leg.cit

1.

von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist und

2.

bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

Auch über das Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen der § 5 iVm §§ 6 f Oö. BMSG (soziale Notlage und Bemühungspflicht) liegen keine Zweifel vor.

 

5.3.2. Das Oö. BMSG erging auf Grundlage einer zuvor zwischen Bund und Ländern geschlossenen Vereinbarung gem. Art 15a B-VG. Solche Vereinbarungen binden nur die vertragsschließenden Parteien selbst. Gegenüber Normunterworfenen entfalten sie nur dann Rechtswirkung, wenn sie mittels Gesetz oder Verordnung transformiert werden (VfSlg 9581/1982, 13.780/1994; vgl. auch Kahl/Weber, Allgemeines Verwaltungsrecht3 [2011] Rn 48). Ein subjektives Recht ist aus der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung daher, wie im Berufungsvorbringen behauptet, den Einzelnen gerade nicht eingeräumt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Art. 13 Abs. 3 der Art 15a-Vereinbarung (in Zusammenschau mit der Regelung der entkoppelten Antragslegitimation der Bedarfsgemeinschaft) nur jenen Fall regelt, der eine Anrechnung von Pflegegeld als Einkommen für den jeweiligen Antragsteller (hier: den Sohn der Berufungswerberin) ausschließt.

 

5.3.3. Gemäß § 28 Oö. BMSG setzt die Antragstellung die volle Geschäftsfähigkeit voraus und kann auch die im selben Haushalt lebenden hilfebedürftigen Angehörigen umfassen. Beim volljährigen Sohn und seiner in Haushaltsgemeinschaft lebenden unterhaltspflichtigen Mutter handelt es sich um eine "Bedarfsgemeinschaft" im Sinn des Mindestsicherungsrechts. Nach der Judikatur des VfGH kommt den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft – bei Vorliegen der Voraussetzungen hiefür – je ein eigener Anspruch auf Mindestsicherung zu. Die Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft ist entscheidend für die Berechnung des Bedarfs, insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen (VfGH 29.02.2012, 2011/10/0075; vgl. ErlRV 677 BlgNR XXIV. GP, 14).

Hiezu halten die Erläuterungen zu Art 4 der Art 15a-Vereinbarung fest: "Wie bisher in der Sozialhilfe (allenfalls in Verbindung mit § 10 Abs.4 AVG) soll es zwar bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung möglich sein, dass eine Person Leistungen auch für die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen geltend macht. Dies kann allerdings in Hinkunft nur mehr im Namen, also in Vertretung der betreffenden Person(en) erfolgen. In der Praxis hat nämlich die Beschränkung der Antragslegitimation auf eine Person der Bedarfsgemeinschaft nicht selten zu dem untragbaren Ergebnis geführt, dass weitere Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf die Dispositionen der (allein) antragsberechtigten Person angewiesen waren. Im Lichte eines gleichberechtigten und emanzipatorischen Zugangs zu den Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist es daher unabdingbar, zumindest jeder erwachsenen Person [...] in der Bedarfsgemeinschaft die Möglichkeit eines gesonderten Antragsrechtes und damit verbunden gegebenenfalls einer gesonderten Parteistellung einzuräumen" (ErlRV 677 BlgNR XXIV. GP, 9).

Gemäß § 28 Abs. 2 Oö. BMSG "ist künftig jedenfalls nicht nur der 'Haushaltsvorstand' zur Antragstellung berechtigt, sondern jede voll geschäftsfähige Person. Fehlt einer hilfebedürftigen Person die volle Geschäftsfähigkeit, so kann für sie der Antrag durch eine nach dem bürgerlichen Recht vertretungsbefugte Person bzw. durch eine Vertreterin bzw. einen Vertreter im Sinn der §§ 10 ff AVG gestellt werden. Das Antragsrecht umfasst neben der eigenen Person auch jene Angehörigen, die im Abs.3 taxativ aufgezählt sind. Wurde bereits bescheidmäßig über die Hilfeleistung der Antragstellerin oder des Antragstellers bzw. einer vom Antrag mitumfassten Person abgesprochen, so ist der Antrag nach Maßgabe des § 68 Abs.1 AVG allenfalls wegen entschiedener Sache zurückzuweisen."

Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass es sich beim vorliegenden Antrag um zwei getrennte Anträge der Berufungswerberin und ihres Sohnes handelt, über welche gemeinsam abgesprochen wird. Auch wenn die Berufungswerberin den Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs gemäß § 27 und § 31 Oö. BMSG iVm § 1 Oö BMSV nur für sich alleine gestellt hätte, wäre die Behörde zur Anrechnung von Einkommen der Berufungswerberin gem. §§ 8 f Oö. BMSG im selben Umfang wie bei einem gemeinsamen Antrag der Berufungswerberin und ihrem Sohn verpflichtet gewesen. Aus den oben dargelegten Gründen kann ein Verstoß gegen das aus Art. 7 Abs.1 B-VG erfließende Sachlichkeitsgebot und Willkürverbot nicht erblickt werden.

 

5.3.4. Zur Ermittlung der Höhe der bedarfsorientierten Mindestsicherung sind insbesondere § 1 Oö. BMSV und die Bestimmungen über den Einsatz der eigenen Mittel gem. §§ 8 f Oö. BMSG heranzuziehen:

 

"§ 1 Oö. BMSV

Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs

 

(1) Die laufenden monatlichen Geldleistungen (Mindeststandards) zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs betragen für

1.

alleinstehende oder alleinerziehende Personen

(ab 1. Jänner 2013                 867,30 Euro)

843,70 Euro

2.

volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben

 

 

c)

pro familienbeihilfebeziehender volljähriger Person, wenn diese einer anderen Person im gemeinsamen Haushalt gegenüber unterhaltsberechtigt ist oder sein könnte

(ab 1. Jänner 2013                  199,50 Euro)

(Anm: LGBl.Nr. 121/2011;

ab 1. Jänner 2013: LGBl.Nr. 127/2012)

194,10 Euro

 

 

 

(2) Unter Alleinerziehenden im Sinn des Abs.1 Z1 und Z4 lit.a werden Personen verstanden, die nur mit ihnen gegenüber unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern oder familienbeihilfebeziehenden volljährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt leben.

(3) Leben mehr als zwei leistungsberechtigte volljährige Personen in Haushaltsgemeinschaft, ist für die beiden ältesten Personen der Mindeststandard gemäß Abs.1 Z2 lit.a bzw. Z4 lit.b sublit.ba heranzuziehen, soweit die leistungsberechtigten volljährigen Personen keine davon abweichende Vereinbarung getroffen haben.

(4) Unter Dauerunterstützten im Sinn des Abs.1 Z4 werden Personen verstanden, die wegen ihres Alters, Gesundheitszustands oder ihrer familiären Situation gemäß § 16 Abs.3 Z2 Oö. SHG 1998, LGBl. Nr. 82, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 41/2008 oder im Zusammenhang mit einer Hilfe bei Gewalt durch Angehörige gemäß § 20 Abs.1 Oö. SHG 1998, LGBl. Nr. 82, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 41/2008, zum 30. September 2011 in Leistungsbezug standen. Dies gilt solange als der die Dauerunterstützung begründende Umstand fortdauert.

(5) Sofern eine Person gemäß § 13 Abs.4 Oö. BMSG

1.

alleinstehend oder alleinerziehend ist, ist ihr Mindeststandard um bis zu 139,20 Euro zu verringern,

2.

volljährig im Sinn des Abs.1 Z2 lit.a oder Z4 lit.b sublit.ba ist, ist ihr Mindeststandard um bis zu 69,60 Euro zu verringern.

Bei anderen Personen ist kein Abzug im Sinn des § 13 Abs.4 Oö. BMSG vorzunehmen. (Anm: LGBl.Nr. 121/2011)"

 

"§ 8 Oö. BMSG

Einsatz der eigenen Mittel

 

(1) Die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung hat unter Berücksichtigung

1.

des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der hilfebedürftigen Person sowie

2.

tatsächlich zur Verfügung stehender Leistungen Dritter

zu erfolgen.

(2) Bei der Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung wird das Einkommen der (des) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin oder Ehegatten, Lebensgefährtin oder Lebensgefährten bzw. Lebenspartnerin oder Lebenspartners insoweit als Einkommen der hilfebedürftigen Person betrachtet, als es jenen Betrag übersteigt, der ihr oder ihm zustünde, wenn sie oder er selbst auf bedarfsorientierte Mindestsicherung angewiesen wäre.

(3) Das Einkommen in Haushaltsgemeinschaft mit hilfebedürftigen Personen lebender Kinder ist bis zur Erreichung der Volljährigkeit ausschließlich zur eigenen Bedarfsdeckung zu berücksichtigen.

(4) Ansprüche hilfebedürftiger Personen, die zur zumindest teilweisen Bedarfsdeckung nach diesem Landesgesetz geeignet sind, sind auf Verlangen des zuständigen Trägers der bedarfsorientierten Mindestsicherung diesem zur Rechtsverfolgung zu übertragen.

 

§ 9 Oö. BMSG

Ausnahmen vom Einsatz des eigenen Einkommens

 

(1) Beim Einsatz der eigenen Mittel dürfen folgende Einkünfte nicht berücksichtigt werden:

...........

3.

Pflegegeld nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften oder andere pflegebezogene Geldleistungen, die zur Deckung von Aufwendungen für den eigenen Pflegebedarf zuerkannt wurden.

 (3) Durch Verordnung der Landesregierung können weitere Ausnahmen vom Einsatz des eigenen Einkommens festgelegt werden. Dabei ist auf die Aufgaben, Ziele und Grundsätze dieses Landesgesetzes Bedacht zu nehmen.

......"

 

Weil die Berufungswerberin unterhaltspflichtig ist, steht der Bedarfsgemeinschaft von Mutter und Sohn grundsätzlich neben dem Mindeststandard für AlleinerzieherInnen gem § 1 Abs.1 Z1 Oö BMSV auch der Mindeststandard für den Sohn als familienbeihilfebeziehende volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft lebt und der der Berufungswerberin gegenüber unterhaltsberechtigt ist, gem § 1 Abs.1 Z2 lit.c BMSV zu. Allerdings hat die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung unter Berücksichtigung insbesondere des Einkommens der hilfebedürftigen Person zu erfolgen (§ 8 Abs.1 Z1 Oö. BMSG). Alle Einkünfte, die einem Menschen zufließen, zählen zum Gesamteinkommen, es sei denn, es wäre einer der Fälle der taxativen Aufzählung des § 9 Oö. BMSG erfüllt (vgl. dazu sinngemäß: UVS Stmk 22.05.2012, 41.21-14/2012 unter Hinweis auf das Wesen der Subsidiarität der Mindestsicherung).

 

Unbestritten handelt es sich beim Pflegegeld für den Sohn der Berufungswerberin um Pflegegeld nach bundesrechtlichen Vorschriften (genauer: nach dem Bundespflegegeldgesetz – BPGG, BGBl. Nr. 110/1993 idgF). Im gegenständlichen Verfahren wertete die erstinstanzliche Behörde das Pflegegeld für den Sohn der Berufungswerberin als solches Einkommen iSd § 9 Abs.1 Z3 Oö. BMSG für die Berufungswerberin selbst, da es gerade nicht zur Deckung von Aufwendungen für den eigenen Pflegebedarf der Berufungswerberin zuerkannt wurde.

 

Der Auffassung der erstinstanzlichen Behörde, das Pflegegeld des Sohnes nicht als Einkommen des Sohnes zu werten, ist demzufolge beizupflichten, da dieses ihm gegenüber jedenfalls nicht als Einkommen zu werten ist (§ 9 Abs.1 Z3 Oö. BMSG; vgl dazu bereits VfSlg 15.281/1998 zur Verfassungswidrigkeit der Einbeziehung des nach dem BPGG gewährten Taschengeldes bei der Berechnung des Einkommens Behinderter anlässlich der Vorschreibung von Kostenbeiträgen zur Heimunterbringung nach dem Sbg Sozialhilfegesetz; Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich [1994], 155). Das Pflegegeld hat gerade den Zweck, in Form eines pauschalierten Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen (§ 1 BPGG). Den pflegebedürftigen Personen soll damit ermöglicht werden, sie in die Lage zu versetzen, ihre notwendige Betreuung und Hilfe selbst zu organisieren (vgl. Gruber/Pallinger, Kommentar zum BPGG [1994] § 1 Rn 1).

 

Wenn eine Angehörige jedoch selbst Pflegeleistungen erbringt (somit also eine "pflegende Angehörige" iSd Erläuterungen zu § 9 Abs.1 Z3 Oö. BMSG darstellt, vgl. AB 434/2011 BlgLT XXVII. GP, 38), erbringt sie eine Arbeitsleistung, zu deren Zweck das Pflegegeld dem Pflegebedürftigen nachgerade gewährt wird. Vgl. dazu auch die Ausführungen des VwGH zum Stmk BehindertenG 2004: "Das Pflegegeld des Kindes ist nicht schon deshalb auf den Richtsatz der Hilfe Suchenden anzurechnen, weil es mit ihr im gemeinsamen Haushalt wohnt und unterhaltsberechtigt ist. Das Pflegegeld ist aber der Hilfe Suchenden deshalb als Einkommen anzurechnen, weil sie - auf Kosten ihrer sonst bestehenden Verdienstmöglichkeiten - gerade jene Pflegeleistungen erbringt, zu deren Abdeckung (zweckgebunden) das Pflegegeld dient. Der Unterhaltsanspruch des Kindes gemäß § 140 Abs 3 ABGB vermindert sich im Umfang eigener Einkünfte, sodass das Kind die notwendige Mehrbetreuung oder deren Kosten – soweit sie durch die pflegebezogene Geldleistung abgegolten sind – von der Mutter nicht mehr unter dem Titel der Unterhaltspflicht fordern kann. Ist aber die Mutter nicht mehr zur unentgeltlichen Erbringung dieser Betreuungsleistung verpflichtet, dann kann sie von ihrem Kind auch die Abführung der pflegebezogenen Geldleistung als Entschädigung für die von ihr erbrachten Betreuungsleistungen fordern (Hinweis E 21. April 1998, 97/08/0510, ergangen zum Salzburger Sozialhilfegesetz). Nach dem zitierten Erkenntnis ist das Pflegegeld unter Abzug jener Teile anzurechnen, die für den Zukauf pflegebezogener Leistungen und Waren aufgewendet werden müssen oder von Gesetzes wegen im Besonderen dem Verbrauch zu Gunsten des Pflegebedürftigen gewidmet sind." (VwGH, 21.10.2009, 2006/10/0059).

 

Eine solche Anrechnung des Pflegegeldes als Einkommen der Mutter setzt im Sinne der vorgenannten höchstgerichtlichen Judikatur voraus, dass einerseits der pflegebedürftige Angehörige (hier: der Sohn) tatsächlich von der Hilfe suchenden Person gepflegt wird und gleichzeitig das Pflegegeld nicht bereits von anderen pflegebezogenen Leistungen aufgezehrt wird (ein Vorrang der Anrechnung der Leistungen der pflegenden Mutter vor solchen anderen, fremdvergebenen pflegebezogenen Leistungen kann aus der Systematik des Gesetzes jedenfalls nicht abgeleitet werden).

Erst wenn beide Voraussetzungen zutreffen, sind von dem Auszahlungsbetrag des (hier: reduzierten) Pflegegeldes sowohl die für den Zukauf pflegebezogener Leistungen und Waren aufgewendeten Beträge als auch die von Gesetzes wegen im Besonderen dem Verbrauch zu Gunsten des Pflegebedürftigen gewidmeten Beträge abzuziehen. Zwar sind gem. § 33 Abs.2 BPGG (nur) die Entscheidungsträger gem. § 22 leg.cit. berechtigt, die zweckgemäße Verwendung des Pflegegeldes zu kontrollieren. Als Vorfrage hat jedoch auch die Behörde im Verfahren um Zuerkennung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung nach dem Oö. BMSG nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung über die Verwendung des Pflegegeldes zu urteilen (vgl. allgemein Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5 [2009], 153; § 60 AVG).

 

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine Anrechnung des Pflegegeldes des Sohnes als Einkommen der Mutter nur insoweit in Betracht kommt, als dieses Pflegegeld der Mutter zum Ersatz der von ihr erbrachten Pflegeleistungen (und daher im Ergebnis einkommensäquivalent) tatsächlich zukommt. Im gegenständlichen Fall scheitert die Zurechnung des Pflegegeldes aber sowohl an der fehlenden Feststellung, dass die Mutter faktische Pflegeleistungen erbringe, die eine solche Zurechnung des Pflegegeldes rechtfertige könnte (die Berufungswerberin stellt insofern keine "pflegende Angehörige" iSd § 9 Abs.1 Z3 Oö. BMSG dar), und weiters übersteigen die gesamten von der Berufungswerberin zu tragenden Pflegekosten (Arzneimittel, Batterien, Fahrtkosten, Taschengeld) den pauschalierten Pflegegeldbetrag des Sohnes.

Auch ein Übergang des Anspruchs auf Pflegegeld iSd § 13 Abs.3 Z3 Bundespflegegeldgesetz auf die Berufungswerberin hat mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht stattgefunden, weshalb eine Übertragung des Anspruchs auf Pflegegeld auch aus diesem Grund nicht in Frage kommt.

 

Eine Anrechnung des Pflegegeldes des Sohnes auf das Einkommen seiner Mutter kann aus den vorgenannten Gründen nicht erfolgen, weshalb der erstinstanzliche Bescheid insofern abzuändern und Spruchpunkt 2 aufzuheben war.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.



 

 

 

Mag.a Gerda Bergmayr-Mann

 

 

 

 

VwSen-560196/2/BMa/MG/Th vom 9. Jänner 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

BPGG 1993 §1;

Oö. BMSG §9 Abs1 Z3

 

Eine Anrechnung des Pflegegeldes als Einkommen einer nahen Angehörigen, die mit der pflegebedürftigen Person im selben Haushalt lebt, setzt im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur voraus, dass einerseits der pflegebedürftige Angehörige (hier: der Sohn) tatsächlich von der Hilfe suchenden Person gepflegt wird und gleichzeitig das Pflegegeld nicht bereits von anderen pflegebezogenen Leistungen aufgezehrt wird (ein Vorrang der Anrechnung der Leistungen der pflegenden Mutter vor solchen anderen, fremdvergebenen pflegebezogenen Leistungen kann aus der Systematik des Gesetzes jedenfalls nicht abgeleitet werden).

Erst wenn beide Voraussetzungen zutreffen, sind von dem Auszahlungsbetrag des (hier: reduzierten) Pflegegeldes sowohl die für den Zukauf pflegebezogener Leistungen und Waren aufgewendeten Beträge als auch die von Gesetzes wegen im Besonderen dem Verbrauch zu Gunsten des Pflegebedürftigen gewidmeten Beträge abzuziehen.

 

Eine Anrechnung des Pflegegeldes des Sohnes als Einkommen der Mutter kommt nur insoweit in Betracht, als dieses Pflegegeld der Mutter zum Ersatz der von ihr erbrachten Pflegeleistungen (und daher im Ergebnis einkommensäquivalent) tatsächlich zukommt.

 

 

 

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