Linz, 28.01.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der X, geb. X, StA der Russischen Förderation, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom
18. Dezember 2012, GZ.: Sich96-195-2012, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Die Berufungswerberin hat zusätzlich zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in Höhe von 100 Euro (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
zu I.: §§ 24 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;
zu II.: § 64ff. VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom
18. Dezember 2012, GZ.: Sich96-195-2012, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) gemäß §§ 31 Abs.1 iVm § 120 Abs. 1a FPG, BGBl. 100/2005 idgF eine Geldstrafe in der Höhe von 500,-- Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 144 Stunden verhängt. Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:
In der Begründung führt die belangte Behörde zum Sachverhalt und Verfahrensverlauf aus, dass die Bw am 6. Juli 2008 illegal ins Bundesgebiet eingereist sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe. Bis zur Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofes (rk. 28. Februar 2011) habe sich die Bw rechtmäßig als Asylwerberin im Bundesgebiet aufgehalten. Am 29. Juni 2012 habe sie einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot Karte plus gem. § 41 a/9 NAG gestellt. Diese Antragstellung verschaffe ihr jedoch kein Bleiberecht.
Am 17. September 2012 sei der Bw eine Information über die Verpflichtung zur Ausreise nachweislich zugestellt worden. Dieser Ausreiseverpflichtung sei die Bw nicht nachgekommen, stattdessen habe sie am 22. Oktober 2012 einen Asylfolgeantrag gestellt, über den mittlerweile erstinstanzlich gem. § 68 AVG und Ausweisung entschieden wurde. Dagegen habe sie Berufung eingebracht.
Die Bw habe sich vom 28. Februar 2011 bis 9. Oktober 2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Am 15. Oktober 2012 sei der Bw eine Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt worden. Ihre Stellungnahme sei per Telefax am 20. November 2012 eingelangt.
Weiters führt die Behörde Folgendes aus:
1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 2. Jänner 2013.
Vorerst stellt die Bw die Anträge, das Straferkenntnis ersatzlos zu beheben; gem. § 45 Abs. 1 VStG die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen; in eventu gem. § 21 VStG von der Strafe abzusehen; in eventu gem. § 20 VStG eine außerordentliche Milderung der Strafe vorzunehmen.
Die Bw begründet ihre Berufung wie folgt:
2.1. Mit Schreiben vom 21. Jänner 2013 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem UVS des Landes Oberösterreich.
2.2. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.
Da im Verfahren der entscheidungswesentliche Sachverhalt – auch von der Bw nicht in Frage gestellt - feststand, im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, lediglich eine Rechtsfrage zu klären war und auch kein diesbezüglicher Parteienantrag gestellt wurde, konnte auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 VStG verzichtet werden.
2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter dem Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.
2.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).
3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:
3.1. Gemäß § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2.500 Euro bis zu 7.500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;
5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)
6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungs- gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebe- willigung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder
7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.
9. Oktober 2012 ohne gültigen Aufenthaltstitel bzw. sonstigen Rechtstitel – somit illegal im Bundesgebiet erfolgte. Es liegt unbestrittener Maßen keine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 FPG vor.
3.3.2. Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).
Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Beschuldigter initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.
3.3.3. Die Bw wendet nun ein, dass sie während des unrechtmäßigen Aufenthalts seit dem 28. Februar 2011 zunächst darauf vertraut habe, in Österreich den Status einer "Quasi-Geduldeten" zu besitzen und erst nach Einstellung der Grundversorgung am 29. Juni 2012 einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte "Rot-Weiß-Rot plus" eingebracht habe.
Zunächst ist festzustellen, dass das erste Asylverfahren der Bw am 28. Februar 2011 nach Prüfung durch den Asylgerichtshof, der die Fluchtgründe materiell prüfte, rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde, woraus für sie eine Ausreiseverpflichtung entstand. Der darauf folgende illegale Aufenthalt wäre der Bw leicht verständlich geworden, hätte sie sich entsprechend bei den Behörden informiert. Das Asylgerichtshoferkenntnis ignorierend, das ja die Ausreiseverpflichtung explizit anführte, verharrte sie aber im Bundesgebiet und hat alleine dadurch schon fahrlässig gehandelt, zumal eine mit der Rechts- und Werteordnung vertraute Person hier schon ohne weiteres die tatsächliche rechtliche Lage erfasst und sich dementsprechend verhalten haben würde. Hier kann weder ein Notstand noch ein sonstiger Entschuldigungsgrund erkannt werden.
Auch, wenn grundsätzlich nicht auszuschließen ist, dass ein Antrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus, der ja im Inland eingebracht und abgewartet werden muss, zur Entschuldigung in einem Verwaltungsstrafverfahren releviert werden kann, ist festzuhalten, dass im konkreten Einzelfall zwischen der negativen Asylentscheidung und der Antragsstellung immerhin knapp 1,5 Jahre liegen. Dies überspannt den Bogen bei Weitem, um als Schuldausschließungsgrund anerkannt zu werden, da – nach ständiger Rechtsprechung des UVS des Landes Oberösterreich – hier ein enger zeitlicher Konnex zwischen dem Bekanntwerden des unrechtmäßigen Aufenthalts und der Antragsstellung betreffend einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus gegeben sein müsste. Die Bw hat aber lediglich darauf vertraut nicht abgeschoben werden zu können, ohne die realen Gegebenheiten anzuerkennen.
In diesem Verhalten kann aber weder ein Notstand noch ein ausreichender Schuldausschließungsgrund festgestellt werden.
3.3.4. Der belangten Behörde folgend ist somit vom Vorliegen auch der subjektiven Tatseite in Form fahrlässigen Verhaltens auszugehen.
3.4.1. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren "§§ 40 bis 46" sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
3.4.2. Hinsichtlich der Strafhöhe ist anzumerken, dass die belangte Behörde ohnehin lediglich die gesetzliche Mindeststrafe verhängte, was nach den Umständen des Falles auch nicht zu beanstanden war. Die Verhängung einer höheren Geldstrafe wäre nicht angezeigt gewesen, auch, wenn sich der inkriminierte Tatzeitraum über mehr als 1,5 Jahre erstreckt.
3.4.3. Betreffend die außerordentliche Strafmilderung ist festzuhalten, dass, auch wenn man die bisherige Unbescholtenheit der Bw als Milderungsgrund anerkennt, dieser jedenfalls nicht zu einem klaren Überwiegen führen könnte, da der von der Strafnorm angesprochene Unrechtsgehalt des Handelns keinesfalls erheblich gemildert wird, indem man den illegalen Aufenthalt aufrecht erhaltend nach Alternativen einer dauerhaften Verbleibemöglichkeit beschreitet.
3.4.4. Von unbedeutenden Folgen der Tat zu sprechen ist nicht nachvollziehbar, da die Bw offenbar auch jetzt noch die Bedeutung und den Schutzzweck fremdenpolizeilicher Normen missversteht, zumal es sich bei Folgen einer Tat nicht nur um materielle, sondern vielfach auch um immaterielle handelt, denen keinesfalls eine untergeordnete Rolle zugemessen werden kann. Der Stellenwert der Einhaltung fremdenpolizeilicher Normen ist nicht nur gesetzlich, gesellschaftlich und höchstgerichtlich abgesichert, sondern sollte auch der Bw zugänglich werden.
3.4.5. Mangels bedeutendem Überwiegen der Milderungsgründe, mangels geringem Verschulden, aber auch mangels unbedeutender Folgen der Tat kam somit eine Anwendung der §§ 20 bzw. 21 VStG nicht in Betracht.
3.5. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die in Rede stehende Berufung
als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen war.
4. Gemäß § 64ff. VStG war der Bw zusätzlich zum Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem UVS des Landes Oö. in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe – somit 100 Euro) aufzuerlegen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.