Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-750069/3/BP/WU

Linz, 28.01.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der X, geb. X, StA der Russischen Förderation, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom
18. Dezember 2012, GZ.: Sich96-195-2012, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

            I.      Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

        II.      Die Berufungswerberin hat zusätzlich zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in Höhe von 100 Euro (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten. 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 24 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II.: § 64ff. VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom
18. Dezember 2012, GZ.: Sich96-195-2012, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) gemäß §§ 31 Abs.1 iVm § 120 Abs. 1a FPG, BGBl. 100/2005 idgF eine Geldstrafe in der Höhe von 500,-- Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 144 Stunden verhängt. Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:

 

 

"Sie hielten sich als Fremde zumindest vom 28.02.2011 bis 09.10.2012 als Fremde an der Adresse X nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, da gegen Sie seit 28.02.2011 eine durchsetzbare und rechtmäßige Ausweisung des Asylgerichtshofes vom 07.12.2010, ZI. D 17403726-2/2010 E, besteht.

 

 

 

Im angeführten Tatzeitraum waren Sie weder auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder Dokumentation des Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch auf Grund asylrechtlicher Bestimmungen, zwischenstaatlicher Vereinbarung, bundesgesetzlicher Vorschriften oder Verordnung zur Niederlassung oder zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Des weiteren waren Sie auch nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels, einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer von sechs Monaten, einer Entsendebewilligung, einer EU-Entsendebestätigung, einer Anzeigebestätigung nach § 3 Abs. 5 AuslBG oder einer Anzeigebestätigung nach § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten. Sie hatten kein Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz.

 

 

 

Tatort: Gemeinde X

 

Tatzeit: 28.02.2011 bis 09.10.2012"

 

 

In der Begründung führt die belangte Behörde zum Sachverhalt und Verfahrensverlauf aus, dass die Bw am 6. Juli 2008 illegal ins Bundesgebiet eingereist sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe. Bis zur Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofes (rk. 28. Februar 2011) habe sich die Bw rechtmäßig als Asylwerberin im Bundesgebiet aufgehalten. Am 29. Juni 2012 habe sie einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot Karte plus gem. § 41 a/9 NAG gestellt. Diese Antragstellung verschaffe ihr jedoch kein Bleiberecht.

 

Am 17. September 2012 sei der Bw eine Information über die Verpflichtung zur Ausreise nachweislich zugestellt worden. Dieser Ausreiseverpflichtung sei die Bw nicht nachgekommen, stattdessen habe sie am 22. Oktober 2012 einen Asylfolgeantrag gestellt, über den mittlerweile erstinstanzlich gem. § 68 AVG und Ausweisung entschieden wurde. Dagegen habe sie Berufung eingebracht.

Die Bw habe sich vom 28. Februar 2011 bis 9. Oktober 2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Am 15. Oktober 2012 sei der Bw eine Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt worden. Ihre Stellungnahme sei per Telefax am 20. November 2012 eingelangt.

 

Weiters führt die Behörde Folgendes aus:

 

Ausgehend von der seit 28.02.2011 rechtskräftigen asylrechtlichen Ausweisungsentscheidung besteht für die Behörde kein Zweifel, dass Sie sich vom 28.02.2011 bis 09.10.2012  nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten haben. Es ist unbestritten, dass Sie nicht im Besitz einer Berechtigung im Sinne des § 31 FPG waren. Der illegale Aufenthalt stellt eine Verwaltungsübertretung im Sinne des § 120 Abs. 1a i.V.m. § 31 Abs. 1 FPG dar. Für diese haben Sie sich zu verantworten.

 

 

 

(...)

 

 

 

Aufgrund der Aktenlage geht die Behörde davon aus, dass Sie die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen haben.

 

 

 

In Ihrer Rechtfertigung vom 20. 11. 2012 führen Sie an, dass Sie sich zum Zeitpunkt 28.02.2011 bis 09.10.2012 als Fremde im Sinne des FPG 2005 ohne gültigen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten haben. Am 29.06.2012 stellten Sie den Antrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus. Den Umstand dass Sie die Erledigung dieses Antrag im Inland abwarten wollten bezeichnen Sie als eine entschuldigende Notstandssituation.

 

 

 

Unter Notstand ist nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein durch Begehung einer im allgemeinen strafbaren Handlung retten kann. Weiters gehört es zum Wesen des Notstandes, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht anders als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben und die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (VwGH E 25.11.1986, 86/04/0116, E 20.1.1987, 86/04/0100).

 

 

 

Die Zwangslage, nämlich der nicht rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet, haben Sie durch Ihre illlegale Einreise am 06. 07. 2008 selbst herbeigeführt. Darüber hinaus wurde Ihr erster Asylantrag bereits am 26.01.2010 negativ entschieden.

 

 

 

Aus vorgenannten Gründen wird daher das Vorbringen einer aufgetretenen Notstandssituation gemäß § 6 VStG 1991 nicht anerkannt.

 

 

 

(...)

 

 

 

Bei der Strafbemessung war als mildernd zu werten, dass keine einschlägigen Vorstrafen vorliegen, erschwerende Umstände lagen nicht vor.

 

Ihre Angaben zu Ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen und allfällige Sorgepflichten, in der Stellungnahme vom 02.11.2012, waren nicht geeignet eine außerordentliche Milderung der Strafe auszusprechen. Die Strafhöhe von 500,00 € stellt die Mindeststrafe nach dem FPG 2005 dar.

 

Die festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe bildet einen gleichwertigen Ersatz und genügt nach Ansicht der Behörde - im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe - Sie von künftigen Übertretungen ebenso wirksam abzuhalten.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist in den zitierten Gesetzesstellen begründet.

 

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 2. Jänner 2013.

 

Vorerst stellt die Bw die Anträge, das Straferkenntnis ersatzlos zu beheben; gem. § 45 Abs. 1 VStG die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen; in eventu gem. § 21 VStG von der Strafe abzusehen; in eventu gem. § 20 VStG eine außerordentliche Milderung der Strafe vorzunehmen.

 

Die Bw begründet ihre Berufung wie folgt:

 

1) Die Behörde legt mir im zitierten Straferkenntnis zur Last, dass ich mich „zumindest in der Zeit vom 28.02.2011 bis zum 09.10.2012" nicht rechtmäßig als Fremde in X aufgehalten habe, da gegen mich seit 28.02.2011 eine „durchsetzbare und rechtmäßige Ausweisung" des AsylGH besteht.

 

Nach Ansicht der Behörde hätte ich dadurch eine Übertretung gem. § 120 Abs 1a iVm § 31 Abs 1 FPG 2005 begangen.

 

 

 

2)    Wie ich bereits in meiner Stellungnahme vom 30.10.2012, auf die ich mich hiermit vollinhaltlich beziehe, ausgeführt habe, bin ich Fremde iSd FPG 2005 bin und somit grundsätzlich den einschlägigen fremdenrechtlichen Bestimmungen unterworfen. Ich bin zusammen mit meinen Kindern nach Österreich geflüchtet, weil mir in meinem Herkunftsland aufgrund meiner Verwandtschaft zum Widerstandsführer X und der Widerstandstätigkeit meines verschollenen Gatten Gefahr für Leib und Leben droht, wofür ich im Asylverfahren auch zahlreiche Beweismittel vorgelegt habe. Ich durfte (darf) aufgrund der Bestimmungen der GFK, der MRK und des AsylG darauf vertrauen, in Österreich Schutz und Zuflucht zu finden, wie er auch meiner Schwester in der X und meiner Mutter in X durch Zuerkennung des Flüchtlingsstatus zuteil wurde.

 

 

 

3)    Mit Antrag vom 29.06.2012 ersuchte ich insbesondere aufgrund meiner Integration in Österreich um die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus gem § 41 Abs 9 NAG 2005. Zu diesem Antrag erging bislang noch kein Bescheid von Seiten der entscheidenden Behörde.

 

Zwar begründet ge, § 44b Abs 3 NAG 2005 ein diesbezüglicher Antrag kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz. Durch die explizite Normierung der Möglichkeit der Inlandsantragstellung reduziert sich jedoch schon aufgrund von rechtsstaatlichen Erwägungen der Unrechtsgehalt meines Verhaltens beträchtlich. Im Hinblick darauf, dass durch die Möglichkeit der Inlandsantragstellung auch dem Interesse, die Entscheidung im Inland abzuwarten, eine objektive Berechtigung zukommt, ergibt sich somit ein unauflöslicher Interessenkonflikt, der eine entschuldigende Notstandssituation begründet.

 

 

 

Dies auch vor dem Hintergrund, dass das zu rettende Rechtsgut, nämlich unser Leib und unser Leben, im Rahmen einer Interessenabwägung als höherwertig anzusehen ist. Aus dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung, deren Anwendung nicht zu widersprechenden Ergebnissen führen darf, ergibt sich, dass jede Strafbestimmung den stillschweigenden Vorbehalt in sich trägt, dass ihre Anwendung nicht erfolgt, wenn die ihr unterstellte Tat rechtmäßig ist. Laut stRspr des VwGH (vgl. VwGH 11.05.1998, ZI. 94/10/0073) handelt nicht rechtswidrig, wer ein im Rechtssinn höherwertiges, und zwar ein zweifellos höherwertiges Gut auf Kosten eines geringerwertigen rettet.

 

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist. Aufgrund der beschriebenen Notlage und meiner begründeten Furcht vor Verfolgung im Herkunftsland ist mein Verhalten gerechtfertigt bzw. nicht schuldhaft iSd VStG und ist mein Verschulden höchstens als culpa levissima einzustufen, was eine Bestrafung jedoch nicht rechtfertigt.

 

Objektive Sorgfaltswidrigkeit und damit Fahrlässigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn ein maßgerechter (einsichtiger und besonnener) Mensch aus meinem Verkehrskreis - also ein Flüchtling aus Tschetschenien mit meinen Fluchtgründen - an meiner Stelle anders gehandelt hätte. Kein mit Vernunft begabter Mensch würde sich der Gefahr, Opfer staatlicher oder quasistaatlicher Verfolgung zu werden, nur deshalb aussetzen, damit er nicht gegen eine Bestimmung des österreichischen FPG verstößt.

 

Ich bin durch mein Verbleiben in Österreich also in keiner Weise vom Verhalten eines

 

maßgerechten Menschen aus meinem Verkehrskreis abgewichen, womit mein Verhalten nicht objektiv sorgfaltswidrig und somit nicht tatbestandsmäßig ist.

 

Es liegt somit sowohl ein Rechtfertigungs- als auch ein Entschuldigungsgrund vor.

 

 

 

Eine Beurteilung der Notstandssituation hat durch die Strafbehörde unabhängig vom Ausgang etwaiger administrativer Verfahren, sprich Asylverfahren, zu erfolgen (UVS OÖ 28.06.1995, ZI. VwSen-230408/3/Kei/Shn).

 

 

 

4) Der Normzweck der einschlägigen Bestimmungen des FPG 2005, nämlich das hohe Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung, ist im Wesentlichen auf anders gelagerte Sachverhalte gerichtet und wird vor diesem Hintergrund kaum tangiert. Eine Möglichkeit, vor Entscheidung der Behörde einen Aufenthaltstitel zu erwirken, bestand für mich aufgrund der Umstände nicht. Grundsätzlich bestand meine Absicht auch darin, einen Aufenthaltstitel nach asylrechtlichen Bestimmungen zu erwirken. Dies wurde mir jedoch von Seiten der Asylbehörden zunächst verwehrt.

 

 

 

5)    Am 22.10.2012 brachte ich in der Folge einen zweiten Asylantrag ein. Gegen den zurückweisenden Bescheid erhob ich Beschwerde. Diesem Rechtsmittel wurde aktuell mit Beschluss des AsylGH vom 20.12.2012 die aufschiebende Wirkung zuerkannt, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Abschiebung eine reale Gefahr eine Verletzung von Bestimmungen der MRK bedeuten würde. Die Grundlagen meines Aufenthaltes in Österreich, insbesondere auch die Frage der Zulässigkeit einer Ausweisung im Hinblick auf meine Integration, werden somit nochmals überprüft.

 

 

 

6)    Für den Zeitraum vor Antragstellung nach dem NAG ist anzuführen, dass ich in dieser Zeit Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und bei der zuständigen Behörde auch die Einräumung einer Duldung angeregt habe. Ich ging daher - auch vor dem Hintergrund, dass ich von der Behörde keine Aufforderung bzw. Benachrichtigung mehr erhielt, davon aus, dass faktisch eine Duldung vorlag. Jedenfalls habe ich aber keine vorsätzliche Verwaltungsübertretung begangen und ist mir auch in dieser Hinsicht kein subjektiver Tatvorsatz vorzuwerfen.

 

 

 

7)    Weiters verweise ich auf § 21 Abs 1 VStG, wonach die Behörde darüber hinaus ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen kann. Selbst bei Annahme eines Verschuldens wäre dieses jedenfalls als geringfügig einzustufen und sind die Folgen der Übertretung im Wesentlichen unbedeutend. Dies auch vor dem Hintergrund, dass ich im Falle des konkret rechtskonformen Verhaltens meine Integration aufgeben hätte müssen und damit den Voraussetzungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes nicht entsprochen hätte.

 

 

 

8)    Schließlich ist festzuhalten, dass ich keiner Beschäftigung nachgehen kann. Aufgrund der einschlägigen Bestimmungen ist mir eine Arbeitsaufnahme verwehrt. Ich habe weder Besitz noch Vermögen und befinde mich in Grundversorgung des Landes Oberösterreich, wobei ich im Monat € 150,-- an Verpflegungsgeld erhalte.

 

Auch vor diesem Hintergrund wäre eine Bestrafung unverhältnismäßig. Jedenfalls würden aber die Milderungs- die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen und wären in eventu die Voraussetzungen einer außerordentlichen Milderung iSd § 20 VStG erfüllt.

 

 

 

9) Es wird daher um antragsgemäße Entscheidung ersucht.

 

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 21. Jänner 2013 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem UVS des Landes Oberösterreich.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

Da im Verfahren der entscheidungswesentliche Sachverhalt – auch von der Bw nicht in Frage gestellt - feststand, im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, lediglich eine Rechtsfrage zu klären war und auch kein diesbezüglicher Parteienantrag gestellt wurde, konnte auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 VStG verzichtet werden.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter dem Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungs­relevanten Sachverhalt aus.

 

2.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2.500 Euro bis zu 7.500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im   Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die     durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung          bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur          Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für       Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten    Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet   keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen         zukommt;

5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländer­beschäfti­gungs-        gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsende­be-­       willi­gung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3     Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit       einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

 

3.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst völlig unbestritten, dass der Aufenthalt der Bw im Bundesgebiet im vorgeworfenen Tatzeitraum von 28. Februar 2011 bis
9. Oktober 2012 ohne gültigen Aufenthaltstitel bzw. sonstigen Rechtstitel – somit illegal im Bundesgebiet erfolgte. Es liegt unbestrittener Maßen keine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 FPG vor.

 

 

 

Nachdem die zweite Asylantragstellung erst nach dem inkriminierten Zeitraum erfolgte und überdies noch keine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, ist sie in der hier vorzunehmenden Erörterung nicht zu berücksichtigen. Auch der Umstand, dass die Bw am 29. Juni 2012 eine Rot-Weiß-Rot-Karte beantragte, verhindert nicht das Vorliegen der objektiven Tatseite, was im Übrigen auch von der Bw selbst nicht behauptet wird.

 

Allerdings sieht die Bw darin einen Rechtsfertigungsgrund bzw. einen Entschuldigungsgrund, der die Strafbarkeit ausschließen würde. Hiezu ist Nachstehendes auszuführen.

 

 

 

3.3.1. Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie den Tatbestand Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

 

 

 

Eine Tat ist somit nur dann strafbar, wenn das inkriminierte Verhalten dem Tatbild einer Verwaltungsnorm entspricht, sowie rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht wurde.

 

 

 

Unter Notstand ist nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein durch Begehung einer im allgemeinen strafbaren Handlung retten kann. Weiters gehört es zum Wesen des Notstandes, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht anders als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben und die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (VwGH E 25.11.1986, 86/04/0116, E 20.1.1987, 86/04/0100).

 

 

 

3.3.2. Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Beschuldigter initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

3.3.3. Die Bw wendet nun ein, dass sie während des unrechtmäßigen Aufenthalts seit dem 28. Februar 2011 zunächst darauf vertraut habe, in Österreich den Status einer "Quasi-Geduldeten" zu besitzen und erst nach Einstellung der Grundversorgung am 29. Juni 2012 einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte "Rot-Weiß-Rot plus" eingebracht habe.

 

Zunächst ist festzustellen, dass das erste Asylverfahren der Bw am 28. Februar 2011 nach Prüfung durch den Asylgerichtshof, der die Fluchtgründe materiell prüfte, rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde, woraus für sie eine Ausreiseverpflichtung entstand. Der darauf folgende illegale Aufenthalt wäre der Bw leicht verständlich geworden, hätte sie sich entsprechend bei den Behörden informiert. Das Asylgerichtshoferkenntnis ignorierend, das ja die Ausreiseverpflichtung explizit anführte, verharrte sie aber im Bundesgebiet und hat alleine dadurch schon fahrlässig gehandelt, zumal eine mit der Rechts- und Werteordnung vertraute Person hier schon ohne weiteres die tatsächliche rechtliche Lage erfasst und sich dementsprechend verhalten haben würde. Hier kann weder ein Notstand noch ein sonstiger Entschuldigungsgrund erkannt werden.

 

Auch, wenn grundsätzlich nicht auszuschließen ist, dass ein Antrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus, der ja im Inland eingebracht und abgewartet werden muss, zur Entschuldigung in einem Verwaltungsstrafverfahren releviert werden kann, ist festzuhalten, dass im konkreten Einzelfall zwischen der negativen Asylentscheidung und der Antragsstellung immerhin knapp 1,5 Jahre liegen. Dies überspannt den Bogen bei Weitem, um als Schuldausschließungsgrund anerkannt zu werden, da – nach ständiger Rechtsprechung des UVS des Landes Oberösterreich – hier ein enger zeitlicher Konnex zwischen dem Bekanntwerden des unrechtmäßigen Aufenthalts und der Antragsstellung betreffend einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus gegeben sein müsste. Die Bw hat aber lediglich darauf vertraut nicht abgeschoben werden zu können, ohne die realen Gegebenheiten anzuerkennen.

 

In diesem Verhalten kann aber weder ein Notstand noch ein ausreichender Schuldausschließungsgrund festgestellt werden.

 

3.3.4. Der belangten Behörde folgend ist somit vom Vorliegen auch der subjektiven Tatseite in Form fahrlässigen Verhaltens auszugehen.

 

3.4.1. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren "§§ 40 bis 46" sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

 

 

Auch auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen ebenso zu berücksichtigen.

 

 

3.4.2. Hinsichtlich der Strafhöhe ist anzumerken, dass die belangte Behörde ohnehin lediglich die gesetzliche Mindeststrafe verhängte, was nach den Umständen des Falles auch nicht zu beanstanden war. Die Verhängung einer höheren Geldstrafe wäre nicht angezeigt gewesen, auch, wenn sich der inkriminierte Tatzeitraum über mehr als 1,5 Jahre erstreckt.

 

3.4.3. Betreffend die außerordentliche Strafmilderung ist festzuhalten, dass, auch wenn man die bisherige Unbescholtenheit der Bw als Milderungsgrund anerkennt, dieser jedenfalls nicht zu einem klaren Überwiegen führen könnte, da der von der Strafnorm angesprochene Unrechtsgehalt des Handelns keinesfalls erheblich gemildert wird, indem man den illegalen Aufenthalt aufrecht erhaltend nach Alternativen einer dauerhaften Verbleibemöglichkeit beschreitet.  

 

3.4.4. Von unbedeutenden Folgen der Tat zu sprechen ist nicht nachvollziehbar, da die Bw offenbar auch jetzt noch die Bedeutung und den Schutzzweck fremdenpolizeilicher Normen missversteht, zumal es sich bei Folgen einer Tat nicht nur um materielle, sondern vielfach auch um immaterielle handelt, denen keinesfalls eine untergeordnete Rolle zugemessen werden kann. Der Stellenwert der Einhaltung fremdenpolizeilicher Normen ist nicht nur gesetzlich, gesellschaftlich und höchstgerichtlich abgesichert, sondern sollte auch der Bw zugänglich werden.

 

3.4.5. Mangels bedeutendem Überwiegen der Milderungsgründe, mangels geringem Verschulden, aber auch mangels unbedeutender Folgen der Tat kam somit eine Anwendung der §§ 20 bzw. 21 VStG nicht in Betracht.

 

3.5. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die in Rede stehende Berufung

als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen war.

 

 

4. Gemäß § 64ff. VStG war der Bw zusätzlich zum Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem UVS des Landes Oö. in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe – somit 100 Euro) aufzuerlegen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Bernhard Pree


Beachte:

 

Vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.

 

VwGH vom 12. September 2013, Zl.: 2013/21/0088-8

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