Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101410/8/Weg/Shn

Linz, 31.01.1994

VwSen-101410/8/Weg/Shn Linz, am 31. Jänner 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des L vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. U und Dr. U, vom 1. Juni 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 13. Mai 1993, VerkR96/14388/1993/Ga, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird F o l g e gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 iVm § 24, § 31 Abs.1, § 32 Abs.2, § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1 und § 51i VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 StVO 1960 in Anwendung des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 eine Geldstrafe von 3.500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Tagen verhängt, weil dieser am 29. März 1993 um 15.12 Uhr den PKW Golf, auf der im Ortsgebiet von M aus Richtung P kommend in Richtung S bei Str.km 1,276 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich überschritten hat, da mittels Laser-Geschwindigkeitsmeßgerät eine Geschwindigkeit von 110 km/h festgestellt wurde.

2. Dagegen wendet der Berufungswerber unter anderem ein, die im Straferkenntnis angeführte Übertretungsstelle bei Str.km 1,276 sei unrichtig, weil sich diese nach der Anhaltestelle bei Str.km 1,41 befinde. Der Bereich bei Str.km 1,276 sei zwar tatsächlich in verbautem Gebiet, allerdings sei es dort nicht beidseitig verbaut, sondern handle es sich bei dieser Stelle um eine in seiner Fahrtrichtung gesehen links beginnende Doppelkurve. Im übrigen hätte er an dieser Stelle diese Geschwindigkeit gar nicht fahren können, da er ja bereits bei Str.km 1,41 von der Gendarmerie angehalten worden sei.

3. Diese Einwendungen erwiesen sich, wie bei einem Lokalaugenschein anläßlich der mündlichen Verhandlung am 12. Oktober 1993 festgestellt, grundsätzlich als richtig. Es wurde sohin dem Berufungswerber eine falsche Tatörtlichkeit zum Vorwurf gemacht, da - wie anläßlich der mündlichen Verhandlung von den Meldungslegern richtiggestellt wurde die Geschwindigkeitsübertretung tatsächlich bei Str.km 1,544 stattfand.

Bei der Anführung dieser falschen Tatörtlichkeit im Straferkenntnis ist der Berufungsbehörde kein Schreib- und Rechenfehler unterlaufen, da die falsche Tatörtlichkeit bereits in der Anzeige sowie in den Verfolgungshandlungen bis zur Erlassung des Straferkenntnisses aufscheint und niemals die richtige Tatörtlichkeit vorgeworfen wurde.

Aus dem Aktengang ist ersichtlich, daß nach Einbringen der Berufung die belangte Behörde Herrn Rev.Insp. Johann D vernommen hat, und - wie der diesbezüglichen Niederschrift vom 7. Juni 1993 zu entnehmen ist - die Tatörtlichkeit auf Km 1,544 ausgewechselt wurde. Im Hinblick auf diese Aussage wurde letztlich ein Berichtigungsbescheid iSd § 62 Abs.4 AVG erlassen, der jedoch - weil gesondert angefochten - vom unabhängigen Verwaltungssenat unter der Zahl VwSen-101360/4/Weg/Ri behoben wurde.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Es gilt im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die niederschriftliche Vernehmung des Meldungslegers Rev.Insp.

D vom 7. Juni 1993, die nach Einlangen der Berufung gegen das Straferkenntnis stattfand bzw der nachfolgende Berichtigungsbescheid iSd § 62 Abs.4 AVG, der wegen Rechtswidrigkeit behoben wurde, als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte gelten.

Nach dem Gesetzeswortlaut (vgl § 32 Abs.2 VStG) und bei rein gramatikalischer Auslegung derselben, wäre dies wahrscheinlich zu bejahen (arg.: ..... auch dann ..., wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war bzw die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht ....).

Die Amtshandlung, zu der die belangte Behörde nicht mehr zuständig war, ist die Vernehmung eines Zeugen nach Erlassung des Straferkenntnisses bzw nach Einbringen der Berufung dagegen mit dem offenkundigen Ziel, den vom Berufungswerber selbst aufgezeigten Irrtum der Behörde durch einen Berichtigungsbescheid iSd § 62 Abs.4 AVG aus der Welt zu schaffen. Zuständig wäre die Behörde für Ermittlungen in Richtung Berufungsvorentscheidung (diese müßte für den Berufungswerber begünstigend sein) oder für Ermittlungen im Auftrag der zuständigen Behörde, nämlich der Berufungsbehörde. Der letztlich erlassene Berichtigungsbescheid wurde von der Berufungsbehörde behoben und erreichte damit auch nicht das von der Behörde angestrebte Ziel.

Damit ist klargestellt, daß - weil die niederschriftliche Vernehmung vom 7. Juni 1993 und der daraufhin ergangene Berichtigungsbescheid eine untrennbare Einheit darstellen es sich im gegenständlichen Fall um einerseits eine Amtshandlung handelte, für die die Behörde nicht zuständig war und andererseits um eine Amtshandlung, die ihr Ziel nicht erreichte.

Bei der Untersuchung, ob die von der Erstbehörde ohne Zuständigkeit bzw ohne das Ziel zu erreichen, vorgenommenen Amtshandlungen als taugliche Verfolgungshandlungen in Betracht zu ziehen sind, sind folgende Überlegungen einzubeziehen: Die Strafbehörde beendet nach der Systematik des VStG (sieht man von der Möglichkeit der Berufungsvorentscheidung ab) ihre Tätigkeit mit der Erlassung des Straferkenntnisses. Verfolgungshandlungen dieser Behörde können begrifflich nur jene sein, die zu diesem Straferkenntnis führen, allenfalls könnte die letzte Verfolgungshandlung in einem Straferkenntnis selbst erfolgen. Angemerkt sei, daß in der weiteren Folge, also nach Erlassung des Straferkenntnisses (wenn die Verfolgungsverjährungsfrist noch nicht eingetreten ist), allenfalls noch die Berufungsbehörde befugt wäre, Verfolgungsschritte zu setzen. Letztere Ausführungen beziehen sich auf die funktionelle Zuständigkeit.

Wenn nach § 32 Abs.2 VStG einer Amtshandlung, die von einer unzuständigen Behörde ergangen ist, Verfolgungshandlungsqualität zugesprochen wird, so bezieht sich dies nicht auf die sachliche oder funktionelle Unzuständigkeit, sondern wie den diesbezüglichen Judikaten zumindest in ihrer Gesamtheit zu entnehmen ist, lediglich auf die örtliche Unzuständigkeit. Daß die Amtshandlung einer sachlich unzuständigen Behörde keine Verfolgungshandlung darstellen kann, bedarf unter Bedachtnahme auf folgendes Beispiel:

"Arbeitsamt wird in einer Straßenverkehrsangelegenheit tätig" wohl keiner näheren Erläuterung. Daß auch eine Amtshandlung einer funktionell unzuständigen Behörde keine Verfolgungshandlung darstellen kann, läßt sich mit einem derartig plastischen Beispiel nicht belegen, es ergibt sich dies aber aus der Systematik des Verwaltungsstrafgesetzes selbst, aus Rechtschutzgründen und aus Überlegungen zur Problematik des gesetzlichen Richters. Es würde den Anspruch eines Bürgers auf ein faires Verfahren eklatant verletzen, wenn - wie im gegenständlichen Fall - eine fehlerhaft gehandelt habende Behörde die Argumentation des Berufungswerbers, in welcher die Fehlerhaftigkeit aufgezeigt wird, aufnimmt und Verfolgungsschritte, auf die sie durch die Verteidigung aufmerksam gemacht wurde, setzt, wo doch der Rechtsmittelwerber aufgrund der vorgegebenen Zuständigkeiten mit Recht davon ausgehen konnte, daß diese Argumentation lediglich die Berufungsbehörde aufgreift bzw dieser Argumentation von der Strafbehörde selbst durch Erlassung einer Berufungsvorentscheidung Rechnung getragen wird.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist also aufgrund der obigen - sicher nicht vollständigen Ausführungen der Ansicht, daß eine Strafbehörde nach Erlassung eines Straferkenntnisses nicht mehr befugt ist, eine Verfolgungshandlung zu setzen bzw eine derartige Amtshandlung nicht als Verfolgungshandlung zu qualifizieren ist.

Selbiges gilt für Amtshandlungen, die ihr Ziel nicht erreichten, weil darunter in erster Linie oder sogar ausschließlich auf das Nichterreichen des Ziels in örtlicher Hinsicht abgestellt ist. Dies erhellt aus der Gesamtheit der zugänglichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zu diesem Themenkreis.

Aus den dargelegten Gründen ist hinsichtlich der tatsächlichen Tatörtlichkeit keine dem § 44a Z1 VStG gerechtwerdende Verfolgungshandlung gesetzt worden, sodaß weil die Berufungsbehörde hiezu nicht mehr befugt ist - iSd § 45 Abs.1 Z3 VStG von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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