Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401260/4/MZ/WU

Linz, 08.02.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des X, geboren am X, StA von Afghanistan, vertreten durch die X, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 25. Jänner 2013 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs 1 und 83 Abs 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl I 2005/100, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I 2012/50) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl II 2008/456.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 25. Jänner 2013, GZ: Sich40-1256-2013, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs 2 Z 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgF in Verbindung mit § 57 Abs 1 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG) sowie der Abschiebung (§ 46 FPG) die Schubhaft angeordnet und vollzogen. Der Bf befindet sich im Zeitpunkt der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich weiterhin in Schubhaft.

 

Begründend führt die belangte Behörde wie folgt aus:

 

"Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

 

Gemäß § 27 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005 gilt ein Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn

X        im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach § 29 Abs. 3 Z 4 oder 5 erfolgt

O       das Verfahren vor dem Asylgerichtshof einzustellen (§ 24 Abs. 2) war und die Entscheidung des Bundesasylamtes in diesem Verfahren mit einer Ausweisung (§ 10) verbunden war.

 

Gemäß § 80 Abs. 5 FPG 2005 kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 oder 2a verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs. 4 Z 1 bis 3 vor. Wird der Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrechterhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt. Die Schubhaftdauer darf in diesen Fällen die Dauer von zehn Monaten innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nicht überschreiten.

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Sie reisten laut Ihren eigenen Angaben am 23.01.2013 mit dem Zug über DEUTSCHLAND illegal ins Bundesgebiet von Österreich ein. Sie begaben sich selbstständig zur PI Innsbruck, Innere Stadt und stellten dort um ca. 12:00 Uhr einen Antrag auf Internationalen Schutz (Asyl) in Österreich. Im Zuge der Asylantragstellung waren Sie nicht in der Lage den Beamten ein gültiges Reisedokument oder ein anderes Identitätsdokument in Vorlage zu bringen.

 

Am 23.01.2013 um 13:07 Uhr wurden Sie durch Beamte der Polizeiinspektion X AGM unter Beizug eines Dolmetschers der Sprache Dari niederschriftlich erstbefragt. Nach erfolgter Belehrung führten Sie an, dass es Ihnen bewusst sei, dass dies die Erstbefragung im Asylverfahren sei und die Grundlage Ihres Verfahrens hinsichtlich der Gewährung internationalen Schutzes sei. Sie wurden daher mittels Dolmetscher in Ihrer Heimatsprache aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken. Darüber hinaus wurde Ihnen bekannt gegeben, dass unwahre Aussagen nachteilige Folgen für Sie haben können.

Sie gaben an, dass Sie keine Krankheiten oder Beschwerden hätten die Sie an der Einvernahmen hindern würden oder Ihr Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden.

Laut Ihren Angaben reisten Sie aus Ihrem Herkunftsstaat AFGHANISTAN vor ca. 5 Monaten teilweise zu Fuß und mit dem PKW in den IRAN aus. von Teheran seien Sie dann zur türkischen Grenze gebracht worden, welche Sie illegal und schlepperunterstützt zu Fuß überschritten. Sie seien dann mit einem kurzen Zwischenaufenthalt in Istanbul weiter zur Grenze nach GRIECHENLAND gefahren. Diese überschritten Sie ebenfalls illegal und begaben sich in weiterer Folge schlepperunterstützt nach Athen. Sie hätten dann ca. 4 Monate illegal in einem Schlepperquartier gewohnt, "da man in GRIECHENLAND so lange warten müsse, bis man von den Schleppern weitergebracht würde!" Sie hätten dann einen Schlepper gefunden, der Sie für € 5.000,- nach DEUTSCHLAND bringen sollte. Sie seien dann in einem LKW versteckt illegal, schlepperunterstützt ca. 3 Tage weitergereist. Der Schlepper habe Sie aus dem Versteck herausgelassen und habe Ihnen gesagt, dass Sie sich in DEUTSCHLAND befinden würden. Sie führten weiters wörtlich aus: "Ich wollte eigentlich nach DEUTSCHLAND. In Österreich bin ich nur, da man mir beim aussteigen sagte, dass ich in DEUTSCHLAND bin!"

Sie hätten in keinem anderen Land einen Asylantrag gestellt und seien nirgendwo von der Polizei angehalten worden. Sie seien jedoch 4 Monate in GRIECHENLAND gewesen. Ihre Landsleute hätten Ihnen gesagt, ich solle GRIECHENLAND vergessen, da es dort nicht gut zu leben ist Wenn Sie nach GRIECHENLAND zurück gebracht würden, würden Sie gezwungenermaßen wieder hierher zurück kommen. Da in GRIECHENLAND die Menschen unfreundlich seien, es gebe keine Arbeit, kein Essen und kein Geld.

Die Reise schlepperorganisiert worden und Sie hätten insgesamt € 6.000,-- dafür aufgebracht bzw. an Schlepper bezahlt. Bis auf den Bargeldbetrag von € 185,-- würden Sie über keine Barmittel oder andere Unterstützung verfügen und seien völlig Mittellos. Bezugspersonen in Österreich oder einem anderen EU-Staat hätten Sie keine. Als Grund für Ihre Flucht gaben Sie an, dass Sie in Ihrem Herkunftsstaat aus religiösen Gründen verfolgt würden.

 

Im Zuge der geführten weiteren Erhebungen wurde mittels Abgleich Ihrer Fingerabdrücke in Erfahrung gebracht, dass – ehe Sie illegal ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sind – bereits folgende erkennungsdienstliche Behandlung im Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu Ihrer Person vorliegt:

 

1.       22.12.2010 Asylantragstellung       DÄNEMARK

 

Konfrontiert mit dem EURODAC-Treffer DÄNEMARK sagten Sie wortwörtlich aus: "Ja ich war schon einmal in DÄNEMARK. Ich habe gelogen, da es um mein Leben geht." Weiters räumten Sie ein, Sie seien ca. zwei Jahre in Kopenhagen gewesen und seien vor ca. 2 Tagen von dort illegal mit dem Zug über DEUTSCHLAND nach Österreich gereist. In DÄNEMARK habe man über Ihr Asylbegehren negativ entschieden. In DÄNEMARK würde man nicht tun was Sie wollen. Man hätte Ihre Probleme nicht angehört und einfach negativ entscheiden. Die Dänen und die Deutschen seien Rassisten, deshalb seien Sie nach Österreich gefahren. Befragt ob etwas dagegen sprechen würden, wenn Sie in dieses Land zurückkehren müssten antworteten Sie: "Man hat mir gesagt, dass ich DÄNEMARK verlassen muss, warum sollte ich wieder zurückdürfen, wenn mein Antrag negativ ist!"

Ihre Zugfahrkarten hätten Sie weggeschmissen, damit Sie nicht nach AFGHANISTAN zurück müssen.

 

Abschließend führten Sie an, dass Ihre Angaben vor Konfrontation mit dem EURODAC-Treffer nicht der Wahrheit entsprochen hätten. Diese Angaben seien rein Erfunden gewesen. Sie hätten in DÄNEMARK zwei Asylanträge unter der Identität X, geb. X (isl. Datum) gestellt.

 

Entsprechend Ihrem Begehren wurde Ihnen zunächst – wenn auch nur vorübergehend – eine betreute Unterkunft in der Erstaufnahmestelle X zugewiesen. Über einen anderwärtigen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet der Republik Österreich verfügen Sie nicht.

 

Mit Schriftsatz des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle X, vom 25.01.2013, Zl.: 13 00.999, wurde Ihnen in weiterer Folge gemäß § 29 Abs. 3 Ziffer 4 AsylG. 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Asylantrag vom 23.01.2013 gemäß § 5 AsylG zurückzuweisen. Gleich gehend wurde Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass Konsultationen gemäß dem Dubliner Abkommen mit DÄNEMARK seit dem 25.01.2013 geführt werden und gleichzeitig das Ausweisungsverfahren aus dem österr. Bundesgebiet über Sie eröffnet worden ist.

 

Die Rote Verfahrenskarte gem. § 15 Abs. 3a AsylG wurde gleichgehend in eine grüne Verfahrenskarte gem. § 50 AsylG ausgetauscht. Ihre Besondere Mitwirkungspflicht im Asylverfahren gem. § 99 AsylG endete somit und es ist Ihnen ab diesem Zeitpunkt gestattet das Gelände der Erstaufnahmestelle zu verlassen.

 

Die BH Vöcklabruck, als örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde, wurde gleich gehend gemäß § 27 Abs. 7 AsylG. 2005 vom Bundesasylamt, EAST-X, in Kenntnis gesetzt, dass gegen Sie ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG. eingeleitet worden ist.

Seitens der BH Vöcklabruck wird festgehalten, dass Sie sich gegenwärtig – aufgrund der Tatsache, dass Sie nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sind – unberechtigt im Bundesgebiet aufhalten. Zudem können Sie auch nicht den Besitz eines Nationalreisedokumentes nachweisen. = = = > Ihre Identität gilt als nicht gesichert!

 

Eine aktuell zu Ihrer Person durchgeführte Überprüfung im bundesweiten zentralen Melderegister hat ergeben, dass Sie – abseits der Ihnen anlässlich der Einbringung Ihres Asylantrages zur Verfügung gestellten bundesbetreuten Unterkunft in der Erstaufnahmestelle X - über keinen polizeilich gemeldeten Wohnsitz im Bundesgebiet der Republik Österreich verfügen.

 

Unmittelbar nach der Zustellung der Verfahrensanordnung gem. § 29 AsylG wurden Sie durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck am 25.01.2013 um 13:45 Uhr gemäß § 74 Abs. 2 Z 2 FPG zur Erlassung der Schubhaft nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 festgenommen. Eine dabei durchgeführte Durchsuchung brachte zum Ergebnis, dass Sie abgesehen eines Bargeldbetrages in der Höhe von € 177,81 völlig mittellos sind.

 

Sie haben bereits in der Vergangenheit durch Ihre mehrfachen illegalen Grenzübertritte in und innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie infolge Ihres illegalen Grenzübertrittes ins Bundesgebiet der Republik Österreich, des Bewussten Verschweigens Ihres in DÄNEMARK gestellten Asylbegehren, dem Durchreisen von DEUTSCHLAND von Nord nach SÜD, unter tunlichster Vermeidung von Kontakten zu Exekutiv-Beamten und Polizeikontrollen, dem Erfinden einer bis ins Detail ausgeschmückten Lügengeschichte bezüglich Ihrer schlepperunterstützten Einreise nach Österreich, versteckt in einem LKW über GRIECHENLAND, in einer unmissverständlichen Art und Weise zu erkennen gegeben, dass Sie in gar keiner Weise gewillt sind die Rechtsordnung Ihres Gastlandes Österreich bzw. die jeweiligen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Bereich des Fremdenrechtes zu respektieren.

 

Obwohl Sie zunächst aussagten, DEUTSCHLAND sei das Ziel Ihrer Reisebewegungen gewesen, durchreisen Sie die gesamte Bundesrepublik DEUTSCHLAND von Nord nach SÜD unter Verwendung von mehreren Verkehrsmitteln, ohne in Erwägung zu ziehen, den dortigen Behörden Ihr Asylbegehren darzubringen. Stattdessen erfinden Sie eine bis ins Detail durchdachte, erlogene Reiseroute über eine Schleppung von der TÜRKEI über GRIECHENLAND nach Österreich. Erst nach Konfrontation mit dem EURODAC-Treffer und dem damit verbundenen unwiderlegbaren Beweis Ihres Aufenthalts und Ihrer Asylantragstellung in DÄNEMARK bricht Ihr Lügengebäude zusammen und Sie gestehen Ihren dortigen Aufenthalt ein. Ob die gesamte in weiterer Folge geschilderte Reiseroute der Wahrheit entspricht bleibt jedoch zu bezweifeln, zumal Sie behaupten dort auch eine andere Identität: X, geb. X (X) angegeben zu haben.

 

Sie bringen als passpflichtiger Fremder nicht einen Ausweis zur Vorlage, der zumindest Ihre Identität belegen oder glaubhaft darlegen würde. Die Handlungsweise der illegalen Reise ohne jeglicher Papiere und Ihren illegalen Aufenthalt rechtfertigen Sie in Österreich mit einer internationalen Schutzsuche. Die Schutzsuche vor Verfolgung im Herkunftsstaat AFGHANISTAN deklarierten Sie mitten in der europäischen Union in Österreich, nachdem Sie bereits zahlreiche sichere Länder und Staaten illegal durchreist haben. Statt Ihre Identität zu belegen und Ihrer Ausweispflicht nachzukommen, verschweigen Sie im Ersuchen um Hilfe, Schutzgewährung und Unterstützung bewusst Ihre Asylantragstellung im EU-Staat DÄNEMARK. Um sich fortlaufend im zentralen Wirtschaftraum der europäischen Union aufhalten zu können, schrecken Sie auch nicht davor zurück, Ihre eigenen Dokumente zu unterdrücken und zu verschleiern, falsche Angaben zu tätigen, sich illegal in der Anonymität aufzuhalten und weitere Grenzübertritte innerhalb der europäischen Union illegal zu tätigen.

 

Sie verneinten im Rahmen der Erstbefragung bewusst bereits in einem anderen Land Asyl beantragt zu haben. Sie geben damit unmissverständlich zu erkennen, dass Sie sich bewusst illegal und unstet in Mitgliedstaaten der europäischen Union aufhalten, weitere illegale Grenzübertritte jederzeit tätigen um sich letztlich einen Mitgliedstaat Ihrer Wahl für das Begehren eines internationalen Schutzes aussuchen zu können. Ob Österreich dahingehend Ihr Zielland ist, in welchem Sie tatsächlich ein Durchlaufen eines Asylbegehrens anstreben würden, muss stark in Frage gestellt werden. Zumal Österreich ein Mitgliedsstaat ist in dem Sie sich noch nicht zuvor aufgehalten haben, bzw. zumindest nicht behördlich bekannt sind. Und indem Sie als mittelloser Fremder ohne Unterkunft und Barmittel offensichtlich Ihre weitere Antragstellung dazu benutzen um sich zumindest für wenige Tage ausrasten, neu formieren und Ihre Weiterreise neu organisieren zu können.

Aus diesen Gründen ist im Besonderen davon auszugehen, dass Sie an einem dauerhaften Aufenthalt in Österreich ebenso wenig bestrebt sind als an Ihren Aufenthalten in den bisherigen durchreisten Mitgliedstaaten. Demzufolge ist es nicht nur naheliegend, sondern davon auszugehen, dass Sie sich ebenso in Österreich innerhalb weniger Tage dem Verfahren entziehen, in die Anonymität abtauchen und weiterhin weitere illegale Grenzübertritte begehen werden.

 

Die von Ihnen praktizierte Verhaltensweise ist nach Ansicht der bescheiderlassenden Behörde als klassischer "Asylantragstourismus (Wortformulierung Asylantragstourismus siehe Erkenntnis VwGH 2007/19/0730 vom 16.04.2009)" zu betrachten, welcher völlig abseits den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention steht und welchem mit aller Entschiedenheit entgegen zu treten ist um für ein geordnetes Fremdenwesen zu sorgen.

 

Nachdem aufgrund der Gesamtheit des geschilderten Sachverhaltes sowie infolge dessen, dass Ihnen auch das Bundesasylamt Ihre Hoffnung auf eine Legalisierung Ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet der Republik Österreich nicht erfüllen konnte, und gegen Sie bereits eine Ausweisungsverfahren gemäß § 10 AsylG. eingeleitet wurde, ist zu befürchten, dass Sie sich – auf freiem Fuß belassen – dem weiteren Zugriff der Behörde unverzüglich – und ohne eine drohende Überstellung nach DÄNEMARK zuzuwarten - entziehen werden. Zudem erhielten Sie mittlerweile im Asylverfahren eine Verfahrenskarte gem. § 50 AsylG. Ihre Besondere Mitwirkungspflicht gem. § 99 AsylG ist damit ebenfalls zu Ende und es würde Ihnen nun freistehen, die EAST-X ohne besondere Hindernisse zu verlassen. Dies macht ein Einschreiten der Fremdenpolizeibehörde gerade jetzt erforderlich, da Ihnen im jetzigen Stand des Asylverfahrens auch eine erhöhte Mobilität ermöglicht wird. Demzufolge ist zur Sicherung der Ausweisung nach den Bestimmungen des AsylG. sowie zur Sicherung Ihrer Abschiebung Ihre Anhaltung in der Schubhaft unbedingt erforderlich.

 

Ihre Verhaltensweise entgegen sämtlicher Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen im Bereich der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zeigt auf, dass Sie nicht das geringste Interesse an der Gewährung des Asylstatus in Österreich an den Tag legen.

Von der bescheiderlassenden Behörde ist – in Anbetracht der Tatsache dass Ihnen mit Verfahrensanordnung gem. § 29 AsylG durch das Bundesasylamt zur Kenntnis gebracht worden ist, dass Ihre Außerlandesbringung nach DÄNEMARK in Kürze angestrebt wird – unter Zugrundelegung der Gesamtheit des Sachverhaltes daher zu Recht von der Anwendung gelinderer Mittel Abstand zu nehmen und ein konkreter und vor allem sehr akuter Sicherungsbedarf zu Ihrer Person zu bejahen.

 

Sie sind im Bundesgebiet auch in keiner Art und Weise an eine Örtlichkeit gebunden. Sie sind – wie Sie während Ihrem Aufenthalt in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union eindrucksvoll unter Beweis stellten – äußert flexibel in Ihrer Lebensgestaltung, und haben auch keine familiäre oder soziale Verpflichtung in Österreich zu erfüllen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof stellt in seiner ständigen Judikatur fest, dass die Einhaltung fremdenpolizeilicher Vorschriften für den österreichischen Staat, vor allem in Zeiten eines erhöhten Zuwanderungsdruckes, von eminentem Interesse ist.

 

Die Anordnung einer Verpflichtung zur Unterkunft bzw. einer Meldeverpflichtung bei einer Polizeiinspektion gem. § 77 Abs. 3 Z 1 + 2 FPG wäre für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung nach den Bestimmungen des AsylG sowie zur Sicherung Ihrer Außerlandesbringung nicht ausreichend, da Sie bereits in der Vergangenheit eindrucksvoll Ihre Ungebundenheit und Mobilität innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU unter beweis gestellt haben. Zudem sind Sie bereits im für Sie nach der Dublinverordnung zuständigen Mitgliedsstaat DÄNEMARK in die Anonymität abgetaucht und haben sich so den dortigen Behörden entzogen um damit einer drohenden Abschiebung zu entgehen. Eine Anordnung zur Hinterlegung einer finanziellen Sicherheitsleistung gem. § 77 Abs. 3 Z 3 FPG konnte mangels ausreichen vorhandener Barmittel ebenfalls nicht in Erwägung gezogen werden.

 

Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass Sie – nach einem Abtauchen in der Anonymität – dem österreichischen Staat finanziell weiter zur Last fallen könnten. Da Sie Ihren Unterhalt im Bundesgebiet bestreiten müssen, ist die Gefahr sehr groß, dass Sie dies - zumindest zum Teil - auf illegale Art und Weise bewerkstelligen und straffällig werden.

 

Darüber ist im Besonderen die Gefahr nach Abtauchen in die Anonymität sehr groß, dass letztlich Österreich für die inhaltliche Prüfung gemäß Artikel 13 der Dublinverordnung zuständig werde, sofern den Erfordernissen des Abkommens – einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nicht nachgekommen werde! Wessen Erzwingen durch einen Aufenthalt in der Anonymität jedenfalls nicht im öffentlichen Interesse stehen kann.

 

Die Anordnung der Schubhaft über Sie ist - nach genauester Abwägung im Rahmen einer Einzelfallprüfung - verhältnismäßig, denn dem Recht des Fremden auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. In diesem Einzelfall ist eine Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer durchführbaren Ausweisung sowie zur Sicherung Ihrer Außerlandesbringung durch die Anordnung eines Gelinderen Mittels in Anbetracht der geschilderten Tatsachen, nicht ausreichend, da mit dieser Maßnahme das der Sicherung zugrunde liegende Endziel – nämlich Ihre behördliche Abschiebung von Österreich in den für Sie zuständigen Dublinstaat DÄNEMARK – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden kann. Um die im Interesse des Staates gebotenen Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in Ihr Recht auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig und demzufolge war von der Alternative der Anordnung eines Gelinderen Mittels zwingend Abstand zu nehmen und ein konkreter und akuter Sicherungsbedarf - welchem im gegenständlich vorliegenden Fall ausschließlich durch die Anordnung einer Schubhaft Folge getragen werden kann - zu bejahen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden."

 

1.2. Gegen den Schubhaftbescheid sowie gegen die darauf basierende Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung per Telefax am Montag den 4. Februar 2013 Schubhaftbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

Die Beschwerde führt der Bw wie folgt aus:

 

"Sachverhalt:

 

Der BF ist am 23.01.2013 ins Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag aus eigenem Antrieb freiwillig einen Asylantrag bei der PI Inssbruck gestellt. Der BF wurde der Erstaufnahmesteile X zugewiesen und hielt sich bis zu seiner Festnahme durch die belangte Behörde dort auf. Am 25.01.2013 erhielt der BF vom Bundesasylamt die Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 AsylG zugestellt und wurde unmittelbar darauf von der belangten Behörde festgenommen. Über den BF wurde mit Bescheid vom 25.01.2013, GZ: Sich40-1256-2013, der Erstbehörde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft verhängt. Der BF befindet sich seither in Schubhaft.

 

Dagegen richtet sich die eingebrachte Beschwerde.

 

Sowohl die Schubhaftverhängung als auch die Anhaltung in Schubhaft sind rechtswidrig.

 

Begründung:

 

1. Unverhältnismäßigkeit der Haft

 

Art. 1 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit lautet: […]

 

Art. 1 Abs. 3 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit sieht demnach vor, dass jede Haftverhängung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist. Im konkreten Fall stützt sich die Schubhaft auf § 76 Abs. 2 FPG.

 

§ 76 Abs. 2 FPG spricht von "kann", dies bedeutet, dass nicht automatisch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG, Schubhaft zu verhängen ist, sondern eine individuelle Prüfung stattzufinden hat. Dies wurde Fall des Bw unterlassen.

 

Bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die gesamte Bestimmung des § 76 FPG im Lichte des aus dem Bundesverfassungsgesetz vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit erfließenden unmittelbar anwendbaren Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen ist.

 

Von der Behörde ist daher bei Anwendung des § 76 Abs. 2 FPG zu prüfen, ob die Schubhaft notwendig ist, um eines der oben genannten Verfahren oder die Abschiebung, Zurückschiebung oder Durchbeförderung eines Fremden zu sichern.

 

Genau dies trifft auch im Fall des BF zu: über ihn wurde ohne ausreichende Begründung die Schubhaft angeordnet. Mit der konkreten Situation des BF hat sich die Erstbehörde im angefochtenen Bescheid nicht hinreichend auseinander gesetzt. Der angefochtene Bescheid lässt daher auch eine nachvollziehbare Begründung dahingehend vermissen, weshalb anzunehmen sei, dass die Schubhaft notwendig sei.

 

Bloß allgemeine Annahmen oder Erfahrungswerte, wie die von der Erstbehörde herangezogenen, können nicht genügen, um die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit eines Freiheitsentzuges im Einzelfall zu begründen (VfGH 28.09.2004, B 292/04 unter Hinweis auf VfSlg. 14.981/1997).

 

Misst die belBeh dem seit seiner Einreise gezeigten Verhalten des Fremden, der unmittelbar nach dieser aus eigenem das Bundesasylamt aufsuchte, um dort seinen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, nach Antragstellung in die Grundversorgung aufgenommen wurde, sich daraufhin im ihm zugewiesenen Quartier aufhielt und immer am Verfahren beteiligte, keine Bedeutung zu, so verkennt sie die Rechtslage. Diese Umstände, die gegen die Annahme der belBeh, er werde sich dem Verfahren zu entziehen trachten, sprechen, dürfen bei der Beurteilung, ob ein Sicherungsbedarf gegeben ist, nicht außer Betracht bleiben (VwGH 08.07.2009,2007/21/0085).

 

Ungeachtet des Vorliegens eines Tatbestandes nach § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 (hier: Z 2) kann die Schubhaftnahme eines Asylwerbers nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die (schon) in diesem Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (VwGH 27.05.2009, 2008/21/0196).

 

Für die Befürchtung, der Fremde werde sich dem weiteren Verfahren entziehen und für die Behörden nicht erreichbar sein, müssen vor allem aus dem bisherigen Verhalten des Fremden ableitbare spezifische Hinweise bestehen (VwGH 30.04.2009, 2006/21/0341).

 

Es kann dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls nicht zugesonnen worden, er sei davon ausgegangen, alle potenziellen "Dublin-Fälle" seien statt in Grundversorgung in Schubhaft zu nehmen (19.06.2008, 2007/21/0070).

 

Zur Prüfung des Sicherungserfordernisses ist auf alle Umstände des konkreten Falls Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu (VwGH 27.02.2007, 2006/21/0311), jedoch muss die konkrete Situation des Betroffenen geprüft werden - sogar wenn der Fremde vorher in einem sicheren Drittstaat einen Asylantrag gestellt hat (VfGH 29.09.2004, B 292/04). In einem solchen Fall ist auch der Grund für eine allfällige Weiterreise nach Österreich nach Stellung eines Asylantrags in einem anderen Staat und die dabei eingeschlagene Vorgangsweise zu berücksichtigen (VwGH 28.06.2007, 2006/21/0051).

 

Insbesondere kam die dem BF angelastete Ausreiseunwilligkeit alleine nicht das Sicherungserfordernis begründen (VwGH 27,02.2007, 2006/21/0311). Der VwGH hat in seiner ständigen Judikatur die Erforderlichkeit der Prüfung jedes individuellen Einzelfalles hervorgehoben (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0045). In allen Fällen der Verhängung von Schubhaft besteht die Verpflichtung, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Sicherung des Verfahrens und der Sicherung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen; Schubhaft kann immer nur als ultima ratio verstanden. werden (VfGH 15.06.2007, B 1330/06). Schubhaft ist hingegen nicht als Standard-Maßnahme gegenüber Asylwerbern anzuwenden; weder eine illegale Einreise noch das Fehlen beruflicher Integration oder einer Krankenversicherung noch der Mangel finanzieller Mittel sind für sich als Schubhaftgründe zu werten (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0239).

 

Im konkreten Fall hat der BF unmittelbar nach seiner Einreise ins Bundesgebiet freiwillig einen Asylantrag gestellt. Er hat sich danach bis zu seiner Festnahme in dem ihm zugewiesenen Quartier in der Erstaufnahmestelle X aufgehalten. Er hat in Österreich bisher kein Verhalten gesetzt, dass darauf schließen lassen würde, dass er sich dem Asylverfahren bzw. der Abschiebung entziehen würde. Die belangte Behörde begründet ein Sicherungsbedürfnis damit, dass angezweifelt wurden müsse, dass Österreich überhaupt das Zielland des BF gewesen sei. Aus dem oben angeführten Sachverhalt (der hat unmittelbar nach der Einreise aus eigenem Antrieb vor der PI Innsbruck einen Asylantrag gestellt) ergibt sich jedoch das Gegenteil. Auch der Umstand, dass der BF bereits einen Asylantrag in Dänemark gestellt hat lässt nicht darauf schließen, dass er sich dem österreichischen Asylverfahren, welches er selbst angestrebt hat, entziehen würde. Aus dem bisherigen Verhalten des BF lässt sich vielmehr schließen, dass er ein Interesse am österreichischen Asylverfahren hat und sich diesem daher nicht bereits zwei Tage nach der Asylantragstellung wieder entziehen würde.

 

Aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsgebots und wegen der Formulierung des Art 2 Abs  1 Z 7 PersFrG  („um zu sichern") kann auch die Ausweisungsabsicht zur Rechtfertigung eines Freiheitsentzuges nur dann hinreichen, wenn die Verhängung der bzw. Anhaltung in Schubhaft tatsächlich notwendig ist, um die Außerlandesschaffung zu sichern.

 

Das erforderliche Sicherungsbedürfnis, welches die Anordnung von Schubhaft rechtfertigen könnte, liegt beim BF nicht vor.

 

Die Schubhaftverhängung und die weitere Anhaltung in Schubhaft sind daher rechtswidrig.

 

2. Nichtanwendung des gelinderen Mittels

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 18.05.2001, ZI. 2001/02/0048 ausgesprochen und in ständiger Judikatur bekräftig hat, hat die schubhaftverhängende Behörde die Anwendung des gelinderen Mittels zu prüfen. Dies wurde im konkreten Fall unterlassen.

 

Die Auffassung, das Belassen eines Fremden auf freiem Fuß könnte immer dann, wenn ein Sicherungsbedürfnis zu bejahen ist, keine Gewähr für die Verfahrenssicherung bieten, hätte zur Folge, dass das Sicherungsbedürfnis nie anders als durch Anhaltung in Haft gedeckt werden könnte. Diese Ansicht entspricht aber mit Blick auf § 77 FrPolG 2005, der ausdrücklich (unter den dort näher angeführten Voraussetzungen) die Sicherung der Schubhaftzwecke auch auf andere Art als durch Haft vorsieht, nicht dem Gesetz (VwGH 18.02.2009, 2006/21/0261).

 

Der UVS Oberösterreich hat in einem vergleichbaren Fall in seinem Erkenntnis vom 06.12.2012, zur GZ VwSen-401240/4/Gf/Rt, die Schubhaft für rechtswidrig erklärt weil die belangte Behörde den Vorrang der Anordnung des gelinderen Mittels nicht beachtet hat und „nicht in einer nachvollziehbaren Weise - geschweige denn auch entsprechend belegt - zu erkennen gegeben hat, dass sei überhaupt die Anordnung gelinderer Mittel (sowie konkret: welcher dieser Mittel) in Erwägung gezogen und davon ausgehend das Vorliegen einer derartigen ultima-ratio-Situation, die sogar eine vorgängige Anordnung solcher Maßnahmen ausgeschlossen, sondern vielmehr die unverzügliche Schubhaftverhängung als geboten angenommen hat". Der UVS Oberösterreich führt im oben genannten Erkenntnis weiters aus es gehe „weder aus diesem Bescheid noch aus dem von der Behörde vorgelegten Akt hervor, dass der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck die Anordnung gelinderer Mittel überhaupt de facto erwogen hat; konsequenterweise fehlt sodann auch eine fallbezogene und auf entsprechenden. Belegen fußende Auseinandersetzung mit der Frage, welches dieser Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als das am ehesten Zielführende anzusehen ist sowie - davon ausgehend - in welchen Umständen gegenständlich eine derartige ultima-ratio-Situation begründet war, dass nicht einmal mit einer zumindest vorgängigen Anordnung dieses gelinderen Mittels, sondern nur mit einer unverzüglichen Schubhaftverhängung das Auslangen gefunden werden konnte."

 

Da die belangte Behörde die Möglichkeit der Verhängung des gelinderen Mittels nicht geprüft hat, ist die Schubhaft rechtswidrig.

 

2. Widerspruch zur Verordnung (EG) Nr. 1560/2003

 

Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines  von einemDrittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist lautet:

 

[…]

 

Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass es eine Rangordnung der Überstellungsmodalitäten gibt bzw. dass eine freiwillige Ausreise des Asylwerbers in den zuständigen Mitgliedsstaat prioritär ist. Auch die österreichische Rechtsordnung geht von der grundsätzlichen Annahme aus, dass Gesetze zwar mit Zwangsandrohung, aber zunächst ohne Zwangsausübung eingehalten werden. Zunächst ist davon auszugehen, dass ein Gesetz bzw. eine gesetzlich ergangene Entscheidung von den Rechtsunterworfenen grundsätzlich respektiert und eingehalten wird. Erst, wenn sich herausstellt, dass dies nicht der Fall ist, kann zu Zwangsmaßnahmen gegriffen werden. Eine automatische Schubhaftverhängung, d.h. die grundsätzliche Annahme ein Gesetz würde von den Rechtsunterworfenen generell nicht befolgt werden – wie sie derzeit in der Praxis stattfindet - findet keine Deckung in der österreichischen Verfassung.

 

Nach Abschluss des Verfahrens über die (Un-)Zuständigkeit Österreichs ist zunächst dem Asylwerber die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise zu geben. Erst wenn sich herausstellt, dass der Asylwerber nicht freiwillig ausreist bzw. zu verstehen gibt, dass er dies nicht tun wird, ist eine Haftverhängung zulässig.

 

Die Schubhaftverhängung des BF ohne Einhaltung dieser Abfolge steht daher sowohl in Widerspruch zur oben genannten Verordnung, als auch zur österreichischen Verfassung und ist daher inhaltlich rechtswidrig.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach betont, dass die Verhängung der Schubhaft in "Dublin-Fällen" nicht zu einer Standardmaßnahme gegen Asylwerber werden darf (VwGH 05.07.2011, 2008/21/0028). Besondere Gesichtspunkte, die erkennen ließen, es handle sich hier um eine von den typischen "Dublin-Fällen" abweichende Konstellation, in der mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf Grund konkreter Anhaltspunkte auf eine drohende Verfahrensvereitelung durch den Beschwerdeführer geschlossen hätte werden können, sind dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.

 

Es werden daher die Beschwerdeanträge gestellt, der UVS im Land Oberösterreich möge

1.                  die Verhängung der Schubhaft und

2.                  die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären sowie

3.                  Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung (Schriftsatz- Verhandlungsaufwand) und der Eingabegebühr zuerkennen."

 

2.1.1. Mit E-Mail vom 5. Februar 2013 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

2.1.2. In einer Gegenschrift vom selben Tag führt die belangte Behörde folgendes aus:

 

Eingangs sowie im Besonderen wird zunächst auf den im Schubhaftbescheid vom 25.01.2013 umfassend dokumentierten Sachverhalt sowie auf den Inhalt des in Vorlage gebrachten Verwaltungsaktes verwiesen.

 

Zur, vom Bf, eingebrachten Schubhaftbeschwerde erlaubt sich die BH Vöcklabruck als belangte Behörde zu entgegnen, dass der konkret in diesem Einzelfall vorliegende Sachverhalt von Seiten der belangten Behörde einer Einzelfallprüfung - auch im Hinblick auf eine allfällige Anordnung eines Gelinderen Mittels anstelle der Schubhaft - unterzogen worden ist. Um diesbezügliche Wiederholungen zu vermeiden wird auf den Schubhaftbescheid verwiesen.

 

Wie in der ggst. Beschwerde angeführt, hat der Bf sich zwar aus eigenem Antrieb an die Österreichischen Behörden gewandt und einen Asylantrag gestellt. Er versuchte jedoch durch eine bis ins Detail durchdachte Lügengeschichte, unter Vorspiegelung einer völlig falschen und frei erfundenen Reiseroute über GRIECHENLAND nach Österreich und einer anschließenden Asylantragstellung in Österreich, sich einen - wenn auch nur vorübergehenden - rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen. Erst nach Vorhalt des zu seiner in DÄNEMARK am 22.12.2010 stattgefundenen Asylantragstellung vorliegenden EURODAC-Treffers brach seine Lügengeschichte zusammen und der Bf gestand seinen Aufenthalt in Dänemark ein. Der Bf gestanden sogar ein, bewusst gelogen zu haben und begründete dies damit, dass er dadurch eine Abschiebung nach AFGHANISTAN verhindern habe wollen. Welche der von Ihm bisher vorgebrachten Identitäten tatsächlich der Wahrheit entspricht, ist vom Bf weder mittels Reise- oder sonstigen Identitätsdokumenten belegbar, noch konnte es bisher in glaubhafter Form vorgebracht werden.

 

Wie bereits im ggst. Schubhaftbescheid erwähnt überschritt der Bf mehrfach und illegal Binnengrenzen innerhalb der Mitgliedsländer der EU (zumindest in DÄNEMARK, DEUTSCHLAND und ÖSTERREICH), entzog sich so den dänischen Behörden, durchreiste ganz DEUTSCHLAND von Nord nach Süd, vernichtete (wie von Ihm selbst im Rahmend er Erstbefragung angeführt) sämtliche Beweismittel für seine illegalen Reisebewegungen innerhalb der EU und stellte, nachdem er dies bereits erfolglos in DÄNEMARK versucht hatte, neuerlich in Österreich einen Asylantrag.

 

Aus all diesen unstrittigen Feststellung lässt sich ableiten, dass der Bf ein hohes Maß an Selbstorganisation betreffend seiner Reisebewegungen aufweist und losgelöst von etwaigen Asylverfahren bzw. fremdenrechtlichen Hürden die für ihn am günstigsten scheinende Reiseroute bzw. Reiseziel mit erfolg umsetzt. Hinzu tritt, dass der Bf zu Erkennen gibt, dass DÄNEMARK für Ihn keine Reiseoption darstellt. Gepaart mit den Erfahrungen im Rahmen des asyl- und fremdenrechtlichen Verfahrens in DÄNEMARK, welches lt. eigenen Ausführungen negativ beschieden wurde, lässt sich nun der Schluss ziehen, dass der Bf sich in der selbigen Situation wiedererkennt und sich der für ihn ungünstigen Abschiebung nach DÄNEMARK mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entziehen wird, zumal ihn diese Abschiebung wiederum an den Ausgangspunkt seiner vormaligen illegalen Reisebewegungen bringt. (vergl: Erkenntnis des UVS , Dr. Brandstetter, GZ: VwSen-401237/4/MB/WU v. 29.11.2012)

 

Die Anordnung einer Unterkunfts- und Meldeverpflichtung im Rahmen des Gelinderen Mittels gem. § 77 Abs. 3 Z 1 und 2 FPG kam aus obgenannten Gründen nicht in Frage. Die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gem. § 77 Abs. 3 Z 3 FPG konnte schon mangels ausreichend vorhandener Barmittel des Bf nicht in befracht gezogen werden.

 

Maßgebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden seitens des Bf nicht behauptet, ebenso wird seitens der BH Vöcklabruck darauf hingewiesen, dass im Zuge der obligatorischen Erstuntersuchung im Asylverfahren als auch der Hafttauglichkeitsuntersuchung nach der Schubhaftverhängung im PAZ X keinerlei derartige Beeinträchtigungen festgestellt wurden. Weiters wird ausgeführt, dass der Bf bei der Erstbefragung angab, gesund zu sein und keine Erkrankungen zu haben die das Asylverfahren in weiterer Folge beeinträchtigen würden.

 

Zum in der Beschwerdeschrift zitierten Erkenntnis des UVS vom 06.12.2012 GZ VwSen-401240/4/Gf/Rt wird angemerkt, dass es sich bei diesem Fall um eine vollständig vom ggst. Sachverhalt abweichenden Fall handelt. Da die Rechtssprechung des UVS im zitierten Erkenntnis völlig von jeglichen Rechtsansichten des UVS abweicht, wurde auf Anregung der BH Vöcklabruck durch die LPD bereits Amtsbeschwerde beim VwGH eingebracht und ist dieses Verfahren dzt. beim Höchstgericht anhängig.

 

Im Asylverfahren des Bf wurde bereits ein Konsultationsverfahren mit DÄNEMARK gem. Art 16/1/e der Dublin-Verordnung und gleichgehend ein Ausweisungsverfahren gem. § 10 AsylG eingeleitet wovon der Bf auch nachweislich in Kenntnis gesetzt wurde. Nach vorliegen einer Zustimmung (Zustimmungsfrist bis 13.02.2013) zur Übernahme seitens der dänischen Behörden ist vom BAA daher die Erlassung einer Ausweisungsentscheidung gem. § 10 AsylG in den Dublin-Staat DÄNEMARK beabsichtigt. Seitens der BH Vöcklabruck ist daher beabsichtigt, den Bf unmittelbar nach Eintreten der Durchführbarkeit/Rechtskraft der im Asylverfahren zu treffenden Ausweisungsentscheidung gem. den Bestimmungen des Dubliner Abkommens nach DÄNEMARK abzuschieben.

 

Abschließend wird seitens der belangten Behörde, wie bereits im bekämpften Schubhaftbescheid geltend gemacht, auf die für die Republik Österreich nachhaltige Wichtigkeit einer Einhaltung des bestehenden Regelungsregimes des Dubliner Abkommens (Dublin II-Verordnung) - darunter insbesondere Artikel 19 Abs. 4 i.V.m. den ausführenden Erläuterungen K 34 - hingewiesen.

 

Seitens der BH Vöcklabruck wird gebeten die gegenständliche Schubhaftbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen um so eine Sicherung der behördlich geplanten Außerlandesbringung des Beschwerdeführers von Österreich nach DÄNEMARK unmittelbar nach Vorliegen einer durchführbaren/rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung gem. § 10 AsylG in I. Instanz - sicherzustellen.

 

Sofern sich aus der vorliegenden Sachlage ein noch fragwürdiges Gesamtbild ergibt, welches eine Abweisung der Beschwerde nicht zulässt, so wird hiermit der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs 2 FPG abgesehen werden konnte. Eine solche wurde im Übrigen vom rechtsfreundlich vertretenen Bw auch nicht beantragt.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – vom Bf in keinster Weise bestrittenen – unter Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 83 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. I 22/2013, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Gemäß § 82 Abs 1 des FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.1.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des in Rede stehenden Bescheides der belangten Behörde von 25. Jänner 2013 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, ist gemäß § 83 Abs 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.2. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Der Bescheid hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten oder einer Sprache, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.

 

Gemäß § 77 Abs 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs 2 Z 1 FPG.

 

Gemäß § 77 Abs 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1.      in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.      sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden      oder

3.      eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

Gemäß § 27 Abs 1 des Asylgesetzes 2005 gilt ein Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn nach Ziffer 1 im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach § 29 Abs 3 Z 4 oder 5 erfolgt.

 

3.3. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf am 23. Jänner 2013 einen Asylantrag in Österreich gestellt hat. Nachdem die fremdenpolizeilichen Ermittlungen ergaben, dass der Bf bereits im Dezember 2010 in Dänemark einen Asylantrag gestellt hatte, lag der Schluss nahe, dass Dänemark zur Prüfung eines Asylbegehrens bzw für nach dem Abschluss des Asylverfahrens zu ergreifende weitere Maßnahmen zuständig ist. Der belangten Behörde folgend kann festgestellt werden, dass der Bf im Rahmen der Schubhaftbeschwerde keinerlei diese Annahme falsifizierende Äußerungen tätigt.

 

In diesem Sinne wurde dem Bf auch mit Schriftsatz des Bundesasylamts vom 25. Jänner 2013, GZ 1300.999, nachweislich gemäß § 27 und 29 Abs 3 Z 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, sein Asylbegehren mangels Zuständigkeit Österreichs zurückzuweisen sowie, dass seine Abschiebung nach Dänemark beabsichtigt sei. Mit dem Zielstaat wurden in Folge unverzüglich Konsultationen aufgenommen.

 

Es liegen somit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 76 Abs 2 Z 2 FPG vor.

 

3.4.1. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs 2 FPG wird – wie vom Bf in der Beschwerde zu Recht auf Seite 3 geltend gemacht – deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten lassen, dass er sich dem Verfahren gemäß § 76 Abs 2 FPG entziehen wird. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs – wie wiederum in der Beschwerde mit zahlreichen Belegstellen zu Recht ausgeführt wird – nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

3.4.2. Grundsätzlich ist vorerst eine Feststellung zu treffen:

 

Im Regelfall wird nicht davon auszugehen sein, dass bei sogenannten Dublinfällen schon bereits wenige Tage nach Antragstellung der Sicherungsbedarf derart verdichtet vorliegt, dass die Verhängung der Schubhaft unbedingt erforderlich ist. Eine generelle Annahme, dass bei derartigen Fällen die Schubhaft zu verhängen wäre, wird – korrespondierend zur auch in der Beschwerdeschrift angeführten Judikatur der Höchstgerichte – abgelehnt.

 

Der vorliegende Fall ist jedoch anders gelagert. Zunächst ist anzumerken, dass die Identität des Bf – mangels entsprechender Dokumente – nicht letztgültig geklärt ist und er bereits unter einem anderen Namen in Dänemark aufgetreten ist. Der Bf scheut daher offensichtlich nicht davor zurück, Identitäten zu wechseln, sofern es ihm zur Erreichung seiner persönlichen Ziele dienlich scheint. Dies kann als erstes Indiz angesehen werden, dass der Bf, sollte er das Gefühl haben, dass sich sein Asylverfahren in Österreich nicht in seinem Sinne entwickelt, in die Anonymität untertauchen und unter einem anderen Namen in einem anderen Land wieder auftauchen wird.

 

Selbstverständlich reicht jedoch die Vorgabe einer falschen Identität allein nicht aus, um einen Sicherungsbedarf zu begründen, der in Folge die Inschubhaftnahme einer Person rechtfertigt.

 

In casu concreto ist allerdings zudem der im Rahmen der Erstbefragung nach dem Asylgesetz aufgenommenen Niederschrift zu entnehmen, dass der Bf anfänglich darüber belehrt wurde, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung des Bundesasylamtes sind. Er wurde daher aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsdarstellung mitzuwirken und darauf hingewiesen, dass unwahre Aussagen nachteilige Folgen für ihn zeitigen könnten.

Befragt zu seiner Reiseroute von Afghanistan nach Österreich gab der Bf daraufhin an, vor cirka fünf Monaten, also etwa im September 2012, seine Reisebewegung von X aus begonnen zu haben. Die Schleppung habe in X begonnen, wobei er in X eine Nacht im Hotel X, welches einen Treffpunkt für viele Geschleppte darstelle, verbracht habe. In Folge sei er  teils zu Fuß, teils als Mitfahrer in einem PKW illegal in den Iran eingereist, wo er sich etwa eine Woche aufgehalten habe. Der Bf nennt genaue Fahrzeiten, die genaue Zahl der Personen in seiner Gruppe, berichtet von der Weiterreise in die Türkei und zwei in einem Keller zugebrachten Nächten in Istanbul. Er erzählt von der Weiterreise nach Griechenland, der Vorgehensweise bei der Überquerung der türkisch/griechischen Grenze und einer Zugfahrt nach Athen. In Athen habe er dann einen Afghanen mit Namen X kennengelernt, der ihm gesagt habe, er solle in den X gehen, da es dort viele Afghanen gebe. Der Bf sagte weiters aus, er habe dort dann bei einem Mann mit Namen X ein Zimmer bekommen. Eine Übernachtung kostete vier Euro, ein Bad drei Euro. Sein Aufenthalt in Griechenland habe vier Monate gedauert, da man dort solange auf einen Schlepper warten müsse. Die Weiterschleppung in das Zielland Deutschland habe ihn 5.000 Euro gekostet.

 

Der Bf berichtet im Anschluss unter Anführung zahlreicher Details von der Weiterreise nach Österreich. Er sei eigentlich nur hier, weil man ihm beim Aussteigen aus einem LKW gesagt habe, er sei in Deutschland.

 

Die eindeutige und nicht misszuverstehende Frage, ob er in einem anderen Land um Asyl angesucht habe, beantwortete der Bf mit "Nein". Ebenso gab der Bf auf die Frage, ob er in einem anderen Land von den do. Behörden angehalten und/oder untergebracht wurde, an, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Wenn er jedoch nach Griechenland zurückgebracht werde, würde er gezwungenermaßen hierher zurückkehren, da es dort keine Arbeit und kein Essen gebe und man dort ohne Geld nichts machen könne.

 

In Folge wurde der Bf mit der Tatsache konfrontiert, dass er bereits im Dezember 2010 unter einer anderen Identität einen Asylantrag in Dänemark gestellt hat. Daraufhin gab er zu, bislang gelogen zu haben.

 

Auch dieses Verhalten lässt massive Bedenken in Bezug auf die Absichten des Bf in Österreich aufkommen. Obwohl er ausdrücklich von den möglichen negativen Folgen einer unwahren Aussage in Kenntnis gesetzt wurde, ließ sich der Bf nicht davon abhalten, eine Fluchtgeschichte aufzutischen, die nicht im Entferntesten mit den von der Behörde ermittelten Fakten übereinstimmt. Der Bf schilderte blumig und detailreich Unwahrheiten (genaue Fahrzeiten, genaue Anzahl von Personen, Hotelnamen, Beschreibungen der Schlepper, Unterkunftskosten, usw). Eine derart ausgeschmückte Geschichte legt den Schluss nahe, dass es sich dabei um eine von langer Hand durchdachte handelt, der Bf also von vornherein nie die Absicht hatte, der Behörde gegenüber ehrliche Angaben zu machen. Die Vermutung, der Bf werde sich des behördlichen Zugriffes im Falle von ihm nicht in sein Konzept passenden Vorgehensweisen entziehen, liegt schon von daher nahe. Dass der Bf sich nach seiner Einreise selbst der Polizei gestellt und in Folge sich in der zugewiesenen Unterkunft aufgehalten hat, relativiert diese Vermutung zwar etwas, vermag sie jedoch nicht zu entkräften.

 

Darüber hinaus muss beachtet werden, dass der Bf ausdrücklich angegeben hat, er werde im Falle einer Verbringung nach Griechenland "gezwungenermaßen" wieder hierher zurückkehren, da es dort weder Arbeit noch Essen gebe und man dort ohne Geld nichts machen könne. Unabhängig davon, ob der Bf – was im Verfahren nicht abschließend geklärt werden konnte – je in Griechenland gewesen ist, kann der Aussage entnommen werden, dass der Bf nicht bereit ist, sich an die im EU-Raum geltenden fremdenrechtlichen Regelungen halten zu wollen. Es scheint ihm lediglich darauf anzukommen, in einem wirtschaftlich potenten Land unterzukommen, in welchem zumindest seine Verpflegung sichergestellt wird bzw wo es ihm zumindest für wenige Tage möglich ist sich auszurasten, sich neu zu formieren und seine Weiterreise neu organisieren zu können.

 

Auch dass der Bf nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens in Dänemark nicht davor zurückgescheut ist, in die Anonymität unterzutauchen, wiederum Ländergrenzen zu überqueren und dann – unter Leugnen der bereits erfolgten Asylantragstellung im EU-Raum – neuerlich ein Asylverfahren in Gang setzt, wirft ein bezeichnendes Bild auf seine Einstellung zu den in Österreich bzw in Europa geltenden Normen.

 

Die Asylantragstellung am 23. Jänner 2013 ist in diesem Sinne auch eher als strategische Maßnahme zu sehen, wobei der Bf – offensichtlich – nicht erwartet hatte, dass trotz der von ihm verwendeten neuen Identität seine etwa zwei Jahre zurückliegende Asylantragstellung ans Tageslicht kommen würde.

 

Da nun aber die drohende Abschiebung nach Dänemark dem Bf bewusst vor Augen geführt wurde (vgl die Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 AsylG vom 25. Jänner 2013), verdichteten sich die Umstände dermaßen, dass mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden muss, dass der Bf wiederum in die Anonymität abtauchen werde, um – wie schon bisher – seinen Aufenthalt in einem für ihn wirtschaftlich interessanten Staat Europas nehmen zu können. Für dieses Szenario spricht auch, dass der Bf sowie seine Familie (der Bf gab an, dass auch sein Vater für die Schleppung bezahlt habe) eine hohe Summe Geldes eingesetzt haben, um dem Bf die Reise von Afghanistan nach Europa zu ermöglichen. Eine Rückschiebung nach Dänemark und in Folge eine weitere Abschiebung nach Afghanistan würde freilich sämtliche getätigte finanzielle Aufwände frustrieren.

 

Nahtlos fügt sich in das bislang gezeichnete Bild des Bf dessen Aussage darüber ein, was er noch über seinen Aufenthalt in Dänemark angeben könne: "In Dänemark tun sie nicht was ich will." Auch hieraus ist abzuleiten, dass der Bf nicht gewillt ist, sich den Rechtsordnungen seiner Gastländer unterzuordnen und er die Absicht hegt, solange fremdenrechtliche Vorschriften zu verletzen, bis sich seine Aufenthaltsvorstellungen verwirklicht haben.

 

Der Umstand, dass der Bf im Bundesgebiet über keinen Wohnsitz verfügt, rundet das Gesamtbild ab. Er ist als völlig ungebunden und – wie er schon in der Vergangenheit gezeigt hat – auch als äußerst flexibel in seiner Lebensführung anzusehen. Gründe die ihn dazu animieren könnten, sich den Behörden zur Verfügung zu halten, sind somit für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht ersichtlich.

 

3.4.3. Der belangten Behörde folgend ist im vorliegenden Fall – in Zusammenschau all der eben beschriebenen Sachverhaltselemente – von einem besonders hohen sowie akuten Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – ab dem Zeitpunkt, in dem er über die beabsichtigte Abschiebung nach Dänemark informiert wurde, fraglos dem Zugriff der Behörde entzogen haben würde.

 

3.4.4. Ausdrücklich abgelehnt wird jedoch der Ansatz der belangten Behörde, wenn sie den Erhalt einer Verfahrenskarte gemäß § 50 AsylG und die damit rein rechtlich einhergehende erhöhte Mobilität zur Begründung eines Sicherungsbedarfes heranzieht. Ein Fremder ist nämlich auch ohne Besitz einer solchen Karte faktisch jederzeit in der Lage, eine Erstaufnahmestelle zu verlassen, wenn ihm dies rechtlich auch nicht gestattet ist. Oder anders gewendet: Die rechtlich abstrakt eingeräumte Berechtigung, ein bestimmtes Gelände verlassen zu dürfen, vermag nicht auf das zu erwartende Verhalten einer Person durchzuschlagen, wenn sie im Besitz der Berechtigung nicht weniger Hürden beim Ortswechsel zu überwinden hat als ohne einer solchen.

 

3.5. Vor dem Hintergrund des oben erzielten Ergebnisses scheidet auch die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Eine allfällige tägliche Meldepflicht würde das Ziel der Schubhaft nicht haben gewährleisten können, zumal der Bf schon in der Vergangenheit bewies, dass er nicht bereit ist, behördlichen Anordnungen zu entsprechen. Wenn der Bf in seiner Beschwerdeschrift vorbringt, die belangte Behörde habe die Anwendung gelinderer Mittel nicht geprüft, so ist er auf Seite 6 des angefochtenen Bescheides zu verweisen, wo ausführlich diesbezügliche Erwägungen angestellt wurden, die vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich auch geteilt werden.

 

3.6. Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses im vorliegenden Fall fraglos überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf über keine familiären Kontakte oder Verpflichtungen im Bundesgebiet verfügt und sämtliche Familienmitglieder – nach eigenen Angaben des Bf – in Afghanistan aufhältig sind.

 

3.7.1. Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1.      zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2.      vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs 3       und 4 vorliegt.

 

3.7.2. Der Bf wird gegenwärtig seit 15 Tagen in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte Frist bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Es liegen auch keine Umstände vor, die erwarten ließen, dass die Anhaltung noch beträchtliche Zeit andauern werde, zumal die für eine Außerlandesbringung des Bf getroffenen Maßnahmen durch die belangte Behörde offenbar konsequent verfolgt werden.

 

Das Ziel der Schubhaft, die Ausweisung und Abschiebung nach Dänemark, ist zum Entscheidungszeitpunkt somit absolut zeitnah erreichbar. Umstände, die gegen die Durchführbarkeit der Rückführung des Bf sprechen würden, sind aktuell keine bekannt. So ist auch zu erwarten, dass Dänemark der Rückführung im Rahmen des Dublinverfahrens nicht entgegentreten wird.

 

3.8. Es sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen war, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs 1, Abs 3 und Abs 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

Markus Zeinhofer

 

 

 

Beschlagwortung:

§ 76 (2) Z2 FPG; Schubhaft; Dublin-II-Verordnung

 

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