Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-167609/2/Br/Ai

Linz, 21.02.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung von Herrn X, geb. X, X, X, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. X, X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg, vom 10. Jänner 2013, Zl. VerkR96-1957-2010, zu Recht:

 

 

I.     Der Berufung wird in beiden Punkten Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt;

    

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§  24, 45 Abs.1 Z1, 51 und 51e Abs.2 Z1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über den Berufungswerber zwei Geldstrafen (2 x 50 Euro) und für den Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von 2 x 24  Stunden ausgesprochen, wobei wider ihn folgende Tatvorwürfe erhoben wurden:

1) Sie haben sich als LenkerIn, obwohl es Ihnen zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von Ihnen verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass die für die Verkehrs- und betriebssichere Verwendung des PKW maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass folgende nicht typisierte Teile angebracht waren. Alle vier am PKW montierten Reifen hatten eine Dimension von 245/45/17 – anstelle der erlaubten größten eingetragenen Dimension 215/55/16.

 

Tatort: Gemeinde X, Landesstraße Freiland, X, Nr. X bei km 201.900.

Tatzeit: 19.06.2010, 16:45 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 102 Abs. 1 KFG i.V.m. § 4 Abs.2 KFG

 

 

2) Sie haben sich als LenkerIn, obwohl es Ihnen zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von Ihnen verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass die für die Verkehrs- und betriebssichere Verwendung des PKW maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass folgende nicht typisierte Teile angebracht waren. Auf allen vier Rädern am PKW waren Allufelgen der Marke PLW (ohne weitere Aufschrift) der Dimension 17 Zoll anstelle der erlaubten bzw. eingetragenen Dimension von 16 Zoll montiert.

 

 

Tatort: Gemeinde X, Landesstraße Freiland, X, Nr. X bei km 201.900.

Tatzeit: 19.06.2010, 16:45 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 102 Abs. 1 KFG i.V.m. § 4 Abs.2 KFG

Fahrzeug: Kennzeichen X, PKW, AUDI A6, schwarz."

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz erachtet den von der Polizeiinspektion X bereits am 21.6.2010 zur Anzeige gebrachten Sachverhalt als erwiesen und unbestritten, wobei darüber hinaus keinerlei Erwägungen zum Sachverhalt, etwa in welchem Zustand das Fahrzeug etwa erworben worden ist. Keine Erwägungen finden sich zu den vom Rechtsvertreter erhobenen inhaltlichen Einwendungen. Auch zu den von der Behörde erster Instanz selbst eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen bei einem kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen, vom 15.10.2010 und deren Ergänzung vom 9.12.2010, zur Frage einer vom Berufungswerber verursachten Gefährdung der Verkehrssicherheit finden sich keine Erörterungen.

 

 

2. In der dagegen fristgerecht durch seinen bevollmächtigten Vertreter eingebrachten Berufung wird im Ergebnis eine unrichtige rechtliche Beurteilung, eine zu Unrecht erfolgte Kumulation und damit ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot, sowie eine im Sinne des § 44a Z1 VStG verfehlte Tatumschreibung in Verbindung mit der Heranziehung einer falschen Rechtsvorschrift eingewendet.  Der Berufungswerber weist etwa darauf hin, dass nach § 33 Abs.1 KFG an einem KFZ vorgenommene Änderungen seitens des (früheren) Zulassungsbesitzers unverzüglich dem Landeshauptmann anzuzeigen gewesen wären.

Diese Verpflichtung treffe im Ergebnis jenen der die Änderung vornimmt, nicht jedoch den Lenker.

 

 

3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsver­handlung konnte mit Blick auf die ergänzend durchgeführte Beweisaufnahme gemäß § 51e Abs.1 Z2 VStG unterbleiben.

 

 

3.1. Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt, der Beischaffung einer Anfrage aus der Zulassungsdatei und Gewährung des Parteiengehörs. Vom Zulassungsbesitzer, der ebenfalls wegen dieses vermeintlichen Regelverstoßes bestraft worden ist, wurde die Vorlage des Kaufvertrages betreffend dieses KFZ angeregt.  

Letzterer wurde mit einer abschließenden Stellungnahme sowohl, hier den Lenker betreffend als auch den Zulassungsbesitzer im h. Verfahren VwSen-167610).

 

 

4. Sachverhalt:

Der Berufungswerber wurde am 19.6.2010 um 16:45 Uhr im Zuge einer Geschwindigkeitsmessung auf der B X, bei Strkm 201.900 in X angehalten. Im Zuge dieser Anhaltung wurde die nicht typisierten Felgen und die ebenfalls darauf aufgezogenen nicht von der Typengenehmigung umfassten Reifen festgestellt. Der Meldungsleger erachtete darin ohne nähere Begründung „die Gefahr einer Umweltbeeinträchtigung.“

Der Berufungswerber gab gegenüber dem Meldungsleger an, das Fahrzeug wäre in diesem Zustand gekauft worden, er gehe daher davon aus, dass dieses in Ordnung gewesen wäre.

Der Amtssachverständige erblickt zusammenfassend in dieser von der Typisierung abweichenden Bereifung keine Gefährdung der Verkehrssicherheit, da sonst die Weiterfahrt zu untersagen gewesen wäre, was offenbar nicht der Fall war.  Was einem Sachverständigen aber nicht zukommt, vermeint dieser, der Lenker hätte eine entsprechende Genehmigung mitzuführen gehabt um dem Gesetz genüge zu tun.

 

 

4.1. Die Behörde erster Instanz erließ bereits am 25.6.2010 gegen den Berufungswerber eine Strafverfügung über je 365 Euro. Diese wurde fristgerecht am 5.7.2010 vom schon damals ausgewiesenen Rechtsvertreter beeinsprucht. Am 13.8.2010 reicht der Rechtsvertreter eine Stellungnahme nach, worin er insbesondere unter Hinweis auf das Kalkül des Amtssachverständigen durch diese Bereifung keine Verkehrsgefährdung agumentiert. Ebenfalls geht der Berufungswerber darin bereits auf die völlig überflüssig im Spruch angeführten Aspekte über „die Beschmutzung anderer Straßenbenützer, übermäßigen Lärm, Rauch oder üblen Geruch ein, welcher die diese Bereifung wohl keinesfalls verursacht werden hätte können. Zur Frage der Verkehrssicherheit beantragt er ein Gutachten. Dieses wurde wie oben unter Punkt 1.1.  bereits zitiert beigeschafft wurde. Der Verfahrensakt langte vom Sachverständigen am 13.12.2010 an die Behörde erster Instanz zurück.

Am 24.6.2011 wurde der  Berufungswerber vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. Am 22.7.2011 nimmt der Berufungswerber dazu erneut Stellung und erachtet unter Hinweis auf die Faktenlage eine Bestrafung nicht geboten und beantragt die Verfahrenseinstellung.

Am 10. Jänner 2013 erlässt die Behörde erster Instanz schließlich das angefochtene Straferkenntnis mit der inhaltlichen Spruchforumulierung wie bereits in der Strafverfügung.

 

 

4.2. Beweiswürdigung:

Dem Berufungswerber ist durchaus zu folgen, wenn er im Ergebnis ein Verschulden als Lenker von sich weist. Der Berufungswerber wendet auch durchaus sachbezogen eine auf ein wesentliches Tatbestandselement im Sinne des § 33 KFG unterbliebene Verfolgungshandlung ein. Darüber hinaus wird ebenfalls zutreffend ausgezeigt, dass die Feststellung im Tatvorwurf einer vom Berufungswerber herbeigeführten Gefährdung durch den Sachverständigen widerlegt worden sei. Auch in diesem Punkt ist ihm beizupflichten, zumal mit diesem vom Lenker realistisch besehen kaum erkennbaren Mangel „keine Gefahr für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer darstellte, ferner weder  schädliche Erschütterungen, übermäßiger Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeibare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer“ herbeigeführt werden habe können. Wenn darin letztlich eine die Verteidungsrechte einschränkende Tatumschreibung erblickt wird, ist diesem Einwand ebenfalls zu folgen. Der objektive Betrachter kann angesichts dieser holprig anmutenden, sich fast über eine A4-Seite ausdehnenden Tatvorwürfe, nicht wirklich wissen was tatsächlich gemeint ist und wie er sich mit Blick darauf verteidigen (können) soll.

Ebenso überfordert es wohl auch einen Lenker, wenn selbst die Behörde sich eines Sachverständigen zu bedienen müssen glaubte um die Stichhaltigkeit der Anzeige zu überprüfen.  

Wenn es letztlich durchaus glaubhaft ist, dass der Vater des Berufungswerbers das Fahrzeug in diesem Zustand bereits gekauft hat und dieses – was auch nicht widerlegt wurde - zugelassen und wohl auch eine Überprüfungsplankette erhalten hat, kann letztlich in der unterbliebenen Überprüfung der Reifendimension vor Fahrtantritt ein subejtiv tatseitig vorwerfbares strafwürdiges schuldhaftes  Verhalten nicht mehr zur Last gelegt werden.

Vor diesem Hintergrund erhebt sich durchaus die Frage, warum überhaupt eine Anzeige erstattet wurde, anstatt etwa eine entsprechende Legalisierung durch Nachtypisierung aufzutragen.

 

 

 

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Abgesehen vom Umstand, dass hier der Spruch erst im letzten Punkt erkennen lässt worin ein Regelverstoß erblickt werden will, wobei die Verpflichtung zur Bewilligung letztlich den Zulassungsbesitzer getroffen hätte, liegt hier insbesondere keine die tatsächlichen Tabtestandselemente erfassende Verfolgungshandlung vor.

Wie sich aus den oa. Ausführungen ergibt, hätte der Zulassungsbesitzer die verfahrensgegenständliche Bereifung im Sinne des § 33 Abs.1 KFG 1967 iVm § 22a Abs.1 lit.b KDV 1967 dem Landeshauptmann anzuzeigen gehabt. Ein derartiger Tatvorwurf wurde jedoch nie erhoben. Da die Verfolgungsverjährungsfrist längst abgelaufen ist, wäre es dem Oö. Verwaltungssenat verwehrt, eine entsprechende Spruchkorrektur vorzunehmen (vgl. h. Erk. v. 5.1.2009, VwSen-163422/9/Fra/Se).

Da letztlich dieses Fahrzeug vom Vater des Berufungswerbers am 5.3.2009 offenbar in diesem Zustand von einer Fachwerkstätte gekauft wurde, würde es ferner jegliches Maß an Sorgfaltspficht überspannen, einem Lenker das Nichterkennen dieser anzeigepflichtigen Abweichung als schuldhaftes Verhalten zur Last zu legen. Der Berufungswerber verantwortete sich bereits im Rahmen der Anhaltung im Juni des Jahres 2010 in diesem Sinne.

Gemäß § 5 VStG genügt wohl, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter/die Täterin nicht glaubhaft macht, dass ihn/sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation führt dies aber dennoch nicht zu einer völligen Beweislastumkehr. Der Verfassungsgerichtshof geht nämlich vielmehr davon aus, dass der § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG nicht etwa bewirkt, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat (VfSlg. 11195/1986). Vielmehr hat die Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen und bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären.

Was die kumulative Bestrafung für die Felgen und Reifen betrifft ist zu sagen, dass „die Felge den Reifen u. umgekehrt bedingt. Stellen demnach die einzelnen Tathandlungen eine zeitliche, örtliche und sachliche Einheit dar und sind sie von einem Gesamtvorsatz getragen, so verneint der VwGH – in Anlehnung an die ständige Judikatur des OGH zu dieser Frage - das Vorliegen einer Realkonkurrenz (VwGH 26. 4. 1973, 601/72; 20. 11. 1974, 587/74; vgl auch ZfVB   560/1976, 988/1976). Es wäre daher an sich nur eine Strafe zu verhängen gewesen.

Inwiefern es dem Berufungswerber zuzumuten gewesen wäre diese nicht typisierte Bereifung in verkehrsüblicher Beurteilung der Verpflichtungen eines Lenkers vor Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges zu erkennen, ist nicht wirklich nachvollziehbar.

Da letztlich die angelastete Tat, einerseits jedenfalls in der umschriebenen Form begangen wurde, andererseits auch kein substanzierbares Verschulden nachweisbar ist, war das Straferkenntnis zu beheben und Strafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen gewesen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum