Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281475/29/Kl/Ai VwSen-281515/3/Kl/Ai

Linz, 19.02.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn Ing. x, x, vertreten durch Dr. x, Mag. x Rechtsanwaltsgesellschaft, x, und die Strafberufung des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 29. Oktober 2012, Ge96-4095-2012, (Spruchpunkt I. 1.) wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 14. Februar 2013 zu Recht erkannt:

 

I. Die Berufungen werden abgewiesen und Spruchpunkt I. 1 des angefochtenen Straferkenntnisses vollinhaltlich bestätigt.

 

II. Der Berufungswerber hat einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 150 Euro, zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 29. Oktober 2012, Ge96-4095-2012, wurde über den Beschuldigten im Spruchpunkt 1. eine Geldstrafe von 750 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 118 Abs.3 und 130 Abs.5 Z1 ASchG iVm mit § 7 Abs.1 und Abs.2 Z4 BauV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gem. § 9 Abs.1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufene verwaltungsrechtlich verantwortliche Organ der x Bau GmbH mit Sitz in x, diese ist Inhaberin von Gewerbeberechtigungen für "Metalltechnik- und Maschinenbau, eingeschränkt auf Stahlbauarbeiten (§ 94 Z59 GewO 1994)", "Baumeister (§ 99 GewO 1994)", "Zimmermeister (§ 149 GewO 1994)" und "Handelsgewerbe", jeweils am Standort x, nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Vorschriften des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) in Verbindung mit der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), der Arbeitsvermittelverordnung (AM-VO) und der Elektroschutzverordnung 2012 (ESV 2012) eingehalten wurden.

 

Der Arbeitsinspektor Ing. x hat bei einer Kontrolle am 29.05.2012 auf der Baustelle x, Grundstück Nr. x, EZ x, folgendes festgestellt:

 

1) Der Arbeitnehmer x hat ungesichert einen Standplatz betreten, obwohl für den Arbeitnehmer Absturzgefahr von ca. 6 Metern bestanden hat. Es waren keine Absturzsicherungen gem. §§ 7 bis 10 BauV angebracht und der Arbeitnehmer war nicht angeseilt, obwohl an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2m Absturzgefahr Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen anzubringen sind.

 

2.1. Dagegen wurde fristgerecht vom Arbeitsinspektorat Vöcklabruck Berufung gegen das Strafausmaß zu Spruchpunkt I. 1. eingebracht und ausgeführt, dass die verhängte Strafhöhe nicht dem durch das Arbeitsinspektorat beantragten Strafausmaß entspreche und keinesfalls den Unrechtsgehalt der angeführten Übertretung und die mögliche Schädigung bzw. Gefährdung des Schutzbefohlenen berücksichtige. Bei ungesicherten Arbeiten bei einer möglichen Absturzhöhe von 6m seien Arbeitnehmer einer besonderen Gefahr ausgesetzt. Der Arbeitnehmer x habe völlig ungesichert einen Standplatz (nicht bruchsichere Schalungstafel) betreten, obwohl für den Arbeitnehmer Absturzgefahr von ca. 6m bestanden habe. Es seien keine Absturzsicherungen angebracht gewesen und der Arbeitnehmer sei nicht angeseilt gewesen. Die Folgen eines Fehltrittes würden auf jeden Fall schwere Verletzungen bzw. Dauerschäden nach sich ziehen und könnten einen tödlichen Ausgang zur Folge haben. Die Verhängung der beantragten Strafe erscheine im Hinblick auf general- und spezialpräventive Überlegungen angemessen und wäre eine niedrigere Strafe nicht geeignet, den Beschuldigten selbst oder andere hinkünftig von der Begehung gleichartiger Delikte mit möglichem tödlichem Ausgang abzuhalten. Es werde daher die Verhängung der beantragten Verwaltungsstrafe von 1.500 Euro beantragt.

 

2.2. Der Beschuldigte hat ebenfalls gegen Spruchteil I. 1. Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behörde jegliche Sachverhaltsfeststellungen unterlassen habe und nicht geprüft habe. Sie habe die angebotenen Zeugen nicht einvernommen. Der Beschuldigte habe im Unternehmen der x Bau GmbH ein möglichst lückenloses Kontrollsystem installiert. Jedem Arbeiter werde kostenlos eine Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt. Im Unternehmen des Einschreiters werde jährlich eine Unterweisung zur "Sicherheit am Bau" durch Sicherheitsfachkräfte und Arbeitsmediziner abgehalten, in der auch die zweckentsprechende Verwendung der Schutzausrüstung thematisiert werde und die Arbeiter angewiesen werden, die Schutzausrüstung, insbesondere bei absturzgefährlichen Arbeiten, zu verwenden. Es komme regelmäßig zu unangemeldeten Überprüfungen auf den diversen Baustellen und sämtliche Bauleiter und Poliere seien angewiesen, die Einhaltung der Schutzvorschriften bzw. die Verwendung der Schutzausrüstungen zu überwachen und bei Nichteinhaltung Meldung an den Einschreiter zu erstatten sowie die Arbeiter sofort zum Anlegen der Schutzausrüstung zu veranlassen. Für den Fall der Verletzung von Schutzvorschriften komme es zu einer schriftlichen Verwarnung des jeweiligen Mitarbeiters. Bei weiteren Verstößen durch ein und denselben Arbeiter sei eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Entlassung) vorgesehen. Es sei aber zu berücksichtigen, dass eine lückenlose Überwachung, wie sie die belangte Behörde von ihm fordere, nicht möglich sei und nicht zumutbar sei. Es sei zu berücksichtigen, dass es sich bei x um einen unterwiesenen, erfahrenen und körperlich geeigneten Arbeiter handle, dem auch die entsprechende Schutzausrüstung kostenlos zur Verfügung gestellt worden sei. Eine lückenlose Kontrolle sei im Rahmen einer üblichen Baustellentätigkeit nicht möglich, auch wenn der Einschreiter ein äußerst engmaschiges Kontrollsystem installiert habe. Es sei dem Einschreiter zuzubilligen, dass jeder Arbeiter, sofern er geistig und körperlich gesund sei, ein gewisses Maß an Eigenverantwortung übernimmt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2013, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und mit Ausnahme der Bezirkshauptmannschaft erschienen sind. Der geladene Zeuge Ing. x hat sich entschuldigt; die Ladung an den Zeugen x konnte nicht zugestellt werden. Weiters wurde der Zeuge x geladen und einvernommen. Anstelle des Zeugen x wurde vom Berufungswerber x stellig gemacht und als Zeuge einvernommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x Bau GmbH mit Sitz in x. Am 29.5.2012 wurde durch den Arbeitsinspektor Ing. x eine Kotrolle auf der Baustelle in x, Grundstück Nr. x EZ x vorgenommen. Dabei wurde unter anderem festgestellt, dass der Arbeitnehmer x ungesichert einen Standplatz betreten hat, obwohl Absturzgefahr von ca. 6m bestand. Es waren keine Absturzsicherungen für diesen Standplatz vorhanden und war der Arbeitnehmer auch nicht angeseilt. Konkret waren 2 Gerüste vorhanden, 1 Fassadengerüst und an jener Seite des Objektes, welche einen überbreiten Dachvorsprung von etwa 2,80 m aufwies, ein weiteres Gerüst für Traufenarbeiten. Um die ihm angeschafften Anstreicharbeiten am Dachvorsprung vornehmen zu können, hat der Arbeitnehmer x eine Schaltafel zur Überbrückung zwischen die 2 Gerüste gelegt und dann diese Überbrückung bestiegen und damit den gesicherten Bereich verlassen. Er hat dann von diesem ungesicherten überbrückten Bereich aus die Anstreicharbeiten am Dachvorsprung vorgenommen. Dabei waren weder Mittel- noch Brust- oder Fußwehren vorhanden und der Arbeitnehmer war auch nicht angeseilt. Die Absturzhöhe betrug ca. 6m.

Auf der Baustelle umfasste der Auftrag Fassaden-, Maurer- und Zimmereiarbeiten. Die Dachdecker – und Spenglerarbeiten wurden in Sub vergeben; die Innengestaltung übernahm der Bauherr selbst. Für die Arbeiten auf der Baustelle gab es 2 Bauleiter der Firma x Bau GmbH, nämlich für die Baumeisterarbeiten Herr x und für die Zimmereiarbeiten Herr x. Der Arbeitnehmer x gehörte zur Zimmereipartie und daher zu Herrn x. Die Gerüste wurden schon vorher aufgestellt, weil sie für Dacharbeiten, für Spenglerarbeiten an der Traufe und später auch für die Fassadenarbeiten gebraucht wurden. Die Gerüste wurden von einer Gerüstfirma aufgestellt und es gibt auch einen Abnahmebefund. Es war vorgesehen, dass von diesen beiden Gerüsten aus die Nacharbeiten an dem gesamten Dachvorsprung vorgenommen werden. Für den Arbeitnehmer x war eine persönliche Schutzausrüstung auf der Baustelle vorhanden auch gab es vom Polier x die Anweisung, bei Arbeiten beim zweiten Gerüst sich anzuhängen, weil es erforderlich gewesen ist, sich über das Gerüst hinauszulehnen. Der Arbeitnehmer hat zunächst seine Malerarbeiten in dem Bereich angefangen, wo das normale Gerüst stand. Als er dann zum weiteren Gerüst wechselte, wurde er nicht vom Polier beobachtet. Gerade zu Beginn dieser Arbeiten war dann die Kontrolle durch den Arbeitsinspektor.

Grundsätzlich wird eine Unterweisung der Arbeitnehmer zu Beginn der Baustelle gemeinsam vom Bauleiter und dem Polier vorgenommen. Da der Arbeitnehmer x erst später zur Baustelle kam, hat der Polier x die Unterweisung für die Baustelle vorgenommen. Sicherheitsgurt und Sicherheitsseil war für den Arbeitnehmer im Baucontainer auf der Baustelle vorhanden. Der zuständige Bauleiter x war zwar öfter, aber nicht täglich auf der Baustelle. Am 29.5.2012 war er nicht auf der Baustelle. Es wurde zwar in der Firma an diesem Tag in der Früh besprochen was zu machen ist. Dabei wurden auch die Anstreicharbeiten am Dachvorsprung genannt. Die Arbeiten konkret teilt dann der Vorarbeiter bzw. Polier auf der Baustelle ein. Besondere Anordnungen hinsichtlich dieser Arbeiten wurden jedoch nicht gemacht. Die konkrete Situation, nämlich ob die Anstreicharbeiten von den beiden Gerüsten aus durchgeführt werden können, waren dem Bauleiter nicht bekannt. Auch war ihm nicht bekannt, ob es für die Arbeiten an diesem Dachvorsprung konkrete Anordnungen sich anzuseilen gegeben hat. Auch kann er nicht sagen, ob ein zusätzliches Anseilen zum vorhandenen Gerüst erforderlich gewesen wäre. Der Bauleiter selbst wird auf Baustellen durch den Berufungswerber nicht kontrolliert. Die Kontrolle und Besprechungen über die Baustellen und Angelegenheiten der Baustellen finden in der Firma statt. Der zuständige Bauleiter x ist täglich oder auch zweimal am Tag auf die Baustelle gekommen und hat kontrolliert. Zum Zeitpunkt der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat war er nicht auf der Baustelle. Der Polier hat sich zwar immer vor Ort auf der Baustelle befunden, zum Zeitpunkt der Kontrolle war er aber nicht in jenem Bereich, in dem der Arbeitnehmer die Anstreicharbeiten vorgenommen hat. Unter der Woche kommt der Beschuldigte selbst nicht auf die Baustelle; er kontrolliert lediglich am späten Nachmittag oder zum Wochenende, zu diesen Zeitpunkten befindet sich aber kein Personal mehr auf der Baustelle. Vor Ort befindet sich immer der Polier. Der Maurerpolier ist für die Gesamtbaustelle zuständig.

Das Unternehmen hat je nach Anfall gleichzeitig zwischen 6 und 15 Baustellen. Für die Baumeisterarbeiten gibt es 5 Bauleiter und für die Zimmerei 3 Bauleiter. Vor Ort anwesend ist immer der Polier, der Bauleiter ist fallweise anwesend. Weiters kontrolliert auch die Sicherheitsfachkraft auf den Baustellen. Weitere Kontrollen führt der Baukoordinator durch. Unterweisungen werden jährlich in der Firma gemacht. Jeder neu eingestellte Arbeitnehmer wird weiters in der Firma unterwiesen. Weiters führt für die konkrete Baustelle der Polier die Unterweisung durch. Auch wird in der Firma immer wieder besprochen, dass bei Verweigerungen eines Arbeitnehmers, die Schutzvorschriften einzuhalten, es dann zu einer Entlassung kommen kann.

Der Berufungswerber ist sorgepflichtig für 2 Kinder. Zur Einkommenssituation führt er aus, dass er Rentenverpflichtungen aus dem Firmenkauf zu begleichen habe. Es können daher die Ausschüttungen nicht völlig in Anspruch genommen werden. Der Beschuldigte ist unbescholten und hat vor drei bzw. vier Jahren die Firma übernommen.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ist durch die Einvernahme der Zeugen erwiesen. Die Zeugen verwickelten sich nicht in Widersprüche und sagten einhellig aus. Es besteht für den Oö. Verwaltungssenat kein Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeugen. Im Übrigen decken sich die Angaben auch mit dem Vorbringen des Berufungswerbers. Es kann daher der festgestellte Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG (zum Tatzeitpunk geltende Fassung) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem neunten Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

 

Gemäß § 7 Abs.2 Z4 BauV liegt Absturzgefahr an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe vor.

 

5.2. Im Grunde des festgestellten Sachverhaltes ist daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erwiesen. Der Arbeitnehmer hat bei einer Absturzhöhe von ca. 6m auf einer Überbrückung zwischen 2 Gerüsten ohne jegliche Absturzsicherung gearbeitet und er war auch nicht angeseilt. Der Beschuldigte als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x Bau GmbH hat gemäß § 9 Abs.1 VStG die Übertretung verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

 

5.3. Wenn hingegen der Beschuldigte das Verschulden bestreitet und ein ausreichendes Kontrollsystem vorbringt, so ist ihm die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Diesen Anforderungen an ein lückenloses Kontrollsystem kommt der Beschuldigte nicht nach. Insbesondere hat das Beweisverfahren eindeutig ergeben, dass der Beschuldigte selbst nicht auf der Baustelle anwesend war, auch der Bauleiter nur gelegentlich auf die Baustelle kommt und jedenfalls die Tätigkeit des angetroffenen Arbeitnehmers nicht kontrolliert hat. Auch der vor Ort anwesende Maurerpolier hat das Verhalten des Abreitnehmers nicht beobachtet und kontrolliert. Jedenfalls hat auch das Beweisverfahren ergeben, dass der Bauleiter an der Baustelle selbst vom Beschuldigten nicht kontrolliert wird. Es war daher schon aus diesem Grunde ein lückenloses Kontrollsystem nicht gegeben. Ein solches lückenloses Kontrollsystem wird aber vom Verwaltungsgerichtshof gefordert. Der Verwaltungsgerichtshof führt nämlich konkret aus, dass gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb auf Grund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen hat. "Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des Verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war". Gerade aber der Arbeitnehmer x hat ein eigenmächtiges Verhalten durch Anlegen der Überbrückung zwischen den beiden Gerüsten vorgenommen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht gelassen und wurde dabei nicht kontrolliert. Es wurde daher wie vom Verwaltungsgerichtshof bemängelt eine lückenlose Kontrolle nicht ausgeführt. Dies hat der Beschuldigte letztlich zu verantworten. Es ist daher zumindest von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat bei der Strafbemessung strafmildernd die Unbescholtenheit gewertet. Sie hat die persönlichen Verhältnisse geschätzt mit einem Nettoeinkommen von 3.500 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten. Anlässlich der mündlichen Verhandlung gibt der Beschuldigte Rentenverpflichtungen sowie auch Unterhaltspflichten gegenüber 2 Kindern an. Dies war daher zu berücksichtigen. Auch war zu berücksichtigen, dass ansonsten an der Baustelle ordnungsgemäß Gerüste aufgestellt und abgenommen waren und auch persönliche Schutzausrüstungen für die Arbeitnehmer grundsätzlich auf der Baustelle vorhanden waren. Im Grunde der Unbescholtenheit sowie der Sorgepflichten, welche zu berücksichtigen waren, kann daher mit der von der belangten Behörde festgelegten Geldstrafe das Auslangen gefunden werden. Insbesondere war zu berücksichtigen, dass es sich um eine erstmalige Tatbegehung handelt. Auch im Hinblick auf die beträchtliche Absturzhöhe von 6m ist die verhängte Geldstrafe, die etwa 1/10 des Strafrahmens ausmacht, geeignet, den Berufungswerber von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Eine höhere Strafe war hingegen auf Grund der persönlichen Verhältnisse und auch im Grunde der sonstigen Maßnahmen auf der Baustelle nicht gerechtfertigt. Es war daher die verhängte Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zu bestätigen. Dagegen war die Strafberufung des Arbeitsinspektorates abzuweisen. Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Strafantrag durch das Arbeitsinspektorat persönliche Verhältnisse sowie Vorstrafen nicht berücksichtigt. Erst im Zuge eines ordentlichen Strafverfahrens werden derartige Strafbemessungsgründe erhoben und müssen dann bei der Strafbemessung berücksichtigt werden. Es ist daher der belangten Behörde beizupflichten, dass die von ihr verhängte Strafe tat- und schuldangemessen ist. Auch ist die Strafe geeignet, auch andere Arbeitgeber von einer Tatbegehung abzuschrecken.

 

Da ein erhebliches Überwiegen von Milderungsgründen nicht festzustellen war, war die Voraussetzung für eine außerordentliche Milderung gemäß § 20 VStG nicht gegeben.

Auch war nicht von Geringfügigkeit des Verschuldens auszugehen, sodass nicht mit einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG vorzugehen war. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes liegt Geringfügigkeit des Verschuldens nämlich nur dann vor, wenn das Verhalten des Beschuldigten weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurück bleibt. Dies konnte jedoch im konkreten Fall nicht festgestellt werden. Es wurde hingegen der Schutzzweck der Norm verletzt.

 

6. Weil die Berufung des Beschuldigten keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20% der verhängten Geldstrafe, das sind 150 Euro, gemäß § 64 VStG festzulegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 23.04.2013, Zl.: 2013/02/0071-3

 

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