Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281478/26/Kl/HK

Linz, 19.02.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn Ing. x, x, vertreten durch x Rechtsanwälte, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 12. Oktober 2012, Ge96-8-2012, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 8. Februar 2013 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich der Schuld keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe zum Faktum 1 auf 700 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 35 Stunden herabgesetzt wird. Zum Faktum 2 wird die Strafhöhe bestätigt.

 

II. Der Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich zum Faktum 1 auf 70 Euro, sodass insgesamt 170 Euro Verfahrenskostenbeitrag zu leisten sind. Zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat entfällt ein Kostenbeitrag hinsichtlich Faktum 1; hinsichtlich Faktum 2 ist ein Verfahrenskostenbeitrag von 200 Euro, das sind 20% der verhängten Geldstrafe zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: §§ 64 und 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 12. Oktober 2012, Ge96-8-2012, wurde über den Berufungswerber in 2 Fällen jeweils eine Geldstrafe von 1.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden, wegen je einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 87 Abs.2 und 161 BauV iVm mit §§ 118 Abs.3 und 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG verhängt, weil er der gemäß § 9 Abs.2 VStG bestellte verantwortliche Beauftragte für die Baustelle in x, der Arbeitgeberin Bauunternehmung x GmbH & Co KG. mit dem Sitz in x, ist der auch der Dienstort ist, und es als solcher zu verantworten hat, dass die Arbeitnehmer

                                                                                                                      

1.      x und

2.      x

 

am 20.1.2012 auf der Baustelle in x, auf dem Flachdach (Hauptgebäude, straßenseitig) mit einer Absturzhöhe von ca. 12 m bzw. einer Dachneigung von ca. 0 Grad zu Isolierungsarbeiten herangezogen worden sind, ohne dass Absturzsicherungen (Geländer an den Absturzkanten bzw. Abgrenzungen) oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7-10 BauV vorhanden waren. Die Dienstnehmer waren auch nicht mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt.

 

 

2. Dagegen wurde nach Verbesserung fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass zwischen der Attika und der Absturzkante laut Plan mindestens 2,5 Meter gelegen seien und die Arbeiten innerhalb der Attika durchgeführt worden seien.

 

Warum einer der beiden Arbeiter auf dem Lichtbild der Behörde außerhalb der Attika zu sehen sei, könne er nicht erklären. Die Attika messe eine Stärke von 30 cm plus 10 cm Wärmeisolierung, weise daher eine Breite in Summe von ca. 40 cm auf. Sie stelle daher einen hinreichenden Schutz für die Arbeitnehmer dar. Unter Bedachtnahme der dahinterliegenden freien Fläche von 2,5 Metern sei eine konkrete Absturzgefahr für die Arbeitnehmer nicht gegeben. Arbeiten außerhalb der Attika seien für den Berufungswerber in keinster Weise vorhersehbar gewesen. Die beschriebenen Arbeiten hätten gänzlich innerhalb der Attika durchgeführt werden können. Eine ständige Überprüfung der Arbeiter sei nicht zumutbar und bei den bestehenden Schutzeinrichtungen auch nicht erforderlich. Weiters hätte die Behörde nach § 21 VStG vorzugehen gehabt, da das Verschulden, sollte es überhaupt vorliegen, geringfügig sei und zum anderen die Folgen der Übertretung der Verwaltungsvorschrift unbedeutend seien.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. Februar 2013, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und mit Ausnahme der belangten Behörde erschienen sind. Weiters wurden die Zeugen x, Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten in Wien, und Herr x geladen und einvernommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht als erwiesen fest:

 

Der Berufungswerber ist zum verantwortlichen Beauftragten für die Baustelle in x, Neubau x, bestellt. Dienstort ist der Sitz der x GmbH & Co KG, nämlich x. Die Firma x GmbH & Co KG in x war Generalunternehmer für die Baustelle und führte Baumeisterarbeiten durch. Die Dacheindeckarbeiten wurden in Sub an die Firma x vergeben. Die Firma x GmbH & Co KG hat den Kamin zunächst von innen und dann über Dach hochgezogen. Der Innenausbau war so gut wie fertig gestellt. Es musste daher der Kamin provisorisch abgedichtet werden, weshalb die Arbeitnehmer der Firma x diese Abdicht- bzw. Isolierarbeiten vorgenommen haben. Über die Abdichtarbeiten wurde bei der Baustellenbesprechung am Mittwoch, 18.01.2012, mit dem Berufungswerber gesprochen. Es wurde aber nicht besprochen, wann bzw. dass am Freitag die provisorischen Isolierarbeiten durchgeführt werden. Es hat der zuständige Polier, Herr x die beiden Arbeitnehmer, x und x, die Leasingarbeiter der Firma waren, am Freitag für diese Arbeiten eingeteilt. Bei der Bausprechung wurde auch nicht erörtert, dass die Firma x diese Isolierarbeiten ausführt. Der Berufungswerber ist meistens montags zur Baustelle gekommen und mittwochs zur Baubesprechung. Weiters wurde die Baustellenkoordination fremdvergeben und machte der Baustellenkoordinator wöchentlich Rundgänge. Zum Tatzeitpunkt am 20.01.2012 war der Berufungswerber nicht in x und nicht auf der Baustelle. Auch gibt er an, dass es ihm nicht möglich ist, jederzeit auf der Baustelle anwesend zu sein. Im Jänner 2012 hat er mehrere Baustellen betreut. Der Berufungswerber hat erst im Nachhinein erfahren, dass die beiden Leasingarbeitnehmer die provisorischen Isolierarbeiten am Freitag, den 20.01.2012 durchgeführt haben.

Die Attika hat eine Stärke von etwa 40 – 45 cm und war etwa 60 cm hoch. Der hochgezogene Kamin befand sich im Eckbereich der Attika, wobei der Kamin nicht direkt an die Attika angebaut ist, sondern ein geringfügiger Zwischenraum zwischen Attika und Kamin ist. Dieser Zwischenraum beträgt ca. 10 cm. Die Attika war ca. 2,5 Meter von der Absturzkante entfernt. Die Absturzhöhe an der Absturzkante betrug ca. 12 Meter. Das Gebäude hat 3 Geschosse. Es handelt sich um einen Ausstellungsraum.

Die Abdichtarbeiten wurden vom Polier, Herrn x, den Arbeitnehmern angeschafft. Der Arbeitnehmer x hat Abdichtarbeiten innerhalb der Attika vorgenommen, der weitere Arbeitnehmer x hat die Abdichtarbeiten ums Eck, die man nicht von innerhalb der Attika durchführen konnte, außerhalb der Attika durchgeführt. Dabei wurde angeordnet, dass möglichst innerhalb der Attika zu arbeiten ist. Eine Anordnung oder Besprechung dahingehend, was zu tun ist, wenn außerhalb der Attika gearbeitet wird, gab es nicht. Es hat jedenfalls keine Anordnung gegeben, sich anzuseilen. Auf der Baustelle war für jeden Arbeitnehmer eine persönliche Schutzausrüstung im Werkzeugcontainer vorhanden. Eine persönliche Schutzausrüstung war am Dach nicht vorhanden. Die Arbeitnehmer waren nicht angegurtet; auch waren keine technischen Sicherheitseinrichtungen vorhanden. Die Arbeiten wurden von den Arbeitnehmern nicht als gefährlich eingeschätzt, sodass sie sich nicht angurteten. Außer den Isolierarbeiten wurden keine Dacharbeiten von den Arbeitnehmern durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Kontrolle war der Polier nicht auf der Baustelle.

Der Berufungswerber kommt meist zweimal in der Woche auf die Baustelle, manchmal je nach Erfordernis auch dreimal in der Woche. Dabei kontrolliert er auch die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften. Bei Nichteinhaltung gibt es auch Ermahnungen. Unterweisungen hinsichtlich der Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung erfolgen vor Beginn der Baustelle. Vor Beginn der Baustelle erfolgen auch Anordnungen hinsichtlich der Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung. Sekuranten waren innen am Dach vorhanden.

4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf die im Akt befindlichen Fotos sowie auf die Aussagen der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen. Diese verwickelten sich nicht in Widersprüche und erschienen glaubhaft. Der Oö. Verwaltungssenat hat keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu zweifeln. Im Übrigen decken sich die Aussagen im Wesentlichen auch mit den Angaben des Berufungswerbers. Es konnte daher der festgestellte Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung) begeht eine Verwaltungsübertretung , die mit Geldstrafe von 145 bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/In den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

Nach § 118 Abs.3 ASchG gilt die BauV nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 87 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 Meter Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

 

5.2. Im Grunde des festgestellten Sachverhaltes ist daher erwiesen, dass der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt ist. Die Absturzhöhe betrug 12 Meter und wurden Arbeiten auf dem Dach, nämlich Abisolierung des Kamins, ohne persönliche Schutzausrüstung und ohne technische Schutzeinrichtungen durchgeführt, wobei ein Arbeitnehmer außerhalb der Attika und ein Arbeitnehmer innerhalb der Attika Arbeiten durchgeführt hat. Dies hat der Berufungswerber als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs.2 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

Wenn hingegen der Berufungswerber einwendet, dass nur eine Verwaltungsübertretung vorliegt und nur eine Strafe zu verhängen wäre, so ist er auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach bei namentlich genannten Arbeitnehmern eine Übertretung nach § 87 Abs.2 Bauarbeitenschutzverordnung je Arbeitnehmer anzunehmen ist, weil der Schutzzweck der Norm hinsichtlich eines jeden Arbeitnehmers verletzt wurde. Es ist daher auch je Arbeitnehmer eine Strafe zu verhängen (vgl. VwGH vom 16.12.2005, Zl. 2005/02/0238).

Hingegen ist dem Berufungswerber auch hinsichtlich seines Vorbringens, dass die Attika einer Umwehrung im Sinn des BauV entspricht und daher keine Verwaltungsübertretung vorliegt, entschieden entgegenzutreten. Die vorhandene Attika in der Stärke von 40 cm und in der Höhe von 60 cm entspricht den im § 9 BauV festgelegten Anforderungen nicht. Insbesondere wird nicht die geforderte Höhe einer Brustwehr von 1,00 m oder eines Parapetes von zumindest 85 cm erreicht (§ 8 Abs. 2a und 5 BauV).

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgeführt, dass Schutzeinrichtungen an allen Gefahrenstellen von Dächern anzubringen sind, bei denen jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass Arbeitnehmer sie im Zuge der Durchführung ihres Auftrages betreten könnten (VwGH vom 31.07.2007, Zl. 2006/02/0237 mit weiteren Nachweisen, sowie vom 5.9.2008, Zl. 2008/02/0129-3).

 

5.3. Der Berufungswerber macht mangelndes Verschulden geltend, weil die Arbeitnehmer unterwiesen waren, der Polier auf der Baustelle verantwortlich war, der Berufungswerber mehrmals wöchentlich die Baustelle kontrolliert und die Baustelle auch durch einen Baustellenkoordinator gesichert und kontrolliert wird. Auch seien die Arbeiten außerhalb der Attika nicht vorhersehbar gewesen und habe der Berufungswerber von den Arbeiten konkret am 20.01.2012 nichts gewusst. Diese Verantwortung kann nicht zu einer Entlastung des Berufungswerbers führen.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinn der aufgezeigten Judikatur reicht daher das Vorbringen des Berufungswerbers nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Insbesondere hat das Beweisverfahren gezeigt, dass besondere Anordnungen hinsichtlich der Sicherheit für die Durchführung der Isolierarbeiten am Kamin nicht getroffen wurden, insbesondere wurde nicht hinsichtlich Anseilen oder Sicherheitseinrichtungen gesprochen. Die Arbeitnehmer bekamen für die konkreten Arbeiten keine besonderen Anordnungen hinsichtlich der Sicherheit. Auch gab der Berufungswerber selbst an, dass er bei der Baustellenbesprechung am vorangegangenen Mittwoch zwar von den erforderlichen Arbeiten der Isolierung informiert wurde, dass aber konkret über die Ausführung der Arbeiten und hinsichtlich der Absicherung der Arbeitnehmer nicht gesprochen wurde. Auch hat das Beweisverfahren gezeigt, dass die Arbeitnehmer selbständig auf dem Dach tätig waren, der Polier keine Anordnungen getroffen hat und auch zum Kontrollzeitpunkt tatsächlich nicht auf der Baustelle war. Auch der Berufungswerber selbst war zum Tatzeitpunkt nicht auf der Baustelle. Es wurde daher ein lückenloses Kontrollsystem nicht geschaffen und konnte ein solches nicht nachgewiesen werden. Die stichprobenartigen Kontrollen reichen hingegen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus. Auch reicht es nicht aus, dass die persönliche Schutzausrüstung zwar grundsätzlich auf der Baustelle vorhanden war, die Arbeitnehmer aber nicht angewiesen wurden, diese für die konkreten Arbeiten zu verwenden. Auch wurde die Verwendung weder durch den Polier noch durch den Berufungswerber selbst kontrolliert. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht es eben nicht aus, dass Bauleiter und Vorarbeiter bzw. Poliere auf der Baustelle vorhanden sind, vielmehr ist es erforderlich, dass die Einhaltung der Anordnungen und Weisungen auch konkret kontrolliert wird. Eine solche Kontrolle wurde allerdings nicht unter Beweis gestellt. Darüber hinaus kann aber auch die Verantwortung des Berufungswerbers, dass für ihn nicht vorhersehbar war, dass die Arbeiten außerhalb der Attika vorzunehmen sind, und auch für den Polier dies nicht vorhersehbar war, nicht als Entschuldigung gelten. Vielmehr hätte der Berufungswerber bzw. der Polier die Arbeiten konkret evaluieren müssen und auch die Gefahrensituation dieser Arbeiten evaluieren müssen. Dabei wäre auch aufgefallen, dass die Abdichtarbeiten im Eckbereich nur außerhalb der Attika vorgenommen werden können. Dabei hätte auch eine entsprechende Schutzmaßnahme angeordnet werden müssen. Diese Vorsorgemaßnahme wurde vom Berufungswerber bzw. dem von ihm beauftragten Polier unterlassen. Dies stellt eine Sorgfaltswidrigkeit dar und liegt daher fahrlässiges Verhalten des Berufungswerbers vor. Es war daher von schuldhaftem Verhalten des Berufungswerbers auszugehen.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde ist bei der Strafbemessung von Unbescholtenheit ausgegangen und hat die längere Verfahrensdauer als strafmildernd gewertet. Weitere erschwerende oder mildernde Umstände hat sie nicht angeführt. Die persönlichen Verhältnisse wurden mit einem Nettoeinkommen von monatlich 2.500 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten zugrunde gelegt.

Diesen Umständen wurde vom Berufungswerber auch in der Berufung nichts entgegengesetzt und konnten daher auch im Berufungsverfahren zugrunde gelegt werden. Wie das Arbeitsinspektorat jedoch ausführte, lag bei Arbeiten außerhalb der Attika im Absturzbereich eine erhöhte Absturzgefahr vor. Es war daher in erhöhtem Maß der Schutzzweck der Norm verletzt. Aufgrund des höheren Unrechtsgehaltes der Tat war daher für jenen Arbeitnehmer, welcher außerhalb der Attika gearbeitet hat, eine erhöhte Gefährdung von Gesundheit und Leben anzunehmen und dies bei der Strafbemessung besonders zu berücksichtigen. Es war daher die Strafe hinsichtlich des Arbeitnehmers x zu bestätigen. Weil hingegen der andere Arbeitnehmer x nur innerhalb der Attika gearbeitet hat und eine Gefährdung nicht in jenem Ausmaß wie bei dem anderen Arbeitnehmer vorhanden war, konnte der Oö. Verwaltungssenat mit einer Strafherabsetzung vorgehen. Die Verhängung einer Geldstrafe von 700 Euro war daher im Ausmaß der geringeren Gefährdung gerechtfertigt und auch erforderlich, den Berufungswerber von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Eine weitere Herabsetzung der Strafe war im Hinblick auf die aufgezeigten Umstände und auch unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse nicht möglich.

Gemäß der Herabsetzung der Geldstrafe war auch mit einer Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 VStG vorzugehen.

Ein Überwiegen der Milderungsgründe war nicht festzustellen, sodass mit einer außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG nicht vorzugehen war.

Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, weshalb eine kumulativ erforderliche Voraussetzung gemäß § 21 Abs.1 VStG nicht gegeben war. Geringfügigkeit des Verschuldens liegt nämlich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vor, wenn das Verhalten des Beschuldigten weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Dieser Umstand konnte aber im Sinne der obigen Ausführungen nicht festgestellt werden.

 

6. Weil die Berufung zumindest teilweise hinsichtlich Faktum 1 Erfolg hatte, entfällt ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 65 VStG. Im Grunde der Herabsetzung der Geldstrafe musste auch der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz gemäß § 64 VStG auf 10% der nunmehr verhängten Geldstrafe, das sind 70 Euro, herabgesetzt werden. Hinsichtlich Faktum 2 hatte die Berufung keinen Erfolg und war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20% der verhängten Geldstrafe, das sind 200 Euro gemäß § 64 VStG festzusetzen.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Ilse Klempt

 

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