Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401264/4/MK/Ai

Linz, 18.02.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Markus Kitzberger über die Beschwerde des K W, geboren am X, pakistanischer Staatsangehöriger, vertreten durch die D gem. GmbH, S, als Mitglied der A R – D und V, K, W, wegen Verhängung und Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

      I.                 Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, dass maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

 

  II.                 Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 22/2013)

§§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 1 Z3 und 4 UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl. II Nr. 456/2008).

Entscheidungsgründe:

 

1.                     Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (in der Folge: belangte Behörde) ordnete mit Bescheid vom 12.02.2013, GZ: Sich40-1318-2013, über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß §§ 76 Abs.2 Z2 iVm 80 Abs.5 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm § 57 Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 Asylgesetz) und der Abschiebung (§ 46 FPG) an. Der Bf wurde am selben Tag um 13.30 Uhr festgenommen und um 20.21 Uhr in das PAZ Salzburg überstellt. Zurzeit befindet sich der Bf im PAZ x x.

 

1.1.               Begründend wurde dazu ausgeführt, der Bf habe am 02.02.2013 bei der PI Villach-Trattengasse unter den Personalien W K, geboren am X in J, pakistanischer Staatsangehöriger, einen Antrag auf internationalen Schutz (Asyl) in Österreich gestellt.

 

Der Bf habe über kein nationales Reisedokument verfügt, sondern zum Nachweis seiner Identität einen pakistanischen Personalausweis vorgelegt. Die vollständige erkennungsdienstliche Behandlung bzw. der darauffolgende internationale Abgleich der Fingerabdrücke sei zu diesem Zeitpunkt infolge mutmaßlichen Abschleifens der Papillarlinien der Fingerkuppen nicht möglich gewesen.

 

1.2.               Im Zuge der unter Beiziehung eines Dolmetschers für die dem Bf verständliche Sprache Urdu durchgeführten niederschriftlichen und unter ausdrücklichem Hinweis auf die Bedeutung wahrheitsgemäßer und vollständiger Angaben bei der Sachverhaltsermittlung in einem Asylverfahren durchgeführten Erstbefragung durch die PI Thörl-Maglern AGM zu seinem Asylantrag seien die illegale Einreise und der illegale Aufenthalt des Bf bekannt geworden. Seinen Angaben zufolge habe der Bf unter entgeltlicher Zuhilfenahme organisierter Schlepper Pakistan im Jänner 2012 ohne nationales Reisedokument illegal verlassen. Nach ca. 20 Tagen sei er, per Auto bzw. zu Fuß über den Iran aus der Türkei (Istanbul) kommend, mit einem kleinen Boot auf dem Seeweg nach Griechenland (genaue Örtlichkeit unbekannt) eingereist. Von dort sei er, in einem Container versteckt, nach Italien weitergereist, und von Italien mit dem Zug über Frankreich, Belgien, Deutschland (München) Belgien, Frankreich und Italien nach Österreich (V) gelangt. Als Grund für die Flucht aus habe er angegeben, dass ihm in seinem Herkunftsstaat – so wie seinem bereits ermordeten Bruder – der Tod drohe, da er sich der Rekrutierung durch die Taliban entzogen hätte.

 

Die Kontaktaufnahme zu einem Schlepper sei im Wege eines Freundes seines Vaters, der die Reise auch bezahlt habe, erfolgt. Dieser Schlepper aus Pakistan und weitere Schlepper hätten die Reise organisiert. Als Kontaktperson habe ein Schlepper namens "B" (Vorname) fungiert, der ihn in Pakistan in Empfang genommen und an andere Schlepper weitergereicht hätte. Den letzten Kontakt zu einem der Schlepper habe er vor ca. drei Tagen in Italien gehabt. Die Reise nach Österreich habe er ohne fremde Unterstützung angetreten.

 

1.3.      In einem anderen Land sei bisher kein Asylantrag gestellt worden. Es sei bislang in keinem anderen Land von den Behörden angehalten bzw. untergebracht worden, habe keine Familienangehörigen im EU-Raum (auch wenn er davon ausgehe, dass auch andere Familienmitglieder zwischenzeitlich aus Pakistan geflüchtet sein dürften) und auch in keinem anderen Land ein Visum erhalten. Der Bf wolle in keinen durchreisten Mitgliedsstaat zur Durchführung eines Asylverfahrens zurückkehren, sondern in Österreich bleiben, da er schon seit einem Jahr unterwegs sei.

 

Zum Nachweis des angegebenen Reiseweges seien eine Rechnung aus Liege (Belgien) vom 08.01.2013 und zwei Schachteln Medikamente aus Belgien vom 31.10.2012 bzw. 21.01.2013 sichergestellt worden. Der Bf sei, abgesehen von einem Bargeldbetrag von 167,74 Euro, völlig mittellos.

 

1.4.      Der Bf gab an, er habe seine Fingerkuppen nicht extra behandelt, um die Abnahme von Fingerabdrücken unmöglich zu machen. Seine Finger wären eben so. Es habe deshalb niemals ein brauchbares Ergebnis gegeben. Er verstehe nicht, warum das nicht funktionieren würde.

 

1.5.      Noch am 02.02.2013, um 18.50 h, sei der Bf in die x, x, überstellt worden. Dort sei ein am 02.02.2013 durchgeführter neuerlicher Versuch der erkennungsdienstlichen Behandlung wiederum erfolglos geblieben.

 

Erst am 11.02.2013 habe ein weiterer Versuch Erfolg gehabt. Somit hätte im Wege des internationalen Datenabgleichs auch erst zu diesem Zeitpunkt in Erfahrung gebracht werden können, dass sehr wohl bereits in der Vergangenheit erkennungsdienstliche Behandlungen in anderen Mitgliedsstaaten der EU erfolgt seien, welche betreffend die Person des Beschwerdeführers einen Asylantrag vom 16.01.2012 in Brüssel (Belgien) und einen weiteren Asylantrag vom 01.02.2013 (also nur einen Tag vor dem Asylantrag und der Erstbefragung in Österreich) in Gorizia (Italien) dokumentieren würden.

 

1.6.               Am 12.02.2013 habe das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle x, dem Bf mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag gemäß § 5 Asylgesetz zurückzuweisen. Gleichgehend sei ihm zur Kenntnis gebracht worden, dass seit dem 12.02.2013 ihn betreffende Konsultationen gemäß dem Dubliner Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags mit Belgien und Italien geführt würden und gleichzeitig das Ausweisungsverfahren eröffnet worden sei.

Unmittelbar nach Ausfolgung der obzitierten Verfahrensanordnung, mit welcher das Ausweisungsverfahren als eingeleitet gegolten habe, sei der Bf von Beamten der PI x zum Zweck der Verhängung der Schubhaft festgenommen worden.

 

1.7.      Der Bf habe durch das Manipulieren seiner Papillarlinien wichtige und für die Wahrheitsfindung notwendige Beweismittel unterdrückt und sämtliche Unterlagen zu den bereits gestellten Asylanträgen in Belgien und Italien entweder bewusst zurückgelassen oder aber vernichtet, jedenfalls aber der Behörde vorenthalten.

 

In Zusammenschau dieser Sachverhaltselemente und der nachweislichen  Falschaussagen im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Verlassens seines Heimatstaates (angeblich im Jänner 2012 und daran anschließender 20-tägiger Reise bei bereits erfolgter Antragstellung in Brüssel am 16.01.2012) bzw. mit der Leugnung bereits zweimaliger Antragstellung an sich und den damit nachweislich verbundenen sicherheitsbehördlichen Anhaltungen (trotz vorangegangener Rechtsbelehrung), ergebe sich in ein eindeutiges Bild des Versuches, durch die eigeninitiative Antragstellung den Aufenthalt in Österreich zumindest temporär zu legalisieren, und dadurch das in der Dublin-Verordnung vorgesehene Regelungsregime zu unterlaufen. Es liege ein Fall von "Asyltourismus" vor.

 

1.8.      Infolge der nunmehrigen Kenntnis der Tatsache, dass die bisher gestellten Asylanträge der Behörde bekannt geworden sind und das Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, bestehe akuter Sicherungsbedarf. Der Bf habe, mit einer allfälligen Bedrohung oder Gefährdung im Herkunftsstaat nicht zu rechtfertigende, mehrmalige illegale Grenzübertritte innerhalb der EU bewusst in Kauf genommen.

 

Diese Reisebewegungen würden den Schluss auf eine nachhaltige und kategorische Ablehnung jener Mitgliedsstaaten zulassen, die an sich für die Prüfung ihrer Asylanträge zuständig wären. Ein Rückkehrwille könne ausgeschlossen werden. Die gewählte Vorgangsweise zur Erreichung des vorrangigen Zieles des Bf, sich – wenngleich auch unrechtmäßig, unstet und mittellos – im Gebiet der EU aufzuhalten, sogar besonders hohe Sicherungsnotwendigkeit würden ergeben. Aus dem vorliegenden Ermittlungsergebnis ließe sich zudem ableiten, dass der Bf, was seine Reiseroute und die damit verbundenen Aufenthaltsziele betrifft, über ein hohes Maß an Selbstorganisation verfüge.

 

1.9.      Der Bf habe keinerlei familiäre und/oder soziale Bindung zu Österreich sondern sei im Gegenteil bei der Wahl seines Aufenthaltes bzw. seiner Lebensgestaltung an sich höchst flexibel.

 

1.10.    Bei der Wahl der Sicherungsmittel komme dem Grad der Bereitschaft an der Mitwirkung des relevanten Sachverhaltes besondere Bedeutung zu. Diese Bereitschaft habe der Bf aber massiv vermissen lassen. Er habe dadurch das für die allfällige Verhängung eines gelinderen Mittels unbedingt notwendige Vertrauen in seine Person nachhaltig zerstört. Auf freiem Fuß belassen müsste mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass weitere Reisebewegungen mit den Ziel der Vereitelung der fremdenrechtlichen Behandlung folgten.

 

1.11.    Die Verhängung der Schubhaft sei zudem im konkreten Einzelfall verhältnismäßig, da dem Recht auf Schutz der persönlichen Freiheit das hier überwiegende Interesse an einem geordneten Fremdenwesen gegenüberstehe. Die Anordnung eines gelinderen Mittels sei auf der Basis des vorliegenden Ermittlungsergebnisses nicht ausreichend, da das materiellrechtliche Ziel der Außerlandesbringung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden könnte. Der Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit sei daher notwendig gewesen, um die im Interesse des Staates gebotenen Ziele zu gewährleisten.

 

 

2.                     Dagegen richtet sich die Schubhaftbeschwerde des ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreters des Bf vom 15.02.2013, eingelangt am 18.02.2013. Zu deren Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:

 

2.1.      Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sei jede Haftverhängung, insbesondere auch die Verhängung der Schubhaft gemäß § 76 FPG, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Bloß allgemeine Annahmen oder Erfahrungswerte, wie die von der Erstbehörde herangezogenen, könnten dieser Notwendigkeit nicht genügen. Unter Berücksichtigung des Gebotes des Sicherungscharakters einer derartigen Maßnahme sei auch die dem Bf bekannt gegebene Ausweisungsabsicht als Begründung nur im Falle der tatsächlichen Notwendigkeit einer Sicherung der Außerlandesbringung als hinreichend zu bewerten.

 

2.1.1.   Der Bf habe keinesfalls bewusst falsche Angaben gemacht, sondern von sich aus angegeben, in Italien, Frankreich, Belgien und Deutschland gewesen zu sein. Der Bf sei zudem einverstanden, nach Belgien zurückzukehren.

 

Weiters habe der Bf seine Finger keineswegs manipuliert, sondern habe (auch schon in Pakistan) besonders in der kalten Jahreszeit Hautprobleme, welche die Ursache für die Beschaffenheit seiner Finger seien.

 

2.1.2.   Ausdrücklich bestritten würde die Annahme, falsche Angaben zum Reisverlauf gemacht zu haben. Er habe immer angegeben, Pakistan Ende 2011 verlassen zu haben, weshalb es sich in diesem Zusammenhang um einen Übersetzungsfehler handeln müsse. Zum Beweis für das tatsächliche Vorliegen von Übersetzungsfehlern sei auch auf die unrichtige Protokollierung der Ausbildungsdauer des Bf verwiesen, welche in der Niederschrift über die Erstbefragung mit 2004, in der vorgelegten Urkunde aber mit 2005 festgehalten sei.

 

Ein Sicherungsbedürfnis liege nicht vor, die Verhängung und weitere Anhaltung in Schubhaft sei daher rechtswidrig.

 

2.2.               Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes habe die Schubhaft verhängende Behörde die Anwendung des gelinderen Mittels zu prüfen. Dies sei nicht erfolgt, da die Behörde auch hier nur allgemeine Angaben gemacht, jedoch keine einzellfallbezogene Prüfung vorgenommen habe.

 

2.2.1.   Den Annahmen der Behörde, der Bf würde sich den fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen sei entgegenzuhalten, dass dies unter Berücksichtigung des Zieles der Anerkennung als Flüchtling bei gleichzeitig gestelltem Antrag darauf doch reichlich absurd wäre. Der Bf habe einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt, und es sei daher auch davon auszugehen, dass er den Ausgang dieses Verfahrens in Österreich abwarten werde. Der VwGH habe dazu auch ausgesprochen, dass es nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, alle Dublin-Fälle statt in Grundversorgung in Schubhaft zu nehmen. Dies sei nur bei Vorliegen weiterer Umstände zulässig, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden in einem erhöhten Grad befürchten lassen.

 

2.2.2.   Der VfGH habe zudem zum Ausdruck gebracht, dass allein die Tatsache, dass ein Asylwerber bereits in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt hat, für sich allein noch nicht den Schluss rechtfertigt, der Fremde werde sich durch Ausreise dem weiteren Verfahren unrechtmäßig entziehen. Dieser Ansicht habe sich der VwGH wiederholt angeschlossen und ergänzt, dass dies auch für ein Untertauchen innerhalb Österreichs gelten müsse.

 

Im vorliegenden Fall sei nicht zu erkennen, weshalb sich der Bf, wäre er nicht in Schubhaft der Unterstützung durch die Grundversorgung entziehen sollte. Es würden somit konkrete Anhaltspunkte für diese Annahme ebenso fehlen wir für die Vermutung einer, von den typischen Dublin-Fällen abweichenden Konstellation.

 

2.2.3.   Die Prognose, der Sicherungserfordernis könnte (insbesondere im Zusammenhang mit der Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes) nicht auch durch die Anwendung eines gelinderen Mittel erreicht werden, sei falsch. Das Fehlen eines Wohnsitzes und von sozialen Bindungen allein würden dazu keinen ausreichenden Anlass bieten. Gelindere Mittel wie etwa die Anordnung der Unterkunftnahme in von der Behörde bestimmten Räumlichkeiten oder die Anordnung eine Meldeadresse oder einen Zustellbevollmächtigten namhaft zu machen, wären dabei in Betracht gekommen.

 

Die Erstbehörde hätte unverhältnismäßig gehandelt, da eine Einschätzung der individuellen Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft ergeben hätte müssen, dass diese nicht vorliegen.

 

Der Nachweis der Untauglichkeit eines gelinderen Mittels im Zusammenhang mit der tatsächlichen Situation des Bf sei nicht gelungen, die Schubhaft daher rechtswidrig.

 

2.3.      Schließlich sei festzuhalten, dass die "Rückführungsrichtlinie" (2008/115/EG) gewisse Rechtsschutzgarantien im Zusammenhang mit der Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger vorsehe. Diese Richtlinie sei von den Mitgliedsstaaten bis längstens 24.12.2010 umzusetzen gewesen und regle in Art. 15 die Inhaftnahme für Zwecke der Abschiebung in Form einer dabei vorzusehenden und notwendigen gerichtlichen Prüfung deren Rechtmäßigkeit.

 

Da die Umsetzungsfrist bereits abgelaufen sei, wären die den Einzelnen betreffenden begünstigenden Richtlinienbestimmungen unmittelbar anwendbar und würden widersprechende nationale Bestimmungen verdängen.

 

Die Anwendbarkeit der Richtlinie sei anzunehmen, da es sich bei dem gegenständlichen Verfahren um ein solches zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung iSd der unionsrechtlichen Definition handle. Es sei daher auch in den Anwendungsfällen des Art. 15 die Entscheidung eines Tribunals erforderlich.

 

Dies sei im österreichischen Recht aber nicht vorgesehen, da eine amtswegige Überprüfung nur durch die Verwaltungsbehörde selbst und eine Überprüfung durch ein Tribunal überhaupt erst nach vier Monates vorgesehen  sei.

 

Der angefochtene Bescheid würde daher auch gegen Unionsrecht verstoßen.

2.4.      Es würde daher beantragt, die Verhängung der Schubhaft und die Anhaltung des Bf in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären, den Kostenersatz im Umfang er anzuwenden Pauschalersatzverordnung zuzuerkennen und die Eingabegebühr zu ersetzen.

 

 

3.                In einer anlässlich der Aktenvorlage mitgereichten kurzen Gegenschrift verwies die bescheiderlassende Behörde vollinhaltlich auf die Ausführungen im angefochtenen Schubhaftbescheid, wiederholte die wesentlichen Teil der den Bescheid begründenden Ausführungen und brachte ergänzend Folgendes vor:

 

3.1.      Die Behörde habe den zu beurteilenden Sachverhalt sehr wohl einer Einzelfallprüfung unterzogen, und zwar sowohl was den Sicherungsbedarf an sich als auch die Möglichkeit betreffe, mit der Verhängung eines gelinderen Mittels das Auslangen zu finden.

 

3.1.1.   Der Bf habe durch Manipulation der Papillarlinien und die damit verbundene Vereitelung der erkennungsdienstlichen Behandlung, unrichtige Angaben im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Verlassens des Herkunftsstaates, insbesondere aber durch Leugnung der beiden bereits gestellten Asylanträge nicht an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitgewirkt. Eine plausible Begründung dafür sei er schuldig geblieben.

 

Die zwangsläufig bei der Beantragung von Asyl in Belgien und Italien erstellten Unterlagen, die dem Bf im Zuge der dortigen Verfahrensabwicklung mit Sicherheit auch ausgefolgt worden wäre, seinen offenbar vorsätzlich zurückgelassen oder aber vernichtet worden. Auch dadurch wären der österreichischen Behörde wichtige Beweismittel vorenthalten worden.

 

3.1.2.   Der Bf sei – bis auf den bei ihm vorgefundenen Bargeldbetrag – völlig mittellos und nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt ohne finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten.

 

3.2.      Das in der Beschwerdeschrift vorgebrachte Einverständnis, nach Belgien zurückzukehren, sei als Schutzbehauptung zu klassifizieren.

 

Hätte der Bf tatsächlich das Ziel, als Flüchtling anerkannt zu werden, hätte er weder Veranlassung gehabt, Belgien nach der diesbezüglichen Antragstellung wieder zu verlassen, noch die oben bereits mehrfach beschriebenen Verschleierungs- bzw. Täuschungsanstrengungen zu unternehmen.

 

Dadurch habe der das Vertrauen der Behörde in seine Person so schwer erschüttert, dass mit der Verhängung eines gelinderen Mittels zur Sicherung der weiteren fremdenpolizeilichen Behandlung letztlich nicht das Auslangen gefunden werden konnte. Der Bf weise ein hohes Maß an Selbstorganisation im Zusammenhang mit seinen Reisebewegungen auf und habe bereits mehrfach dokumentiert, dass er das für ihn in der jeweiligen Situation günstigste Reiseziel auch ohne Rücksicht auf anhängige Asylverfahren anpeilt.

 

3.3.      Bezüglich der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit sei nur auf die ständige Judikatur des UVS OÖ. zu verweisen (vgl. VwSen-401208/4/AB/Th vom 31.08.2012).

 

3.4.               Unter ausdrücklichen Hinweis auf die aus öffentlicher Räson notwendige Einhaltung des Dublin-Übereinkommens würde für den Fall, dass die Beurteilung des Sachverhaltes ein im Wesentliches anderes Bild ergebe, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, ansonsten die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

 

4.                       Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes OÖ. hat erwogen:

 

4.1.      Gemäß § 82 Abs.1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I 100, zuletzt geändert durch BGBl. I 22/2013, hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs.1 FPG ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs.1 Z2 oder Z 3 leg.cit. der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat.

 

Gemäß § 83 Abs.4 leg.cit. hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Gemäß § 6 Abs.4a FPG richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft oder zur Anordnung gelinderer Mittel nach dem Aufenthalt.

 

4.2.      Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 12.02.2013, Sich40-1318-2013, seit 12.02.2013 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, ist gemäß § 83 Abs.4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

Gemäß § 80 Abs.5 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I 100, zuletzt geändert durch BGBl. I 50/2012, kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs.2 oder 2a verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs.4 Z1 bis 3 vor. Wird der Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrechterhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt. Die Schubhaftdauer darf in diesen Fällen die Dauer von zehn Monaten innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nicht überschreiten.

 

Gemäß § 76 Abs.1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs.2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1.    gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.    gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.    gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist;

4.    auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Gemäß § 76 Abs.2a FPG hat die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1.    gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs.1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2.    eine Mitteilung gemäß § 29 Abs.3 Z4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs.2 AsylG 2005 verletzt hat;

3.    der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4.    der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs.1 Z4 vorletzter Satz AsylG 2005 nicht nachgekommen ist, oder

5.    der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs.1 Z23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs.2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder

6.    sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs.4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs.2 Z1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs.3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 76 Abs.6 FPG kann die Schubhaft aufrecht erhalten werden, wenn ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Liegen die Voraussetzungen des § 76 Abs.2 FPG oder Abs.2a FPG vor, gilt die Schubhaft als nach dieser Gesetzesstelle verhängt.

 

Gemäß § 77 Abs.1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs.2 Z1.

 

Gemäß § 80 Abs.1 bzw. 2 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert; sie darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

Gemäß § 80 Abs.2 FPG darf die Schubhaftdauer nunmehr grundsätzlich

1.    zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2.     vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs.3 und 4 vorliegt.

 

4.3.               Die belangte Behörde legte nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenates dem angefochtenen Schubhaftbescheid vom 12.02.2013 zu Recht den oben zitierten § 76 Abs.2 Z2 FPG zugrunde, da zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung (12.02.2013) aufgrund des Mitteilungsschreibens des BAA EAST West vom 12.02.2013 gem. § 29 Abs.3 Z4 AsylG ein Ausweisungsverfahren bereits eingeleitet war, und somit der Schubhaftgrund des § 76 Abs.2 Z2 FPG zu diesem Zeitpunkt jedenfalls vorlag.

 

 

5.                       Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG, wie sie von der belangten Behörde eventualiter beantragt wurde, abgesehen werden konnte. Insbesondere war aufgrund der Aktenlage nicht ersichtlich, welche objektiven Tatbestandselemente im Zuge einer persönlichen Befragung des Bf hätten herkommen können, die eine in wesentlichen Punkten des Sachverhalts anderen Beurteilung ergeben hätten.

 

 

6.         Aus der "Kann-Bestimmung" sowohl des § 76 Abs.1 als auch des Abs.2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine prognostizierende Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem Verfahren bzw. der Abschiebung iSd § 76 Abs. 1 und Abs. 2 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

Vorweg ist anzumerken, dass die belangte Behörde eine hinreichend fundierte einzelfallbezogene Prüfung des Sicherungsbedarfes des Bf durchgeführt hat, der aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenates durchaus zu folgen ist. Insbesondere wird von folgenden wesentlichen Sachverhaltselementen ausgegangen:

 

6.1.      Der Bf hat Ende 2011 im Zuge einer schlepperunterstützten Flucht seinen Herkunftsstaat Pakistan ohne gültiges nationales Reisedokument verlassen und ist, von der Türkei kommend, auf dem Seeweg illegal nach Griechenland, und damit in einen  Mitgliedsstaat der Europäischen Union eingereist.

 

In der Folge wurden mehrere sichere Drittstaaten (Italien, Frankreich, Deutschland) durchreist, ehe am 16.01.2012 in Brüssel (Belgien) ein Asylantrag gestellt wurde. Der Ausgang dieses Verfahrens wurde aber, trotz dokumentierten längeren Aufenthaltes in Belgien, nicht dort abgewartet, sondern es folgten zumindest zwei weitere illegale Grenzübertritte, bis am 01.02.2013 in Gorizia (Italien) ein weiterer Antrag auf internationalen Schutz eingebracht wurde. Auch der Ausgang dieses Verfahrens wurde nicht in Italien abgewartet.

 

Am 02.02.2013, also nur einen Tag nach der Antragstellung in Gorizia, stellte der Beschwerdeführer (nach einem weiteren illegalen Grenzübertritt) den nun verfahrensgegenständlichen Asylantrag in Österreich.

 

6.2.               Der Bf hat bereits in zwei Fällen dokumentiert, dass er nicht gewillt ist, den Ausgang von Verfahren unter Beachtung der von ihm einzuhaltenden nationalen fremdenrechtlichen Vorgaben abzuwarten. Er hat dadurch die innere Verbundenheit mit den Werten der Rechtsstaatlichkeit und gesetzmäßigen Verfahrenabwicklung – und dazu zählt gerade auch die Mitwirkungspflicht der Parteien – fundamental vermissen lassen.

 

Der Bf verließ nach der offensichtlich unverhofften, jedenfalls aber ungelegenen erkennungsdienstlicher Behandlung in Gorizia und der damit verbundenen Gefahr, den dortigen Behörden würden seine bisherigen illegalen Aufenthalte, insbesondere aber der bereits vor einem Jahr in Belgien gestellte Asylantrag, bekannt (sofern dies nicht schon erfolgt war), geradezu fluchtartig Italien, um den unmittelbar drohenden Konsequenzen zu entgehen. Anders ist nicht schlüssig zu begründen, dass der Bf aus eigenem Antrieb, und daher nachvollziehbar zum Zweck der zumindest zeitweiligen Legalisierung seines Aufenthaltes und dem erkennbaren Ziel eines "Neustarts", schon am Tag darauf ein neuerlicher, in wesentlichen Punkten zweckdienlich unrichtigen Asylantrag in Österreich gestellt hat.

 

6.3.      Dabei wurde, um die bisherigen Stationen und behördlichen Anknüpfungspunkte zu verschleiern, konsequent jegliches Beweismaterial zurückgehalten und gezielt versucht, die Ermittlungen der Behörde zu behindern. Es ist daher auch als erwiesen anzunehmen, dass die Fingerkuppen bewusst manipuliert wurden, um eben dieses Ziel zu erreichen. Die gegenteilige Aussage des Bf, er habe insbesondere im Winter Hautprobleme, weshalb es auch in der Vergangenheit nie funktioniert hätte, ihm die Fingerabdrücke abzunehmen, stellt eine bewusste Falschaussage dar, was nicht nur durch die beiden ja bereits "erfolgreich" erfolgten erkennungsdienstlichen Behandlungen in Belgien und Italien (übrigens ebenfalls beide im Winter !), sondern vor allem durch den tatsächlich geglückten Versuch am 11.02.2013 in der EAST x erwiesen ist.

 

6.4.      Das gesamte Vorgehen des Bf seit seiner illegalen Einreise in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union basiert nachvollziehbar auf einer konkreten Strategie bzw. folgt einem klar erkennbaren Plan, der darin besteht, tunlichst ohne Möglichkeit der Rückverfolgung immer wieder temporäre Aufenthaltsmöglichkeiten zu erlangen und dabei möglichst lange zu verhindern, dass eines der dazu angestrengten Verfahren tatsächlich zu einem durchsetzbaren, ev. unerwünschtes Ergebnis führt.  Ein wesentlicher Teil dieses Plans ist es auch, immer dann, wenn es notwendig wird, den Aufenthalt unnachvollziehbar zu wechseln, mit anderen Worten unterzutauchen. Es handelt sich dabei um die geradezu klassische Form des Asyltourismus.

 

6.4.1.   Bis wenige Tage vor der illegalen Einreise nach Österreich hatte der Bf nach eigenen Angaben Kontakt zu Personen aus Schlepperkreisen, weshalb begründet anzunehmen ist, dass weitere Reisbewegungen sowohl in Eigenregie, insbesondere aber auch mit professioneller krimineller Unterstützung jederzeit möglich sind, um das oben beschriebene Procedere möglichst lange aufrecht erhalten zu können.

 

Aufgrund der dem Bf nunmehr nachweislich bekannten Absicht der österreichischen Behörde, den Asylantrag vom 02.02.2013 zurückzuweisen und ein darauf bzw. auf dem Regelungsregime des Dublin-Übereinkommens basierendes Ausweisungsverfahren nach Belgien (gegebenenfalls Italien) durchzuführen, ergibt sich für den Bf, um das oben beschriebene Ziel möglichst lange weiter verfolgen zu können, auch die konkrete Notwendigkeit des neuerlichen Agierens, d.h. des "Weiterreisens mit unbekanntem Ziel".

 

6.4.2.        Es ist daher iSd § 76 Abs.1 FPG sehr wohl anzunehmen bzw. in erhöhten Grade zu befürchten, dass der Bf – auf freiem Fuß belassen – unverzüglich untertauchen wird. Es sind insbesondere keinerlei sozialen oder wirtschaftlichen Anhaltspunkte oder Gründe dafür ersichtlich, dass der Bf ausgerechnet in Österreich bis zu einer Asylentscheidung ausharren sollte.

 

Die lapidare Feststellung, er wolle hier bleiben da er schon ein Jahr unterwegs sei, ist nicht geeignet, das aufgrund des festgestellten bisherigen Vorgehens fundamental erschütterte Vertrauen in ein hinkünftig gesetzestreues Verhalten (welches im gegenständlichen gesetzlichen Kontext für die Beurteilung eines allfälligen Sicherungsbedarfes zudem von besonderer Bedeutung ist) auch nur annähernd wieder herzustellen, zumal diese Angabe im Zuge der Erstbefragung, und daher zu einem Zeitpunkt getätigt wurde, zu dem den österreichischen Behörden die Vorgeschichte (noch) nicht bekannt war. Vor den Hintergrund der wahren Historie drängt sich dabei der Schluss auf, dass der Bf bewusst den Eindruck entstehen lassen wollte, nunmehr – der Illegalität seiner Lebensführung endlich überdrüssig – "zur Ruhe" kommen zu wollen und bloß nicht mehr die Kraft zu haben, in einen anderen der bereits durchreisten Mitgliedsstaaten zurückkehren zu wollen. Und das nur einen Tag (!) nach der letzten Antragstellung in Italien und flankiert von vorsätzlichen Falschaussagen und aktiver Beweismittelunterdrückung.

 

Im Lichte dieser Überlegungen ist es dem Bf, so wie er dies in der Beschwerdeschrift der belangten Behörde vorwirft, selbst nicht gelungen, für die Untermauerung seines Vorbringens Argumente zu liefern, die qualitativ über allgemeine Behauptungen hinausgehen würden.

 

6.4.3.   Auf der Grundlage der gebotenen Gesamtbetrachtung sämtlicher Besonderheiten des konkreten Einzelfalles war und ist daher auch nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates ein erheblicher Sicherungsbedarf seit Verhängung der Schubhaft am 12.02.2013 bis dato jedenfalls zu bejahen.

 

Im Sinne der Judikatur der Gerichthöfe des öffentlichen Rechts sind daher – wie dies in der Beschwerdeschrift unzutreffend behauptet wird – im Ergebnis nicht allein die Tatsachen, dass das es sich um eine Dublin-Fall handelt bzw. dass der Bf bereits in einem anderen Land Asyl beantragt hat, ausschlaggebend für die Annahme eines dringenden Sicherungsbedarfes.

 

6.5.      Damit scheidet auch im hier zu beurteilenden Zeitraum die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise grundsätzlich aus. Eine allfällig angeordnete Wohnsitznahme samt täglicher Meldepflicht würde das Ziel der Schubhaft nicht gewährleisten können. Daran vermag auch die in der Beschwerdeschrift geäußerte Bereitschaft, nach Belgien zurückzukehren, nichts zu ändern, da diese – offensichtlich nur dem rechtsfreundlichen Vertreter gegenüber kundgetane und somit "neue" – Absicht nicht nur den Angaben in der Erstbefragung explizit widerspricht, sondern auch in diametralem Gegensatz zur bisher geübten und dokumentierten Vorgangsweise des Bf steht, aus der sich zeigt, dass er den tatsächliche Abschluss eines Asylverfahrens nicht nur nicht anstrebt, sondern im Gegenteil konterkariert.

 

Sehr wohl lässt sich aus diesem Vorbringen aber mittelbar ableiten, dass im konkreten Fall keine Bedenken in Hinsicht auf Art. 3 EMRK gegen eine Überstellung des Bf nach Belgien bestehen und daher auch kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts Österreichs iSd Dublin-VO besteht.

 

6.6.      Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos weiterhin verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war – wie oben bereits detailliert ausgeführt – der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

Auch geht aus dem vorliegenden Verwaltungsakt eindeutig hervor, dass die belangte Behörde regelmäßig bemüht war, das fremdenrechtliche Verfahren entsprechend zügig voranzutreiben und den Sachverhalt möglichst rasch ins Reine zu bringen. Dies verdeutlichen vor allem die wiederholten Versuche zur erkennungsdienstlichen Behandlung des Bf am 06. und schließlich am 11.02.2013 sowie die daran anschließenden, äußerst zeitnahen Verfahrensschritte (Aufnahme der Dublin-Konsultationen, Ausfolgung der Verfahrensanordnung, etc.).

 

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls weiterhin nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf nicht zuletzt auch eigenen Angaben zufolge in Österreich keinerlei familiäre oder soziale Bezugspunkte hat.

 

Es ist im Gegenteil vielmehr nicht auszuschließen, dass eine hinkünftig unter Umständen mögliche Kontaktaufnahme zu Angehörigen, von denen der Bf wohl nicht ohne Grund annimmt, dass sie zwischenzeitlich Pakistan ebenfalls verlassen haben, die Bereitschaft, bis zum Ausgang des Asylverfahrens in Österreich zu bleiben, weiter sinken lässt.

 

6.7.      § 80 Abs.1 und Abs.2 FPG normieren, dass die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden kann, bis der Grund für ihre Anhaltung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Grundsätzlich wird hier nun seit 1. Juli 2011 (vgl. FrÄG 2011) eine viermonatige Höchstgrenze festgelegt. Der Bf wird gegenwärtig seit 12.02.2013 in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte viermonatige Frist noch nicht ausgeschöpft ist.

 

Auch ist das Ziel der Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt durchaus zeitnah erreichbar, da keine Umstände bekannt sind, die gegen die Durchführbarkeit der Überstellung des Bf nach Belgien (gegebenenfalls Italien) sprechen würden.

 

 

7.                       Abschließend ist zu dem in der Beschwerde behaupteten Widerspruch zur Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 (Abl L 348/98 ff) Folgendes auszuführen:

 

Richtig ist, dass nach dem die Haft für Zwecke der Abschiebung behandelnden Art. 15 Abs.2 der Rückführungsrichtlinie im Fall der Inhaftnahme durch eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich eine gerichtliche Überprüfung vorgesehen wird. Dabei ist aber entgegen der Beschwerdedarstellung nicht bloß auf die amtswegige Überprüfung der Schubhaft nach vier Monaten abzustellen. Die RL überlässt es vielmehr dem Mitgliedstaat, die Rechtmäßigkeit entweder nach Haftbeginn innerhalb kurzer Frist gerichtlich überprüfen zu lassen (Abs.2 lit.a) oder dem Drittstaatsangehörigen das Recht einzuräumen, einen Antrag auf gerichtliche Überprüfung der Haft innerhalb kurzer Frist zu stellen, worüber er auch zu belehren ist (Abs.2 lit.b).

 

Die Regelung der §§ 82 f FPG mit dem Recht, die Prüfung der Schubhaft durch den unabhängigen Verwaltungssenat jederzeit zu beantragen, und die Entscheidungspflicht binnen einer Woche bei aufrechter Anhaltung entspricht daher den Vorgaben der Richtlinie. Eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung hat der Schubhaftbescheid in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten (vgl. § 76 Abs.3 FPG). Eine Verletzung der Rückführungsrichtlinie liegt daher nicht vor.

 

8.         Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach  ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Markus Kitzberger

 

 

 

 

 

Beschlagwortung: Asyltourismus; besonderer Sicherungsbedarf;

 

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