Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167590/8/Br/Ai

Linz, 27.02.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, X, X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, X,  X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis, vom 09. Januar 2013, Zl. VerkR96-2266-2012, nach der am 27. Februar 2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird statt gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

     Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:    § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 110/2011 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012.

Zu II.:   § 66 Abs.1 u. 2  VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat mit dem o. a. Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen einer Übertretung nach § 52 lit.a Z10a StVO 1960 iVm § 99 Abs.2 lit.d StVO 1960 eine Geldstrafe von 160 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 44 Stunden verhängt, wobei ihm zur Last gelegt wurde,  er habe am 04.02.2012 um 12:31 Uhr den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen X (D) auf der B148 bei. Straßenkilometer 8.570, Gemeinde St. Georgen bei Obernberg am Inn, Fahrtrichtung Schärding, gelenkt wobei er die im angeführten Bereich durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 41 km/h überschritten habe.

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz sieht die Übertretung im Ergebnis der Radarmessung mittels geeichten Geräts unter Hinweis auf das Radarfoto als erwiesen. Der die Lenkereigenschaft bestreitenden Verantwortung folgte die Behörde erster Instanz nicht.

 

 

2. In der dagegen fristgerecht vom Rechtsvertreter in seinem Standardschriftsatz erhobenen  Berufung werden in  Punkten umfangreiche Erwägungen zu dieser Art der Geschwindigkeitsmessung angestellt. Soweit diese überblickbar sind, scheinen diese sich in einem Auszug aus den Verwendungsbestimmungen zu erschöpfen. Nicht erschließbar ist daraus worin der Berufungswerber einen Messfehler zu erblicken vermeint.

Den nachfolgenden Beweisanträgen kommt im Ergebnis ausschließlich der Charakter einer Schutzbehauptung zu, nämlich auf

a)   Einvernahme des Meldungslegers über die Aufstellung des Radargerätes zum Beweise dafür, dass dies nicht ordnungsgemäß erfolgte;

b)   Vorlage der Betriebsanleitung für das Radargerät bei einem technischen Sachverständigen zum Beweise dafür, dass das Radargerät nicht ordnungsgemäß aufgestellt wurde;

c)   Beischaffung des amtlichen Eichscheines für das gegenständliche Messgerät zum Beweise dafür, dass zumindest die im Gesetz vorgeschriebene Nacheichung nicht erfolgte;

d)  Vorlage der Betriebsanleitung des Messgerätes samt Radarlichtbild an einen techn. Sachverständigen zum Beweise dafür, dass die gemessene Geschwindigkeit nicht das KFZ des Einschreiters betrifft bzw. von den anderen Kraftfahrzeugen verfälscht wurde;

e)   Beibringung der 70 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung zum Beweise des Vorliegens eines Kundmachungsmangels;

f)     fotogrammetrische Rückrechnung zum Beweise des Vorliegens einer Fehlmessung;

g)  Auswertung des „Kontrollfotos", welches nach jedem Filmwechsel zu erstellen ist; dies zum Beweise dafür, dass das Radargerät nicht richtig in Betrieb genommen wurde. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Milderungsgründe bzw. meiner unterdurchschnittlichen Einkommenssituation (Hartz-4-Empfänger) ist die verhängte Geldstrafe überdies als überhöht anzusehen.

Über all diese Punkte lägen laut Berufungswerber daher keinerlei Beweisergebnisse vor, weshalb das Verfahren noch nicht spruchreif gewesen sei und die angefochtene Entscheidung sohin rechtswidrig wäre.

 

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Milderungsgründe wären die verhängte Geldstrafe überdies als überhöht anzusehen. Im konkreten Fall liegen nachfolgende Milderungsgründe vor:

• der bisher ordentliche Lebenswandel und die Tatsache, dass die Tat mit dem sonstigen Verhalten in Widerspruch steht;

• die Tat lediglich aus Fahrlässigkeit begangen wurde;

• die Tat nur aus Unbesonnenheit (Unachtsamkeit) begangen wurde;

• die Tat mehr durch besonders verlockende Gelegenheit, als mit vorgefasster Absicht begangen wurde;

• optimale Fahrbahn- und Straßen-, sowie Verkehrsverhältnisse herrschten (kein anderer Fahrzeugverkehr);

• die Tat unter Umständen begangen wurde, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahe kommen;

• es trotz Vollendung der Tat zu keinen Schäden Dritter gekommen ist;

• sich von der Zufügung eines größeren Schadens, obwohl dazu die Gelegenheit offengestanden wäre, freiwillig Abstand genommen wurde;

• die Tat schon vor längerer Zeit begangen wurde und seither ein Wohlverhalten vorliegt.

 

Abschließend stellt der Berufungswerber nachfolgende

 

ANTRÄGE:

 

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes möge das angefochtene Straferkenntnis der BH Ried im Innkreis VerkR96-2266-2012 vom 09.01.2013 ersatzlos beheben und das anhängige Verwaltungsstrafverfahren einstellen; dies nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung; Abführung der bisher unerledigt gebliebenen Beweisanträge; in eventu Aussprache einer Ermahnung im Sinne des § 21 VStG; in eventu Herabsetzung der Geldstrafe auf ein gesetzeskonformes mildes Maß im Sinne des § 20 VStG.

 

 

 

2.1. Festzuhalten ist eingangs zu den Berufungsausführungen, dass der Berufungswerber seine Lenkereigenschaft mit Hinweis auf das der deutschen Rechtslage fremde Rechtsinstitut der Lenkerauskunft bestreitet.

Warum er dann seine weitwendigen Ausführungen fast ausschließlich zur Geschwindigkeitsmessung an sich beschränkt gilt es als zumindest unlogisch festzuhalten, wobei dies auch auf den Einspruch gegen die Strafverfügung vom 13.3.2012 zutrifft, wo inhaltsleere Beweisanträge zur Messung gestellt, nicht aber die Lenkereigenschaft bestritten wird.

 

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

Die Durchführung  einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß der bestreitenden Verantwortung, sowie der ausdrücklich beantragten öffentlichen mündliche Berufungsverhandlung  in Wahrung der durch Art. 6 EMRK intendierten Rechte zwecks unmittelbarer Beweisaufnahme durch Anhörung des Berufungswerbers erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

 

 

 

3.1. Dem Berufungswerbervertreter wurde unter Hinweis auf die Mitwirkungspflicht die Möglichkeit der Vorlage einer notariell beglaubigten Erklärung an Eides statt zur Untermauerung seiner bestreitenden Lenkereigenschaft eröffnet, bzw. alternativ aufgetragen, seine Verantwortung unmittelbar vor dem Unabhängige Verwaltungssenat vorzutragen.

Beweis erhoben  wurde schließlich durch Beischaffung von Vergleichsfotos und des Eichscheins im Wege der LVA, sowie  Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt und dessen inhaltliche Erörterung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Der Berufungswerber erschien zur Berufungsverhandlung nicht, legte jedoch durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter eine eidesstättige Erklärung mit einem Begleitschreiben vor (Beilage 1 u. 2)

Die Behörde erster Instanz entschuldigte sich schriftlich ob der Nichtteilnahme an der Berufungsverhandlung.

 

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Auf dem Radarfoto ist das Kennzeichen des Kraftfahrzeuges im „Vergrößerungsfeld“ wohl gut erkennbar, nicht jedoch am sogenannten „Heckfoto“ der Lenker oder die Lenkerin.  Auch die Tatzeit ist am Radarfoto festgehalten. Dass einerseits der Tatort in der Anzeige korrekt bezeichnet ist und andererseits mit diesem Kraftfahrzeug die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 41 km/h überschritten wurde steht für die Berufungsbehörde daher außer Zweifel.

Ebenfalls liegt auf der Hand, dass hier offenkundig das Verfahren durch ursprüngliche Verweigerung der Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers bzw. der Fahrzeuglenkerin im Ergebnis gezielt verzögert und letztlich ex post betrachtet, durch die sich als nicht nötig erweisenden Beweisanträgen kostenaufwändig gestaltet wurde.  Bereits im Zuge der Beeinspruchung der Strafverfügung müsste der Berufungswerber bereits vom nunmehr dargelegten Umstand – so er der Wahrheit entspricht – Kenntnis gehabt haben.  Es ist jedoch legitim in einem Strafverfahren strategische Verfahrenstaktiken zum Vorteil für sich und Dritter einzusetzen um straffrei zu bleiben. Dem in Deutschland geltenden Grundgesetz ist es fremd einen Fahrzeuglenker durch dessen Benennung der behördlichen Strafverfolgung aussetzen zu müssen. Die an den Fahrzeughalter gestellte Aufforderung vom 6.6.2012, den Fahrzeuglenker/die Fahrzeuglenkerin binnen zwei Wochen bekannt zu geben, wurde vom Berufungswerber ignoriert. Dies wäre wohl nach der in Österreich herrschenden Rechtslage nach § 103 Abs.2 KFG strafbar. Diesbezüglich wurde jedoch, mit Blick auf die nicht einbringliche Strafe wohl zweckmäßig, gegen den Fahrzeughalter und Berufungswerber keine Verfolgungshandlung gesetzt.

 

 

 

4.1. Im Rahmen des Berufungsverfahrens macht der Berufungswerber durch Vorlage einer eidesstättigen Erklärung seiner Ehegattin, die sich vor einer Notarin als Lenkerin deklariert, letztlich glaubhaft, dass nicht von ihm, sondern offenbar von seiner Ehegattin  diese als exzessiv zu bezeichnende Geschwindigkeitsüberschreitung begangen wurde. In einem Schreiben des Berufungswerbers an seinen Rechtsvertreter werden im Übrigen auch noch die Umstände des Fahrerwechsels und der gewählten Wegstrecke ausführlich dargelegt.

Auf Grund dieser Faktenlage kann von einem Beweis der Lenkereigenschaft des Berufungswerbers jedenfalls nicht ausgegangen werden, wenngleich nicht zu übersehen ist, dass mit der – wenngleich aus legitimen Motiven -  nicht früheren Bekanntgabe dieses Faktums ein vermeidbarer und mit erheblichen Kosten verbundener Verfahrensaufwand einerseits für die öffentliche Hand und andererseits auch in der Sphäre des Berufungswerbers verursacht wurde.  Diese Kosten stehen wohl in keiner Relation zu der hier festgelegt gewesenen Strafe, welche an sich für die erwiesene Ordnungswidrigkeit grundsätzlich zu Recht ausgesprochen wurde.

 

 

 

5. Rechtlich stellt der Unabhängige Verwaltungssenat fest:

Der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Beweiswürdigung nach § 45 Abs.2 AVG und einem fairen Verfahren folgend, ist an einen Beweis ein strengerer Maßstab als bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen (vgl. VfSlg 12649; sowie Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).

Schon bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung ist nämlich von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und dessen Einstellung zu verfügen (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122.

Das Verwaltungsstrafverfahren war demnach gegen den Berufungswerber nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

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