Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401268/4/BP/Jo

Linz, 26.02.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des X, geb. X, derzeit aufhältig im X, vertreten durch X, wegen Verhängung und Anhaltung in Schubhaft seit 19. Februar 2013 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

 

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 19. Februar 2013, GZ.: Sich40-1217-2013, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 2a Z. 2 iVm. Z. 6 und Abs. 2 Z. 2  des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgFiVm. § 57 Abs. 1 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG sowie zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) die Schubhaft angeordnet und im X vollzogen.

 

Die belangte Behörde führt zunächst zum Sachverhalt wie folgt aus:

 

Sie brachten am 17.01.2013, um 13:04 Uhr, vor Beamten der Polizeiinspektion X, unter den von Ihnen angeführten Personalien "X, StA: Nigeria", einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz (Asyl) in Österreich ein. Es wurde Ihnen – gegen die gesetzliche Auflage einer ständigen Anwesenheitsverpflichtung in der Erstaufnahmestelle West gemäß § 15 Abs. 3a AsylG 2005 - als mittellosen und schutzsuchenden Fremden sowohl Unterkunft als auch weitere Leistungen im Rahmen der Grundversorgung des Bundes (Verpflegung, Krankenversicherung, Taschengeld, etc.) in der Erstaufnahmestelle West gewährt. Weder anlässlich der Einbringung Ihres Asylantrages noch im Rahmen des weiteren Asylverfahrens waren Sie im Stande ein Nationalreisedokument, oder ein anderweitiges Dokument welches einen Rückschluss auf Ihre Identität zulassen würde, den österreichischen Behörden in Vorlage zu bringen.

 

Im Zuge Ihrer niederschriftlichen Erstbefragung zu Ihrem Asylantrag führten Sie gegenüber Beamten der Polizeiinspektion X, am 17.01.2013 an, dass Sie keine Beschwerden oder Krankheiten hätten, die Sie an der Einvernahme hindern oder die das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden. Eine Medikamenteneinnahme verneinten Sie. Sie brachten weiters ins Treffen, dass Sie im August 2010 von Nigeria mit einem LKW illegal nach Niger ausgereist seien. Die Fahrt hätte 2 Tage gedauert. Im Niger seien Sie teilweise zu Fuß gegangen und hätten 9 Tage in der Wüste verbracht. Von dort seien Sie mit einem Landrover mit zwei Männern bis nach Libyen gefahren. Anschließend wären Sie mit einem PKW nach Saba und weiter mit einem Taxi nach Tripolis gefahren, wo Sie sich ca. ein Jahr aufhielten und als KFZ-Mechaniker arbeiteten. Als der Krieg in Libyen ausbrach, wären Sie mit einem Schiff, an dem mehr als 300 Menschen an Board waren, nach Lampedusa gefahren. Die italienische Küstenwache hätte Sie entdeckt und die italienische Polizei hätte sie anschließend in ein Lager gebracht. Sie hätten dort einen Asylantrag gestellt und einen negativen Bescheid erhalten. Sie bekamen weiters eine Aufforderung das Land zu verlassen. Anschließend hätten Sie ca. 15 Tage am Bahnhof in Brescia gelebt. Italien hätten Sie am 15.01.2013 verlassen. Sie wären mit dem Zug von Mailand nach Wien gereist. In Wien hätten Sie am Bahnhof übernachtet. Danach wären Sie mit einem weiteren Zug gefahren, wo Sie schließlich von der Polizei kontrolliert worden sind.

 

Befragt zu Asylantragstellungen innerhalb der Europäischen Union gaben Sie an: "In Italien. Es wurde neg. entschieden und ich wurde aufgefordert das Land zu verlassen." Auf die an Sie herangetragene Frage, ob etwas dagegen sprechen würde, wenn Sie nach Italien zurückkehren müssten, gaben Sie an: "Ich möchte nicht nach Italien zurück, da in den Lagern schlechte Zustände herrschen. Das Lager ist komplett überfüllt, wir bekamen nicht genug zu Essen. Es herrschen dort schlechte Lebensbedingungen."

 

Auf die an Sie herangetragene Frage zu Angaben über Familienangehörige in Österreich oder in einem anderen EU-Staat führten Sie an, dass Sie keine familiären Bezüge zu Österreich oder einen anderen EU-Staat hätten. Auf die weiters an Sie gerichtete Frage, ob Sie über Barmittel oder andere Unterstützung verfügen führten Sie an, dass Sie völlig mittellos seien und auch von niemanden eine Unterstützung bekommen.

 

Mit Schriftsatz des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle Ost, vom 22.01.2013, Zl.: 13 00.737, wurde Ihnen in weiterer Folge gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Asylantrag vom 17.01.2013 gemäß § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen. Gleich gehend wurde Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass Konsultationen gemäß dem Dubliner Abkommen mit Italien seit dem 21.01.2013 geführt werden und gleichzeitig das Ausweisungsverfahren aus dem österr. Bundesgebiet über Sie eröffnet worden ist.

 

Diese zitierte Verfahrensanordnung wurde Ihnen am 21.01.2013 von Seiten des österr. Bundesasylamtes nachweislich ausgefolgt. In weiterer Folge haben Sie von Seiten des Bundesasylamtes EAST-Ost – gegen Aufhebung der gesetzlichen Auflage einer ständigen Anwesenheitsverpflichtung in der Erstaufnahmestelle West - gemäß § 50 AsylG 2005 eine Verfahrenskarte mit einer Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG für den Bezirk Baden erhalten. Das Ausweisungsverfahren gegen Sie nach dem Asylgesetz gilt ab diesem Zeitpunkt formell als eingeleitet.

 

Am 22.01.2013 wurden Sie im Rahmen des Spitzenausgleichs von der EAST Ost in die EAST West verlegt. Mit der Verlegung in die EAST West wurde Ihnen eine Verfahrenskarte gem. § 50 AsylG mit einer Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 für den Bezirk Vöcklabruck ausgestellt.

 

Dem seitens der österr. Asylbehörde zu Ihrem Asylantrag eingeleiteten Wiederaufnahmeersuchen an Italien wurde mit Schreiben der italienischen Behörde für Migration vom 28.01.2013 zugestimmt. Der EU-Staat Italien erklärte sich gemäß den Bestimmungen des Dubliner Abkommens für Ihre Übernahme sowie für die Durchführung der Prüfung Ihres Asylbegehrens zuständig.

 

In den Mittagstunden des 29.01.2013 haben Sie zuletzt die Versorgung (Mittagessen) in der Erstaufnahmestelle West in Anspruch genommen, ehe Sie noch am gleichen Tag die Ihnen im Rahmen der Einbringung Ihres Asylantrages gewährte und aus öffentlichen Mitteln finanzierte Unterkunft in der Erstaufnahmestelle West ohne Abmeldung verlassen haben. Das Areal der EAST-West in X haben Sie dabei sogar unter Umgehung der Zu- bzw. Ausgangskontrolle verlassen. Am 31.01.2013 begründeten Sie in X, einen Obdachlosenwohnsitz.

 

Mit Schreiben des Bundesasylamtes, EAST West, vom 07.02.2013 wurden Sie persönlich zur Erstaufnahmestelle West zur Wahrung des Parteiengehörs für 19.02.2013 vorgeladen.

 

Im Rahmen Ihrer niederschriftlichen Einvernahme zu Ihrem Asylantrag vor Beamten des Bundesasylamtes, EAST West, gaben Sie im Beisein eines Dolmetschers folgendes an:

 

[...]

 

Feststellung: Sie wurden bereits im Zuge der Erstbefragung zu Ihren persönlichen Daten befragt.

F: Entsprechen diese Angaben den Tatsachen oder haben Sie etwas zu berichtigen?

A: Die Angaben, die ich dort gemacht habe, sind richtig. Ich heiße X, bin am X in Uromi geboren, bin Staatsangehöriger von Nigeria, gehöre zur Volksgruppe der Ishan, spreche Ishan und Englisch, bin nicht verheiratet und habe zwei Kinder. Meine Tochter X, geboren am X und mein Sohn X, geboren am X leben in Nigeria, Uromi, bei meinen Eltern.

 

F: Besitzen Sie Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?

A: Nein, ich kann meine Identität nicht nachweisen.

 

F: Haben Sie Verwandte in Österreich, im Bereich der EU bzw. Norwegen oder Island, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

A: Nein.

 

Feststellung: Sie wurden bereits im Zuge der Erstbefragung zu Ihrem Reiseweg befragt. Entsprechen diese Angaben den Tatsachen oder haben Sie etwas zu berichtigen?

A: Die Angaben, die ich dort gemacht habe, sind richtig.

 

F: Haben Sie zum Reiseweg noch etwas zu sagen oder wollen Sie etwas ergänzen?

A: Nein.

 

F: Wann sind Sie in Italien eingereist?

A: Ich bin am 6. August 2011 in Italien eingereist.

 

F: Wie lange haben Sie sich in Italien aufgehalten?

A: Ich blieb bis zu meiner Weiterreise nach Österreich über ein Jahr in Italien.

 

F: Wie gelangten Sie nach Österreich?

A: Ich fuhr am 16.01.2013 mit einem Zug von Mailand nach Wien.

 

V: Italien hat dem Wiederaufnahmeersuchen der Republik Österreich entsprochen. Daher wird beabsichtigt, Ihren in Österreich gestellten Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen und Ihre Ausweisung nach Italien zu veranlassen.

F: Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

A: Es gibt einen Grund, warum ich Italien verlassen habe. Ich war zwei Wochen auf der Straße, ich hatte keine Wohnung. Ich hatte kein Geld, kein Essen, keine Arbeit, keine Wohnung. Ich habe immer am Bahnhof geschlafen. Ich habe gebettelt und mit diesem Geld habe ich dann Italien verlassen. Ich habe vom Staat keine Unterstützung bekommen.

 

F: Gibt es weitere Gründe, die einer Rückkehr nach Italien entgegenstehen würden?

A: Ich hatte keine Wohnung in Italien. Hier habe ich zumindest einen Platz zum Schlafen.

 

[...]

 

F: Warum haben Sie am 29.01.2013 diese Betreuungseinrichtung verlassen?

A: Ich wurde hier fast verrückt. Ich hatte niemanden mit dem ich sprechen konnte. Ich habe nur gegessen und geduscht. Ich bin mir fast wie im Gefängnis vorgekommen. Ich fuhr dann nach Wien, wo es viele Nigerianer gibt, mit denen ich sprechen konnte.

 

 

Am 19.02.2013, um 13:55 Uhr – und demzufolge im unmittelbaren Anschluss an das Parteiengehör vor dem Bundesasylamt – wurden Sie von Beamten der Polizeiinspektion X in der Erstaufnahmestelle West, X, im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zur Erlassung der Schubhaft nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 festgenommen.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde ua. aus:

 

Seitens der BH Vöcklabruck wird festgehalten, dass Sie sich gegenwärtig – nachdem Sie nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sind und das Ausweisungsverfahren nach Italien gegen Sie bereits eröffnet wurde – unberechtigt im Bundesgebiet aufhalten.

 

Weiters sind Sie – abgesehen eines gegenwärtig in Ihrem Besitz stehenden Bargeldbetrages in der Höhe von Euro 83,21 – mittellos.

 

Bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 76 Abs. 2a FPG hat die Behörde – im Gegensatz zu der Rechtsnorm des § 76 Abs. 2 FPG – kein Ermessen im Hinblick auf die Anwendung Gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG 2005. Es bleibt jedoch zu prüfen, ob die Sicherung der Abschiebung bzw. des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung mittels Schubhaft notwendig ist und ob in der Person des Asylwerbers gelegene, besondere Umstände der Schubhaft entgegenstehen.

 

Durch die Gesamtheit Ihrer Handlungsweise und Ihrer Aussagen im Asylverfahren ist es offensichtlich, dass Sie den EU-Staat Italien als vollkommen ungeeignet halten um ein Asylbegehren im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens prüfen zu lassen und um sich zur Verfügung der dortigen Behörden zu halten. Sie nahmen für Ihr Vorhaben, nämlich Ihr Reiseziel oder zumindest ein Reisezwischenziel von Ihnen (Österreich) am Landweg zu erreichen einen illegalen Grenzübertritt innerhalb er Mitgliedstaaten der Europäischen Union ganz bewusst in Kauf, welcher sich jedoch (objektiv betrachtet) keinesfalls mit einer allfälligen Bedrohung oder Verfolgung in Ihrem Herkunftsstaat Nigeria rechtfertigen lässt.

 

Nicht nur alleine Ihr Verhalten in Österreich zeigt auf, dass Sie keinesfalls gewillt sind, sich der Abschiebung nach Italien zu stellen, um dort Ihr Asylbegehren prüfen zu lassen. Anstelle sich in Italien den dortigen Behörden zur Verfügung zu halten, haben Sie es vorgezogen illegal nach Österreich auszureisen. Mit der Asylantragstellung in Österreich wollten Sie augenscheinlich den Aufenthalt in Österreich legalisieren, eine Abschiebung hintanhalten und das in der Dublin-VO vorgesehene Regelungsregime unterlaufen. Sie gaben mehrmals kund, unter keinen Umständen nach Italien rückkehren zu wollen. Sie entzogen sich den italienischen Behörden, indem Sie illegal nach Österreich ausreisten. In Österreich stellten Sie jedoch nicht ohne unnötigen Aufschub einen Asylantrag, sondern reisten – quer durch Österreich – bis nach Wien, wo Sie schließlich im Zug aufgegriffen wurden. Im Rahmen des weiteren Verfahrens wurden Sie im Rahmen des Spitzenausgleichs in die Erstaufnahmestelle West verlegt. Dort hielten Sie sich ca. eine Woche auf, bevor Sie sich ungerechtfertigt und ohne Abmeldung aus der Betreuungsstelle entfernten. Sie erhalten seit diesem Zeitpunkt auch keine Grundversorgung mehr. Zwei Tage später begründeten Sie in X einen Obdachlosenwohnsitz. Ihnen wurde im Rahmen des Asylverfahrens eine Verfahrenskarte nach dem AsylG, beschränkt auf den Bezirk Vöcklabruck, ausgestellt. Durch die Begründung des Obdachlosenwohnsitzes in Wien haben Sie zudem die Gebietsbeschränkung für den Bezirk Vöcklabruck verletzt.

 

Auf Befragen in der Erstbefragung, sowie im Rahmen des Parteiengehörs gaben Sie an, keine Dokumente zu besitzen. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass Sie Papiere und Unterlagen betreffend Ihrer Reiseroute bzw. Ihrer Asylantragstellung in Italien bewusst vernichtet, zurückgelassen bzw. unterdrückt haben.

 

Nachdem Sie nun davon in Kenntnis sind, dass die italienischen Behörden Ihrer Rückübernahme zustimmten, muss davon ausgegangen werden, dass Sie sich auch in Österreich dem Verfahren entziehen werden, um einer drohenden Außerlandesbringung zu entgehen.

 

In der Beurteilung des Sachverhaltes war auch jener Faktum nicht außer Acht zu lassen, dass Sie flexibel in Ihrer Lebensgestaltung und im Wechsel der Aufenthalts-, und Lebensorte sind. Sie sind alleinstehend, begleiten keine minderjährigen Kinder für die Sie die Obsorge hätten, gehen keiner Beschäftigung nach, halten sich erst seit Kurzem in Österreich auf und sind daher, an absolut keine Örtlichkeiten gebunden. In Bedachtnahme Ihres jungen Alters und der medizinischen Untersuchungen ohne Befund, sind Sie ebenso an keine medizinische Versorgungen angewiesen. Wie Ihre Reiseroute auch zeigt, sind Sie in der Lage und auch Willens, jederzeit die Örtlichkeit zu wechseln. Verantwortung haben Sie letztlich über keine weiteren Personen, sondern nur über sich selbst zu tragen. Dieser Faktum erhöht eine Flexibilität in der Lebensgestaltung und die faktische Möglichkeit eines jederzeitigen Ortswechsels und somit auch bedeutend die Gefahr eines Untertauchens und Aufenthaltes in der Anonymität.

 

Nach Ansicht der bescheiderlassenden Behörde ist dem von Ihnen praktizierten „Asylantragstourismus“ mit aller Entschiedenheit entgegen zu treten um für ein geordnetes Fremdenwesen zu sorgen.

 

Bei der Bewertung der Wahl der Mittel zur Erreichung Ihres nachhaltigen Zieles ist im vorliegenden Fall von einer besonders hohen Sicherungsnotwendigkeit auszugehen und zu attestieren, dass Sie sich – auf freien Fuß belassen – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Zugriff der Behörden entziehen werden um eine Außerlandesbringung von Österreich nach Italien mit Erfolg zu vereiteln oder um diese Maßnahmen zumindest wesentlich zu erschweren.

 

Ebenso kommt bei der Wahl der Mittel zur Sicherung fremdenpolizeilicher Maßnahmen dem Grad der Bereitschaft des Fremden an der Mitwirkung zur Feststellung des relevanten Sachverhaltes hohe Bedeutung zu.

 

Aufgrund der Tatsache Ihrer illegalen Einreise ins Bundesgebiet der Republik Österreich ohne jegliches Identitätsdokument, in Kombination mit der Tatsache, dass Sie an der Wahrheitsfindung des im Asylverfahren relevanten Sachverhaltes nur bedingt mitgewirkt haben und sich nachhaltig gegen eine Rückkehr nach Italien aussprechen, gepaart mit der Tatsache, dass Ihnen von Seiten der österr. Asylbehörde eröffnet wurde, dass infolge der Zustimmung von Italien zu Ihrer Rückübernahme die Zurückweisung Ihres Asylverfahrens und Ihre Ausweisung nach Italien beabsichtigt ist, sowie gepaart mit der weiteren Tatsache, dass Sie die Erstaufnahmestelle West trotz aufrechter Grundversorgung ungerechtfertigt nach unbekannt verlassen haben und in weiterer Folge zudem gegen die Ihnen auferlegte Gebietsbeschränkung verstoßen haben, ist jegliches Vertrauen in Sie derart erschüttert, welches jedoch für die allfällige Anordnung eines Gelinderen Mittels (anstelle der Schubhaft) zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung Ihrer Außerlandesbringung von Österreich nach Italien elementar dazu notwendig wäre.

 

Auf freien Fuß belassen würden Sie –mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit- vielmehr einem neuerlichen Abtauchen in der Anonymität und/oder einer unrechtmäßigen weiteren Reisebewegung von Österreich in einen weiteren Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorzug geben gegenüber einer behördlichen Überstellung von Österreich nach Italien -also dem Ausgangspunkt Ihrer Reisebewegung innerhalb der EU.

 

Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass Sie – nach Abtauchen in die Anonymität – dem österreichischen Staat weiters finanziell zur Last fallen könnten. Da Sie Ihren Unterhalt im Bundesgebiet bestreiten müssen, ist die Gefahr sehr groß, dass Sie dies auf illegale Art und Weise bewerkstelligen werden. Nachdem Sie bereits mehrfach unter Beweis gestellt haben, dass Sie keinen Wert an der Einhaltung der Rechts- und Werteordnung in Ihren Gastländern legen, ist auch davon auszugehen, dass Sie Ihren erforderlichen Unterhalt auch im Bundesgebiet oder in der europäischen Union notfalls durch illegaler Beschäftigung oder anderwärtiger strafrechtlicher Begehen erwirtschaften werden.

Denn für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet verfügen Sie nicht über ausreichende Barmittel. Eine rechtmäßige Beschäftigung können Sie nicht ausüben, da Sie weder im Besitz einer arbeitsmarkt- noch aufenthaltsrechtlichen Bewilligung sind. Es müssten daher für den weiteren Aufenthalt öffentliche Mittel aufgewendet werden bzw. ist der Schluss zulässig, dass Sie versuchen durch Begehung strafbarer Handlungen Ihren Unterhalt zu fristen.

 

Darüber ist im Besonderen die Gefahr nach Abtauchen in die Anonymität sehr groß, dass letztlich Österreich für die inhaltliche Prüfung gemäß Dublinabkommen zuständig werden könne, sofern den Erfordernissen des Abkommens – einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nicht nachgekommen werde! Wessen Erzwingen durch einen Aufenthalt in der Anonymität nicht im öffentlichen Interesse stehen kann. Bezüglich wird explizit auf Artikel 13 der Dublinverordnung hingewiesen.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck kommt nach genauer Abwägung im Rahmen einer Einzelfallprüfung des vorliegenden Sachverhaltes zum Ergebnis, dass die Anordnung der Schubhaft zur Sicherung Ihrer Außerlandesbringung von Österreich nach Rumänien verhältnismäßig ist, denn Ihrem Recht als Fremden auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das in diesem Fall überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen (sowie insbesondere die Einhaltung des für die Republik Österreich von nachhaltiger Wichtigkeit bestehenden Regelungsregimes des Dubliner Abkommens) gegenüber.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf durch seine Vertreter mit Telefax vom 22. Februar 2013 Schubhaftbeschwerde an den UVS des Landes Oberösterreich.

 

Darin wird ua. wie folgt ausgeführt:

 

Der BF reiste von Italien nach Österreich um hier einen Asylantrag zu stellen. Der BF erfuhr von Landsleuten in Wien, dass er den Asylantrag in Traiskirchen stellen müsse. Er bestieg daher den Zug von Wien nach Traiskirchen in welchem er auch von der Polizei aufgegriffen wurde. Der BF stellte in Folge am 17.01.2013 einen Asylantrag.

 

Am 21.01.2013 wurde dem BF die Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG zugestellt.

 

Am 29.01.2013 verließ der BF die Erstaufnahmestelle West. Am 31.01.2013 begründete der BF an der Adresse X, einen Obdachlosenwohnsitz. Am 06.02.2013 wurde das Bundesasylamt von Mitarbeitern des Flüchtlingsprojekts X davon informiert, dass der BF seinen Aufenthaltsort bzw. seine Anschrift an der genannten Adresse habe.

 

Mit Schreiben des Bundesasylamts vom 07.02.2013 wurde der BF für den 19.02.2013 vorgeladen.

 

Der BF begab sich am 19.02.2013 von Wien in die EAST West in X. Der BF wurde am selben Tag nach seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt von der belangten Behörde gem. §§ 76 Abs. 2a Z 2 i.V.m. 76 Abs. 2a Z 6 i.V.m. 76 Abs, 2 Z 2 FPG in Schubhaft genommen. Der BF befindet sich seither in Schubhaft.

 

Dagegen richtet sich die eingebrachte Beschwerde.

 

Sowohl die Schubhaftverhängung als auch die Anhaltung in Schubhaft sind rechtswidrig.

 

Begründung:

 

1. Zu § 76 Abs. 2a Z 6 FPG

 

Gem. § 76 Abs. 2a Z 6 FPG hat die Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat. Ein Asylwerber entfernt sich gem. § 24 Abs. 4 AsylG ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle, wenn er der Mitwirkungspflicht gemäß § 15 Abs. 3a leg. cit. unterliegt und nicht in der Erstaufnahmestelle angetroffen werden kann oder trotz Aufforderung zu den ihm vom Bundesasylamt . im Zulassungsverfahren gesetzten Terminen nicht kommt. Der zweite Fall der zitierten Bestimmung Hegt offensichtlich nicht vor? da sich der BF am Tag der Schubhaftverhängung zur Einvernahme vor dem Bundesasylamt begeben hat. Auch der Tatbestand des ersten Falls der zitierten Bestimmung ist nicht erfüllt, da eine Mitwirkungspflicht gemäß § 15 Abs. 3a AsylG nur maximal während der ersten 16S Stunden (7 Tage) ab Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz besteht. Der BF verließ die EAST West am 29.01.2013 und daher 12 Tage nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz.

 

Da sich der BF nicht unrechtmäßig aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat ist der Tatbestand des § 76 Abs. 2a Z 6 FPG nicht erfüllt.

 

2. Zu § 76 Abs. 2a Z 2 FPG

 

Der BF hat sich gem. § 19a MeldeG in Wien gemeldet und dies dem Bundesasylamt bekannt gegeben.

 

Für die Dauer des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesasylamt ist der Aufenthalt eines Fremden gem. § 12 Abs. 2 AsylG lediglich im Gebiet der Bezirksverwaltungsbehörde geduldet in deren Gebiet sich sein Aufenthaltsort i.S.d. § 15 Abs. 1 Z 4 leg. cit. befindet. Der BF hatte seinen Aufenthaltsort i.S.d. § 15 Abs. 1 Z 4 leg. cit. im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides in Wien. Die Gebietsbeschränkung für Wien verletzte der BF um der Ladung des Bundesasylamts am 19.02.2013 nachzukommen. Gem. § 12 Abs. 2 Z 2 AsylG ist der Aufenthalt eines Asylwerbers im gesamten Bundesgebiet geduldet, wenn und solange dies notwendig ist, um Ladungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden Folge zu leisten. Der BF leistete am 19.02-2013 der Ladung des Bundesasylamts Folge und hat daher die Gebietsbeschränkung nicht verletzt.

 

Auch wenn man der Ansicht der belangten Behörde folgt und davon ausgeht, dass sich die Gebietsbeschränkung im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung auf den Bezirk Vöcklabruck bezog, ist anzumerken, dass der BF im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung im Bezirk Vöcklabruck aufhielt.

 

Da der BF im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides die Gebietsbeschränkung nicht verletzt hat, ist der Tatbestand des § 76 Abs. 2a Z 2 FPG nicht erfüllt.

 

3. Zu § 76 Abs. 2 Z 2 FPG

 

Schlussendlich bleibt nur noch § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als taugliche Rechtsgrundlage für die Verhängung der Schubhaft übrig. Der Tatbestand dieser Bestimmung ist objektiv erfüllt.

 

Ungeachtet des Vorliegens eines Tatbestandes nach § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 (hier: Z 2) kann die Schubhaftnahme eines Asylwerbers nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die (schon) in diesem Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (VwGH 27.05.2009, 2008/21/0196).

 

Für die Befürchtung, der Fremde werde sich dem weiteren Verfahren entziehen und für die Behörden nicht erreichbar sein, müssen vor allem aus dem bisherigen Verhalten des Fremden ableitbare spezifische Hinweise bestehen (VwGH 30.04.2009, 2006/21/0341).

Zur Prüfung des Sicherungserfordernisses ist auf alle Umstände des konkreten Falls Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu (VwGH 27.02.2007, 2006/21/0311), jedoch muss die konkrete Situation des Betroffenen geprüft werden - sogar wenn der Fremde vorher in einem sicheren Drittstaat einen Asylantrag gestellt hat (VfGH 29.09.2004, B 292/04). In einem solchen Fall ist auch der Grund für eine allfällige Weiterreise nach Österreich nach Stellung eines Asylantrags in einem anderen Staat und die dabei eingeschlagene Vorgangsweise zu berücksichtigen (VwGH 28.06.2007, 2006/21/0051).

 

Im konkreten Fall wurde der BF am Weg zum Bundesasylamt Außenstelle Traiskirchen festgenommen. Der BF wollte dort einen Asylantrag stellen. Er hat im Asylverfahren keine falschen Angaben getätigt und ist der Ladung des Bundesasylamts am 19.02,2013 gefolgt, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG bereits bekannt war, dass beabsichtigt wird seinen Asylantrag gem. § 5 AsylG zurückzuweisen. Der BF hat sich innerhalb der in § 3 Abs. 1 MeldeG normierten Dreitagesfrist behördlich gemeldet. Er hat in Österreich bisher kein Verhalten gesetzt, dass darauf schließen lassen würde, dass er sich den Asylverfahren bzw. der Abschiebung entziehen würde. Aus dem bisherigen Verhalten des BF lässt sich vielmehr schließen, dass er ein Interesse am österreichischen Asylverfahren hat und sich diesem daher nicht entziehen würde. Es ist zwar zutreffend, dass der BF am 29.01,2013 die Gebietsbeschränkung auf den Bezirk Vöcklabruck verletzt hat. Es darf jedoch nicht das danach gesetzte Verhalten außer Acht gelassen werden. Der BF hat sich danach ordnungsgemäß behördlich gemeldet und ist der Ladung des Bundesasylamts gefolgt. Die Ausführungen der belangten Behörde, dass davon ausgegangen werden müsse, dass sich der BF dem Asylverfahren entziehen würde und keinen Wert auf die Einhaltung der Rechtsordnung Österreichs legen würde sind daher nicht nachvollziehbar.

 

Aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsgebots und wegen der Formulierung des Art 2 Abs 1 Z 7 PersFrG („um zu sichern") kann auch die Ausweisungsabsicht zur Rechtfertigung eines Freiheitsentzuges nur dann hinreichen, wenn die Verhängung der bzw. Anhaltung in Schubhaft tatsächlich notwendig ist, um die Außerlandesschaffung zu sichern.

 

Das erforderliche Sicherungsbedürfnis, welches die Anordnung von Schubhaft rechtfertigen könnte, liegt beim BF nicht vor.

 

Die Schubhaftverhängung und die weitere Anhaltung in Schubhaft sind daher rechtswidrig.

 

4. Zu Punkt 1 bis 3

 

Dem Schubhaftbescheid wurden drei Tatbestände zugrunde gelegt. Zwei dieser Tatbestände (§§ 76 Abs, 2a Z 2 und 76 Abs. 2a Z 6 FPG) sind objektiv nicht erfüllt Außerdem fehlt ein Sicherungsbedarf für den objektiv erfüllten Tatbestand des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG. Der Bescheid ist daher mit prävalierender Rechtswidrigkeit belastet.

 

Außerdem wird die Rechtmäßigkeit des gewählten Vorgehens der belangten Behörde, nämlich die Schubhaft gleichzeitig auf drei Tatbestände zu stützen, bestritten. Diese hat die Schubhaft auf einen einzigen konkreten Tatbestand zu stützen und darf nicht quasi auf Vorrat Tatbestände anführen, in der Hoffnung, dass zumindest einer dieser erfüllt sei. Sollte die gewählte Vorgehensweise der belangten Behörde nicht rechtswidrig sein, müsste es folglich auch zulässig sein die Schubhaft generell auf „§ 76 Abs. 1, 2 und 2a FPG" oder überhaupt nur auf 76 FPG zu stützen.

 

5. Nichtanwendung des gelinderen Mittels

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 18.05.2001, Zl. 2001/02/0048 ausgesprochen und in ständiger Judikatur bekräftig hat, hat die schubhaftverhängende Behörde die Anwendung des gelinderen Mittels zu prüfen. Dies wurde im konkreten Fall praktisch unterlassen.

 

(...)

 

Das gelindere Mittel hat nunmehr nach der neuen Regelung des § 77 Abs. 1 FPG an die Stelle der Schubhaft zu treten, wenn die Gründe des § 76 vorliegen. Die Rechtsansicht der belangten Behörde ist daher seit dem BGBl 2011/38 (FrÄG 2011) überholt Die belangte Behörde hätte daher prüfen müssen, ob der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann.

 

Abgesehen davon sind, wie bereits ausgeführt wurde, die Tatbestände des § 76 Abs. 2a FPG ohnehin nicht erfüllt. Und der Umstand, dass bei der Anwendung des § 76 Abs. 2 FPG das gelindere Mittel jedenfalls zu prüfen ist wird von der belangten Behörde auch nicht bestritten.

 

Die belangte Behörde setzt sich mit dem gelinderen Mitteln nur in zwei Passagen des Bescheides auseinander. Einerseits wird, wie eingangs ausgeführt wurde, darauf verwiesen, dass dieses im Anwendungsbereich des § 76 Abs. 2a FPG dieses nicht anzuwenden sei und schlussendlich noch ausgeführt, dass dieses den BF nicht davon abhalten würde in die Anonymität abzutauchen, da er bereits mehrfach unter Beweis gestellt hätte, dass er keinen Wert auf die Einhaltung der Rechts- und Werteordnung Österreichs legen würde.

 

(...)

 

Die Auffassung, das Belassen eines Fremden auf freiem Fuß könnte immer dann, wenn ein Sicherungsbedürfnis zu bejahen ist, keine Gewähr für die Verfahrenssicherung bieten, hätte zur Folge, dass das Sicherungsbedürfnis nie anders als durch Anhaltung in Haft gedeckt werden könnte. Diese Ansicht entspricht aber mit Blick auf § 77 FrPolG 2005, der ausdrücklich (unter den dort näher angeführten Voraussetzungen) die Sicherung der Schubhaftzwecke auch auf andere Art als durch Haft vorsieht, nicht dem Gesetz (VwGH 18.02.2009, 2006/21/0261).

 

Der UVS Oberösterreich hat in einem vergleichbaren Fall in seinem Erkenntnis vom 06.12.2012, zur GZ VwSen-401240/4/Gf/Rt, die Schubhaft für rechtswidrig erklärt weil die belangte Behörde den Vorrang der Anordnung des gelinderen Mittels nicht beachtet hat und „nicht in einer nachvollziehbaren Weise - geschweige denn auch entsprechend belegt - zu erkennen gegeben hat, dass sei überhaupt die Anordnung gelinderer Mittel (sowie konkret welcher dieser Mittel) in Erwägung gezogen und davon ausgehend das Vorliegen einer derartigen ultima-ratio-Situation, die sogar eine vorgängige Anordnung solcher Maßnahmen ausgeschlossen, sondern vielmehr die unverzügliche Schubhaftverhängung als geboten angenommen hat". Der UVS Oberösterreich führt im oben genannten Erkenntnis weiters aus es gehe „weder aus diesem Bescheid noch aus dem von der Behörde vorgelegten Akt hervor dass der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck die Anordnung gelinderer Mittel überhaupt de facto erwogen hat; konsequenterweise fehlt sodann auch eine fallbezogene und auf entsprechenden Belegen fußende Auseinandersetzung mit der Frage, welches dieser Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als das am ehesten Zielführende anzusehen ist sowie - davon ausgehend - in welchen Umständen gegenständlich eine derartige ultima-ratio-Situation begründet war, dass nicht einmal mit einer zumindest vorgängigen Anordnung dieses gelinderen Mittels, sondern nur mit einer unverzüglichen Schubhaftverhängung das Auslangen gefunden werden konnte."

 

Da die belangte Behörde die Möglichkeit der Verhängung des gelinderen Mittels nicht ausreichend geprüft hat, ist die Schubhaft rechtswidrig.

 

6. Widerspruch zur Verordnung (EG) Nr. 1560/2003

 

Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist lautet:

 

„KAPITEL III

DURCHFÜHRUNG DER ÜBERSTELLUNG

Artikel 7

Modalitäten der Überstellung

(1) Die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat kann auf eine der folgenden Weisen erfolgen:

a) auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist;

b) in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird und dem zuständigen Staat Ort, Datum und Urzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden;

c) in Begleitung, wobei der Asylbewerber von einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden des zuständigen Staats überstellt wird."

 

Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass es eine Rangordnung der Überstellungsmodalitäten gibt bzw. dass eine freiwillige Ausreise des Asylwerbers in den zuständigen Mitgliedsstaat prioritär ist. Auch die österreichische Rechtsordnung geht von der grundsätzlichen Annahme aus, dass Gesetze zwar mit Zwangsandrohung, aber zunächst ohne Zwangsausübung eingehalten werden. Zunächst ist davon auszugehen, dass ein Gesetz bzw. eine gesetzlich ergangene Entscheidung von den Rechtsunterworfenen grundsätzlich respektiert und eingehalten wird. Erst, wenn sich herausstellt, dass dies nicht der Fall ist, kann zu Zwangsmaßnahmen gegriffen werden. Eine automatische Schubhaftverhängung, d.h. die grundsätzliche Annahme ein Gesetz würde von den Rechtsunterworfenen generell nicht befolgt werden - wie sie derzeit in der Praxis stattfindet - findet keine Deckung in der österreichischen Verfassung.

 

Nach Abschluss des Verfahrens über die (Unzuständigkeit Österreichs ist zunächst dem Asylwerber die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise zu geben. Erst wenn sich herausstellt, dass der Asylwerber nicht freiwillig ausreist bzw. zu verstehen gibt, dass er dies nicht tun wird, ist eine Haftverhängung zulässig.

 

Die Schubhaftverhängung des BF ohne Einhaltung dieser Abfolge steht daher sowohl in Widerspruch zur oben genannten Verordnung, als auch zur österreichischen Verfassung und ist daher inhaltlich rechtswidrig.

 

(...)

 

Abschließend werden die Anträge gestellt, der UVS im Land Oberösterreich möge

1. die Verhängung der Schubhaft und

2. die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären sowie

3. Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung (Schriftsazt- Verhandlungsaufwand) und der Eingabegebühr zuerkennen.

 

 

2.1.1. Mit E-Mail vom 25. Februar 2013 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem UVS des Landes Oberösterreich.

 

2.1.2. In einer Gegenschrift vom selben Tag führt die belangte Behörde ua. aus:

 

Zur vorgebrachten Beschwerde wird seitens der BH Vöcklabruck auf die ha. Aktenunterlagen und den festgestellten Sachverhalt im Schubhaftbescheid vom 19.02.2013 hingewiesen. Darüber hinaus wird hervorgehoben, dass im vorliegenden Fall ein konkreter Sicherungsbedarf vorliegt und ohne einer freiheitsentziehenden Sicherheitsmaßnahme berechtigt und klar im angefochtenem Schubhaftbescheid begründet, nicht davon ausgegangen werden kann, das vorliegende Ausweisungsverfahren zu beenden und eine Vollstreckung mit der Abschiebung nach Italien vollziehen zu können.

 

Im vorliegenden Fall konnte in der Gesamtschau des Sachverhaltes:

·          illegale Grenzübertritte (Reiseroute laut eigenen Angaben: Nigeria – Libyen – Italien – Österreich)

·          Asylantragstellung erst im Osten Österreichs und nicht unmittelbar nach Grenzübertritt im Süden Österreichs

·          Völlig alleinstehend – keine Bezugspunkte innerhalb Österreichs, absolut keine bezugsbezogene Bindung an eine Örtlichkeit in Österreich

·          Keinen Sprachbezug zum deutschsprachigen Raum; spricht Eshan und Englisch

·          Identität in Österreich durch Unterdrückung von Unterlagen und Urkunden nicht gesichert

·          bewusstes Vernichten und Unterdrücken von Unterlagen und Papieren, die zur Reiseroute und Identität Hinweise geben – siehe ausgefolgte Unterlagen von Italien (alle Unterlagen wurden durch den Fremden bewusst entweder zurückgelassen, vernichtet oder werden in Österreich versteckt gehalten) – Nichtmitwirkung im Asylverfahren

·          ungerechtfertigte Entfernung aus der Erstaufnahmestelle West

·          Verletzung der Gebietsbeschränkung für den Bezirk Vöcklabruck

 

nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführer sein Verhalten geändert hätte und eine Tendenz dahingehend nunmehr zeigen würde, die Einhaltung der Rechtsordnung und Rechtsbestimmung zu akzeptieren. Es war nicht zu erkennen und daher auch nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nunmehr die Rechtsordnung befolgen und sich zur Verfügung der Behörde halten werde. Folglich konnte mit vorliegendem Sachverhalt kein Anhaltspunkt erkannt werden, der soweit für den Fremden sprechen würde, als dass ein derartiges fremdenpolizeiliches Vertrauen an den Fremden entgegengebracht werden könne, welches für eine Anwendung einer Sicherung des Ausweisungsverfahrens nach Italien durch gelinderer Mittel abseits der Schubhaft zulassen würde.

 

Herr X äußerte zudem im Rahmen der Schubhaftverhängung klar und deutlich, dass er nicht nach Italien zurückkehren werde.

 

In der Begründung der Schubhaftbeschwerde wird ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer nicht unrechtmäßig aus der Erstaufnahmestelle entfernt hätte. Dem muss dahingehend widersprochen werden, indem laut Information des ORS Info Service der Beschwerdeführer am 29.01.2013 um 11:40 Uhr das Mittagessen in der EAST zu sich nahm und anschließend nicht mehr angetroffen werden konnte. Der Bf verließ das Areal der EAST West unter Umgehung der Zu- bzw. Abgangskontrolle.

 

Zur Verletzung der Gebietsbeschränkung wird angeführt, dass der Beschwerdeführer am 22.01.2013 eine "grüne" Verfahrenskarte, beschränkt für den Bezirk Vöcklabruck, erhalten hat. Diese Verfahrenskarte berechtigt lediglich zum Aufenthalt im Bezirk Vöcklabruck. In der Schubhaftbeschwerde ist jedoch von einer Gebietsbeschränkung für Wien die Rede, was nicht den Tatsachen entspricht (siehe Seite 4 der Schubhaftbeschwerde). Nachdem der Bf am 29.01.2013 ungerechtfertigt aus der EAST abtauchte und in weiterer Folge einen Obdachlosenwohnsitz in X begründete, liegt der Verdacht der Verletzung der Gebietsbeschränkung vor. Diesbezüglich wurde auch die Einvernahme des Bundesasylamtes, EAST West, vom 19.02.2013 unter Anführung des Sachverhaltes, an die LPD Wien zur eventuellen Führung eines Strafverfahrens gem. § 121 Abs. 2 FPG, übermittelt.

 

Das Konsultationsverfahren mit Italien wurde seitens des Bundesasylamtes, EAST Ost, am 21.01.2013 eingeleitet. Eine Zustimmung vom zuständigen Mitgliedstaat Italien liegt mit Wirkung vom 28.01.2013 vor. Das Parteiengehör im Asylverfahren fand am 19.02.2013 statt. Es kann daher in kurzer Zeit mit einer Finalisierung des Asylantrages gerechnet werden.

 

Mit vorliegendem Sachverhalt wird dringend die kostenpflichtige Abweisung beantragt, um letztlich in kurzer Zeit den illegalen Aufenthalt des Fremden mit einer Abschiebung in den für den Beschwerdeführer zuständigen Mitgliedstaat Italien vollziehen und ein neuerliches Abtauchen in die Anonymität und neuerlichen illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet verhindern und unterbinden zu können.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – im Übrigen vom Bf nicht substantiell widersprochenen - unter den Punkten 1.1.1. aber auch 1.2.  dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1.1.  Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 87/2012, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.  

 

Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.1.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des in Rede stehenden Bescheides der belangten Behörde vom 19. Februar 2013 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.2. Gemäß § 76 Abs. 2 kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Gemäß § 27 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005 gilt ein Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn nach Ziffer 1 im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach
§ 29 Abs. 3 Z 4 oder 5 erfolgt.

 

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG hat die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1.       gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5        AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2.       eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der      Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3.       der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG mehr als einmal verletzt hat;

4.       der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 vorletzter Satz AsylG nicht nachgekommen ist, oder

5.       der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde,

6.       sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z. 1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegen stehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Der Bescheid hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten oder einer Sprache, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z. 1.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1.      in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.      sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden      oder

3.      eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

3.3.1. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf am 17. Jänner 2013 einen Asylantrag in Österreich gestellt hat. Er ist somit Asylwerber und unterliegt betreffend Schubhhaftverhängung grundsätzlich dem § 76 Abs. 2 bzw. 2a FPG.

 

In der Beschwerde wird ua. gerügt, dass die belangte Behörde gleich mehrere Schubhafttatbestände herangezogen hat. Sofern diese tatsächlich durch den in Rede stehenden Sachverhalt erfüllt sind, ergeben sich keine Bedenken gegen diese Vorgangsweise, zumal keine undifferenzierte Pauschalfeststellung, sondern eine dem entsprechenden Einzelfall gerecht werdende Zuordnung zu verschiedenen Tatbeständen des vom Bf gesetzten Sachverhaltes intendiert war.

 

Allerdings ist nun zu prüfen, ob die – von der belangten Behörde vorgenommene Subsumtion auch zutrifft, denn nur bei Vorliegen eines konkreten Schubhaftgrundes kann die Maßnahme als rechtmäßig erkannt werden.

 

3.3.2. Auch im Rahmen der Beschwerde unbestritten ist zunächst, dass dem Bf am 21. Jänner 2013 eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG ausgefolgt wurde, wonach die beabsichtigte Zurückweisung des Asylantrags mangels Zuständigkeit  Österreichs zu dessen Prüfung erklärt wurde. Korrespondierend zu § 27 AsylG war somit das Ausweisungsverfahren als eingeleitet anzusehen, was die grundsätzliche Anwendung des § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG ermöglichte.

 

3.3.3.1. Weiters wurde von der belangten Behörde die Alternative des § 76 Abs. 2a Z. 2 FPG zur Begründung der Schubhaft herangezogen.

 

Voraussetzung hiefür ist, dass eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat.

 

Gemäß § 12 ABs. 2 AsylG ist der Aufenthalt eines Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dem kein Aufenthaltsrecht zukommt, für die Dauer des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesasylamt lediglich im Gebiet der Bezirksverwaltungsbehörde in dem sich sein Aufenthaltsort im Sinne des § 15 ABs. 1 Z. 4 befindet, geduldet. Darüber hinaus ist sein Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet geduldet, wenn und solange dies

1.    zur Erfüllung von gesetzlichen Pflichten notwendig ist;

2.    notwendig ist, um Ladungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden Folge zuleisten oder

3.    für die Inanspruchnahme einer medizinischen Versorgung und Behandlung notwendig ist.

Nach Abschluss des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesasylamt ist der Aufenthalt des Fremden, solange ihm faktischer Abschiebeschutz zukommt, im gesamten Bundesgebiet geduldet.

 

Nach § 15 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. hat ein Asylwerber dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof auch nachdem er Österreich, aus welchem Grund auch immer verlassen hat, seinen Aufenthaltsort und seine Anschrift sowie Änderungen dazu unverzüglich bekannt zu geben. Hiezu genügt es, wenn ein in Österreich befindlicher Asylwerber seiner Meldepflicht nach dem Meldegesetz 1991 – MeldeG, BGBl. 9/1992 nachkommt. Unterliegt der Asylwerber einer Meldeverpflichtung gemäß § 15a, hat die Bekanntgabe im Sinne des ersten Satzes spätestens zeitgleich mit der Änderung des Aufenthaltsortes zu erfolgen (...)

 

Gemäß § 15a Abs. 2 AsylG gilt ua. für Fremde, die in einer Betreuungseinrichtung des Bundes versorgt werden, die Abwesenheit von mindestens 48 Stunden von der Betreuungseinrichtung als Verletzung der Meldeverpflichtung. 

 

3.3.3.2. Im Sinne der obigen Bestimmungen ist festzuhalten, dass den Bf eindeutig die Verpflichtung traf, sich im Gebiet der belangten Behörde aufzuhalten. Dies ergibt sich nicht nur aus der an ihn ergangenen Verfahrensanordnung vom 22. Jänner 2013, sondern auch aus der Zusammenschau von § 12 Abs. 2 AsylG (keine der Ausnahmen nach Z. 1 bis 3 sind anwendbar) mit den § 15 Abs. 1 Z. 4 und § 15a Abs. 2 AsylG, die den Aufenthaltsort für den vorliegenden Fall als die EAST-West (Betreuungseinrichtung des Bundes) annehmen lassen. Eine Änderung der Gebietsverpflichtung vom Bezirk Vöcklabruck auf Wien (wie in der Beschwerde angedacht) hätte einer Abmeldung des Bf aus der Betreuungseinrichtung zeitgleich mit dem beabsichtigten Aufenthaltswechsel bedurft.

 

Dass der Bf am 19. Februar 2013 dorthin zurückkehrte, ändert nichts daran, dass er am 29. Jänner 2013 die EAST-West unabgemeldet verließ und sich aus dem Bezirk Vöcklabruck nach Wien begab. 

 

3.3.4.1. Weiters ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 ABs. 2a Z. 6 FPG zu überprüfen.

 

Nun normiert diese Bestimmung als Tatbestandsvoraussetzung zunächst, dass  sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z. 1 bis 4 vorliegt.

 

Fraglich ist also, ob die Abreise des Bf – unter Umgehung der Abmeldung – aus der EAST-West am 29. Jänner 2013 und die Reisebewegung nach Wien als ungerechtfertigtes Entfernen von der Erstaufnahmestelle angesehen werden muss.

 

3.3.4.2. Gemäß § 24 Abs. 4 AsylG. 2005 entfernt sich ein Asylwerber ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle, wenn er

-        der Mitwirkungspflicht gemäß § 15 Abs. 3a unterliegt und nicht in der          Erstaufnahmestelle angetroffen werden kann oder

-        trotz Aufforderung zu den ihm vom Bundesasylamt im Zulassungsverfahren gesetzten Terminen nicht kommt oder auf Grund       bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde einen solchen Termin     nicht einhalten, und er in der Erstaufnahmestelle nicht angetroffen werden          kann.

 

Gemäß § 15 Abs. 3a AsylG. 2005 haben sich Asylwerber, deren Verfahren in einer Erstaufnahmestelle des Bundesasylamtes geführt werden, sofern nicht gemäß § 45 eine Vorführung unterblieben ist, ab Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz bis zum Abschluss der Verfahrens- und Ermittlungsschritte gemäß § 29 Abs. 6, für einen Zeitraum von längstens 120 Stunden, durchgehend in der Erstaufnahmestelle zur Verfügung zu halten. In Fällen, in denen der Fremde den Antrag auf internationalen Schutz vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder einer Sicherheitsbehörde gestellt hat und der Fremde gemäß § 43 Abs. 2 der Erstaufnahmestelle vorzuführen ist, beginnt die Frist von 120 Stunden bereits mit Stellen des Antrags auf internationalen Schutz. Die Frist von 120 Stunden kann im Einzelfall um höchstens 48 Stunden verlängert werden, wenn Einvernahmen vor einem Organ des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 6 Ziffer 6 angeordnet sind. Diese Verlängerung der Frist ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 63 Abs. 2 AVG) mitzuteilen.

 

3.3.4.3. Aus § 15 Abs. 3a AsylG ist ersichtlich, dass die Anwesenheitsverpflichtung längstens 120 Stunden nach Stellung des Asylantrages bis zur allfälligen Einleitung des Ausweisungsverfahrens nach § 29 Abs. 3 Z. 4 bis 6 AsylG bestand. Dies wäre im vorliegenden Fall wohl der 21. Jänner 2013 gewesen. Eine ungerechtfertigte Entfernung aus der EAST-West im Sinne des § 76 Abs. 2a Z. 6 FPG iVm. § 24 AsylG kann dem Bf für den 29. Jänner 2013 also nicht vorgeworfen werden.

 

Dieser Tatbestand trifft somit nicht zu.

 

3.3.5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vorliegende Schubhaft sowohl auf § 76 Abs. 2 Z. 2 als auch auf § 76 Abs. 2a Z. 2 FPG gestützt werden kann. 

 

3.3.6. Im Gegensatz zu den Schubhafttatbeständen des § 76 Abs. 1 und 2, die ihrer Formulierung nach eine Ermessensentscheidung bedingen, legt Abs. 2a leg. cit., der mit der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009 introduziert wurde, grundsätzlich eine obligatorische Verhängung der Schubhaft bei Vorliegen der hier normierten Tatbestandselemente fest. Den Materialien zu § 76 Abs. 2a FPG ist zu entnehmen, dass in den hier normierten 6 Fällen "grundsätzlich von einem Sicherungsbedürfnis auszugehen sein wird".

 

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Gesetzesbestimmung schon nach dem Wortlaut kumulativ zusätzlich zum Vorliegen der Z. 1 bis 5 jedenfalls auch die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig sein muss. Dies kann aber nichts anderes bedeuten, als dass der Sicherungsbedarf zusätzlich zum Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit der Z. 1 bis 5 geprüft werden muss. Fraglos sind die genannten Fallkonstellationen ihrer Natur nach dazu geeignet aufgrund ihres Vorliegens Indizien auch für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs darzustellen.

 

Weiters geben die Materialien an, dass der von den Höchstgerichten geforderten Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den letzten Satz Rechnung getragen wird und gehen diesbezüglich von einem Anwendungsbereich der besonderen in der Person des Asylwerbers gelegenen Umstände "insbesondere" von "Alter" und "Gesundheitszustand" aus. Eine Beschränkung allein auf derartige Umstände wird wohl unzureichend sein, da nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 17.891/2006 und 18.196/2007) schon bei den Absätzen 1 und 2 des § 76 FPG eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist. Eine nunmehrige Einschränkung auf lediglich rein in der Person gelegene Umstände wäre somit verfassungsrechtlich bedenklich und ist über verfassungskonforme Interpretation aufzulösen.

 

Es folgt also daraus, dass das Vorliegen einer oder mehrerer Alternativen des
§ 76 Abs. 2a FPG als Indiz für das Vorliegen des Sicherungsbedarfs gewertet werden muss, eine derartige Prüfung aber nicht ersetzt. Weiters muss auch bei dieser Bestimmung die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft – mit besonderer aber nicht ausschließlicher Blickrichtung auf persönliche Verhältnisse des Schubhäftlings – vorliegen. Ein Vergleich mit den Materialien zeigt zudem, dass durch diese Norm das Institut des gelinderen Mittels nach § 77 FPG unberührt bleibt und somit in die Erörterung mit einzubeziehen ist.

 

3.3.7.1. Im vorliegenden Fall ergibt sich betreffend den Sicherungsbedarf – entgegen der Ansicht in der Beschwerde - ein eindeutiges Bild:

 

Zunächst ist anzumerken, dass sich der Bf, dessen Identität – mangels entsprechender Dokumente - nicht letztgültig geklärt ist, nach dem für ihn negativen Abschluss des Asylverfahrens in Italien, wo er mit den Lebensbedingungen nicht zufrieden war, illegal nach Österreich begab, um hier sein Glück zu versuchen. Er verfügt über keine Barmittel und keinen familiären, sprachlichen, kulturellen oder sonstigen Bezug im Bundesgebiet und kann als persönlich äußerst flexibel eingestuft werden. Bezeichnend ist hier vor allem, dass die ungemeldete Abreise aus der EAST-West am 29. Jänner 2013 spontan erfolgte, also genau einen Tag nach Zustimmung Italiens zur Rückübernahme im Rahmen der Dublin-Verordnung. Dies muss als Ausdruck der oben beschriebenen Flexibilität gewertet werden, die keine Rücksicht auf die Einhaltung rechtlicher Normen zu nehmen bereit ist.

 

Dass der Bf nicht gewillt ist nach Italien zurückzukehren, hat er mehrfach explizit deponiert. Das Verlassen der Bundesbetreuung kommt sohin einem zeitweiligen Untertauchen bedenklich nahe, da sich der Bf zwar wenige Tage danach polizeilich in Wien meldete, dies allerdings als obdachlos, was den Zugriff der Behörden jedenfalls zu erschweren geeignet ist. Auch, wenn der Bf der Ladung am 19. Februar 2013 folgte, lässt sich aus seinem Gesamtverhalten dennoch ablesen, dass er spontan die Initiative zu ergreifen bereit ist, sofern eine Außerlandesschaffung konkret wird. Es liegt die Vermutung nahe, dass der Bf bei dem ihm am 19. Februar 2013 gewährten Parteiengehör nicht mit der Möglichkeit rechnete, dass unmittelbar darauf die Schubhaft verhängt werden würde, sondern vermeinte anschließend wieder nach Wien zurückkehren zu können, um dort weitere Schritte zur Verhinderung der Abschiebung unternehmen zu können. 

 

Je näher der Abschiebungstermin rückt (die Zustimmung Italiens liegt bereits seit 28. Jänner 2013 vor), desto größer wird für den Bf die Notwendigkeit sich dem Verfahren bzw. dem Zugriff der Behörden zu entziehen. Nicht zuletzt muss auch auf die Gebietsverletzung hingewiesen werden, die der Bf offensichtlich bedenkenlos auf sich nahm.

 

Klar erscheint der Umstand, dass es dem Bf nicht um die Erlangung von politischem Asyl, sondern um den Verbleib in einem für ihn wirtschaftlich attraktiven Staat geht, da er vor allem die Lebensbedingungen und die Versorgung in Italien gegen eine verbesserte Situation in Österreich wandeln wollte. Auch die Situation in der EAST-West konnte ihn nicht zufriedenstellen, weshalb er sich flexibel um eine Verbesserung bemühte; dies jedoch unter Inkaufnahme der unabgemeldeten Verabsentierung.

 

Ohne sich hier in allgemeine Unterstellungen zu verlieren erweckt der Bf also ganz konkret den Eindruck, dass es ihm jedenfalls auf die Erlangung des Verbleibs in einem für ihn wirtschaftlich interessanten Land der Europäischen Union – völlig losgelöst von einer allfälligen asylrelevanten Bedrohungssituation  - ankommt. Unter den gegebenen Umständen wird dem Bf mittelfristig wohl auch keine andere Möglichkeit als eine Beschäftigung entgegen arbeitsmarktrechtlicher Bestimmungen übrig bleiben, da er die ihm gewährte Grundversorgung frühzeitig ablehnte.

 

3.3.7.3. Der belangten Behörde folgend ist im vorliegenden Fall – in Zusammenschau all der eben beschriebenen Sachverhaltselemente - von einem besonders hohen sowie akuten Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – ehestmöglich erneut fraglos dem Zugriff der Behörde entzogen haben würde. Je weiter dieses Verfahren fortschreitet, desto höher ist auch die Fluchtgefahr anzusetzen. Diese bestand aber schon zweifellos zum Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme.

 

3.4.1. Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses im vorliegenden Fall fraglos überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

3.4.2. Betreffend die vertiefte Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 76 Abs. 2a ist die Feststellung zu treffen, dass weder aufgrund des Alters noch aufgrund des Gesundheitszustandes Sachverhaltselemente bekannt wurden, die an der Verhältnismäßigkeit Zweifel aufkommen lassen würden.

 

3.4.3. Zu den in der Beschwerde ganz allgemein behaupteten Verletzungen von Unionsrecht ist wie folgt auszuführen:

 

Zunächst zum behaupteten Widerspruch zur Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 (Abl L 348/98 ff):

 

Richtig ist, dass nach dem die Haft für Zwecke der Abschiebung behandelnden Art. 15 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie im Fall der Inhaftnahme durch eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich eine gerichtliche Überprüfung vorgesehen wird. Dabei ist aber entgegen der Beschwerdedarstellung nicht bloß auf die amts-

wegige Überprüfung der Schubhaft nach vier Monaten abzustellen. Die RL überlässt es vielmehr dem Mitgliedstaat, die Rechtmäßigkeit entweder nach Haftbeginn innerhalb kurzer Frist gerichtlich überprüfen zu lassen (Abs. 2 lit. a) oder dem Drittstaatsangehörigen das Recht einzuräumen, einen Antrag auf gerichtliche Überprüfung der Haft innerhalb kurzer Frist zu stellen, worüber er auch zu belehren ist (Abs. 2 lit. b).

 

Die Regelung der §§ 82 ff FPG mit dem Recht, die Prüfung der Schubhaft durch den Unabhängigen Verwaltungssenat jederzeit zu beantragen, und die Entscheidungspflicht binnen einer Woche bei aufrechter Anhaltung entspricht daher den Vorgaben der Richtlinie. Eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung hat der Schubhaftbescheid in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten (vgl § 76 Abs. 3 FPG). Die behauptete Verletzung der Rückführungsrichtlinie ist demnach unzutreffend.

 

Was schließlich den behaupteten Widerspruch zur UNHCR-Richtlinie betrifft, ist auf die bereits dargelegten Ausführungen zur Prüfung der Möglichkeit der Verhängung eines gelinderen Mittels weiter unten zu verweisen.

 

3.5. In Anbetracht des besonders hohen Sicherungsbedarfes scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Eine allfällige tägliche Meldepflicht würde das Ziel der Schubhaft nicht haben gewährleisten können, zumal der Bf - wie oben dargestellt – spontan die erstbeste Gelegenheit nutzen würde, um sich den Verfahren zu entziehen, deren kurzfristiges Ergebnis die Abschiebung nach Italien zeitigen würde. Schon in der Vergangenheit bewies der Bf zudem, dass ihm an der Einhaltung fremdenpolizeilicher Normen nicht all zu viel gelegen ist (vgl. seinen Aufenthalt in Italien und die anschließende Reise nach Österreich). Das Entsprechen der Ladung am 19. Februar 2013 muss in diesem Sinn gesehen werden, dass sich der Bf gerade in jener Situation, in der es um die Wahrung seines Parteiengehörs ging, sicher vor weiteren fremdenpolizeilichen Maßnahmen wähnte, was aber nicht bedeutet, dass er in der Folge für die Behörden zur VErfügung stehen würde bzw. gestanden wäre, wenn es um seine Rückführung ginge bzw. gegangen wäre. Im vollen Wissen der für ihn ungünstigen Entwicklungen durch die Zustimmung Italiens und die darauf erfolgten Schritte der österreichischen Behörden, würde eine tägliche Meldepflicht also nicht ausgereicht haben, um ihn zu einer nachhaltigen Mitwirkung zu bewegen.

 

Dies aber hat zur Konsequenz, dass die belangte Behörde die Anwendung eines gelinderen Mittels zurecht ausschloss, wobei anzumerken ist, dass sie dies im angefochtenen Bescheid sehr wohl thematisierte, weshalb der diesbezügliche Vorwurf in der Beschwerde nicht nachvollziehbar scheint.

 

3.6. Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf über keine familiären Kontakte oder Verpflichtungen im Bundesgebiet verfügt.

 

3.7.1. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrecht erhalten werden,  bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs. 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1.       zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2.       vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

3.7.2. Der Bf wird gegenwärtig seit einer Woche in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte Frist bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Es liegen auch keine Umstände vor, die erwarten ließen, dass die Anhaltung noch längere Zeit andauern werde, zumal die Abschiebung des Bf nach der Zustimmung Italiens zur Rückübernahme in naher Zukunft erreichbar scheint.

 

3.7.3. Das Ziel der Schubhaft, die Ausweisung und Abschiebung nach Italien, ist zum Entscheidungszeitpunkt somit absolut zeitnah erreichbar, da aktuell keine Umstände bekannt sind, die gegen die Durchführbarkeit der Rückführung sprechen würden.

 

3.8. Es sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom
22. Februar 2013 als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen war, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von insgesamt 18,20 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

Beachte: 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 2. August 2013, Zl.: 2013/21/0063-6

 

 

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