Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550597/4/Wim/Bu

Linz, 05.04.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Dr. Leopold Wimmer, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über den Antrag der X GmbH, X, vertreten durch X Rechtsanwälte GmbH, X, vom 28.03.2012 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Lieferung von Auftausalz an die Oö. Straßenmeistereien zur Streuung von Verkehrsflächen im Bereich der Oö. Straßenverwaltung" des Landes Oberösterreich (im folgenden Auftraggeber) zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird Folge gegeben und im Vergabeverfahren "Lieferung von Auftausalz an die Oö. Straßenmeistereien zur Streuung von Verkehrsflächen im Bereich der Oö. Straßenverwaltung" die Öffnung der Angebote untersagt und das Vergabeverfahren bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis zum 29. Mai 2012 ausgesetzt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idgF LGBl. Nr. 68/2010.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 28. März 2012, eingebracht per E-Mail um 20:27 Uhr, hat die X GmbH (im folgenden Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung vom einzelnen detailliert angeführten Punkten der Angebots-, Vertragsbestimmungen und der Leistungsbeschreibung in den Ausschreibungsunterlagen der gegenständlichen Vergabe gestellt und beantragt diese aus den Ausschreibungsunterlagen zu streichen. Als Gründe auf welche sich die Rechtswidrigkeit der Ausschreibung stütze wurde angeführt: Keine Beachtung ökologischer Aspekte, diskriminierende Anforderung in den Zuschlagskriterien, Gewährleistungs-, Schadenersatz- und Haftungsbestimmungen sowie in der Leistungsbeschreibung.

Weiters wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren beantragt.

 

Begründend wurde zusammengefasst im Wesentlichen angeführt, dass die Antragstellerin ausschließlich auf Grund diskriminierender Anforderungen hinsichtlich der technischen  Leistungsmerkmale, die offensichtlich auf einen bestimmten Bieter zugeschnitten seien, sowie aufgrund von Bestimmungen in den Ausschreibungsunterlagen, die keine Preisermittlung ohne nicht­kalkulierbares Risiko erlauben würden, keine Möglichkeit der erfolgreichen Teilnahme am gegenständlichen Vergabeverfahren habe. Die Produkte der Antragstellerin seien preislich meist günstiger und ökologischer und dabei technisch zumindest gleichwertig wie die Produkte des bisherigen und offenbar weiterhin bevorzugten Bieters. Sohin müsse die Antragstellerin bei gesetzes- und gemeinschaftsrechtskonformer Durchführung des gegenständlichen Vergabever­fahrens den Zuschlag erhalten bzw. hätte zumindest hervorragende Chancen dazu. Die Antragstellerin habe somit ein erhebliches rechtliches Interesse an der gesetzes- und gemeinschaftsrechtkonformen Durchführung des gegenständlichen Vergabeverfahrens.

 

Der drohende Schaden manifestiere sich insbesondere dadurch, dass die Antrag­stellerin bei einer rechts- und gemeinschaftsrechtskonformen Durchführung bei der zur erwarteten Zuschlagerteilung Umsatzerlöse von ca. 450.000 Euro pro Wintersaison über den Vertragszeitraum erziele und einen wichtigen Referenzauftrag in Österreich erhalten könnte, was ihr aber durch die rechtswidrigen Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen verwehrt sei.

 

Die Antragstellerin sieht sich in ihren subjektiven Rechten verletzt, als befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmerin im Bereich Auftausalz und daher mögliche Bestbieterin an einem Vergabeverfahren des Auftraggebers über Auftausalz erfolgreich teilzunehmen, in dem die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot, die Grundsätze des freien und lauteren Wettbewerbes sowie die Gleichbehandlung aller Bieter beachtet werden und dabei den Zuschlag zu erhalten.

 

 

Als unmittelbar drohender Schaden wurde angeführt, dass ohne Erlass einer einstweiligen Verfügung der Auftraggeber die Angebotsöffnung durchführen könnte und dem gemäß den rechtswidrigen Zuschlagskriterien ermittelten Bestbieter den Zuschlag erteilen und dadurch einen unumkehrbaren Zustand schaffen könnte. Die Antragstellerin würde dabei aufgrund der rechtswidrigen Inhalte der Ausschreibungsunterlagen aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden werden und könne – wenn überhaupt – höchstens nachträglich Schaden­ersatzansprüche gegen den Auftraggeber geltend machen und würde ein wichtiges Referenzprojekt in Österreich verlieren. Eine Interessensabwägung ergäbe ein klares Überwiegen der bei Nichtgewährung des einstweiligen Rechtsschutzes geschädigten Interessen der Antragstellerin. Ein höherwertiges Interesse des Auftraggebers und/oder ein öffentliches Interesse an der sofortigen Fortführung des Vergabeverfahrens bestehe nicht. Die rechtzeitige Versorgung des Auftraggebers mit Auftausalz für den kommenden Winter sei auch bei der zu erwartenden kurzen Verzögerung durch das Nachprüfungsverfahren und die Neudurchführung der Ausschreibung nicht gefährdet.

 

 

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat das Land Oberösterreich als Auftraggeber am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Eine Stellungnahme hinsichtlich der Erlassung der einstweiligen Verfügung langte bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht ein.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen. Das Land Oberösterreich ist ein solcher öffentlicher Auftraggeber und unterliegt daher das gegenständliche Nachprüfungs­verfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungs­senat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 


3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

  

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens­abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftrag­geber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des dis­kriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft den Auftraggeber im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorial­verfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Der Auftraggeber hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, somit ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch den Auftraggeber vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessens­abwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zu­min­dest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

 

 

 

 

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