Linz, 04.03.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geb. X, StA von Deutschland, X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 11. Februar 2013, AZ: 1066869/FRB, mit dem über den Berufungswerber ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt wurde, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als das gegen den Berufungswerber erlassene, auf fünf Jahre befristete Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich auf eine Befristung von zwei Jahren herabgesetzt wird; im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
§ 65 iVm § 67 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2012/87
Entscheidungsgründe:
1.1.1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 11. Februar 2013, AZ: 1066869/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt. Als Rechtsgrundlagen werden § 67 Abs. 1 und 2 sowie § 70 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF. genannt.
Der Bw sei während seines Aufenthalts in Österreich wie folgt verurteilt worden.
Es werde auf die Ausführungen der schriftlichen Urteilsaufertigungen verwiesen, die, um Wiederholungen zu vermeiden, zu integrierten Bestandteilen des Bescheides erhoben würden.
Mit Schreiben vom 21. Jänner 2013 sei dem Bw mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, aufgrund genannter Verurteilungen gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und sei ihm die Gelegenheit gegeben worden, dazu Stellung zu nehmen. Der RSa Brief sei am 22. Jänner 2013 persönlich vom Bw übernommen worden. Da keine entsprechende Stellungnahme binnen der eingeräumten Frist übermittelt worden sei, habe aufgrund der Aktenlage entschieden werden müssen.
1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde ua. aus, dass der Bw wie oben angeführt, rechtskräftig verurteilt worden sei. Der Bw habe diese Straftaten lt. schriftlicher Urteilsausfertigung größtenteils eingestanden.
Die Art und Weise der vom Bw begangenen strafbaren Handlungen lasse seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet als eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit erscheinen.
Im Rahmen der Strafbemessung sei erschwerend gewertet worden:
Der Bw scheine erst seit 14. August 2009 als in Österreich gemeldet auf; dabei habe es sich bei den Meldeadressen bis 14. Dezember 2010 um gewerbliche Beherbergungsbetriebe gehandelt.
Aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass sich viele der strafbaren Handlungen des Bw gegen seine damalige Lebensgefährtin, eine in Österreich lebende deutsche Staatsbürgerin, gerichtet hätten.
Ein Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung ergebe vom 3. August 2009 bis 11. Juni 2010 lediglich kurzzeitige Beschäftigungsverhältnisse bei wechselnden Arbeitgebern.
Der Bw habe zu Österreich nur geringen Bezug und mit der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes werde ein minimaler Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden sein.
All dies rechtfertige die Annahme, dass aufgrund des bisherigen Verhaltens des Bw – im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose – die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation.
Das gegenständliche Aufenthaltsverbot sei daher auch iSd. Art. 8 Abs. 2 EMRK – unter besonderer Berücksichtigung des § 61 Abs. 2 und 3 FPG – erforderlich um das hohe Schutzinteresse des Staates an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung weitere strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter zu wahren.
Unter Beachtung aller bereits oben ausführlich erläuterten Umstände insbesondere der Tatsache, dass der Bw nur geringen Bezug zu Österreich habe, erachte es die BPD Linz als angemessen die Dauer des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes auf 5 Jahre festzusetzen, da erst nach Ablauf dieses Zeitraums erwartet werden könne, dass der Bw sich wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.
Die Einräumung des Durchsetzungsaufschubes von einem Monat diene der Vorbereitung und Organisation der Ausreise und erscheine ausreichend, da der Bw nur geringen Bezug zu Österreich habe und seine Ausreise nur geringfügiger Vorbereitungen bedürfe.
Vordringlicher Zweck der genannten Entscheidungen der Behörde sei es somit, weitere gravierende strafbare Handlungen durch den Bw zu verhindern, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
1.2. Gegen den angefochtenen Bescheid, nachweislich zugestellt am 14. Februar 2013, erhob der Bw rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung, zur Post gegeben am 21. Februar 2013.
In der Berufung führt der Bw ua. aus, dass die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin seit über 4 Jahren bestehe. Sie hätten sich wieder versöhnt, seien in Kontakt und träfen sich regelmäßig. Es bestehe ein gemeinsamer Wohnsitz in X. Seine Lebensgefährtin werde sich mit der Fremdenbehörde in Verbindung setzen und persönlich Auskunft erteilen.
X sei ein entfernter Bekannter von ihm, die Sache sei mit ihm ausgesprochen.
Zu X bestehe kein Kontakt, der Bw werde Geldstrafe und Schmerzensgeld bezahlen, sobald er wieder im Arbeitsverhältnis stehe.
X habe dem Bw und seiner Lebensgefährtin seinen Würstelstand verkaufen wollen, das Geschäft sei nicht zustande gekommen, das sei die Ursache der Probleme gewesen.
Er bedaure die strafrechtlichen Verurteilungen und seine Haftstrafe und werde in Hinkunft diese Probleme vermeiden.
Auf das Schreiben der Behörde vom 21. Jänner 2013 habe er nicht fristgerecht reagiert, weil er in der JA keinen Zugang zur Rechtsberatung gehabt habe und ihm gesagt worden sei, dass die fremdenpolizeiliche Entscheidung bereits positiv ausgefallen gewesen sei, wobei lediglich die Entscheidung über eine Schubhaftverhängung bereits dahingehend getroffen gewesen sei, dass keine Anordnung erfolgen würde.
Die Erteilung eines Aufenthaltsverbotes sei für den Bw und seine Familie ein unzumutbarer Eingriff in sein Privat- und Familienleben das seiner Familie.
Der Bw lebe seit etwa 3 1/2 Jahren in Österreich, vorerst als Leasingarbeiter für eine X Firma, deshalb schienen unterschiedliche Arbeitgeber auf. Seit 2 1/2 Jahren sei er bei der Fa. X in X als Fliesenleger fest angestellt. Diese werde ihn auch weiterbeschäftigen, Rückfragen dort seien jederzeit möglich.
Sein Sohn sei im November 2012 als Lehrling in derselben Firma aufgenommen worden, seither habe dieser seinen festen Wohnsitz ebenfalls in X.
Die Lebensgefährtin des Bw sei deutsche Staatsbürgerin und betreibe selbstständig einen Imbiss in X.
In Deutschland gebe es seit Jahren keinen Wohnsitz mehr und keine familiären Bindungen.
Seine Familienangehörigen und seine Arbeitsstelle seien hier in Österreich, deshalb ersuche der Bw von einem Aufenthaltsverbot abzusehen und beantrage die weitere Aufenthaltsgenehmigung in Österreich.
2.1. Mit Schreiben vom 25. Februar 2013, eingelangt am 26. Februar 2013, wurde der gegenständliche Verwaltungsakt von der Landespolizeidirektion Oberösterreich dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.
2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt
2.2.2. Erhebungen des UVS Oö. ergaben, dass der Sohn des Bw, X geb. X, wh. X bei der vom Bw angegebenen Fa. seit einigen Monaten als Lehrling beschäftigt ist.
Aus einem Telefonat mit der JA X konnte in Erfahrung gebracht werden, dass der voraussichtliche Entlassungstermin aus der JA mit 20. März 2013 festgesetzt ist.
2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da der entscheidungswesentliche Sachverhalt betreffend die verübten Straftaten unwidersprochen feststand und den Ausführungen des Bw zu seinem Privat- und Familienleben volle Glaubwürdigkeit zugemessen wird, was auch durch die vom UVS durchgeführten Erhebungen bestätigt wird. Nachdem sohin bloß die Klärung von Rechtsfragen vorzunehmen war, waren keine weiteren Erhebungen mehr erforderlich.
2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.2., 1.2. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.
2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
3.1.2. Beim Bw handelt es sich um einen deutschen Staatsangehörigen, der von seiner unionsrechtlich eingeräumten Freizügigkeit Gebrauch machte, indem er nach Österreich einreiste, also grundsätzlich um eine Person des in den § 65 in Verbindung mit § 67 Abs. 1 FPG erster Satz angesprochenen Adressatenkreises. Nachdem sich der Bw nicht schon seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufhält bzw. aufgehalten hat (er hält sich gegenwärtig seit über 3 Jahren hier auf), kommt § 67 Abs. 1 vorletzter Satz FPG nicht zur Anwendung.
3.2.1. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich, gegenwärtig und erheblich zu gefährden.
Bei Interpretation des unbestimmten Gesetzesbegriffs "tatsächlich" ist festzuhalten, dass darunter sowohl eine nach Intensität als auch Konkretheit vorliegende Wirksamkeit angesprochen wird. Als Synonym bzw. Deskription von tatsächlich könnte demnach auch "wirksam feststellbar", im Umkehrschluss: nicht fiktiv oder potentiell, verstanden werden.
Zum Vorliegen des Tatbestandselements der Gegenwärtigkeit bedarf es eines Sachverhalts, dessen Wirkungen nicht schon in der Vergangenheit erschöpft, sondern auch zumindest in die Gegenwart reichend anzusehen sind. Dies impliziert jedoch auch die Beurteilung einer aus Sicht des gegenwärtigen Augenblicks erstellten Zukunftsprognose.
"Erheblich" wiederum bedeutet in etymologischer Herleitung: "Schwer genug, um die Waagschale zu heben". Ursprünglich aus dem Rechtsbegriff Relevanz abgeleitet, übersteigt "erheblich" in der Gemeinsprache den Ursprungsbegriff der Intensität nach.
Die eben dargestellten Tatbestandselemente müssen zur Rechtfertigung eines Aufenthaltsverbotes kumulativ gegeben sein.
3.2.2.1. Der Bw wurde in Österreich bislang wie folgt verurteilt:
3.2.2.2. Maßgeblich ist dabei aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird bzw., ob die oa. Tatbestandselemente gegeben sind.
3.2.3.1. Es erfordert zweifelsfrei ein hohes Maß an krimineller Energie vielfach durch gefährliche Drohung und auch tatsächliche Körperverletzungen andere Personen zu beeinträchtigen. Besonders auffällig sind hier zum Einen das konstante Auftreten der Ausbrüche des Bw und zum anderen, die als relativ unbedeutend einzustufenden Anlässe, bei denen sich die Aggressivität des Bw Bahn brach. Auch einschlägige Verurteilungen konnten den Bw nicht dazu bewegen, seine Beherrschung zu behalten. Wie sich aus den Urteilen ergibt, zeigte sich der Bw regelmäßig geständig, unterhält zu der von ihm tangierten Lebensgefährtin wiederum eine versöhnte Beziehung; allein, dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bw offenbar nicht in der Lage ist, seine Aggressivität entsprechend unter Kontrolle zu bringen.
Dass in dem vom Bw an den Tag gelegten Verhalten eine tatsächliche und erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit – insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Integrität und der Gesundheit anderer Personen – zu sehen ist, bedarf wohl keiner weiteren Bemerkungen.
Aber auch die Gegenwärtigkeit ist gegeben, da die letzten Vorkommnisse erst wenige Monate zurückliegen, der Bw sich seither in Strafhaft befindet und er auf einen offensichtlich langen Zeitraum seiner aggressiven Ausbrüche zurückblicken kann, in dem es ihm nicht gelang eine Verbesserung herbeizuführen. Gerade in seinem privaten Umfeld ereigneten sich viele der Delikte, weshalb auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin bzw. die Beziehung zu seinem nunmehr in Österreich lebenden Sohn ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen wird abhalten können.
Es ist sohin dem Bw keine günstige Zukunftsprognose auszustellen.
3.2.3.2. Grundsätzlich werden somit vom Bw die in § 67 Abs. 1 FPG normierten Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erfüllt. Es gilt in diesem Zusammenhang jedoch immer auch, im Sinne einer Interessensabwägung auf das durch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme betroffene Privat- und Familienleben des Fremden in Österreich Bedacht zu nehmen.
3.3.1.1. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
3.3.1.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.
3.3.2. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.
Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit effektiv zu begegnen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse äußerst hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.
3.3.3. Im gegenständlichen Fall ist hinsichtlich eines schützenswerten Privat- und Familienlebens des Bw in Österreich festzuhalten, dass er mit seiner Lebensgefährtin (einer deutschen Staatsangehörigen) nach seiner Entlassung aus der Strafhaft Ende März 2013 wieder in gemeinsamem Haushalt zu leben beabsichtigt, weshalb das Familienleben des Bw betroffen ist. Sein Sohn, der im November 2012 nach Österreich kam, lebt nicht in gemeinsamen Haushalt mit dem Bw und ist überdies volljährig. Nachdem er aber wegen seines Vaters den Ortswechsel vornahm und in der selben Firma beschäftigt ist, wird auch auf seine Interessen einzugehen sein (vgl. § 61 ABs. 3 FPG).
3.3.4.1. Der Bw hält sich seit gut 3,5 Jahren im Bundesgebiet auf; dies auch rechtmäßig.
3.3.4.2. Er kann durchaus als beruflich integriert angesehen werden, zumal er auch nach seiner Entlassung im März 2013 eine Beschäftigung bei seinem bisherigen Arbeitgeber vorfinden wird. Somit ist grundsätzlich auch die Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben. Gemessen an der Aufenthaltsdauer und den nicht vorhandenen sprachlichen Barrieren, wird von einer durchschnittlichen sozialen Integrationsverfestigung auszugehen sein.
3.3.4.3. Der Bw hat den überwiegenden Teil seines Lebens in Deutschland verbracht, weshalb er dort naturgemäß in jeglicher Hinsicht sozialisiert gelten kann. Zudem liegen keine Gründe vor, weshalb dem Bw eine berufliche Reintegration z. B. in seiner Heimat nicht gelingen könnte.
Gegen eine Rückführung sprächen zum Einen die in Österreich nunmehr wieder aufrechte Beziehung zu seiner Lebensgefährtin, einer deutschen Staatsangehörigen (deren Interessen nach § 61 Abs. 3 FPG zu berücksichtigen sind), und zum Anderen der Umstand, dass sein – allerdings volljähriger Sohn (ebenfalls ein deutscher Staatsangehöriger) im November des letzten Jahres seinem Vater nach Österreich gefolgt war, um sich hier niederzulassen und eine Lehre zu absolvieren. Letzterer Umstand kann in die Erörterung nur schwach einfließen, da der volljährige Sohn bislang schon nicht mit dem Bw in gemeinsamem Haushalt lebte und schon beinahe zeitgleich mit seiner Übersiedelung nach Österreich hier auf eigene Beine gestellt ist, da der Vater in Strafhaft angehalten wird.
Weiters erscheint es der Lebensgefährtin wie auch dem Bw zumutbar, die Beziehung zeitweilig über eine entsprechende Entfernung bzw. mittels Besuche der Lebensgefährtin in Deutschland (ihrem Heimatland) aufrechtzuerhalten. Zudem darf auf die Möglichkeiten der modernen Kommunikationsmittel verwiesen werden.
Die Rückkehr des Bw nach Deutschland (oder in einen anderen EU-Staat) scheint insgesamt gesehen also ihm selbst als auch seiner Lebensgefährtin und dem Sohn zumutbar.
Das Familien- und Privatleben des Bw scheint zudem nicht überdurchschnittlich schutzwürdig.
3.3.4.4. Zu den verschiedenen strafrechtlichen Verurteilungen darf auf das Vorgesagte verwiesen werden. Diese wiegen jedenfalls in der Gesamtbeurteilung erheblich.
3.3.4.5. Das Familien- und Privatleben des Bw entstand nicht erst während unsicheren Aufenthalts. Besondere Verzögerungen bei Verfahren von Seiten der Behörden sind nicht feststellbar.
3.3.4.6. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass ein Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Verhängung der Maßnahme gegenüber den persönlichen Interessen des Bw (und der Angehörigen) am Verbleib im Bundesgebiet konstatiert werden muss, wobei beide Interessenssphären als durchaus ausgeprägt erkannt werden.
Da somit auch aus Sicht des Art. 8 EMRK bzw. des § 61 FPG nichts gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw spricht, ist abschließend die fünfjährige Befristung des von der belangten Behörde erlassenen Aufenthaltsverbotes zu prüfen.
3.5.1. Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes sind als maximaler Rahmen nach § 67 Abs. 2 FPG zehn Jahre vorgesehen.
Aus immanent zu berücksichtigenden gemeinschaftsrechtlichen Überlegungen und der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist eine Beschränkung der Grundfreiheiten von Unionsbürgern oder begünstigten Drittstaatsangehörigen jedenfalls möglichst maß- und zurückhaltend vorzunehmen.
3.5.2. Der im gegenständlichen Fall vom Fremdenpolizeigesetzgeber in § 67 Abs. 2 FPG vorgesehene Rahmen für eine Befristung eines zu erlassenden Aufenthaltsverbotes auf maximal zehn Jahre schließt unter anderem Straftaten mit ein, für deren Begehung ein Fremder mit einer unbedingten Freiheitsstrafe bis einschließlich fünf Jahren verurteilt wurde (§ 67 Abs. 3 Z 1 FPG e contrario).
Der Bw wurde zuletzt "lediglich" zu 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Wenn auch nicht verkannt wird, dass er schon über eine Reihe von einschlägigen Vorstrafen verfügt, ist dennoch festzustellen, dass diese zu keinen unbedingten längeren Haftstrafen führten. In diesem Sinn hält das erkennende Mitglied des UVS des Landes Oberösterreich einen Zeitraum von 2 Jahren für angemessen, um dem Bw die Möglichkeit zu geben, den von ihm beteuerten Gesinnungswandel entsprechend unter Beweis zu stellen.
In diesem Punkt war also zugunsten des Bw vom angefochtenen Bescheid abzuweichen.
3.6. Hinsichtlich des erteilten Durchsetzungsaufschubes bedarf es keiner weiteren Erörterungen, zumal sich dieser schon aus dem Gesetz ergibt und der Bw diesen Punkt auch nicht beeinsprucht.
3.7. Es war daher im Ergebnis der Berufung hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes stattzugeben, diese auf zwei Jahre herabzusetzen und im Übrigen der angefochtene Bescheid zu bestätigen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.
Bernhard Pree
Beachte:
Vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.
VwGH vom 2. August 2013, Zl.: 2013/21/0066-7