Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-103595/12/BI/FB

Linz, 03.12.1997

VwSen-103595/12/BI/FB Linz, am 3. Dezember 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger im Grunde des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1997, B 2443-9, über die Berufung des Herrn J S, A, L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, S, M, vom 29. Februar 1996 gegen die mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 8. Februar 1996, VerkR96-13452-1995-Shw, im Punkt 1. wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 verhängte Strafe neuerlich zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und die im Punkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses verhängte Strafe wird bestätigt.

Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zum Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz den Betrag von 1.800 S als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 19 und 20 VStG, §§ 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 idF BGBl.Nr. 518/94. zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. hat im Punkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 9.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 9 Tagen verhängt, sowie einen Verfahrenskostenbeitrag von 900 S vorgeschrieben.

2. Gegen die Höhe der Strafe hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet und eine mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG). 3. Der Rechtsmittelwerber begründet seine Berufung damit, er sei zum Unfallzeitpunkt erst 17 Jahre alt gewesen und sei Maurerlehrling im 3. Lehrjahr. Er sei seit 9. Februar 1995 im Besitz einer Lenkerberechtigung und bis zum gegenständlichen Verkehrsunfall verwaltungsstrafrechtlich unauffällig gewesen. Er habe sich ernstlich um Schadenswiedergutmachung bemüht und bereits vor der Gendarmerie ein reumütiges Geständnis hinsichtlich des Verschuldens am Verkehrsunfall abgelegt. Er beantrage daher die Anwendung des § 20 VStG, zumal die aufgezeigten Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen und er Jugendlicher sei. Es seien somit mehrere Aspekte gegeben, die die Anwendung des § 20 VStG rechtfertigten. Normzweck sei, daß eine Geldstrafe einen Jugendlichen mit niedrigem Einkommen ungleich schwerer treffen würde, als einen mitten im Berufsleben stehenden Beschuldigten mit höherem Einkommen. Durch die außerordentliche Strafmilderung werde erreicht, daß die vom Gesetzgeber vorgesehene Mindeststrafe dem finanziellen Leistungsvermögen eines Jugendlichen angeglichen werde. Die Rechtsnorm des § 100 Abs.5 StVO 1960 widerspreche dem Gleichheitsgebot ebenso wie auch dem verfolgten Strafzweck. Er beantrage daher, in Anwendung des § 20 VStG die Geldstrafe auf 4.000 S herabzusetzen, in eventu die Strafe auf 8.000 S zu reduzieren.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Daraus geht hervor, daß der am 4. Mai 1978 geborene Rechtsmittelwerber am 15. Oktober 1995 ein Kleinmotorrad auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall verursacht hat, bei dem er selbst verletzt wurde (lt. Anzeige Bruch eines Fingers, Knieprellung, Gehirnerschütterung). Trotz deutlicher Alkoholisierungssymptome hat er der Aufforderung des besonders geschulten und für solche Amtshandlungen behördlich ermächtigten Meldungslegers, eine Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt durchführen zu lassen, nicht Folge geleistet.

Er hat im Verwaltungsstrafverfahren zunächst bestritten, dem Gendarmeriebeamten gegenüber den Alkotest verweigert zu haben, und ausgeführt, er könne sich daran nicht erinnern, weil er "unter Schock gestanden" sei. Erst nach Einvernahme des Arztes, der ihm nach dem Unfall Erste Hilfe geleistet hat, und des Meldungslegers über seinen Zustand nach dem Verkehrsunfall, den beide als voll orientiert und dispositionsfähig beschrieben haben, hat der Rechtsmittelwerber seine Verantwortung geändert und sich schuldig bekannt.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat folgendes erwogen: Gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO idF der 19. StVO-Novelle, die mit 1. Oktober 1994 in Kraft getreten und daher im gegenständlichen Fall anzuwenden ist, begeht ua eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 9. Oktober 1997, G 216/96, die Zahl "20," in § 100 Abs.5 StVO 1960, BGBl.Nr. 159 idFd 19. StVO-Novelle, BGBl.Nr. 518/94, weil im Widerspruch zum Gleichheitssatz stehend, als verfassungswidrig aufgehoben. Mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1997, B 2443/96-9, hat der Verfassungsgerichtshof das Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates vom 1. Juli 1996, VwSen-103595/2/Bi/Fb, mit der Begründung aufgehoben, der Beschwerdeführer sei wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden, wobei offenkundig sei, daß diese Gesetzesanwendung für ihn nachteilig gewesen sei. Der unabhängige Verwaltungssenat ist an dieses Erkenntnis insofern gebunden, als er das Vorliegen der im § 20 VStG genannten Voraussetzungen bei der neuerlich vorzunehmenden Strafbemessung zu prüfen hat.

Gemäß § 20 VStG kann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist, die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.

Der Rechtsmittelwerber ist am 4. Mai 1978 geboren, befand sich demnach am Vorfallstag, dem 15. Oktober 1995, im 18. Lebensjahr und war daher als Jugendlicher anzusehen, dem die Bestimmung des § 20 VStG ohne Abwägung von Milderungs- oder Erschwerungsgründen zugutekommt. Es war daher gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO iVm § 20 VStG von einem Strafrahmen von 4.000 S bis 50.000 S Geldstrafe bzw im Nichteinbringungsfall von 84 Stunden bis 6 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe auszugehen.

Im gegenständlichen Fall hat die Erstinstanz ihren Überlegungen zur Strafbemessung unwidersprochen ein Nettomonatseinkommen des Rechtsmittelwerbers von ca 10.000 S und das Nichtbestehen von Vermögen und Sorgepflichten zugrundegelegt. Gegenteiliges wurde auch bisher nicht behauptet, sodaß diese Schätzung auch der Berufungsentscheidung zugrundegelegt wird. Die Erstinstanz ist zutreffend von der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit ausgegangen, jedoch wurde gerade bei der Übertretung gemäß §§ 99 Abs.1 iVm 5 Abs.2 StVO 1960 das Vorliegen eines Geständnisses als Milderungsgrund ausgeschlossen. Diesen Überlegungen ist seitens des unabhängigen Verwaltungssenates nichts entgegenzusetzen, zumal das "Geständnis", dh das Zugeben des Tatsächlichen, erst erfolgte, als für eine stichhaltige Gegenargumentation kein Raum mehr blieb. Mildernd war die beim Verkehrsunfall erlittene eigene Verletzung zu werten; dem Argument der Schadenswiedergutmachung bleibt der Erfolg jedoch insofern versagt, als die Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung unabhängig von der Verursachung des Verkehrsunfalles erfolgte und durch die Weigerung, sich dem Atemtest zu unterziehen, für den Unfallgegner kein Schaden entstanden ist, der wiedergutzumachen wäre. Zum Milderungsgrund der Unbescholtenheit ist zu sagen, daß diese bei einem 17jährigen, der erst 8 Monate vorher die Ausbildung für den Erwerb der Lenkerberechtigung der Gruppen A und F, zu der auch die Alkoholbestimmungen gehören, abgeschlossen hat, nicht als gewichtig anzusehen ist. Außerdem wurde seitens der Erstinstanz mitgeteilt, daß der Rechtsmittelwerber im Jahr 1996 erneut in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (der Alkotest ergab einen Wert von 1,01 mg/l AAG) an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden beteiligt war und ihm die Lenkerberechtigung entzogen wurde. Daraus folgt für den unabhängigen Verwaltungssenat, daß der Rechtsmittelwerber offensichtlich nicht gewillt ist, seine Einstellung zu Alkohol im Straßenverkehr grundlegend zu überdenken, sodaß schon aus spezialpräventiven Gründen mit einer (relativ) höheren Geldstrafe vorzugehen war.

Die verhängte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG sowohl dem erheblichen Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, als auch ist sie den oben genannten finanziellen Verhältnissen des Beschuldigten angemessen. Sie liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, hält auch generalpräventiven Überlegungen stand und ist sogar geboten, um den Rechtsmittelwerber in Hinkunft zur genauesten Beachtung der Alkoholbestimmungen anzuhalten. Eine Herabsetzung war daher nicht gerechtfertigt. Es steht ihm frei, mit der Erstinstanz eine Ratenvereinbarung zu treffen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung: Mildernd war Unbescholtenheit und eigene Verletzung, Unbescholtenheit wiegt bei 17jährigen, der erst 8 Monate Lenkerberechtigung für Gruppe A und F hat, nicht schwer; außerdem nach Vorfall neuerlich Unfall mit Personenschaden und 1,01 mg/l AAG und Führerscheinentzug, daher trotz § 20 VstG keine Herabsetzung der Strafe (9.000 S / 9 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) aus spezialpräventiven Gründen bei Einkommen von 10.000 S ohne Sorgepflichten.

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum