Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301137/2 /AL/TK

Linz, 12.03.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Grof; Berichter: Dr. Lukas; Beisitzer: Dr. Weiß) über die Berufung des A S, geb. X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P R, K, I, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 6. Dezember 2011, Zl. S-48.689/11-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Glücksspielgesetz zu Recht erkannt:

 

I.             Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II.          Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz (nunmehr: Landespolizeidirektion Oberösterreich; im Folgenden: belangte Behörde) vom 6. Dezember 2011, S-48.689/11-2, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) für schuldig erkannt, er habe es, wie am 19. September 2011 um 9:34 Uhr in L, W S, im Lokal "W" von Organen des Finanzamtes Linz festgestellt wurde, als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma F GmbH, A, L, in der Funktion als Veranstalter von Glücksspielen zu verantworten, dass gegen die Mitwirkungspflicht gem. § 50 Abs 4 GSpG verstoßen wurde, da er den Organen des Finanzamtes Linz trotz ausdrücklichem Ersuchen keinen Einblick in die geführten Aufzeichnungen gewährt habe, indem die Schlüssel für die Gerätebuchhaltung nicht herausgegeben worden seien.

 

Als verletzte Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde § 9 Abs 1 VStG iVm § 50 Abs 4 Satz 2 GSpG iVm § 52 Abs 1 Z 5 GSpG an, verhängte über den Bw eine Geldstrafe in Höhe von 3.500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) und verpflichtete ihn zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz in Höhe von 10 % der Geldstrafe.

 

1.2. Zum Sachverhalt stellte die belangte Behörde fest, dass zum Tatzeitpunkt von Organen des Finanzamtes Linz im Lokal "W", W S , in L eine Glücksspielkontrolle durchgeführt worden sei. Als Betreiber dieser Glücksspiele sei die F GmbH anzusehen, als dessen handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bw fungiere, welcher aber bei der Kontrolle nicht anwesend gewesen sei. Bei dieser Kontrolle habe die Finanzpolizei X betriebsbereite Geräte eingeschaltet vorgefunden. Die Organe des Finanzamtes Linz hätten sodann die im Lokal anwesende Angestellte mehrmals aufgefordert, die Schlüssel für die 10 Geräte zur Verfügung zu stellen, um in die Gerätebuchhaltung Einsicht nehmen zu können. Die Angestellte habe angegeben, keine Schlüssel für die Geräte zu besitzen.

 

Im Lokal hätten sich weiters zwei Spieler befunden, die in der an Ort und Stelle aufgenommenen Niederschrift angegeben hätten, dass die Kellnerin immer das Geld aus der Geldlade des Automaten entnehme, da sie einen Schlüssel besitze. Die Gewinne würden von der anwesenden Angestellten ausbezahlt. Sie habe einen Schlüssel, mit dem sie die Automaten auf Null stellen könne.

 

Nach Vorhalt dieser Aussage habe die Angestellte angegeben, im Besitz der Schlüssel zu sein und auch Gewinne auszubezahlen. Da sie aber auf die Arbeit angewiesen sei, könne sie die Schlüssel nicht ausfolgen.

 

Aufgefordert zur Rechtfertigung habe der Bw mit Schriftsatz vom 15.11.2011 angegeben, dass es einen Schlüssel für die Gerätebuchhaltung nicht gebe, daher könne ein derartiger Schlüssel auch nicht herausgegeben werden. Die Aufzeichnungen wären in der Buchhaltung und die genannte Angestellte sei nicht berechtigt, derartige Aufzeichungen herauszugeben; abgesehen davon befänden sich diese gar nicht im Lokal.

 

1.3. In rechtlicher Hinsicht wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass unbestritten feststehe, dass es sich bei den vorgefundenen Gerätschaften um betriebsbereite und eingeschaltete Glücksspielgeräte handle. Zudem sei ersichtlich, dass der Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer der F GmbH, welche als Veranstalter und Betreiber anzusehen sei, gemäß § 9 VStG verantwortlich sei. Die zuvor erwähnte Angestellte stehe in einem Angestelltenverhältnis zu dem Bw.

 

Nach Bewertung des § 50 Abs. 4 GSpG als Ungehorsamsdelikt führt die belangte Behörde aus, dass vor diesem Hintergrund das verantwortliche Organ – der Bw – dann strafbar sei, wenn er nicht genügend Verkehrungen getroffen habe, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. Es liege daher eine Unterlassung dem Vorwurf zugrunde. Bei Erfüllung des objektiven Tatbildes habe der verwaltungsstrafrechtliche Verantwortliche glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe. Solange dies nicht der Fall sei, habe die Behörde anzunehmen, dass der Verstoß bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können. Es sei daher Sache des Bw, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe. Im gegenständlichen Fall habe der Bw keine Vorkehrungen getroffen, sondern ganz im Gegenteil habe er offenbar Anweisung an das Personal verteilt, Schlüssel für die Geräte (in denen sich die Gerätebuchhaltung befände) nicht an die Kontrollorgane auszufolgen.

Mit dieser Argumentation sei es dem Bw nicht gelungen, darzulegen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

 

Abschließend führt die belangte Behörde zur Strafzumessung aus, dass der Bw Unbescholtenheit nicht geltend machen könne und die Tat unrechts- und schuldangemessen sei. Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse werden von der belangten Behörde in der Form angenommen, als keine Sorgepflichten, kein Vermögen und 1.000 Euro netto Monatsverdienst als gegeben angenommen werden könnten.

 

 

2.1. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 12. Dezember 2011, richtet sich die rechtzeitige Berufung welche am 23. Dezember 2011 per Fax übermittelt wurde.

 

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beamten des Finanzamtes Linz die Geräte überprüft, Spielbeschreibungen im Gerät eingesehen und die Aufzeichnungen dokumentiert hätten.

 

Die belangte Behörde habe nicht dargelegt, worin die vorgeworfene Verletzung der Mitwirkungspflicht gelegen sei. Zudem sei aus dem Gesetz nicht ersichtlich, woraus die Pflicht der Hingabe von Spielgeld abgeleitet werde.

 

Weiters sei die Durchführung von Testspielen tatsächlich durchgeführt worden, ohne dass es der Bw jemals verhindert hätte oder verhindern hätte wollen. Die Spielbeschreibung liege nicht auf, sondern befände sich im Gerät, die Organe des Finanzamtes hätten diese, sofern sie die entsprechende Informationstaste gedrückt hätten, auch eingesehen. Eine nähere Präzisierung der Verletzung der Auskunftspflicht sei nicht vorgenommen worden.

 

Auch sei zu erkennen dass die "notwendigen" Auskünfte nicht auch jene seien, in irgendwelche Unterlagen Einsicht zu nehmen, da die Überprüfung nach dem GSpG darauf zu beschränken sei, dass überprüft werde, ob eine verbotene Ausspielung vorliege oder nicht. Was konkret solche Unterlagen mit dem Durchführen einer verbotenen Ausspielung zu tun hätten, bleibe unerfindlich; auch die Fragestellung der kontrollierenden Beamten sei gar nicht darauf gerichtet gewesen, eine entsprechende Auskunft zur Überprüfung des Vorliegens einer verbotenen Ausspielung festzustellen.

 

Zudem seien die Rechtsausführungen der belangten Behörde zum Selbstbezichtigungsverbot nicht zutreffend. Bereits im Falle der Feststellung, dass verbotene Ausspielungen durchgeführt werden, habe der Bw das Recht, sich nicht selbst zu bezichtigen. Werde der Bw beispielsweise gefragt, ob er Gewinne in Aussicht stelle, müsse er diese Frage nicht beantworten. Dasselbe gelte für die Frage, ob auf den Geräten Glücksspiele stattfänden. Dies alles betreffe schon den Bereich des verfassungsrechtlich verankerten Selbstbezichtigungsverbotes und könne durch eine einfachgesetzliche Mitwirkungspflicht nicht ausgehebelt werden.

 

Der Bw beantragt daher sinngemäß, der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben. Ausdrücklich beantragt der Bw auch die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der sämtliche bei der Kontrolle anwesenden Personen als Zeugen zu laden seien.

 

2.2. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 28. Dezember 2011 die Berufung und ihren Bezug habenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung macht die belangte Behörde aus Plausibilitätsgründen nicht Gebrauch.

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien). Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Gemäß § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde – durch eine Kammer zu entscheiden.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz, BGBl 620/1989 in der zur Tatzeit geltenden Fassung BGBl I 76/2011 (in der Folge: GSpG) sind für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß § 51 Abs 1 VStG zuständig. Nach § 27 VStG ist im vorliegenden Fall auch die örtliche Zuständigkeit als gegeben anzunehmen.

 

4.2. Gemäß § 50 Abs 4 GSpG in der damals geltenden Fassung – die Novellierung dieser Bestimmung durch das Bundesgesetz BGBl I 112/2012 war auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden – sind die Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG und die im § 50 Abs 2 und 3 leg.cit. genannten Organe zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter, Anbieter und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs 3 GSpG) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren.

 

Gemäß § 52 Abs 1 Z 5 GSpG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen, wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs 3 GSpG vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs 6 GSpG oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verstößt.

 

Gemäß § 52 Abs 5 GSpG beträgt die Verjährungsfrist (§ 31 Abs 2 VStG) für Verwaltungsübertretungen gemäß § 52 Abs 1 GSpG ein Jahr.

 

4.3. § 50 Abs 4 GSpG normiert eine "umfassende" Mitwirkungs- und Duldungspflicht, welche sich an verschiedene Adressaten richtet. Im Grunde soll diese Mitwirkungs- und Duldungspflicht die Effizienz der Kontrolle im Rahmen des GSpG steigern (vgl grundlegend EBRV 658 BlgNR 24. GP, 3) und zur Gewinnung der notwendigen Informationen zur Durchführung der Überwachungsaufgaben im Rahmen des GSpG führen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist (vgl dazu § 50 Abs 4 1. Satz GSpG).

 

Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung wird eine erste Grenze der Duldungs- und Mitwirkungspflicht ersichtlich. Diese Pflichten erstrecken sich nur auf den Bereich der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG. Liegt hingegen der Verdacht – welcher im Kern des Begriffes notwendig ein begründeter, d.h. auf Tatsachen zurückzuführender, ist (siehe zum retrospektiv diagnostischen Element des Verdachtsbegriffes im Rahmen der abduktiven Entdeckung und Bewertung von Hypothesen Schulz, Normiertes Misstrauen, 224 ff, 312 ff und 528 f) – auf einen Verstoß gegen das GSpG vor, so endet der Anwendungsbereich der Duldungs- und Mitwirkungspflicht. Denn ab diesem Zeitpunkt handelt es sich nicht mehr um die Durchführung von Überwachungsaufgaben zum Zwecke (arg.: "erforderlich") der Einhaltung des GSpG, sondern zum Zwecke der Tataufklärung und Ermittlung wegen eines angenommenen Verstoßes gegen das GSpG.

 

Diese Auslegung korreliert jedenfalls betreffend die Mitwirkungspflicht in den überwiegenden Fallkonstellationen mit den Vorgaben des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips "nemo tenetur se ipsum accusare", nach dem der Gesetzgeber keine Regelung treffen darf, die eine im Verdacht einer strafbaren Handlung stehende Person verpflichtet, Beweise gegen sich selbst zu liefern (dazu mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 786).

 

Ganz in diesem Sinne verstößt auch nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes die Pflicht des Beschuldigten, seine Unschuld nachzuweisen, gegen die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK; zudem ist nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung aus dem Anklageprinzip nach Art. 90 Abs. 2 B-VG abzuleiten, dass der Beschuldigte nicht gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten und insbesondere auch nicht zu einer aktiven Mitwirkung an der Beweiserhebung gegen ihn (vgl. mwN aus Rechtsprechung und Lehre Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht9 Rz 885).

 

Darüber hinaus ist aus dem Wortlaut des § 50 Abs. 4 GSpG abzuleiten, dass die Duldungs- und Mitwirkungspflicht nicht nur ad personam (hinsichtlich einer konkret beschuldigten Person) durch die Anwendbarkeit des Selbstbezichtigungsverbotes begrenzt ist, sondern dass das Entstehen der Verdachtslage auch generell die maßgebliche Zäsur für den Anwendungsbereich der Verpflichtung nach § 50 Abs. 4 GSpG darstellt.

 

Ist somit aus der objektiven Sichtweise ex ante eine Verdachtslage auf einen Verstoß gegen das Glücksspielgesetz gegeben, so endet zumindest die Mitwirkungspflicht mit diesem Zeitpunkt (siehe zur vorzunehmenden Art der Abgrenzung in ähnlichen Konstellationen Lienbacher, Ist staatsanwaltliches Handeln ein zulässiger Kontrollgegenstand, in Lienbacher/Wielinger, Jahrbuch Öffentliches Recht 2010, 73 f). Denn es geht dann nicht mehr nur um die Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben zur Kontrolle der Einhaltung des Glücksspielgesetzes, sondern um strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen im Hinblick auf einen Verstoß.

 

Selbst wenn man im bloßen Einschreiten von Hilfsorganen – deren Verhalten der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde zuzurechnen ist – der öffentlichen Aufsicht (Finanzpolizei) noch keinen formalen Beginn eines Strafverfahrens im Sinne des § 32 VStG (arg. noch keine behördliche Verfolgungshandlung) erkennen sollte, vermöge dies am oben dargelegten, verfassungsrechtlich gebotenen Interpretationsergebnis, das nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs aus der materiellen Bedeutung des Anklageprinzips nach Art 90 Abs 2 B-VG folgt und daher auch im Verwaltungsstrafverfahren gilt (vgl mN Mayer, B-VG4 [2007] Art 90 B-VG Anm III), sachlich nichts zu ändern. Es liegt auf der Hand, dass das bloße Abstellen auf behördliche Verfolgungshandlungen und ein Ausblenden des Verfolgungsverhaltens von Hilfsorganen nur ein der Aushöhlung und Umgehung dienender Formalismus wäre, der dem Wesensgehalt des verfassungsrechtlichen Selbstbezichtigungsverbots und der Unschuldvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK diametral zuwiderliefe.

 

Vor diesem Hintergrund ist nun aus der Zusammenschau des Akteninhalts, insbesondere der Anzeige der Finanzpolizei samt der aufgenommenen Niederschrift mit ihren offenkundig dem Ziel der strafrechtlichen Aufklärung (Strafverfolgung) dienenden Fragen und Formulierungen (zB "Eingriffsgeräte"), und aus dem Umstand, dass in Oberösterreich auch das kleine Glücksspiel immer verboten war (weshalb keine Übergangsfristen gemäß § 60 Abs 25 GSpG in Betracht kommen) zu erkennen, dass für das Einschreiten der Finanzpolizei im gegenständlichen Fall der Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen der Strafbestimmung des § 52 GSpG im Vordergrund stand. So wurden laut Feststellungen der Finanzpolizei beim Eintreffen im Lokal 10 Geräte betriebsbereit und eingeschaltet vorgefunden. Schon in diesem Zeitpunkt lag die oben beschriebene Verdachtslage vor und endete bei verfassungskonformer Auslegung die Mitwirkungspflicht gemäß dem § 50 Abs 4 GSpG. Mangels einer Mitwirkungspflicht an der Strafverfolgung und Aufklärung von Delikten war auch keine mit Strafe bedrohte Handlung möglich.

 

Die Bestrafung des Bw erfolgte damit nicht zu Recht.

 

4.4. Weiters ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG die Tat so weit zu konkretisieren, dass diese erstens nach Tatort und Tatzeit unverwechselbar feststeht sowie zweitens eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und damit auch die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985); im Spruch sind daher alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind.

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhalten nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine Umschreibung der Tat bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, Zl. 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, Zl. 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, Zl. 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Spruchgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, Zl. 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, Zl. 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, Zl. 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, Zl. 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, Zl. 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, Zl. 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, Zl. 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, Zl. 97/06/0170).

 

4.5.1. Die Bestimmung des § 50 Abs 4 GSpG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung verpflichtet verschiedene Adressaten, nämlich Veranstalter und Anbieter von Glücksspielen und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, unmittelbar zur Mitwirkung. Zu diesen Varianten unmittelbarer Täterschaft kann jeweils eine Beteiligungssituation hinzutreten. Beispielsweise ist denkbar, dass der Veranstalter oder Anbieter von Glücksspielen dazu beiträgt oder anstiftet, dass eine bereithaltende Person der Mitwirkungspflicht nicht nachkommt. Weiters ist zu bedenken, dass – wie es im gegenständlichen Fall gegeben ist – eine juristische Person als Veranstalter bzw Anbieter in Frage kommt und wiederum ein außenvertretungsbefugtes Organ (zB der Geschäftsführer) im Rahmen des § 9 VStG verantwortlich ist. In diesem Zusammenhang haftet das außenvertretungsbefugte Organ wiederum in zwei Varianten. Entweder setzt das Organ selbst in zurechenbarer Weise ein rechtswidriges Verhalten für die juristische Person oder das außenvertretungsbefugte Organ muss sich ein rechtswidriges Verhalten von Mitarbeitern als Organisationsverschulden zurechnen lassen.

 

Da nun die Art der Täterschaft einer Verwaltungsübertretung nach dem § 50 Abs 4 iVm § 52 Abs 1 Z 5 GSpG in vielen Erscheinungsformen möglich ist, hat im Spruch des Straferkenntnisses eine genaue Aus- und Anführung zur Täterschaft und Beteiligung iSd § 7 VStG zu erfolgen, um dem Beschuldigten eine entsprechende Verteidigung zu ermöglichen. Erfolgt diese Differenzierung und Konkretisierung nicht, so ist der Spruch des Straferkenntnisses nicht iSd Anforderungen nach § 44a Z 1 VStG bestimmt und unverwechselbar und daher mit Rechtswidrigkeit behaftet. So hat beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof zur Beteiligungsform der Beihilfe klargestellt, dass im Spruch sowohl die Tatumstände zu konkretisieren sind, welche eine Zuordnung der Tat des Haupttäters zur verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglicht, als auch jenes konkrete Verhalten darzustellen ist, durch welches der Tatbestand der Beihilfe verwirklicht wird (vgl VwSlg 13112 A/1990 und VwSlg 13224 A/1990).

 

4.5.2. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Tatbegehungsformen hätte die belangte Behörde eine differenzierte und konkretisierte Fassung des Tatvorwurfes vornehmen müssen. Ihre Ausführungen decken sich stattdessen weitgehend mit dem Gesetzeswortlaut im § 50 Abs 4 GSpG und reichen für die Bestimmtheit iSd § 44a Z 1 VStG nicht hin. Durch die substanzlose Verwendung der verba legalia wird nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs noch keine Konkretisierung im Sinne der Anforderungen des § 44a Z 1 VStG vorgenommen. Denn es reicht nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung von Tatzeit und Tatort wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Diese einzelfallbezogene Konkretisierung des Spruches iSd § 44a Z 1 VStG ist einerseits deshalb erforderlich, damit der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und andererseits um den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl VwGH 18.10.2011, Zl. 2011/02/0281 unter Bezugnahme auf Vorjudikatur) und damit der Gefahr einer allfälligen Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (vgl speziell für Übertretungen nach dem GSpG VwGH 12.3.2010, Zl. 2010/17/0017).

 

4.5.3. Im konkreten Fall wird der Bw zunächst als außenvertretungsbefugtes Organ der F GmbH angesprochen und ihm dann aber persönlich vorgeworfen, dass er es als Veranstalter von Glücksspielen zu verantworten habe, dass gegen die Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verstoßen wurde, da er selbst (arg. "... Sie ... haben ... ") den Organen des Finanzamtes Linz "trotz ausdrücklichem Ersuchens keinen Einblick in die geführten Aufzeichnungen gewährte, indem die Schlüssel für die Gerätebuchhaltung nicht herausgegeben wurden".

Diesbezüglich ergibt sich schon aus der unbestrittenen Aktenlage, dass der Bw gar nicht am Tatort anwesend war und daher persönlich gar keinen Einblick gewähren hätte können. Es mangelt dem Spruch daher bereits an einer geeigneten Tatsachengrundlage. Dieser stellt sich schon deshalb als rechtswidrig dar, weil dahingehend keine Anhaltspunkte im Sachverhalt vorhanden sind.

 

Im Übrigen wurde die Mitwirkungspflicht von Veranstalter, Inhaber und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, erst durch die Novelle BGBl I 112/2012 dahingehend erweitert, dass diese Personen "dafür zu sorgen [haben], dass eine anwesende Person den in § 50 Abs 4 GSpG normierten Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt". Diese Bestimmung war auf den vorliegenden Tatzeitpunkt allerdings nicht anzuwenden.

Entgegen den diesbezüglichen Parlamentarischen Materialien (vgl. die Regierungsvorlage BlgNR 1960 24. GP zu § 50 Abs 4 zweiter Satz GSpG), war eine derartige Vorkehrungspflicht des genannten Personenkreises aus dem auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Gesetzestext – schon allein vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich gebotenen besonders strengen Legalitätsprinzips im Strafrecht – keineswegs abzuleiten (vgl. mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 573). So reichen nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im strafrechtlichen Kontext bereits für den Rechtsunterworfenen oder die vollziehende Behörde bestehende "rechtliche Unklarheiten" einer Norm aus, um einen Verstoß gegen das Determinierungsgebot zu begründen (VfSlg. 15.543/1999). Eine in diesem Zusammenhang "einwandfreie Gesetzesanwendung" war aber – wie von den zitierten Erläuternden Bemerkungen selbst eingeräumt – aufgrund der offensichtlich notwendigen "Klarstellung" des Normtextes nicht möglich. Schon aus diesem Grund war daher – im Lichte dieser restriktiven verfassungsrechtlichen Vorgaben – hinsichtlich § 50 Abs 4 GSpG streng am (eindeutigen) Gesetzeswortlaut festzuhalten und war daher zum Tatzeitpunkt die mangelnde Vorkehrung, dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person den Mitwirkungspflichten entsprechend nachkommt, nicht strafbar.

Eine Zurechnung des Handelns von Angestellten und Mitarbeitern dem strafrechtlich Verantwortlichen gegenüber wäre daher einzig und allein im Rahmen der mittelbaren Täterschaft nach § 7 VStG denkbar, was aber – wie bereits weiter oben (Punkt 4.5.1. und 4.5.2.) dargelegt – mangels entsprechender Spruchkonkretisierung iSd § 44a Abs 1 VStG im vorliegenden Fall von vornherein ausgeschlossen ist.

 

4.5.4. In Bezug auf einen Tatvorwurf wie den gegenständlichen, dass der Bw "trotz ausdrücklichem Ersuchens keinen Einblick in die geführten Aufzeichnungen gewährte" und daher gegen §§ 50 Abs 4 iVm 52 Abs 1 Z 5 GSpG verstoßen habe, fehlt es dem Spruch an der erforderlichen Konkretisierung, zumal es sich um eine bloße Leerformel handelt, die nur eine (teilweise) Wiederholung des Gesetzeswortlautes darstellt und nicht geeignet ist, dem Bw eine individuelle Tat unverwechselbar vorzuwerfen.

Auch der Zusatz "indem die Schlüssel für die Gerätebuchhaltung nicht herausgegeben wurden" ändert nichts an diesem Ergebnis. Wie aus den Fragen der Kontrollorgane in der Niederschrift mit der oben genannten Angestellten vom 19.9.2011 hervorgeht, gab es mehrere Schlüssel: Konkret "Schlüssel für die Eingriffsgegenstände", "Schlüssel zur Geldlade zu den Eingriffsgegenständen", "Vorhangschlösser" sowie "Schlüssel zum Safe". Welcher dieser Schlüssel für welches Schloss mit dem Tatvorwurf im Spruch tatsächlich gemeint sein soll, bleibt – selbst unter Einbeziehung der Bescheidbegründung – unklar. So kann etwa die Gerätebuchhaltung in gedruckter Version als im Safe oder einem mit einem "Vorhängeschloss" gesicherten Gegenstand eingeschlossen gemeint sein, gleichzeitig wäre aber auch eine virtuelle Gerätebuchhaltung, die in den einzelnen Geräten selbst abrufbar sein kann, denkbar.

Weiters bleibt hinsichtlich des Spruches nicht nur offen, welche Gerätebuchhaltung tatsächlich gemeint ist (eine oder mehrere Gerätebuchhaltungen bzgl. einem oder allen der bei der Kontrolle vorgefundenen 10 Geräte?), sondern auch die Frage, ob dem Bw selbst die Nichtherausgabe der Schlüssel an Ort und Stelle der Kontrolle (bei der er ja im Übrigen gar nicht anwesend war) vorgeworfen wird, oder ob ihm das Verhalten seiner Angestellten zugerechnet und damit dieses vorgeworfen wird.

 

Genau betrachtet enthält der Spruch daher keine Substanz und damit auch keinen "echten" Tatvorwurf. Bestätigt wird dies aus dem Akteninhalt. So findet sich in den zeugenschaftlichen Niederschriften lediglich der Hinweis, dass die Kellnerin das Geld zur Gewinnauszahlung teilweise aus der Automatenlade genommen habe und dass die Angestellte einen Schlüssel hätte, mit dem sie die Automaten auf Null gestellt hätte. Aus der finanzpolizeilichen Anzeige ergibt sich lediglich, dass die genannte Angestellte mit diesen Aussagen konfrontiert worden sei, woraufhin sie erklärt habe, "im Besitz der Schlüssel zu sein und auch Gewinne auszubezahlen". Weshalb die belangte Behörde zwingend davon ausgeht, dass es sich dabei um die Schlüssel für die Gerätebuchhaltung gehandelt haben soll, bleibt für den Oö. Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar. Vielmehr scheint die Angestellte damit die Schlüssel für die Geldlade und für die Steuerung der Geräte zum Rücksetzen auf Null gemeint zu haben. Ganz in diesem Sinne spricht auch die ganz allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass Lokalangestellten grundsätzlich kein Zugang zu der Unternehmensbuchhaltung eingeräumt wird.

Allein diese Zweifel zeigen deutlich, dass der Tatvorwurf durch das genannte Spruchelement keineswegs hinreichend klar und für den Beschuldigten unzweifelhaft zuordenbar formuliert ist.

 

4.5.5. Im Übrigen haben die gemäß § 50 Abs 5 2. Satz GSpG verpflichteten Personen u.a. den Organen der öffentlichen Aufsicht "umfassende" Auskünfte zu erteilen, "umfassende" Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren. § 50 Abs 4 GSpG unterscheidet somit ua. hinsichtlich der Mitwirkungspflicht, "umfassende Überprüfungen zu ermöglichen", und weiters "Einblick in die geführten Aufzeichnungen" zu gewähren. Im vorliegenden Fall wäre daher entweder der Vorwurf denkbar, dass eine umfassende Überprüfung durch die Nichtherausgabe notwendiger Zugangsschlüssel nicht ermöglicht worden sei, oder, dass insbesondere durch die Nichtvorlage entsprechender Unterlagen Einblick in die geführten Aufzeichnungen nicht gewährt worden sei. Eine Subsumtion der Verweigerung einer Schlüssel-Herausgabe unter das Tatbestandselement des "Einblicks in die geführten Aufzeichnungen" kommt von vornherein nicht in Betracht.

Auch ist zur Gewährung von Einblicken in geführte Aufzeichnungen eine Herausgabe von Schlüsseln insofern nicht notwendig, als dieser Verpflichtung durch den Rechtsunterworfenen schon dadurch entsprochen wäre, wenn dieser gewünschte Unterlagen zur Vorlage brächte. Die Verpflichtung, der Finanzpolizei selbst durch Zugangsdaten oder Zugangsschlüssel einen Zugang zu diesen Daten ermöglichen zu müssen, kann daraus jedenfalls nicht abgeleitet werden. Dafür wäre gegebenenfalls allein das Tatbestandselement der Ermöglichung einer "umfassenden Überprüfung" geeignet, das im vorliegenden Fall aber von der belangten Behörde nicht herangezogen wurde.

 

In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass der Bw in seiner Rechtfertigung vom 15. November 2011 – nach der Aktenlage nicht widerlegbar – ausführt, dass es einen Schlüssel für die Gerätebuchhaltung nicht gäbe, weshalb ein solcher auch nicht herausgegeben hätte werden können. Die Aufzeichnungen befänden sich in der Buchhaltung.

Auf diese Ausführungen hin stellte die Finanzpolizei in ihrer Stellungnahme vom 28. November 2011 selbst Folgendes fest: "Ob ein Schlüssel für die Gerätebuchhaltung herausgegeben wurde oder nicht, ist nicht relevant, da dies vom Gesetz nicht gefordert wird."

Daraus ergibt sich, dass selbst die Finanzpolizei von einer Strafbarkeit wegen unterlassener Schlüsselherausgabe nicht ausgeht. Der spruchmäßige Tatvorwurf erweist sich daher auch aus Sicht der Finanzpolizei als nicht gesetzeskonform.

 

Schließlich dürften in den Geräten selbst enthaltene Buchhaltungsaufzeichnungen von der Mitwirkungspflicht, Einblick in die geführten Aufzeichnungen zu gewähren, im Tatzeitpunkt noch nicht erfasst gewesen sein, weshalb ein derartiger Tatvorwurf auch aus diesem Grund jedenfalls unzulässig ist. Denn erst mit der Novelle BGBl I 112/2012 wurde zusätzlich zur Verpflichtung, Einblick in die geführten Aufzeichnungen zu gewähren, die Verpflichtung zu Einblicken in die "Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen" festgeschrieben. Selbsttätige elektronische Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen können dem Bundesgesetzgeber zufolge nicht auch gleichermaßen als "geführte" Aufzeichnungen iSd hier anzuwendenden Gesetzeswortlautes qualifiziert werden, weshalb solche Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen selbst – wie etwa in den Geräten selbst enthaltene Gerätebuchhaltungen – daher zum Tatzeitpunkt (noch) nicht von der Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG erfasst gewesen sind.

 

4.6. Aus all diesen Gründen ist daher der Spruch des Bescheides der belangten Behörde verfehlt und mit Rechtswidrigkeit behaftet.

 

4.7. Die belangte Behörde hat weder im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses, noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung mit der teilweise abweichenden Anlastung einen entsprechend den Umständen des Einzelfalles konkretisieren Tatvorwurf erhoben, der die Identität der Tat mit ausreichender Bestimmtheit unverwechselbar formuliert. Mangels einer geeigneten behördlichen Verfolgungshandlung ist insofern nach Ablauf der Jahresfrist des § 52 Abs 5 GSpG auch die Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

Dem Unabhängigen Verwaltungssenat war es außerdem als Berufungsbehörde, die gemäß dem § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG bei ihrer Entscheidungsbefugnis auf den Gegenstand des Spruches des Straferkenntnisses beschränkt ist, verwehrt, eine ganz neue Anlastung vorzunehmen und dabei wesentliche Tatmerkmale auszutauschen.

 

5. Im Ergebnis war das angefochtene Straferkenntnis im Hinblick auf das Nichtvorliegen einer strafbaren Handlung mangels einer Mitwirkungspflicht an der Strafverfolgung einerseits sowie im Hinblick auf wesentliche Spruchmängel mangels einer zutreffend angelasteten Verwaltungsübertretung andererseits aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.

Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr.  G r o f

 

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