Linz, 07.03.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am 3X, Staatsangehöriger der Mongolei, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 18. Oktober 2012, Zl. 2-S-3.992/12/S, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als der Strafausspruch durch folgenden Ausspruch ersetzt wird: "Gemäß § 21 VStG wird von der Verhängung einer Strafe abgesehen."
II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
zu I: §§ 24, 21 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG);
zu II: §§ 65f VStG.
Entscheidungsgründe:
2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitig vom Rechtsvertreter eingebrachte Berufung vom 10. Dezember 2012.
Begründend führte dieser nach Wiedergabe des von der Behörde festgestellten und unstrittigen Sachverhaltes aus, dass der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der langen Aufenthaltsdauer von einer erfolgten Integration ausgehe. Neben seiner Schwester und deren Kindern würde sich seine langjährige Lebensgefährtin in Österreich befinden. Nach dem jüngst beschlossenen Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz komme dem Bw ab dem 1. Jänner 2014 ein humanitärer Aufenthaltstitel zu. Dies würde bedeuten, dass gegen den Bw bereits schon ab jetzt aufenthaltsbeendende Maßnahmen unzulässig seien. An der seit nunmehr drei Jahren unterlassenen Nichtbewilligung des Aufenthaltes treffe den Bw überdies kein Verschulden.
Abschließend werde die Verfahrenseinstellung beantragt, in eventu der Ausspruch einer Ermahnung.
3.2. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.
Da im Verfahren der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststand, im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, lediglich eine Rechtsfrage zu klären war und auch kein diesbezüglicher Parteienantrag gestellt wurde, konnte auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 VStG verzichtet werden.
3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1. und 3.1. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.
Ergänzend ist festzustellen, dass keine behördliche Feststellung gemäß § 46a Abs. 1a FPG vorliegt. Die örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde plant im Hinblick auf die überlange Aufenthaltsdauer, die Integration des Bw, die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und das Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz von einer Rückkehrentscheidung Abstand zu nehmen und diese auf Dauer für unzulässig zu erklären.
3.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).
4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:
4.1. Gemäß § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2.500 Euro bis zu 7.500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;
5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)
6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungs- gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebe- willigung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder
7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.
Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).
Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Beschuldigter initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.
In der Berufungsschrift macht der Bw seinen vorherigen langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt, seine Integration und die zukünftige Rechtslage geltend.
Damit kann der Bw aber mangelndes Verschulden nicht glaubhaft machen.
Darüber hinaus, dass er nicht das Erforderliche unternommen hat (z.B. rechtzeitige Beschaffung der erforderlichen Reisedokumente), kann sich der Bw auch nicht betreffend die vorliegende Tat entschuldigen. Im Sinne eines Ungehorsamsdelikts ist es ihm also keinesfalls gelungen darzulegen, inwieweit ihn an der Tatbegehung kein Verschulden trifft.
Es ist somit auch vom Vorliegen der subjektiven Tatseite in Form zumindest fahrlässigen Verhaltens auszugehen.
4.2.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 - 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
Hinsichtlich der verhängten Strafe ist der Bw darauf hinzuweisen, dass deren höhenmäßige Festsetzung eine Ermessensentscheidung der Strafbehörde darstellt, die sie unter Bedachtnahme auf die objektiven und subjektiven Strafbemessungskriterien des § 19 VStG vorzunehmen hat. .
Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Schuld nur dann geringfügig, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Im Gegensatz zum grundsätzlich typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt der übertretenen Normen bleibt die Schuld hier erheblich zurück.
Im Hinblick auf die besonderen Umstände dieses Falles (langjähriger rechtmäßiger Aufenthalt, lang dauerndes Asylverfahren, familiäre Bindungen, "Duldung" durch die örtlich zuständige Fremdenbehörde, Integration, Änderungen in der Rechtslage) ist von einem geringfügigen Verschulden des Bw auszugehen. Durch das Verhalten des Bw und dem Umstand, dass die Tat dem Grunde nach folgenlos geblieben ist, bedurfte es aus Gründen der Spezialprävention keiner Geldstrafe und auch keiner Ermahnung. Es bestand daher ein Rechtsanspruch auf die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG und der Unabhängige Verwaltungssenat hatte von der Verhängung einer Strafe abzusehen.
5. Bei diesem Ergebnis waren dem Bw gemäß § 65 VStG keine Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Die Kosten des Verfahrens vor der Behörde erster Instanz haben gemäß § 66 VStG zu entfallen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Stierschneider