Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167588/7/Br/HK

Linz, 26.02.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, geb. X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, vom 04.01.2013, AZ: VerkR96-2541-2012, nach der am 26. Februar 2013, durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

I.            Die Berufung wird im Punkt 1) mit der Maßgabe stattgegeben, als unter Anwendung des § 21 VStG von einer Bestrafung abgesehen und eine Ermahnung ausgesprochen wird;

       im Punkt 2.) wird der Schuldspruch behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.   Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:    § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 110/2011 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012.

Zu II.:   § 65 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat wegen der Übertretungen nach § 42 Abs.2 u. § 97 Abs.4 iVm § 99 Abs.2a und § 99 Abs.3 lit.a StVO  über den Berufungswerber je eine Geldstrafe in Höhe von 220 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 48 und 102 Stunden verhängt und wider ihn folgende Tatvorwürfe erhoben:

1)         Sie haben das Sattelkraftfahrzeug mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t gelenkt, obwohl an Samstagen von 15.00 Uhr bis 24.00 Uhr sowie an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 00.00 Uhr bis 22.00 Uhr das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen, Sattelkraftfahrzeugen und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten ist und das verwendete Fahrzeug bzw. die durchgeführte Beförderung nicht unter eine gesetzliche Ausnahme gefallen

Ist und

2)         Sie haben die nachfolgend beschriebenen Anordnungen eines Straßenaufsichtsorgans nicht befolgt, obwohl dies ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen wäre: Untersagung der Weiterfahrt bis 16.09.2012 um 22.00 Uhr. Sie haben die Fahrt zwischen 15.30 Uhr und 16.45 Uhr fortgesetzt.

Tatort und Tatzeit jeweils: Gemeinde X, X, Fahrtrichtung X, Parkplatz X, B X bei km 24,160. Tatzeit: 16.09.2012,15:30 Uhr.

Fahrzeuge:

Kennzeichen X, Sattelzugfahrzeug, Volvo VN 780 Kennzeichen X, Sattelanhänger, Schwingenschlögel X, silber“

 

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend  Folgendes aus:

"Zum Sachverhalt:

Durch eine Anzeige der Autobahnpolizeiinspektion X, GZ: AI/38293/01/2012, vom 04.10.2012 erlangte die erkennende Behörde Kenntnis vom verfahrensgegenständlichen Sachverhalt und wurden Ihnen mit Strafverfügung vom 08.10.2012 die im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen angelastet.

 

Mit Schreiben vom 10.10.2012 erheben Sie Einspruch gegen die erhaltene Strafverfügung und führen an, dass es richtig sei, dass Sie den LKW am 16.09.2012 gelenkt haben, obwohl das Wochenendfahrverbot bestand. Es hätte sich um eine Notsituation gehandelt, da ein LKW von Ihnen am Tag zuvor einen Unfall in X hatte. Der LKW fuhr auf einen anderen LKW auf und die Zugmaschine war vollkommen zerstört und daher nicht mehr fahrbereit. Im Tankauflieger habe sich Straßenbaubitumen befunden, welches mit einer Temperatur von ca. 200° beladen wird und bei ca. 130° bis 140° fest wird. Sie seien deswegen am Samstag noch nach X gefahren um den beladenen Auflieger abzuholen, um diesen dann so schnell wie möglich zu entladen. Hätten Sie noch mehr Zeit verloren, wäre eine Entladung nicht mehr möglich gewesen. Die Temperatur hatte bei der Kontrolle durch die Beamten bereits 140° betragen und hätte eine weitere Verzögerung den Totalschaden des Aufliegers bedeutet. Sie ersuchen daher die Strafverfügung aufzuheben, oder zumindest das Strafausmaß zu reduzieren, da es für Sie keine andere Möglichkeit gab, die Situation zu lösen und es auch nicht möglich war, eine Sondergenehmigung zu beantragen, da dafür die Zeit zu kurz war.

 

Im Zuge der Strafbemessung geben Sie der Behörde bekannt, das Sie ein monatliches Einkommen von 1.800 Euro beziehen, dass keine Sorgepflichten bestehen und Sie kein für das gegenständliche Verfahren relevantes Vermögen besitzen.

 

 

Die Behörde geht von folgendem erwiesenen Sachverhalt aus:

Sie haben am 16.09.2012 um 15.05 Uhr das Sattelkraftfahrzeug mit dem Kennzeichen X, samt dem Sattelanhänger, X, mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t gelenkt, obwohl an Samstagen von 15.00 Uhr bis 24.00 Uhr sowie an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 00.00 Uhr bis 22.00 Uhr das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen, Sattelkraftfahrzeugen und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten ist und das verwendete Fahrzeug bzw. die durchgeführte Beförderung nicht unter eine gesetzliche Ausnahme gefallen ist. Weiters haben Sie trotz Untersagung der anzeigenden Beamten der Weiterfahrt bis 16.09.2012 um 22.00 Uhr, Ihre Fahrt zwischen 15.30 Uhr und 16.45 Uhr fortgesetzt.

 

Als Beweismitte) gelten:

>          Anzeige der Autobahnpolizeiinspektion X vom 04.10.2012, GZ: AI/38293/01/2012

>          Ihr Einspruch gegen die Strafverfügung vom 10.10.2012

>          Ihre Angaben zu den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen

 

Gegenständlicher Sachverhalt unterliegt folgender rechtlicher Beurteilung:

Gemäß § 42 Abs.2StVO 1960 ist in der in Abs.1 angeführten Zeit (an Samstagen von 15.00 Uhr bis 24 .00 Uhr und an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 00.00 Uhr bis 22.00 Uhr) ferner das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen, Sattelkraftfahrzeugen und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,51 verboten.

 

Gemäß § 99 Abs. 2a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 218 Euro bis 2180 Euro im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 48 Stunden bis sechs Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Fahrverbote des § 42 oder einer auf Grund des § 42 erlassenen Fahrverbotsverordnung verstößt.

 

Gemäß § 97 Abs.4 StVO 1960 sind Organe der Straßenaufsicht sowie die nach Abs.3betrauten Organe, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs erfordert, berechtigt, einzelnen Straßenbenützern für den Einzelfall Anordnungen für die Benützung der Straße zu erteilen, und zwar auch solche, die von den sonstigen diesbezüglichen Bestimmungen abweichen. Diese Anordnungen dürfen a) nur gegeben werden, wenn ihre Befolgung ohne Gefährdung von Personen oder ohne Beschädigung von Sachen möglich ist, b) nur befolgt werden, wenn dies ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.

 

Nach § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes, oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

 

Die Behörde hat darüber Folgendes erwogen:

Das Sie die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen begangen haben, wird von Ihnen im Grunde nach bestätigt. Sie führen an, dass es für Sie keine andere Möglichkeiten, als das ungesetzmäßige Verhalten zu setzen, gegeben hätte. Wenn Sie in Ihrem Einspruch anführen, die Beschädigung des gegenständlichen LKW hätte bereits am Samstag stattgefunden und seien Sie auch am Samstag bereits nach X gefahren, so wäre es doch, wenn das Bitumen so schnell auskühlt, sinnvoll gewesen, bereits am Samstag die Fahrt nach X anzutreten. Auch hätte bestimmt in X die Möglichkeit bestanden, das Bitumen zu entladen, um den Totalschaden des Aufliegers zu verhindern.

Fest steht, dass Sie die Ihnen vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen begangen haben und die von Ihnen durchgeführte Fahrt auch in keine Ausnahmeregelung gemäß § 42 Abs.3 StVO fällt.

 

Mit Ihren Einwendungen ist es Ihnen nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass Sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft, sodass jedenfalls ein fahrlässiges Verhalten vorliegt, was zur Strafbarkeit genügt. Auf Grund des vorliegenden Sachverhalts gelangt die erkennende Behörde daher zu der Überzeugung, dass Sie die Ihnen zur Last gelegten Taten zu verantworten haben.

Allgemein:

Was das Verschulden betrifft, genügt gemäß § 5 Abs.1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne Weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Bestimmung ohne Weiteres anzunehmen ist, sofern vom Beschuldigten kein Entlastungsbeweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beschuldigten initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

 

Da Sie keine Gründe vorgebracht haben, die einer Bestrafung auf Grund der im Spruch geschilderten Verwaltungsübertretung im Wege stünden, musste die Behörde davon ausgehen, dass Ihr Verschulden gegeben ist. Sie haben die gegenständliche Verwaltungsübertretung somit zumindest fahrlässig begangen, da Sie die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen und dadurch verkannt haben, dass Sie einen tatbildmäßigen Sachverhalt verwirklichten.

 

 

Zur Strafbemessung:

Gemäß § 19 Abs.1VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen an sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögen- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Im Verstoß gegen die im Spruch angeführten Verbot wird in nicht bloß unerheblichen Ausmaß gegen rechtlich geschützte Interessen verstoßen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift verhindern, dass an Wochenenden, abgesehen von den klar definierten und jedem Fahrzeuglenker bereits bei der Fahrprüfung umfassend klargemachten Ausnahmen, keine Schwerfahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind. Dies nicht zuletzt aus Gründen der Lärmvermeidung und wohl auch der Verkehrssicherheit. Letztere insbesondere im starken Individual- u. Rückreiseverkehr aus dem Wochenende in den Zentralräumen.

 

Hinsichtlich Übertretung 1 wird eine gleichartige, bei der Bezirkshauptmannschaft Melk, aufscheinende Verwaltungsvormerkung als straferschwerend gewertet; strafmildernde Gründe sind in gegenständlichem Verfahren nicht hervorgegangen.

Im Rahmen der behördlichen Feststellung Ihrer Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse haben Sie bekannt gegeben, dass Sie ein monatliches Einkommen von 1.800,- Euro beziehen, dass keine Sorgepflichten bestehen und Sie kein für das gegenständliche Verfahren relevantes Vermögen besitzen.

 

Nach Abwägung der erschwerenden und mildernden Umstände sowie unter Berücksichtigung der oben angeführten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse erscheinen der Behörde die festgesetzten Strafen als angemessen und ausreichend, eine entsprechende Präventionswirkung spürbar zu machen.

 

Die festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen bilden einen gleichwertigen Ersatz und genügen nach Ansicht der Behörde - im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe - Sie von künftigen Übertretungen ebenso wirksam abzuhalten.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet."

 

 

 

2. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung entgegen und führt aus:

„Sehr geehrte Damen und Herren!

Gegen die Straferkenntnis lege ich in offener Frist Berufung ein!

Wie in meinem Einspruch bereits ausgeführt, halte ich meine dargelegten Gründe für die Fahrt am Sonntag aufrecht. Es handelte sich um eine Notsituation, um die Gefahr eines Totalschadens für den Sattelauflieger, der mit flüssigen Straßenbaubitumen beladen war, abzuwenden.

Ich habe nicht am Samstag nach X bereits zurückfahren können, weil die Bergearbeiten bis Sonntag Vormittag andauerten (Abkoppeln der verunfallten Zugmaschine,...). Es ist auch nicht möglich, am Wochenende einen Abnehmer für das Bitumen zu finden, da wir keine Kunden in X haben (daher keinen Kontakt mit dortigen Bauunternehmen) und es sich um ein Spezialbitumen handelte, welches auch nur von bestimmten Kunden eingesetzt wird.

Ich hoffe dieses Mal auf Berücksichtigung meiner Argumente und eine Reduzierung der Strafhöhe bzw. Aufhebung der Straferkenntnis.

 

Mit freundlichen Grüßen (Unterschriftsparaphe)“

 

2.2. Diesem Berufungsvorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu!

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt worden sind, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. 

Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war in Wahrung der gemäß Art. 6 EMRK intendierten Rechte erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

Beweis erhoben wurde durch zeugenschaftliche Einvernahme des Meldungslegers, sowie des Berufungswerbers als Beschuldigten. Dieser legte einen mit Fotos dokumentierten Unfallbericht einer tschechischen Polizeibehörde vor.

Die Behörde erster Instanz blieb im Rahmen der Berufungsverhandlung unvertreten.

 

 

4. Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Betreffend das erstinstanzliche Verfahren ist eingangs festzuhalten, dass sich das sogenannte ordentliche Verfahren in der Beischaffung der Vormerkungen von der Wohnsitzbehörde (der Bezirkshauptmannschaft Melk) und im Schreiben vom 21.11.2012 an den Berufungswerber erschöpfte, mit dem die Bekanntgabe dessen Einkommensverhältnisse gefordert wird. Ohne dessen Anhörung in der Sache wurde sodann das Straferkenntnis erlassen.

 

 

4.1. Unbestritten ist jedoch, dass der Berufungswerber am Sonntag den 16.9.2012 um 15:05 Uhr ein mit Bitumen beladenen Sattelkraftfahrzeug auf der BX in Fahrtrichtung X gelenkt hat. Dort wurde im Zuge einer Kontrolle vom Meldungsleger RI X festgestellt, dass für diese Fahrt keine (Ausnahme)- Bewilligung vorgelegen hat. Die Temperatur des Bitumens betrug zu diesem Zeitpunkt noch 140 Grad Celsius. Im Zweifel muss davon ausgegangen, dass dieses bis 22:00 Uhr für eine Entladung nicht mehr möglich gewesen sein könnte.

Um 15:30 Uhr untersagte der Meldungsleger sodann die Weiterfahrt, wobei er um 16:45 Uhr schließlich feststellte, dass der Berufungswerber seine Fahrt dennoch fortsetzte. Der Berufungswerber wurde vom Meldungsleger über die Möglichkeit der Einholung einer behördlichen Bewilligung für die Weiterfahrt nicht informiert. Gegenüber dem Meldungsleger wurde, wie zeugenschaftlich bestätigt, auf die Umstände des Transportes im Zusammenhang mit dem Unfall verwiesen, was dieser ebenso wie die Temperatur des Transportgutes bestätigte. All dies wurde jedoch nicht in der erst drei Wochen später der Behörde übermittelten Anzeige erwähnt.

 

 

4.2. Das laut Berufungswerber als Spezialbitumen bezeichnete Transportgut wurde am 15.9.2012 zwischen 05:00 und 06:00 Uhr früh in X bei einer Raffinerie mit einer Temperatur von etwa 180 Grad auf dem Sattelanhänger mit dem Kennzeichen X abgefüllt, wobei es nach X transportiert werden sollte. Etwa nach fünf Stunden Fahrzeit kam es  bei X (Raum X) zu einem Auffahrunfall, wobei das Sattelzugfahrzeug mit dem Kennzeichen X fahrunfähig wurde.

Der Berufungswerber begab sich nach Verständigung über den Vorfall mit dem Sattelzugfahrzeug X zum Unfallort. Dort wurde die Fahruntauglichkeit des Zugfahrzeuges festgestellt, wobei ein Kranwagen zum sogenannten Umsatteln organisiert werden musste. Die Arbeiten zogen sich lt. Darstellung des Berufungswerbers die Nacht über durch, wobei die Fahrt mit dem sich abkühlenden Bitumen zum Zielort am Sonntag fortgesetzt werden musste. um es noch im flüssigen Zustand entladen zu können.

Der Berufungswerber legt anlässlich der Berufungsverhandlung die damalige Situation glaubhaft und nachvollziehbar dar. Er legt einen Unfallbericht vor, woraus sich das Unfallgeschehen am Samstag den 15.9.2012 um 10:15 Uhr nachvollziehen lässt. Ebenfalls wird darin die offenkundige Fahruntauglichkeit des Sattelzufahrzeuges auf Grund der Fotos belegt. Der Berufungswerber macht auch die Problematik mit dem erstarrenden Bitumen und die im Fall dessen Verfestigung einhergehenden Problematik glaubhaft.

Insgesamt lässt sich nachvollziehen, dass diese Fahrt sehr wohl so konzipiert war, dass diese bis zum Wochenendfahrverbot am 15.9.2012, 15:00 Uhr das Fahrziel noch hätte erreichen lassen. Der im Falle des Erstarrens des Bitumens zu erwartende wirtschaftliche Schaden ist evident. Die Flüssighaltung galt es demnach durch ehest möglichen Transport zu gewährleisten.

Dass dieser Transport nicht früher möglich war, weil zum Umsatteln ein Kranwagen organisiert werden musste, kann ebenfalls als logisch gelten. Auch in der Berufung wurde vom Berufungswerber darauf bereits hingewiesen. Wäre dem Berufungswerber seitens der Behörde erster Instanz die Möglichkeit zu einer Rechtfertigung eröffnet worden, hätten diese Fakten wohl kaum unbeachtet bleiben dürfen.

Andererseits wäre es dem Berufungswerber aber sehr wohl zuzumuten gewesen sich hinsichtlich der Weiterfahrt um eine behördliche Genehmigung zu kümmern oder dies wenigstens zu versuchen. Dass er über diese Möglichkeit angeblich keine Kenntnis hatte, rechtfertigte die Fahrten nicht.

 

5. Gemäß § 42 Abs.1 StVO 1960 ist an Samstagen von 15.00 Uhr bis 24.00 Uhr und an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 00.00 Uhr bis 22.00 Uhr das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen mit Anhänger verboten, wenn das höchste zulässige Gesamtgewicht des Lastkraftwagens oder des Anhängers mehr als 3,5 t beträgt; ausgenommen sind die Beförderung von Milch sowie unaufschiebbare Fahrten mit Lastkraftwagen des Bundesheeres mit Anhänger.

Einen Ausnahmetatbestand gemäß § 42 Abs.3 StVO bildet dieses Transportgut nicht.

 

 

5.1. Zumal es dem Berufungswerber zuzumuten gewesen wäre, sich für diese außerhalb der Dienstzeiten von Behörden erforderlich gewordenen Fahrt, zumindest um eine Genehmigung zu bemühen, fällt ihm die diesbezügliche Unterlassung dennoch als Verschulden iSd § 5 Abs.1 VStG zur Last.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde jedoch ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Hier lag eine durch das Unfallereignis einhergehende Transportverzögerung mit einem dadurch drohenden schweren wirtschaftlichen Nachteil, eine zumindest einem Notstand sehr nahe kommende Situation vor. Zum Wesen des Notstandes gehört es, dass der Beschuldigte einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder das Vermögen ausgesetzt ist und diese Gefahr zumutbarer Weise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung behoben werden kann (vgl. etwa VwGH 20.4.2004, 2003/02/0076  mit Hinweis auf VwGH 21. April 1999, 98/03/0043).

Der seiner Firma im Falle des Erkaltens des Bitumens drohende Nachteil durch eine nicht mehr mögliche Entladung und folglich des Unbrauchbarwerdens des Transportgebindes, hat er im h.  Verfahren nachgewiesen (VwGH 11.10.1991, 91/18/0079).

Betreffend diese nicht angezeigte bzw. bewilligte Fahrt liegen sohin die Voraussetzung für die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG vor.

Liegen beide gesetzlichen Voraussetzungen (geringes Verschulden sowie unbedeutende Tatfolgen) demnach vor, hat der Beschuldigte einen Rechtsanspruch auf Anwendung dieser Bestimmung (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Seite 862 abgedruckte VwGH-Judikatur).

Geringfügigkeit der Schuld ist einem Beschuldigten etwa dann zu Gute zu halten, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (VwGH 21.10.1998, 96/09/0163). Der Nachteil der öffentlichen Interessen durch diese LKW-Fahrt während des Wochenendfahrverbotes im Verhältnis zum Schutz von Sachwerten des Berufungswerbers ist hier zu Gunsten des Letztern zu werten.

Einer Ermahnung bedarf es jedoch um dem Berufungswerber klar zu machen, dass er sich in einem derartigen Fall um eine behördliche Bewilligung zumindest zu bemühen hat.

 

 

5.2. Gemäß § 97 Abs.4 StVO sind Organe der Straßenaufsicht sowie die nach Abs. 3 betrauten Organe berechtigt, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs erfordert, einzelnen Straßenbenützern für den Einzelfall Anordnungen für die Benützung der Straße zu erteilen, und zwar auch solche, die von den sonstigen diesbezüglichen Bestimmungen abweichen.

Die mit Strafe sanktionierte Anordnung stellt sich hier ihrem Inhalte nach als ein bloßes Aufmerksammachen und Erinnern an das bestehende Wochenendfahrverbot ohne eigene, einer Weisung immanenten verbindlichen Wirkung dar. Mit der Weiterfahrt hätte der Lenker jedoch abermals gegen § 42 Abs.1 StVO verstoßen. Dies hätte allenfalls als zweimalige Deliktsbegehung geahndet werden können (siehe VwGH 24.5.1989, 88/03/0078). Das dem Berufungswerber in diesem Punkt zur Last gelegte Verhalten stellt demnach keinen Tatbestand iSd obzitierten Gesetzesstelle dar.

Das Verfahren war in diesem Punkt nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von € 220,-- zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

VwSen-167588/7/Br/HK vom 26. Februar 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

VStG §21

 

Der begangene Verstoß gegen das in § 42 StVO normierte LKW Fahrverbot an Wochenenden wegen des Abwendens eines beträchtlichen wirtschaftlichen Nachteils (Erkalten von flüssigem Bitumen), stellt einen Anwendungsbereich des § 21 VStG dar. Ein Verschulden iSd § 5 Abs. 1 VStG ist aber dennoch anzunehmen, wenn ein Bemühen um eine (Sonder-)Genehmigung verlangt werden kann. 

 

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