Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231316/2/Gf/Rt

Linz, 01.03.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufung des S, vertreten durch RA Mag. D, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 25. Jänner 2013, Zl. Sich96-182-2011, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.       

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 25. Jänner 2013, Zl. Sich96-182-2011, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 60 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 90 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 6 Euro) verhängt, weil er am 15. August 2011 gegen 1:40 Uhr in der Linzer Straße im Ortsgebiet von W zwei Fußgänger grundlos angegriffen und diesen Ohrfeigen versetzt habe, wodurch er die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 133/2009 (im Folgenden: SPG), begangen, weshalb er nach dieser Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das dem Rechtsmittelwerber angelastete deliktische Verhalten auf Grund entsprechender zeugenschaftlicher Wahrnehmungen als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei eine einschlägige Vormerkung als erschwerend zu werten gewesen, während Milderungsgründe nicht hervorgekommen seien; seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien – soweit diese von ihm angegebenen wurden – entsprechend berücksichtigt worden (Sorgepflicht für ein minderjähriges Kind) und im Übrigen von Amts wegen zu schätzen gewesen (monatliches Nettoeinkommen: 1.200 Euro).

1.2. Gegen dieses ihm am 30. Jänner 2013 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 13. Februar 2013 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

Darin bringt der Rechtsmittelwerber vor, dass die belangte Behörde auf die zu seinen Gunsten sprechenden Beweismittel in keiner Weise eingegangen sei und insbesondere die von ihm mehrfach beantragte Einvernahme eines Entlastungszeugen konsequent unterlassen habe. Davon abgesehen könne das ihm vorgeworfene Verhalten selbst dann, wenn dies tatsächlich zugetroffen hätte, nicht als Ordnungsstörung im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes, sondern lediglich als eine Anstandsverletzung nach dem Oö. Polizeistrafgesetz qualifiziert werden.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Freistadt zu Zl. Sich96-182-2011; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 


3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Nach § 81 Abs. 1 SPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, der durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

 

Gemäß § 85 SPG liegt jedoch keine Verwaltungsübertretung vor, wenn eine Tat nach den §§ 81 bis 84 SPG den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

 

3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erfüllt das Verabreichen einer Ohrfeige in der Öffentlichkeit in der Regel, d.h., wenn diese keine außergewöhnlichen physischen Folgen nach sich zieht, zwar nicht den Tatbestand der Körperverletzung i.S.d. § 83 StGB, wohl aber jenen der Beleidigung bzw. Misshandlung i.S.d. § 115 StGB (vgl. O. Leukauf – H. Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Aufl., Eisenstadt 1992, RN 5 zu § 115, und M. Rami, in: F. Höpfel – E. Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Aufl., Wien 2011, RN 10 zu § 115, jeweils m.w.N.). Ein derartiges Verhalten bildet somit stets eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung.

 

In jener Form, wie dies in § 85 SPG (der rechtssystematisch betrachtet im Wege einer Subsidiaritätsklausel eine Sonderkategorie der scheinbaren Idealkonkurrenz [bzw. Gesetzeskonkurrenz] regelt) explizit festgelegt ist, kann aber in einem solchen Fall eine Verwaltungsübertretung – bzw. im Speziellen: eine Übertretung des § 81 Abs. 1 SPG – schon a priori gar nicht vorliegen (vgl. z.B. A. Hauer – R. Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, 3. Aufl., Wien 2005, 774). Konkret bedeutet dies, dass das Versetzen einer Ohrfeige in der Öffentlichkeit seit dem Inkrafttreten des SPG nicht mehr als Verwaltungsübertretung, sondern – wenn überhaupt, dann nur – gerichtlich strafbar ist. Ob eine solche gerichtliche Strafbarkeit im jeweiligen Fall aber auch tatsächlich eintritt oder etwa nach den eigentümlichen Umständen der spezifischen Sachverhaltskonstellation aus bestimmten (vornehmlich in der subjektiven Sphäre des Beschuldigten gelegenen) Gründen ausscheidet, ist hingegen nach dem klaren Wortlaut des § 85 SPG ohne Belang.

 

An dieser Konzeption hat auch die durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz (BGBl.Nr. I 33/2013) novellierte, gemäß § 66b Abs. 19 Z. 2 VStG am 1. März 2013 in Kraft getretene und damit auch für den vorliegenden Fall bereits maßgebliche Fassung des § 22 VStG nichts geändert. Denn letztere Bestimmung ist zwar im Verhältnis zu § 85 SPG als lex posterior anzusehen, doch kommt ihr – wie dies schon aus ihrem Einleitungssatz unmissverständlich hervorgeht – im Verhältnis zu spezifischen materiengesetzlichen Anordnungen (wie z.B. § 85 SPG) generell bloß eine subsidiäre Maßgeblichkeit zu. Davon ausgehend erübrigt es sich auch, sich näher mit der Frage auseinanderzusetzen, ob aus der jeweils unterschiedlichen Diktion – nämlich: "Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor" in § 85 SPG gegenüber: "ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar" in § 22 Abs. 1 VStG – aus rechtssystematischer Sicht auch resultiert, dass § 85 SPG einen Strafausschließungsgrund, § 22 Abs. 1 VStG hingegen bloß einen Strafaufhebungsgrund verkörpert (vgl. dazu allgemein z.B. O. Leukauf – H. Steininger, a.a.O., 42 f).

 

3.3. Im Ergebnis folgt daher aus all dem, dass der Rechtsmittelwerber gegenständlich wegen einer Tat bestraft wurde, die keine Verwaltungsübertretung bildete.

 

Der vorliegenden Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten ist.

Dr.  G r ó f

VwSen-231316/2/Gf/Rt vom 01. März 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

SPG §81 Abs1;

SPG §85;

StGB §115;

VStG §22 Abs1

 

* Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erfüllt das Verabreichen einer Ohrfeige in der Öffentlichkeit idR, dh, wenn diese keine außergewöhnlichen physischen Folgen nach sich zieht, zwar nicht den Tatbestand der Körperverletzung iSd § 83 StGB, wohl aber jenen der Beleidigung bzw. Misshandlung iSd § 115 StGB (vgl Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. Auflage RN 5 zu § 115, und Rami, zu § 115, RZ 10, in: Höpfel/Ratz [Hrsg], Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Auflage 2000 jeweils mwN); ein derartiges Verhalten bildet somit stets eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung.

 

* In jener Form, wie dies in § 85 SPG (der rechtssystematisch betrachtet im Wege einer Subsidiaritätsklausel einen Unterfall der scheinbaren Idealkonkurrenz bzw. Gesetzeskonkurrenz regelt) explizit festgelegt ist, kann aber in einem solchen Fall eine Verwaltungsübertretung – bzw im Besonderen: eine Übertretung des § 81 Abs. 1 SPG – schon a priori gar nicht vorliegen (vgl zB Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, 3. Auflage Seite 774); konkret bedeutet dies, dass das Versetzen einer Ohrfeige in der Öffentlichkeit seit dem Inkrafttreten des SPG nicht mehr als Verwaltungsübertretung, sondern – wenn überhaupt, dann nur – gerichtlich strafbar ist; ob eine solche gerichtliche Strafbarkeit im konkreten Fall aber auch tatsächlich eintritt oder etwa nach den spezifischen Umständen der jeweiligen Sachverhaltskonstellation aus bestimmten (vornehmlich in der subjektiven Sphäre des Beschuldigten gelegenen) Gründen ausscheidet, ist hingegen nach dem klaren Wortlaut des § 85 SPG ohne Belang;

 

* An dieser Konzeption hat auch die durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz (BGBl. I Nr. 33/2013) geänderte und gemäß § 66 Abs. 19 Z. 2 VStG am 1. März 2013 in Kraft getretene Fassung des § 22 VStG nichts geändert; denn § 22 VStG ist zwar im Verhältnis zu § 85 SPG als lex posterior anzusehen, doch kommt dieser – wie dies schon aus ihrem Einleitungssatz unmissverständlich hervorgeht – im Verhältnis zu spezifischen materiengesetzlichen Anordnungen (wie § 85 SPG) generell bloß eine subsidiäre Maßgeblichkeit zu; davon ausgehend erübrigt es sich auch, sich näher mit der Frage auseinanderzusetzen, ob aus der jeweils unterschiedlichen Diktion – nämlich: "Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor" in § 85 SPG gegenüber: "ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar" in § 22 Abs. 1 VStG – auch folgt, dass § 85 SPG einen Strafausschließungsgrund, § 22 Abs. 1 VStG hingegen bloß einen Strafaufhebungsgrund verkörpert (vgl. dazu allgemein zB Leukauf/Steininger, aaO, 42 f).

 

 

 

 

 

 

 

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