Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167436/11/Bi/CG

Linz, 12.03.2013

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des x, xstraße x/x/x, x, vom 28. November 2012 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Ried/Innkreis vom 13. November 2012, VerkR96-9121-2012, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 12. März 2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1,51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52 lit.a Z10 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 65 Euro (18 Stunden EFS) verhängt, weil er am 22. Juli 2012, 8.47 Uhr den Pkw x auf der Bx bei Strkm8.416, Gemeinde St. G., in Fahrtrichtung A. gelenkt und die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 29 km/h überschritten habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 6,50 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 12. März 2013 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw und des Zeugen Dr. K. M. (M) durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet. 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, der von ihm beantragte Zeuge sei nicht einvernommen worden, sodass ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege. Die korrekte Ermittlung des Sachverhalts sei dadurch verhindert worden. Er sei damals mit dem Zeugen zu einem Ausflug nach B. gefahren. An der beschriebenen Stelle sei ein ausländischer Reisebus gefahren, der einmal weit nach rechts und dann wieder in der Straßenmitte gefahren sei, bevor er abgebogen sei. Er habe daraufhin beschleunigt und sei der Meinung gewesen, hier seien 100 km/h erlaubt, weil er keine Geschwindigkeitsbeschränkung besehen habe. Sekundenbruchteile später habe es geblitzt. Möglicherweise habe der Reisebus das Verkehrszeichen verdeckt. Er habe aber keinen zu geringen Nachfahrabstand eingehalten, wie die Erstinstanz ausgeführt habe. Ihn treffe kein Verschulden an der Geschwindigkeitsüberschreitung. Seine Angaben hätten durch die Zeugenaussage des Herrn Dr. M. bestätigt werden können, der nicht einvernommen worden sei, obwohl er das bereits im Einspruch geltend gemacht habe. Möglicherweise sei der Reisebus gerade rechts gefahren, als er das Beschränkungszeichen passiert habe; jedenfalls sei er durch die Fahrweise des Buslenkers so beschäftigt gewesen, dass er die Beschränkung nicht gesehen habe. Beantragt wird die Aufhebung des Straferkenntnisses, jedenfalls Anwendung des § 21 VStG bzw Verhängung der Mindeststrafe aufgrund der bereits dargelegten finanziellen Verhältnisse.  

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlicher Berufungsverhandlung, bei der der Bw gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berück­sichtigt und der Zeuge M unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw und der Zeuge M waren am 22. Juli 2012 gegen 8.47 Uhr auf der Bx in Richtung B. unterwegs. Nach übereinstimmenden Aussagen lenkte der Bw den auf ihn zugelassenen Pkw, wobei er in O./I. von der Autobahn abfuhr und längere Zeit hinter einem ausländischen Reisebus nachfuhr, den er nicht überholten konnte. Sowohl der Bw als auch der Zeuge M beschrieben die Fahrweise des Buslenkers als "eigenartig" von der Fahrlinie her – er wechselte zeitweise ganz nach rechts und dann wieder in Richtung Fahrbahnmitte. Die Geschwindigkeit schätzte der Zeuge auf etwa 70 bis 80 km/h, jedoch hatten beiden den Eindruck, als ob der Lenker etwas suche. Beide betonten, sie hätten sich auf die Fahrweise des Busses konzentriert, keiner der beiden habe eine 70 km/h-Beschränkung gesehen, die dort auch nicht zu erwarten sei. Der Bus sei dann langsamer geworden und nach rechts einge­bogen, worauf der Bw beschleunigt habe in der Meinung, hier seien 100 km/h erlaubt. Nachher habe es "geblitzt" und der Bw bestätigte, er habe dann in größerer Entfernung das Verkehrszeichen "70-Ende" gesehen. Vorher habe er eine Geschwindigkeits­beschränkung nicht gesehen. Gleiches hat auch der Zeuge M bestätigt, der sich an einen nach rechts einbiegenden Bus erinnern konnte.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 52 lit.a Z10 lit.a StVO 1960 zeigt das Vorschriftzeichen "Geschwindig­keits­beschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

 

Auf der Bx ist von km 8.326 bis km 8.649 eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h verordnet – Verordnung des Bezirkshauptmannes von Ried/I. vom 10. Februar 2009, VerkR10-38-5-2009 – und kundgemacht. Zur Überwachung der Einhaltung dieser Beschränkung stand am Vorfallstag, dem 22. Juli 2012, bei km 8.416 ein stationäres Radargerät MUVR 6FA Nr. 1075, laut Eichschein des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen zuletzt geeicht am 28. Mai 2009 mit Nacheichfrist bis 31. Dezember 2012.

 

Der unbestritten vom Bw gelenkte Pkw wurde mit 105 km/h gemessen und von rechts schräg hinten fotografiert. Nach Abzug der vorgeschriebenen Toleranzen von 3 % vom Messwert – das sind aufgerundet 6 km/h – ergibt sich ein tat­sächlich gefahrener Wert von 99 km/h, dh eine Überschreitung um 29 km/h.

 

Der Bw und der Zeuge M haben in der Berufungsverhandlung glaubhaft bestätigt, sie seien hinter einem Reisebus nachgefahren, der durch seine eingehaltene Fahrlinie am rechten Fahrbahnrand möglicherweise das bei km 8.326 befindliche Verkehrs­zeichen gemäß § 52 lit.a Z10 lit.a StVO verdeckt habe oder sie seien durch die beschriebene Fahrweise des Buslenkers, auf die sich beide naturgemäß konzen­triert hätten, so abgelenkt gewesen, dass sie die Geschwindigkeits­beschränkung übersehen hätten.

 

Aus der Sicht des UVS sind diese Aussagen insofern glaubhaft, als das Beschränkungszeichen, wie gesetzlich vorgesehen, einmal und nur rechts steht, dh auch wenn ein – in der Verhandlung nicht näher erläuterter aber auch nicht bestrittener – geringer Nachfahrabstand bestanden hat (auch bei 70 km/h würde der Ein-Sekunden­abstand zumindest 20 m betragen) ist nicht gänzlich auszuschließen, dass sowohl der Lenker als auch der Beifahrer durch den Bus so abgelenkt waren, dass ihnen beiden dieses Verkehrszeichen nicht aufgefallen ist. Als der Bw nach dem Abbiegemanöver des Busses – der Zeuge M hatte ein Überholen im Zuge des geraden Straßenstücks nicht in Erinnerung – beschleunigte, erfolgte die Radarmessung.

 

Aus der Sicht des UVS ist – auch wenn aufgrund der Perspektive des Radarfotos ein nach rechts einbiegender Bus nicht zu sehen ist – nicht gänzlich auszu­schließen, dass der Bw aufgrund eines solchen Fahrmanövers bereits beschleunigt hat, sodass er bereits vor der Kreuzung mit der Lx 99 km/h erreicht hatte. Der Zeuge M hat zum einen die Existenz dieses Reisebusses – der Bw hat sich von Anfang an so verantwortet – als auch das Fahrverhalten des Lenkers bestätigt, auf das die Aufmerksamkeit sowohl des Bw als auch des Zeugen gerichtet war. Vonseiten des UVS besteht kein Anlass für Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen des Zeugen M und des Bw, sodass das vom Bw geschilderte Übersehen des Beschränkungszeichens glaubhaft ist. Von einem Verschulden ist in dieser speziellen Situation nicht auszugehen, weshalb – im Zweifel zugunsten des Bw – spruchgemäß zu entscheiden war. Verfahrenskosten fallen naturgemäß nicht an.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Ablenkung durch abbiegenden Reisebus vor ihm à Bw hat 70er übersehen à Einstellung

 

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