Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-310482/5/Re/Th

Linz, 05.03.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des Herrn x x, x, x, vom 1. März 2012, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23. November 2011, UR96-35-2011, wegen einer Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

  II.      Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) 1991 iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz (VStG).

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem Straferkenntnis vom 23. November 2011, Zl. UR96-35-2011, hat die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen über den Berufungswerber (Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach Artikel 36 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen eine Geldstrafe in der Höhe von 730 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 7 Stunden verhängt.

 

Dem Straferkenntnis liegt nachstehender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben am 16.05.2011 um ca. 16:00 Uhr als Lenker des LKW-Zugs mit dem behördlichen deutschen Kennzeichen x und dem behördlichen deutschen Kennzeichen des Anhängers x, der am Parkplatz nach der Autobahnabfahrt x in Fahrtrichtung Deutschland (bei km 25) angehalten wurde, die Verbringung folgender Altfahrzeuge, die als gefährliche Abfälle zu qualifizieren sind,

- x, rot, 5-türig

- x, 1,4 i, silber

- x, 3-türig, grün

- x, rot

- x, grau

- x, 1,6 SR, blau-metallic

- x, 1,6 LX, Sedan, grau

- x, 4-türig, SLX, rot

- x, Benzin, silber,

nach x versucht, obwohl die Verbringung von Altfahrzeugen und Unfallautos mit umweltgefährdenden Flüssigkeiten und anderen gefährlichen Komponenten, die als gefährlicher Abfall einzustufen sind, in Nicht-OECD-Staaten bzw. Staaten, die den OECD-Ratsbeschluss C (2001) 107 noch nicht umgesetzt haben, auf Grund des Exportbannes für gefährliche Abfälle verboten ist, wobei für x als Nicht-OECD-Staat dieser Exportbann jedenfalls gilt.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Art. 36 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw mit Schreibern vom 15.12.2011, per Telefax am selben Tag und somit innerhalb offener Frist eingebracht, Berufung erhoben und angekündigt, sich gegebenenfalls über einen Rechtsanwalt zum gesamten Verfahren in Absprache mit dem Arbeitgeber zu dem Sachverhalt zu äußern.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat diese Berufung samt bezughabenden Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser aufgrund der Tatsache, dass keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Einholung einer ergänzenden Äußerung des Bw mangels Begründung der ursprünglich eingebrachten Berufung. In diesem Zusammenhang stellt der Bw mit Eingabe vom 1. März 2012 ergänzend fest, die Sachlage sei eindeutig und er habe sich keinen Verstoß vorzuwerfen. Er habe lediglich den Aufgabenbereich, der ihm durch seinen damaligen Arbeitgeber, der Spedition A., erteilt worden sei, ausgeführt. Er hatte weder die Möglichkeit, noch die Kompetenz, die Transporte auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, sondern war nur angehalten, diese durchzuführen. Der Verantwortungsbereich sei bei der Spedition A. oder bei dessen Auftraggeber gelegen.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 79 Abs.1 Z15a AWG begeht, wer eine Verbringung von Abfällen, die nicht im Einklang mit § 69 Abs. 7 oder mit den Art. 34, 36, 39, 40, 41 oder 43 der EG-VerbringungsV steht, vornimmt, - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 730 € bis 36 340 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3 630 € bedroht.

 

Gemäß § 80 Abs.1 erster Satz leg.cit ist in den Fällen des § 79 Abs.1 Z1 in Verbindung mit § 15 Abs.3 letzter Satz, § 79 Abs.1 Z7, § 79 Abs.1 Z15a, §79 Abs.2 Z3 in Verbindung mit § 15 Abs.3 letzter Satz und § 79 Abs.2 Z18, 19, 20 oder 22 der Versuch strafbar.

 

5.2. Im bekämpften Straferkenntnis wird dem Bw vorgeworfen, die Ausfuhr von gefährlichen Abfällen (KFG) von Österreich nach N. versucht zu haben.

 

Gemäß § 8 Abs.1 VStG unterliegt, sofern eine Verwaltungsvorschrift den Versuch einer Verwaltungsübertretung ausdrücklich für strafbar erklärt, der Strafe, wer vorsätzlich eine zur wirklichen Ausübung führende Handlung unternimmt.

 

Nach dieser Gesetzesbestimmung kommt demnach ein Versuch nur in Betracht, soweit Delikte auch mit Vorsatz begangen werden können.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderen die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Danach ist es im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täter und Tatumstände so genau zu umschreiben, dass zum einen die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und zum anderen die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (vergl. Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 13.6.1984, Slg. Nr.11466/A, sowie VwGH 13.9.1999, 98/09/0084).

Demnach sind zum einen entsprechende, dh in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Zum anderen nämlich in Bezug auf das unverwechselbare Festhalten der Identität der Tat, muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Das bedeutet, dass die den Beschuldigten vorgeworfene Tat unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf entsprechend zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren.

 

Dass es im Bescheidspruch zufolge der Z1 des § 44a VStG der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift (Z2) erforderlich sind, bedarf, bedeutet, dass es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwendigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt (siehe dazu Hauer/Leukauf, aaO, Seite 1522).

 

Im Zusammenhang mit § 8 Abs.1 VStG kann wegen des Versuches der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung nur bestraft werden, wer vorsätzlich eine zur wirklichen Ausübung führende Handlung unternimmt. Somit ist das vorsätzliche Verhalten der betreffenden Person ein wesentliches Tatbestandsmerkmal, welches in den Tatvorwurf aufgenommen werden muss, ansonsten der Tatvorwurf nicht dem § 44a Z1 VStG entspricht.

Diesen Anforderungen entspricht der Tatvorwurf des bekämpften Straferkenntnisses nicht, zumal dem Bw vorgeworfen wird, die Verbringung versucht zu haben, obwohl diese Verbringung verboten ist. Die in Form des Versuches angelastete Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs.1 Z15a AWG 2002 erfordert ein besonderes Verschulden, nämlich die vorsätzliche Begehung. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut aus dem oben zitierten § 8 Abs.1 VStG. Da diese besondere Verschuldensform schon von Gesetzeswegen entgegen der allgemeinen Bestimmungen des § 5 Abs.1 VStG vorgesehen ist, ist diese besondere Verschuldensform auch als objektiver Tatbestand der Verwaltungsübertretung dem Beschuldigten innerhalb der gesetzlichen Verfolgungsverjährungsfrist von einem Jahr vorzuwerfen und im durchzuführenden Verwaltungsstrafverfahren auch entsprechend zu begründen.

 

Ein entsprechender, auf diese Verschuldensform bezogener ausdrücklicher Tatvorwurf ist weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16. August 2011, noch im angefochtenen Straferkenntnis vom 23. November 2011 erfolgt. Vielmehr wird dem Bw im Grunde des § 5 Abs.1 VStG in der Begründung ausdrücklich fahrlässiges Verhalten bzw. leicht fahrlässiges Verhalten zum Vorwurf gemacht. Innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist wurde ihm jedenfalls ein Vorsatz nicht zur Last gelegt.

 

Aufgrund dieser Sach- und Rechtslage war das Straferkenntnis insgesamt aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Weil der Berufung Folge zu geben war und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 VStG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Reichenberger

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum