Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-560236/2/Wim/BU/TK

Linz, 29.01.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung von Frau X, X,X, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 4.12.2012, GZ: SO-SH-13451-2012 CS, wegen Abweisung von Leistungen der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes nach dem Oö.. Mindestsicherungsgesetz, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird keine Folge gegeben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung über den Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides an die Erstinstanz zurückverwiesen.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 2 und 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 6 Abs. 5 und 33 Oö. Mindestsicherungsgesetz - Oö.. BMSG

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Spruchpunkt 1 der Antrag der Berufungswerberin vom 31.10.2012 auf Gewährung einer Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes abgewiesen.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass sich die Berufungswerberin seit 10.10.2010 in einem Lehrverhältnis zur Einzelhandelskauffrau (bis voraus­sichtlich März 2014) befinde und gemäß § 11 Abs. 3 Ziffer Oö. BMSG 5 eine bedarfsorientierte Mindestsicherung nur für Personen geleistet werden könne, die bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres eine Erwerbs- oder Schulausbildung begonnen hätten.

 

Unter Spruchpunkt 2. wurde der Berufungswerberin für die im gemeinsam gemeinsamen Haushalt lebende Tochter Hilfe zur Sicherung des Lebensunter­haltes und des Wohnbedarfes in Form von laufenden monatlichen Geldleistungen zuerkannt.

 

2. Gegen Spruchpunkt 1 hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben und ausgeführt, dass sie sich in einer vom AMS angebotenen und geförderten Maßnahme der Hilfe zur Arbeit befände und ein Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung nach § 20 Abs. 7 Oö. BMSG auf den Differenzbetrag zum vorgesehenen Mindeststandard bestehe.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht­nahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie durch Einholung von Informationen beim Qualifizierungsnetzwerk - Verein zur Qualifizierung von ArbeitnehmerInnen und bei der Sozialabteilung des Landes Oberösterreich.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungs­wesentlichen Sachverhalt aus:

 

Die in etwa sechsundzwanzigjährige Berufungswerberin ist alleinerziehende Mutter eines ca. dreieinhalb Jahre alten Kindes. Sie hat mit 10.10.2012 über die JES - Junge Erwachsenen Stiftung eine freiwillige Ausbildung zur Erlangung des Lehrabschlusses im Beruf Einzelhandelskauffrau im Stundenausmaß von 25 Stunden pro Woche begonnen. Dabei handelt es sich um eine reine Schulungsmaßnahme und kein Lehr- oder Arbeitsverhältnis. Als Begründung für die Teilzeitbeschäftigung wurden von der Stiftung Kinderbetreuungspflichten angenommen. Die Berufungswerberin erhält im Rahmen dieser Ausbildungsmaßnahme Notstandshilfe-Schulung von täglich 9,62 € sowie eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes von täglich 9,85 € nach dem Arbeitsmarktservicegesetz –AMSG, somit einen ungefähren monatlichen Betrag von 600 €.

 

 

3.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrens­akt sowie den eingeholten Informationen. Er wurde auch von der Berufungswerberin nicht bestritten.

 

4. der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 5 Oö. BMSG ist Voraussetzung für die Leistung einer bedarfs­orientierten Mindestsicherung, dass eine Person von einer sozialen Notlage betroffen ist (§ 6) und bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

 

Gemäß § 6 Abs. 5 Oö. BMSG gelten nicht als soziale Notlage Situationen, für die bereits auf der Basis anderer gesetzlicher Grundlagen ausreichend Vorsorge getroffen wurde.

 

Nach § 7 Abs. 1 Oö. BMSG setzt die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung die Bereitschaft der hilfebedürftigen Person voraus, in angemessener, ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage beizutragen. Eine Bemühung ist jedenfalls dann nicht angemessen, wenn Sie offenbar aussichtslos wäre. Nach Abs. 2 gilt als Beitrag der hilfebedürftigen Person im Sinne des Abs. 1 insbesondere auch der Einsatz der Arbeitskraft nach Maßgabe des § 11.

 

Nach § 11 Abs. 3 Ziffer 5 Oö. BMSG darf der Einsatz der Arbeitskraft insbesondere nicht verlangt werden von Schülerinnen und Schülern, die in einer bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnenen und zielstrebig verfolgten Erwerbs- oder Schulausbildung stehen.

 

Gemäß § 20 Abs. 1 Oö. BMSG kann arbeitsfähigen Hilfebedürftigen, die trotz entsprechender Bemühungen (§ 11) keine Erwerbsmöglichkeit finden, anstelle bedarfsorientierte Mindestsicherung in Form laufender Geldleistungen oder Sachleistungen Hilfe zur Arbeit geboten angeboten werden, sofern keine Maßnahmen des Arbeitsmarktservice in Frage kommen.

Nach Abs. 2 Ziffer 2 kommen als Maßnahmen der Hilfe zur Arbeit insbesondere in Frage die Qualifizierung für die Arbeit, zB durch die Organisation bzw. Übernahme der Kosten für notwendige Schulungsmaßnahmen mit dem Ziel, die Chancen, sich im Erwerbsleben einzugliedern, maßgeblich zu erhöhen.

 

Nach Abs. 7 2. Satz dieser Bestimmung besteht für den Fall, dass die anrechenbare Entlohnung die Leistungen gemäß § 13 (Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs) unterschreitet, ein Rechtsanspruch auf den Differenzbetrag.

 

4.2. Der § 11 Abs. 3 Oö. BMSG zählt Fälle auf, in denen der Einsatz der Arbeitskraft insbesondere nicht verlangt werden darf. Darunter ist in Ziffer 5 auch der Fall von Schülerrinnen und Schülern angeführt, die in einer bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnenen und zielstrebig verfolgten Erwerbs- oder Schulausbildung stehen.

 

Daraus einfach den Umkehrschluss zu ziehen, dass bei allen Ausbildungsformen, die nach dem 18. Lebensjahr begonnen werden, ungeachtet dessen immer der volle Einsatz der Arbeitskraft verlangt werden darf, und bei Nichtnachkommen dieser Arbeitsverpflichtung keinesfalls ein Anspruch auf Leistungen aus der Mindest­sicherung besteht, ist rechtlich unzulässig und auch unsachgemäß.

 

Vielmehr ist in solchen Fällen im Sinne des § 11 Abs. 1 und 2 Oö. BMSG die Zumutbarkeit des Einsatzes der Arbeitskraft zu prüfen. Dabei ist entsprechend den Erläuterungen zu dieser Bestimmung auf die Intention des Art. 14 Abs. 2 der Vereinbarung nach Art. 15a B-VG über eine bundesweite bedarfsorientierte Mindestsicherung, LGBl. Nr. 82/2010, folgend auf die Voraussetzungen des § 9 Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 - AlVG Rücksicht zu nehmen.

 

Nach § 9 Abs. 1 AlVG ist auch arbeitswillig wer bereit ist, sich zum Zwecke der beruflichen Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen.

 

Wenngleich in Zusammenschau dieser Vorschriften durch die von der Berufungswerberin in Anspruch genommene Ausbildungsmaßnahme grund­sätzlich von einem zulässigen Einsatz der Arbeitskraft auszugehen sein wird, ist daraus für die Berufungswerberin aufgrund der nachfolgend dargestellten rechtlichen Situation nichts gewonnen.

 

4.3. Wie bereits ausgeführt gelten gemäß § 6 Abs. 5 Oö. BMSG rechtlich nicht als soziale Notlage Situationen, für die bereits auf der Basis anderer gesetzlicher Grundlagen ausreichend Vorsorge getroffen wurde.

 

Die Berufungswerberin erhält im Rahmen ihrer Ausbildungsmaßnahmen Notstandshilfe-Schulung von täglich 9,62 € sowie eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes von täglich 9,85 € nachdem Arbeitsmarktservicegesetz –AMSG, somit einen ungefähren monatlichen Betrag von 600 €.

 

§ 35 Abs. 1 einem AMSG lautet: "Ist Zweck der Beihilfe die Sicherung des Lebensunterhaltes während einer beruflichen Aus- oder Weiterbildung oder der Vorbereitung einer Arbeitsaufnahme, kann eine Beihilfe in Form wiederkehrender Zahlungen zuerkannt werden (Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes). Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung kann abgeleitet werden, dass auch diese Bestimmung das erkennbare Ziel verfolgt den Lebensunterhalt bzw. Wohnbedarf zu decken. Aufgrund der Regelung des § 6 Abs. 5 Oö. BMSG liegt somit nach der gesetzlichen Definition keine soziale Notlage für die Berufungswerberin vor und fehlt damit die Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Mindestsicherung auch wenn der ausbezahlte Betrag den Mindestsicherungsstandard unterschreitet. Dies ist auch bei anderen gesetzlichen Vorsorgen wie nach dem  Grundversorungsgesetz und dem Chancengleichheitsgesetz so der Fall. Auch das für Unterhaltsleistungen nichtpfändbare Existenzminimum liegt derzeit bei rund 600 €.

 

4.4. Da die Qualifizierungsmaßnahmen freiwillig von der Berufungswerberin eingegangen wurden, auch nicht vom AMS vorgeschrieben wurden und formell derzeit keine Maßnahmen der Hilfe zur Arbeit im Sinne des § 20 Abs. 1 und 2 Oö. BMSG sind, hat die Berufungswerberin auch keinen Rechtsanspruch im Sinne des Abs. 7 dieser Bestimmung auf den Differenzbetrag zum Mindeststandard der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat ist aber durchaus der Meinung, dass durch eine derartige Vorgehensweise nicht der Fall eintreten sollte, dass dadurch Personen, die wie die Berufungswerberin zielstrebig eine sinnvolle Höherqualifizierungsmaßnahme durchführen, aus wirtschaftlichen Gründen dazu gezwungen werden diese abzubrechen.

 

Der gegenständliche Fall sollte daher durch die Erstinstanz an das dafür eingerichtete institutionenübergreifende Case Management herangetragen werden zur Beurteilung, ob es sich dabei um eine sinnvolle und ausreichende Maßnahme handelt, die als Hilfe zur Arbeit qualifiziert werden könnte, womit der Berufungswerberin dann zumindest auf privatrechtlicher Basis noch zusätzliche Leistungen aus der Mindestsicherung gewährt werden könnten.

 

Es war daher die Sache im Sinne des § 30 Abs. 3 Oö. BMSG zurückzuverweisen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

       

 

Dr. Leopold Wimmer

 

 

 

 

VwSen-560236/2/Wim/BU/TK vom 29. Jänner 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

AlVG §9;

AMSG §35 Abs1;

Oö. BMSG §6 Abs5;

Oö. BMSG §11 Abs1;

Oö. BMSG §11 Abs2;

Oö. BMSG §11 Abs3 Z5

 

I. Aus §11 Abs3 Z5 Oö. BMSG kann man nicht den Umkehrschluss ziehen, dass bei allen Ausbildungsformen, die nach dem 18. Lebensjahr begonnen werden, ungeachtet dessen immer der volle Einsatz der Arbeitskraft verlangt werden darf, und bei Nichtnachkommen dieser Arbeitsverpflichtung keinesfalls ein Anspruch auf Leistungen aus der Mindestsicherung besteht.

Vielmehr ist in solchen Fällen im Sinne des §11 Abs1 und 2 Oö. BMSG die Zumutbarkeit des Einsatzes der Arbeitskraft zu prüfen. Dabei ist entsprechend den Erläuterungen zu dieser Bestimmung auf die Voraussetzungen des §9 AlVG Rücksicht zu nehmen.

 

II. Schon aus dem Wortlaut des §35 Abs1 AMSG kann abgeleitet werden, dass eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes das erkennbare Ziel verfolgt, den Lebensunterhalt bzw. Wohnbedarf zu decken. Aufgrund der Regelung des §6 Abs5 Oö. BMSG liegt in einem solchen Fall nach der gesetzlichen Definition keine soziale Notlage vor und fehlt es damit an der Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Mindestsicherung auch wenn der ausbezahlte Betrag den Mindestsicherungs­standard unterschreitet.

 

 

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