Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730713/6/Sr/ER/WU

Linz, 21.03.2013

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, geboren am X, StA der Türkei, vertreten durch X, Rechtsanwälte in X,  gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 24. Juni 2008, AZ: Sich40-33061-2005, zu Recht erkannt:

 

 

Aus Anlass der Berufung wird der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG

 

İtirazın kabul edilmesine ve itiraz edilen kararın tazminsiz ortadan kaldırılmasına.

 

Hukuki dayanak:

§ 66 Abs.4 AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 24. Juni 2008, AZ: Sich40-33061-2005, wurde gegen die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wie folgt abgesprochen:

"Gegen Sie wird ein unbefristetes Rückkehrverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt.

Rechtsgrundlage:      §§ 60 Abs. 2 Z 5, 62 Abs. 2, 63 Abs. 2

                             §§ 66 u1 Abs. 2 FPG 2005

Das unbefristete Rückkehrverbot hat derzeit keine Wirkung. Erst nach rechtskräftiger negativer Entscheidung Ihres Asylverfahrens wird das Rückkehrverbot zum Aufenthaltsverbot."

 

Begründend führt die belangte Behörde neben der Wiedergabe der angewendeten Rechtsvorschriften Folgendes aus:

 

"Sie sind türkische Staatsbürgerin und sind am 10. Mai 2005 illegal mit dem PKW in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist. Am 12. Mai 2005 haben Sie beim Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt. Dieser Antrag ist mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Oktober 2005 abgewiesen worden. Die dagegen eingebrachte Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat ist zur Zeit noch ausständig.

Am 29. Mai 2008 sind Sie im Zuge einer Observation durch Beamte des Landeskriminalamtes Salzburg einer organisierten Schlepperei in X festgenommen worden. Sie werden beschuldigt, wissentlich die rechtswidrige Einreise mehrerer Fremde in das Bundesgebiet der Republik Österreich gefördert zu haben, indem Sie mittels LKW illegal aus Rumänien kommende türkische Staatsbürger befördert haben. Sie befinden sich seit dem 31. Mai 2008 wegen Verdachtes der Schlepperei gemäß § 114 Fremdenpolizeigesetz 2005 in Untersuchungshaft, derzeit in der Justizanstalt X.

 

Mit Schreiben vom 4. Juni 2008, Ihnen nachweislich zugestellt am 06.06.2008, sind sie nachweislich in Kenntnis gesetzt worden, dass die hs. Fremdenpolizeibehörde beabsichtigt, gegen Sie ein unbefristetes Rückkehrverbot zu verhängen. Sie sind aufgefordert worden, binnen zwei Wochen nach Zustellung zur beabsichtigen Verhängung eines unbefristeten Rückkehrverbotes schriftlich Stellung zu nehmen. Weiters sind Sie mit dem gleichen Schreiben aufgefordert worden, innerhalb der oben zitierten Frist schriftlich bei der hs. Fremdenpolizeibehörde Angaben über Ihre familiären Bindungen in Österreich und in Ihrem Heimatstaat zu machen.

Bis dato ist von Ihnen keine schriftliche Stellungnahme eingelangt.

 

[...]

 

Sie sind am 29. Mai 2008 im Zuge einer Observation durch Beamte des Landeskriminalamtes Salzburg bei einer organisierten Schlepperei in X festgenommen worden. Sie werden beschuldigt, wissentlich die rechtswidrige Einreise mehrerer Fremden in das Bundesgebiet der Republik Österreich gefördert zu haben, indem Sie mittels LKW illegal aus Rumänien kommende türkische Staatsbürger befördert haben. Seit dem 31. Mai 2008 befinden Sie sich in Untersuchungshaft.

 

Sie sind selbst Asylwerber und sind somit illegal ins Ausland ausgereist und schließlich illegal wieder ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist. Sie besitzen eine Asylkarte. Mit dieser Asylkarte ist es Ihnen untersagt, ins Ausland zu reisen: Aus diesem Grund sind wiederum illegal auch ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist.

 

Nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH kommt der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Dieses hohe Maß der öffentlichen Ordnung haben Sie bewusst durch Ihr Verhalten gefährdet.

 

Wie bereits umseitig erwähnt, sind Sie am 10. Mai 2005 illegal nach Österreich eingereist und haben 12. Mai 2005 einen Asylantrag gestellt. Am 12. August 2007 ist Ihr 13jähriger Sohn/ X, geb. X, türk. Sta., illegal per Flugzeug über den Flughafen Wien Schwechat eingereist, seinen Asylantrag hat er am 13. August 2007 beim Bundesasylamt Außenstelle Salzburg gestellt. Gegen den Ausweisungsbescheid des Bundesasylamtes, Außenstellte Salzburg ist die Berufung noch anhängig, ebenso gegen §§ 3 u 8 AsylG 2005. Am 23. Oktober 2007 ist Ihr 15jähriger Sohn, X, geb. am X, türk. Sta., ebenfalls über den Flughafen Wien-Schwechat illegal eingereist. Er hat am 24. Oktober 2007 einen Asylantrag bei der EAST-X gestellt. Am 13.11.2007 ist die Berufung gegen den Bescheid der EAST-X, §§ 3 u 8 AsylG und Ausweisung, anhängig.

 

Sie selbst sind mit X, geb. am X, öster. Sta., verheiratet. Sie haben eine gemeinsame Unterkunft in X. Auch Ihr Gatte ist am gleichen Tag von den Beamten des Landeskriminalamtes Salzburg wegen Verd d Schlepperei nach § 114 FPG festgenommen worden. Auch dieser befindet sich derzeit in Untersuchungshaft. Seine beiden minderjährigen Kinder X und X werden von der Jugendwohlfahrt der BH Vöcklabruck betreut.

 

Ihre Familienbindung ist hier aufgrund Ihrer beiden Söhne mit Sicherheit gegeben. Weiters spricht auch die Eheschließung mit dem öster. Sta., X für Sie. Aus den angeführten Gesichtspunkten ist der Eingriff in Ihr Privat- und Familienleben gegeben.

Nach Abwägung der umseitig erwähnten Gründe kommt die hs. Fremdenpolizeibehörde zum Schluss, dass der Eingriff in Ihr Privat- und Familienleben gerechtfertigt ist, da in ihrem konkreten Fall die Erlassung des Rückkehrverbotes aufgrund des § 60 Abs. 2 Z 5 dringend geboten ist, weil im Hinblick auf Art. 8 EMRK die Notwendigkeit eines Rückkehrverbotes bzw. Aufenthaltsverbotes indem besonders großen öffentlichen Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens begründet ist. Durch Ihr gesetztes Verhalten haben Sie erheblich die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch das Schlepperunwesen gefährdet. Es ist ein großes und wichtiges Interesse des Staates gerade in der heutigen Zeit, das Schlepperunwesen mit allen Mitteln zu bekämpfen, um ein ordentliches Fremdenwesen gestalten zu können. Gerade die zahlreichen Erkenntnisse des VwGH zeigen deutlich, dass das Schlepperunwesen eine erhebliche Gefahr der Öffentlichen Ordnung darstellt."

 

2. Gegen diesen Bescheid hat die Bw mit Schreiben vom 2. Juli 2008 berufen. Darin führt die Bw aus, dass sie seit X mit ihrem Ehemann, einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei und mit ihm einen gemeinsamen Sohn habe, der zum Berufungszeitpunkt 2 1/2 Jahre alt gewesen sei. Darüber hinaus lebe sie mit ihrem Mann und dem gemeinsamen Kind sowie ihren beiden mj. Kindern und den beiden mj. Kindern ihres Mannes – jeweils aus erster Ehe – in einem gemeinsamen Haushalt. Sie sei seit vier Jahren in Österreich aufhältig und verfüge über keine familiären Bindungen mehr in ihrem Herkunftsstaat. Sie sei der deutschen Sprache nicht mächtig, beabsichtige aber nach Verbüßung der Haftstrafe, einen bereits begonnenen Deutschkurs fortzusetzen.

 

3.1. Mit Schreiben vom 17. Juli 2008 legte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck die Berufung der Sicherheitsdirektion Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

Mit Bescheid vom 3. März 2010 hat der Sicherheitsdirektor von Oberösterreich über die Berufung der Bw wie folgt abgesprochen:  

 

"Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Bescheid vom 24.06.2008; Zahl Sich40-33061-2005, gegen Sie auf der Rechtsgrundlage des §§ 60 Abs. 2 Zi. 5, 62 Abs. 2, 63 Abs. 2, 66 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, i.d.g.F., ein unbefristetes Rückkehrverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

Sie haben gegen diesen Bescheid in offener Frist Berufung eingebracht, über die die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich wie folgt entscheidet:

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Zi. 5 sowie den §§ 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, i.d.g.F., wird Ihrer Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt."

 

Gegen diesem Bescheid erhob die Bw Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof – VwGH.

 

3.2. Mit Erkenntnis vom 22. Jänner 2013, 2012/18/0203-6 (vormals 2010/21/0115), hat der VwGH der Beschwerde betreffend die Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbots stattgegeben und den Bescheid der Sicherheitsdirektion Oberösterreich wegen Rechtswidrigkeit seines inhalts aufgehoben.

 

Begründend führte der VwGH Folgendes aus:

 

"Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gestützt auf    § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein unbefristetes Rückkehrverbot.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Inhaltes des erstinstanzlichen Bescheides sowie des Inhaltes der Berufung und weiterer von der Beschwerdeführerin eingebrachter Stellungnahmen aus, nach § 60 Abs. 1 FPG könne gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt sei, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Im Weiteren gab die belangte Behörde noch weitere Bestimmungen des FPG, die sich auf die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes beziehen, wieder.

 

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, es sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 5 FPG erfüllt, weil die Beschwerdeführerin durch das Landesgericht Eisenstadt am 18. März 2009 wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs. 2, Abs. 4 erster Fall und Abs. 5 erster Fall FPG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt worden sei. Gegenteiliges habe die Beschwerdeführerin nicht behauptet.

 

Sodann legte die belangte Behörde dar, weshalb ihrer Ansicht nach die Erlassung des "Aufenthaltsverbotes" im Sinn des § 66 FPG zulässig sei.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (18. März 2010) nach den Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.

 

Die Beschwerde macht u.a. geltend, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, auf § 86 FPG Bezug zu nehmen. Sie habe die darin genannten Voraussetzungen nicht geprüft.

 

Bereits dieses Vorbringen fuhrt die Beschwerde zum Erfolg.

 

Zunächst ist anzumerken, dass die belangte Behörde, obwohl sie den - ein Rückkehrverbot aussprechenden - erstinstanzlichen Bescheid bestätigt hat, im angefochtenen Bescheid in keiner Weise auf dieses Rechtsinstitut Bezug genommen hat.

Es wurde nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides nur auf § 60 FPG abgestellt. Auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides spricht die belangte Behörde durchgehend davon, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zulässig sei.

 

Fallbezogen kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde ein Aufenthaltsverbot erlassen wollte. In erster Linie hat sie - selbst wenn bei näherer Betrachtung davon auszugehen wäre, dass hier der Berufungsgegenstand infolge des Vorliegens auch eines im Berufungsverfahren erlassenen Rückkehrverbotes nicht überschritten worden ist (vgl. zur Unzulässigkeit des Wechsels von einem in erster Instanz erlassenen Rückkehrverbot zu einem Aufenthaltsverbot im Berufungsverfahren das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2012, ZI. 2012/18/0171) -Folgendes verkannt:

 

Die Beschwerdeführerin ist - was die belangte Behörde auch festgestellt hat -mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet. Demnach gelten für sie jedenfalls gemäß § 87 FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 85 Abs. 2 und - fallbezogen von Relevanz - § 86 FPG; und zwar auch dann, wenn ihr Ehemann das ihm unionsrechtlich zustehende Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat. In diesem Fall müssen die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG auch bei Erlassung eines Rückkehrverbotes gegeben sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 2009, ZI. 2008/21/0271, mwN).

 

§ 86 Abs. 1 FPG verlangt, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres die Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

Für die Beantwortung der Frage, ob diese Annahme gerechtfertigt ist, ist zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. dazu ebenfalls das bereits erwähnte Erkenntnis vom 30. April 2009, mwN).

 

Die Beschwerdeführerin hat im Berufungsverfahren ausdrücklich - das diesbezügliche in der (allerdings nicht im Berufungsakt erliegenden) Stellungnahme vom 12. November 2009 enthaltene Vorbringen ist im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegeben - geltend gemacht, dass auf sie § 86 Abs. 1 FPG anzuwenden sei. Dem Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen ist sie mit konkretem Vorbringen entgegengetreten. Dennoch hat sich die belangte Behörde überhaupt nicht mit den in dieser Bestimmung genannten Kriterien auseinander gesetzt und zum Vorbringen der Beschwerdeführerin auch keine Feststellungen getroffen. Vielmehr hat sie - was im Übrigen auch nicht den Anforderungen an eine Begründung der Annahme, es bestünde eine Gefahr im Sinn des  § 62 Abs. 1 FPG, entsprochen hätte (vgl. zur Anwendbarkeit der oben genannten Grundsätze für die Darlegung einer von einem Fremden ausgehenden Gefahr auf alle im FPG enthaltenen Gefährdungsmaßstäbe das hg. Erkenntnis vom 20. November 2008, ZI. 2008/21/0603) - zur Begründung der Zulässigkeit des Rückkehrverbotes in Verkennung der Rechtslage ausschließlich darauf abgestellt, dass infolge der Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Schlepperei der Tatbestand des § 60 Abs.2Z5FPG erfüllt sei. Sohin war der angefochtene Bescheid schon deshalb wegen - vorrangig wahrzunehmender - inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Auf das übrige Beschwerdevorbringen musste daher - und auch vor dem Hintergrund, dass für das im zweiten Rechtsgang durchzuführende Berufungsverfahren nach der nunmehrigen Rechtslage ohnedies der unabhängige Verwaltungssenat zuständig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2012, ZI. 2011/18/0173) - nicht weiter eingegangen werden."

 

3.3. Die mittlerweile zuständige Landespolizeidirektion Oberösterreich hat den bezughabenden Verwaltungsakt dem nunmehr zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 13. Februar 2013 zur Erlassung eines Ersatzbescheids vorgelegt. Dieser hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, einen aktuellen Auszug des Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystems und des Zentralen Melderegisters.

 

3.4. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 67d Abs. 2 Z. 1 AVG).

 

Unstrittig steht fest, dass das Asylverfahren der Bw gemäß §§ 7 und 8 AsylG am 8. September 2008 rechtskräftig negativ beendet wurde und die Ausweisung der Bw gemäß § 10 AsylG seit 29. Juli 2009 rechtskräftig ist.

 

3.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 67a Abs. 1 Z. 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1.1. Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist.

 

Gemäß § 125 Abs. 16 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 oder Rückkehrverbote gemäß § 62 bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.

 

Gegen einen Asylwerber ist gemäß § 54 Abs. 1 FPG ein Rückkehrverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2. anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Das Rückkehrverbot gilt als Entzug des Aufenthaltsrechtes. §§ 12 und 13 AsylG 2005 gelten.

 

Bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 sind gemäß § 54 Abs 2 FPG insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 und § 61 gelten.

Ein Rückkehrverbot gemäß Abs. 1 ist gemäß § 54 Abs 3 FPG in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Fremden.

 

Wird eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 durchsetzbar, gilt das Rückkehrverbot gemäß § 54 Abs 9 FPG als Einreiseverbot.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 14 AsylG ist Asylwerber ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf Internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Die Bw ist seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens am 8. September 2009 keine Asylwerberin mehr. Dieser Umstand führt im Rechtsmittelverfahren zwangsläufig zur Aufhebung des Rückkehrverbotes, außer für den Fall, dass im Asylverfahren eine durchsetzbare Ausweisung gemäß § 10 Asylgesetz erlassen worden ist. In einem solchen Fall hätte die Berufungsbehörde gemäß § 54 Abs. 9 FPG ein Einreiseverbot zu verhängen.

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG ist der Ehegatte eines Österreichers der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen hat, begünstigter Drittstaatsangehöriger.

 

Wie dem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 20. April 2010, Sich40-2256-2005, Sich40-3062-2007, Sich40-2512-2007, betreffend die Bw und ihre beiden Kinder aus erster Ehe zu entnehmen ist, ist die Bw aufgrund einer früheren Erwerbstätigkeit ihres Ehemannes in Deutschland begünstigte Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG. Dies sei laut diesem Aktenvermerk dem "NAG-Akt" zu entnehmen.

 

Doch selbst für den Fall, dass die Bw keine begünstigte Drittstaatsangehörige wäre, würden für sie – die zweifellos Familienangehörige eines Österreichers ist iSd § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG ist – gemäß § 65b FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige zur Anwendung kommen. Dies hat ebenfalls der VwGH unter Bezugnahme auf die von ihm anzuwendende Fassung des FPG festgehalten.

Ferner wird im Aktenvermerk ausgeführt, dass für den Fall, dass die Bw tatsächlich begünstigte Drittstaatsangehörige ist, die Ausweisung der Asylbehörde hinfällig sei.

 

4.1.2. Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige können ausschließlich aufenthaltsbeendende Maßnahmen entsprechend dem 4. Abschnitt des FPG - §§ 65 bis 67 FPG – erlassen werden. Ein Rückkehrverbot mutiert im Falle des Vorliegens einer durchsetzbaren Ausweisung gemäß § 10 AsylG nach § 54 Abs. 9 FPG zu einem Einreiseverbot, das im § 53 FPG geregelt ist. Da aber aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen begünstigte Drittstaatsangehörige durch den 4. Abschnitt des FPG abschließend geregelt sind, kann § 54 Abs. 9 FPG auf die Bw, für die zweifelsfrei die Bestimmungen betreffend begünstigte Drittstaatsangehörige anzuwenden sind, keine Wirkung entfalten.

 

4.2.1. Das Rückkehrverbot ist schon mangels Asylwerbereigenschaft der Bw ersatzlos zu beheben.

 

4.2.2. Wie oben erläutert, kann ein Rückkehrverbot unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Einreiseverbot mutieren. Die Umwandlung eines Rückkehrverbots zu einem Aufenthaltsverbot ist in der geltenden Fassung des FPG nicht vorgesehen. Auch der VwGH hat im gegenständlichen Erkenntnis festgehalten, dass ein allfälliger Wechsel von einem in erster Instanz erlassenen Rückkehrverbot zu einem Aufenthaltsverbot unzulässig ist.

 

4.2.3. Die im Spruch des bekämpften Bescheids formulierte aufschiebende Bedingung, dass nach rechtskräftiger negativer Entscheidung des Asylverfahrens das Rückkehrverbot zum Aufenthaltsverbot wird, ist rechtswidrig.

 

Auch dieser Spruchpunkt ist somit ersatzlos zu beheben. Eine allfällige "Umdeutung" dieses Aufenthaltsverbots in ein Aufenthaltsverbot gegenüber begünstigten Drittstaatsangehörigen gemäß § 67 FPG durch den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist aufgrund des ausdrücklichen Regelungsinhalts des § 54 Abs. 9 FPG ausgeschlossen.

 

4.3. Darüber hinaus hat nach der ständigen Judikatur des VwGH die rechtskräftige Ausweisung der Bw mittlerweile ihre Wirksamkeit verloren, zumal sich die Beurteilungsgrundlagen für die Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK maßgeblich zu ihren Gunsten verschoben haben (vgl. VwGH vom 13. Dezember 2012, 2011/21/0144: "Schon die BH hat in dem oben zitierten Aktenvermerk vom 7. Mai 2010 angedeutet, dass einer Ausweisung des Beschwerdeführers Art. 8 EMRK entgegenstehen werde. Diese Beurteilung beruhte zwar auf Umständen, die im Wesentlichen bereits der in Rechtskraft erwachsenen Ausweisung vom
10. September 2009 zu Grunde lagen. Bis zur Schubhaftverhängung am
9. Dezember 2010 hat sich aber nicht nur die Dauer des inländischen Aufenthalts entsprechend verlängert. Vor allem fällt ins Gewicht, dass mittlerweile – im Oktober 2010 – ein drittes Kind geboren wurde und dass Anhaltspunkte dafür existieren, dass der Lebensgefährtin zwischenzeitlich ein Recht auf Daueraufenthalt im Bundesgebiet [...] zukomme.").

 

Im o.g. Aktenvermerk vom 20. April 2010 wird ausgeführt, dass für den Fall, dass die Bw tatsächlich begünstigte Drittstaatsangehörige ist, die Ausweisung der Asylbehörde hinfällig sei.

 

Abgesehen davon, dass die belangte Behörde in ihrer Abwägung gemäß Art 8 EMRK völlig unberücksichtigt gelassen hat, dass die Bw einen gemeinsamen Sohn mit ihrem Ehemann hat, der – wie der Vater – österreichischer Staatsbürger ist und zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung ein Kleinkind war, ist die Bw mittlerweile seit acht Jahren in Österreich aufhältig. Aus diesem Grund ist die Annahme der belangten Behörde, die Ausweisung der Bw sei "hinfällig" unter Heranziehung der o.g. Judikatur und der unzweifelhaften Familienanbindung der Bw jedenfalls zutreffend.

 

4.4. Aus all diesen Gründen war der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

 

4.5. Aufgrund der von der Bw selbst in ihrer Berufung angeführten mangelnden Kenntnisse der deutschen Sprache war gemäß § 59 Abs. 1 FPG die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung in eine der Bw verständlichen Sprache erforderlich.

 

5. Abschließend sei erwähnt, dass im Falle einer eventuell von der belangten Behörde in Erwägung gezogenen Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen die Bw die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige als Prüfungsmaßstab heranzuziehen wären. Demnach müsste überprüft werden, ob das persönliche Verhalten der Bw – die nachweislich seit ihrer Verurteilung keine Straftat mehr begangen hat – eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

Hukuki itiraz yolu bilgilendirilmesi

İşbu karar karşı olağan kanun yolu açık değildir.

 

Talimat

(Verilen karara karşı kararın tebliğ gününden itibaren altı hafta içinde Anayasa Mahkemesi’nde ve/veya Danıştay‘da itiraz edilebilinir. Yasal istisnalar hariç, şikayetin vekil tayin edilmiş bir avukat tarafından yapılması gerekmektedir. Her itiraz için 240.- Euro dilekçe harcı ödenilir.)  

 

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

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