Linz, 03.04.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Lukas über die Beschwerde des I A, geb. X, ägyptischer Staatsangehöriger, vertreten durch den M S M, P, W, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch der (vormaligen) Bundespolizeidirektion Linz zurechenbare Organe aus Anlass der Festnahme und Anhaltung vom 24./25. März 2011 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Anhaltung am 24. und 25. März 2011 durch der (vormaligen) Bundespolizeidirektion Linz (Fremdenpolizeiliches Referat) zurechenbare Organe im Zeitraum ab der Vorführung vor die (vormalige) Bundespolizeidirektion Linz als Fremdenpolizeibehörde am 24. März 2011 kurz vor 16:00 Uhr bis zur Zustellung des Schubhaftbescheides am 25. März 2011 um ca. 11:30 Uhr als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor der Landespolizeidirektion Oberösterreich) den Verfahrensaufwand in Höhe von 28,70 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Rechtsgrundlagen:
§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, in der Fassung BGBl. I Nr. 17/2011 (FPG) iVm Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 (AVG); § 67c und § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 39 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 135/2009, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Asylwerber und Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor die Behörde festzunehmen, wenn ua. gegen diesen eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde. Nach Abs. 5 leg.cit. ist die zuständige Fremdenpolizeibehörde ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen ua. des Abs. 2 leg.cit. bis zu 48 Stunden zulässig, wobei dem festgenommenen Fremden die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen ist.
Gemäß § 40 FPG ist jeder gemäß § 39 Abs. 1 bis 3 FPG Festgenommene in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme zu unterrichten.
§ 76 Abs. 3 FPG enthielt unter der Überschrift "Schubhaft" die Anordnung, dass die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen ist; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei der Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde ua. das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach dem FPG festgenommen worden ist, unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde.
5.2. Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ist ausschließlich die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anhaltung des Bf am 24. und 25. März 2011 durch der (vormaligen) Bundespolizeidirektion Linz zurechenbare Organe im Zeitraum ab der Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde am 24. März 2011 kurz vor 16:00 Uhr bis zur Zustellung des Schubhaftbescheides am 25. März 2011 um ca. 11:30 Uhr.
5.3. Die im vorangegangenen Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenats vom 8. August 2011, VwSen-401111/7/AB/Sta, zu Spruchpunkt II. und IV. gemachten Ausführungen zur Beschwerde des Bf sind großteils weiterhin von Relevanz. Deswegen und der Vollständigkeit halber wird die diesbezügliche Begründung im Folgenden wiedergegeben:
"Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.
Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl. VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl. VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist im Allgemeinen ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl. VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit [1983], 74).
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl. mwN Walter/Mayer/Kuscko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz. 610).
… Im vorliegenden Fall geht die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt aus der Aktenlage eindeutig hervor. Der Bf wurde – für das gegenständliche Verfahren maßgeblich – am 24. März 2011 um ca. 15:52 Uhr zum Zwecke der Vorführung vor die Fremdenpolizei (BPD Linz) gemäß § 39 Abs. 3 Z. 1 FPG in der Außenstelle Linz des BAA festgenommen. In der Folge wurde er zur BPD Linz verbracht, wo er bis zur Erlassung eines ihn betreffenden Schubhaftbescheides am 25. März 2011 (dem Bf um ca. 11:30 Uhr übergeben) angehalten wurde.
… Nach Art. 5 Abs. 1 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den Fällen des Abs. 1 lit. a bis f und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.
Art. 1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrSchG), BGBl. Nr. 684/1988, gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls. Nach Art. 1 Abs. 2 PersFrSchG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 Z. 4 PersFrSchG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, um die Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder die Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung zu erzwingen.
Nach Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.
Die Gesetzesvorbehalte des Rechts auf persönliche Freiheit (Art. 5 EMRK, Art. 2 PersFrSchG) bieten für sich genommen noch keine ausreichende Grundlage für Eingriffe in die persönliche Freiheit. Diese bedürfen der näheren Konkretisierung durch das Gesetz. Fehlt eine gesetzliche Grundlage, ist der Freiheitsentzug verfassungswidrig. Einschränkungen des Grundrechtes der persönlichen Freiheit anzuordnen ist ausschließlich Sache des Gesetzgebers und nicht der Behörden. Der Freiheitsentzug muss gesetzlich vorgesehen (Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG) bzw. rechtmäßig (Art. 5 Abs. 1 EMRK) sein, und er darf nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise erfolgen (Art. 1 Abs. 2; Art. 2 Abs. 1 PersFrSchG; Art. 5 Abs. 1 EMRK). Darin liegt nicht nur ein Gebot an die Vollziehung, sich gesetzeskonform zu verhalten, sondern auch eine Verpflichtung des Gesetzgebers, entsprechende Gesetze zu erlassen und diese inhaltlich ausreichend bestimmt zu formulieren (siehe Kopetzki in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, Rz. 51 zu Art. 1 PersFrSchG).
Nach Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG darf ein Freiheitsentzug vorgesehen werden, wenn dieser notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung zu sichern. Die Formulierung weicht von jener des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK ab. Danach ist die Festnahme oder Haft eines Menschen zulässig, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist. Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG und Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK bilden die Grundlage für freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Fremdenpolizei. Der Begriff der Ausweisung in Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG ist weit zu verstehen und umfasst nach VfSlg. 13.039/1992 und 13.300/1992 alle fremdenpolizeilichen Maßnahmen, die darauf abzielen, dass der Fremde das Land verlasse. Zu den freiheitsentziehenden Maßnahmen im Sinne dieser Bestimmung gehört daher "insbesondere" die Schubhaft zur Sicherung einer Abschiebung (siehe Kopetzki in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, Rz. 75 und 77 zu Art. 2 PersFrSchG).
Für die Zulässigkeit des Freiheitsentzuges genügt nach dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG bereits die Ausweisungsabsicht. Auch wenn das PersFrSchG weniger streng formuliert ist als Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK, ist ein – letztlich auf die Außerlandesschaffung abzielender – behördlicher Akt (z.B. Festnahmeersuchen) auch diesbezüglich jedenfalls erfasst. Wesentlich ist, dass mit einem auf Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG (Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK) gestützten Freiheitsentzug kein anderes Ziel als die Sicherung der Ausweisung verfolgt werden darf (vgl. VfSlg. 13.300/1992).
Die Freiheitsentziehung im Sinne des PersFrSchG und der EMRK umfasst sowohl die Verhaftung (Festnahme) als auch die Anhaltung. Die Verhaftung (Festnahme) ist ein einmaliges Ereignis, sozusagen der Eintritt einer Freiheitsbeschränkung, der vom Willensakt eines Organs (Menschen) getragen wird. Dagegen stellt die Anhaltung die Fortdauer, die Aufrechterhaltung des einmal eingetretenen Zustands der Festgenommenheit dar (vgl Ermacora, Grundriss der Menschenrechte in Österreich [1988] Rz. 364 ff). Auch dieses Verhalten eines Organs muss von dessen Willen getragen sein. Damit müssen jeweils zwei Elemente vorliegen, nämlich ein tatsächliches Verhalten und der Wille zur Freiheitsbeschränkung. Dieser Wille, durch den das bloße Verhalten erst zum normativen Akt – hier: zum Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt – wird, kann etwa dadurch ausdrücklich erklärt werden, dass jemand durch ein Organ "für verhaftet erklärt" wird. Andererseits kann ein Organverhalten auch dann eine Freiheitsentziehung bedeuten, wenn das Organ den Willen nicht ausdrücklich erklärt hat, dieser aber aus seinem Verhalten erschlossen werden muss.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur vorliegen, wenn der behördliche Wille primär auf eine Freiheitsbeschränkung gerichtet war, diese sich also nicht bloß als sekundäre Folge anderer Maßnahmen, mit denen Bewegungsbehinderungen verbunden sind, darstellt (vgl etwa VfSlg. 5280/1966, 5570/1967, 8327/1978, 7298/1974, 12.017/1989, 12.792/1991). Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1998, B 1341/97, wurde in diesem Zusammenhang aber auch zum Ausdruck gebracht, dass eine nach Art und Umfang überschießende Amtshandlung eine einer Festnahme gleichkommende Beschränkung der persönlichen Freiheit darstellen kann.
… Hier einschlägig wurden die gesetzlichen Einschränkungen des Schutzes der persönlichen Freiheit seitens des einfachen Gesetzgebers in § 39 FPG normiert.
Gemäß § 39 Abs. 3 Z. 1 FPG sind Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Asylwerber und Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor die Behörde festzunehmen, wenn gegen diesen eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde.
Nach § 39 Abs. 5 leg.cit. ist die zuständige Fremdenpolizeibehörde ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen des Abs. 1 bis zu 24 Stunden und in den Fällen des Abs. 2 und 3 bis zu 48 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß Abs. 6, § 77 Abs. 5 oder in Schubhaft möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.
… Wie aus dem Sachverhalt hervorgeht, wurde der Bf von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 39 Abs. 3 Z. 1 FPG am 24. März 2011 um ca. 15:52 Uhr festgenommen, unmittelbar darauf dem diensthabenden Journalbeamten der BPD Linz vorgeführt, in weiterer Folge in das PAZ Linz verbracht und dort bis zum nächsten Tag um ca. 11:30 Uhr (Zustellung des Schubhaftbescheides) angehalten.
…
[Es] stellt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des … bekämpften Verwaltungsaktes durch der Fremdenpolizeibehörde zurechenbare Organe: Wie erörtert, war die Festnahme und Anhaltung nach § 39 Abs. 3 FPG mit der Vorführung vor den der Fremdenpolizeibehörde zuzurechnenden Journalbeamten der BPD Linz am 24. März 2011 kurz vor 16 Uhr beendet. Da der Bf in weiterer Folge in das PAZ verbracht und dort bis zum nächsten Tag angehalten wurde, ohne dass über ihn die Schubhaft verhängt war (dies geschah erst am nächsten Tag um ca. 11:30 Uhr durch Zustellung des Schubhaftbescheides), scheint die Rechtmäßigkeit der Anhaltung für diesen Zeitraum fraglich.
Sowohl nach Art. 5 Abs. 1 EMRK als auch nach Art. 1 Abs. 2 PersFrSchG bedarf eine Festnahme bzw. Anhaltung … stets einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage. Fehlt eine solche, ist der Freiheitsentzug verfassungswidrig.
Hinsichtlich der – mehr als 19-stündigen – Anhaltung des Bf durch die Fremdenpolizeibehörde beginnend am 24. Mai 2011 um kurz vor 16:00 Uhr bis zur Zustellung des Schubhaftbescheides am nächsten Tag um ca. 11:30 Uhr vermag das entscheidende Mitglied des Verwaltungssenates eine gesetzliche Deckung im FPG nicht zu erkennen. Weiters fand eine – wohl jedenfalls auch der Fremdenpolizeibehörde bei der Erlassung eines Schubhaftbescheides zukommende – faktisch notwendige gewisse Vorbereitungsphase im Vorfeld der Bescheiderstellung (etwa Tätigkeiten wie Aktenstudium oder Einvernahme des Betroffenen) schon der Aktenlage zufolge nicht statt und wurde im Übrigen auch von der belangten Behörde nicht vorgebracht; eine Subsumtion der gegenständlichen Anhaltung durch die Fremdenpolizeibehörde unter die gesetzliche Regelung der Schubhaft nach § 76 FPG scheidet daher ebenfalls aus (dh. die gegenständliche Anhaltung durch die Fremdenpolizeibehörde ist nicht der Schubhafterlassung nach § 76 FPG zuzurechnen).
Mangels gesetzlicher Deckung der Anhaltung durch die Fremdenpolizeibehörde am 24. März 2011 ab kurz vor 16:00 Uhr bis zur Zustellung des Schubhaftbescheides am nächsten Tag (ca. 11:30 Uhr) war der vorliegenden Beschwerde in diesem Beschwerdepunkt stattzugeben und die zitierte Maßnahme für rechtswidrig zu erklären.
…
Hinsichtlich Spruchpunkt II war dem Bf nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 1 und Z. 3 AVG iVm § 1 Z 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl. II Nr. 456) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 737,60 Euro (Schriftsatzaufwand) zuzusprechen."
5.4. Der Verwaltungsgerichtshof ist diesen Ausführungen teilweise entgegen getreten und hat begründend Folgendes ausgeführt:
"Zunächst ist der Amtsbeschwerde darin beizupflichten, dass sich die nach § 39 Abs. 3 und 5 FPG zulässige Dauer der Anhaltung nach der Systematik dieses Gesetzes, das für die Zeit nach der Festnahme bis zur Schubhaftverhängung keine andere Grundlage für die Anhaltung nennt und auch nicht von einer Pflicht zur Enthaftung eines Fremden, gegen den die Anordnung der Schubhaft gerechtfertigt ist, ausgeht, auf den Zeitraum von der Festnahme des Fremden (hier nach § 39 Abs. 3 Z. 1 FPG) bis zur Verhängung der Schubhaft (§ 76 Abs. 3 FPG) bezieht.
Selbst wenn für die Erlassung des die Schubhaft anordnenden Bescheides keine Erhebungen erforderlich gewesen sein sollten, macht dies die Anhaltung eines Fremden - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht - jedenfalls nicht bereits unmittelbar mit seiner Vorführung vor den zuständigen Organwalter der Fremdenpolizeibehörde rechtswidrig. Es ist nämlich jedenfalls eine angemessene Frist für die Vorbereitung und Erlassung des Bescheides nach § 76 Abs. 3 FPG durch den zuständigen Sachbearbeiter einzuräumen. Um das Überschreiten eines hiefür angemessenen Zeitraumes annehmen zu können, wäre aber das Vorliegen - nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilender - ungerechtfertigter Verzögerungen notwendig (vgl. zu § 177 Abs. 2 StPO etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 1988, B 989/86 = VfSlg. 11.781, sowie das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2000, Zl. 96/01/1071; allgemein weiters K. Stöger in Raschauer/Wessely, Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz, § 36 Rz 5 mwN.).
Die Frage, ob solche Umstände fallbezogen vorlagen, ist jedoch - weil die belangte Behörde auf Grund unzutreffender rechtlicher Beurteilung die Anhaltung des Mitbeteiligten jedenfalls bereits ab seinem Eintreffen bei dem zuständigen Sachbearbeiter der Fremdenpolizeibehörde als rechtswidrig beurteilt hat - im bisherigen Verfahren ungeprüft geblieben."
5.5.1. In Bindung an die dargelegte Rechtsansicht des Verwaltungsgerichthofs war daher – entgegen der ursprünglichen Auffassung des Oö. Verwaltungssenates – davon auszugehen, dass sich die nach § 39 Abs. 3 und Abs. 5 FPG zulässige Dauer der Anhaltung auf den Zeitraum von der Festnahme des Fremden (hier nach § 39 Abs. 3 Z 1 FPG) bis zur Verhängung der Schubhaft (§ 76 Abs. 3 FPG) bezieht.
Weiters war in Bindung an die dargelegte höchstgerichtliche Entscheidung die Frage zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall Umstände fallbezogen vorlagen, die das Vorliegen – nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilender - ungerechtfertigter Verzögerungen belegten. Denn um das Überschreiten eines für die Vorbereitung und Erlassung des Bescheides nach § 76 Abs. 3 FPG durch den zuständigen Sachbearbeiter angemessenen Zeitraumes annehmen zu können, ist nach höchstgerichtlicher Auffassung das Vorliegen solcher ungerechtfertigter Verzögerungen notwendig.
5.5.2. Die Erstbehörde führte in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 29. Jänner 2013 glaubwürdig aus, dass der Leiter des fremdenpolizeilichen Referats der Erstbehörde, der über die gesamte Vorgeschichte und den Fall des Bf Bescheid wusste, gegen 16 Uhr des 24. März 2011 über die Vorführung des Bf verständigt wurde. Daraufhin wurde von ihm der bestehende Akt des Bf nochmals durchgesehen. Auch wurde – wie im vorliegenden Verwaltungsakt dokumentiert – um ca. 17:45 Uhr des 24. März 2011 eine Abfrage des zentralen Melderegisters über den Bf durchgeführt. Aufgrund der bereits vorhandenen Vorkenntnisse und des nochmaligen Aktenstudiums gibt der Leiter des fremdenpolizeilichen Referats weiter an, dass ihm im gegenständlichen Fall das Vorliegen der Voraussetzungen für die Schubhaftverhängung bereits zu diesem Zeitpunkt der Vorführung des Bf am 24. März 2011 völlig klar war, und dass die weitere Amtshandlung unmittelbar am nächsten Morgen ab Beginn der Amtsstunden (7:30 Uhr) fortgeführt werden sollte.
Es entspricht jedenfalls der allgemeinen Lebenserfahrung, dass bereits aufgrund der – wie im vorliegenden Fall umfassenden – amtsbekannten Informationen über einen Fremden das Vorliegen der Schubhaftgründe entsprechend beurteilt werden kann; wie der Leiter des fremdenpolizeilichen Referats selbst ausführt, war ihm die Person des Bf sowie die diesen betreffenden konkreten Umstände bestens bekannt. Im Übrigen wurde die Einschätzung des Leiters des fremdenpolizeilichen Referats vom 24. März 2011 durch die tatsächliche bescheidförmige Verhängung der Schubhaft unmittelbar am nächsten Morgen bestätigt. Aufgrund der durchgeführten Überprüfung des konkreten Einzelfalles durch den Leiter des fremdenpolizeilichen Referats lagen bereits am 24. März 2011 die Gründe für die Verhängung der Schubhaft auf der Hand. Im Übrigen geht das Gesetz selbst – wie vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 2. Oktober 2012 konstatiert – nicht von einer Pflicht zur Enthaftung eines Fremden, gegen den die Anordnung der Schubhaft gerechtfertigt ist, aus.
Weiters wurde mit Amtsbeginn um 7:30 Uhr des 25. März 2011 vom zuständigen Sachbearbeiter eine sofortige Überprüfung des Häftlingstandes durchgeführt, um die erforderlichen Maßnahmen – wie Einvernahme, Bestellung eines entsprechenden Dolmetschers und Konzipierung des Schubhaftbescheides – unverzüglich veranlassen können. Nach Einvernahme des Fremden (9:12 Uhr bis 9:45 Uhr) unter Beiziehung eines Dolmetschers und daran anschließender Vorbereitung des Schubhaftbescheides wurde dieser Bescheid dem Bf schließlich tatsächlich um 11:30 Uhr ausgehändigt.
Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles – insbesondere der Tatsache, dass dem fremdenpolizeilichen Verfahren ein Dolmetscher beizuziehen war, dass dem Leiter des fremdenpolizeilichen Referats nach entsprechender Aktendurchsicht und Überlegensphase bereits am 24. März 2011 die Notwendigkeit der Verhängung der Schubhaft bewusst war und dass nicht zuletzt auch entsprechende Nachtruhezeiten zum Schutze des Angehaltenen zu beachten waren – ergeben sich für das erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenates vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Entscheidung bezogenen Judikatur und Literatur keine Anhaltspunkte, die auf eine ungerechtfertigte Verzögerung des in Rede stehenden Schubhaftverfahrens durch die Erstbehörde schließen ließen. Eine solche wird im Übrigen auch vom Bf nicht behauptet.
5.5.3. Es war daher in Spruchpunkt II. auszusprechen, dass auch die Anhaltung des Bf am 24. und 25. März 2011 durch der (vormaligen) Bundespolizeidirektion Linz zurechenbare Organe im Zeitraum ab der Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde am 24. März 2011 kurz vor 16:00 Uhr bis zur Zustellung des Schubhaftbescheides am 25. März 2011 um ca. 11:30 Uhr nicht rechtswidrig war.
5.5.4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl. II Nr. 456) ein Aufwandersatz in Höhe von 28,70 Euro zuzusprechen.
Dieser Betrag entspricht dem noch offenen Vorlageaufwand der Behörde: Der Ersatz des Vorlageaufwandes gebührt im vorliegenden Fall – im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – unabhängig von der Anzahl der angefochtenen Verwaltungsakte nur einfach, da nur ein einziger "Verwaltungsakt" von der Erstbehörde vorgelegt wurde. Da der Ersatz des Vorlageaufwandes der Behörde iSd § 79a Abs 3 AVG mit Bescheid des Oö. Verwaltungssenates vom 8. August 2011, VwSen-401111/7/AB/Sta (Spruchpunkt III.), aufgrund des (vor der teilweisen Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof festgestellten) teilweisen Obsiegens des Bf entsprechend vermindert ausgesprochen wurde, gebührt dem Bund nunmehr der noch offene Rest-Pauschalbetrag in der Höhe von 28,70 Euro.
Der dem Bund zu ersetzende Schriftsatzaufwand (368,80 Euro) wurde spruchgemäß bereits durch den Bescheid des Oö. Verwaltungssenates vom 8. August 2011, VwSen-401111/7/AB/Sta (Spruchpunkt III.), ausgesprochen. Ein "doppelter" Schriftsatzaufwand war aufgrund der bloßen Bezugnahme der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift auf die "Festnahme gem. § 39 Abs. 3 Z 1 FPG" schlechthin – ohne nähere Ausführungen zur weiteren Anhaltung des Bf nach seiner Vorführung vor die Fremdenpolizei am 24. März 2011 kurz vor 16 Uhr – im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht zuzuerkennen.
(Vgl. zum Aufwandersatz nach § 79a AVG ausführlich Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar § 79a, Rz 18 f und 23 mwN aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240,- Euro zu entrichten.
Astrid Lukas