Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167577/2/Fra/CG

Linz, 15.04.2013

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der Frau x, vertreten durch die Rechtsanwälte x und x, x, x Straße x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 17. Jänner 2013, VerkR96-20429-1-2012, betreffend Übertretung des § 103 Abs.2 KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

 

       I.      Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. 

 

    II.      Die Berufungswerberin hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe (50,00 Euro) zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:        § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG; §§ 16 und 19 VStG;

zu II.:      § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über die Berufungswerberin (Bw) wegen Übertretung des § 103 Abs.2 KFG 1967, gemäß § 134 Abs.1 leg.cit eine Geldstrafe von 250,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 80 Stunden) verhängt, weil sie mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 18. Oktober 2012 als Zulassungsbesitzerin des Fahrzeuges: Kennzeichen: x, x, aufgefordert wurde, binnen zwei Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer dieses Kraftfahrzeug am 19. August 2012 um 17:41 Uhr in W., xautobahn Ax, Kilometer 10.600, Richtung L., gelenkt hat. Sie hat diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt. Sie hat auch keine andere Person benannt, die die Auskunft erteilen hätte können.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch die ausgewiesenen Vertreter   eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems – als nunmehr belangte Behörde – legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c erster Satz VStG).

 

I.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) hat erwogen:

 

Lt. Anzeige der Landesverkehrsabteilung OÖ. vom 19.09.2012, VerkR96-20429-2012, steht der/die Lenker/in des Fahrzeuges, Kennzeichen: x (x), x, in Verdacht, am 19.08.2012 um 17:41 Uhr auf der xautobahn Ax, bei StrKm. 10.600, Fahrtrichtung L., die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 46 km/h überschritten zu haben. Die Geschwindigkeit wurde mittels stationärem Radarmessgerät festgestellt. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde abgezogen.

 

Die ausgewiesenen Vertreter der Bw ersuchten mit Schreiben vom 22. Oktober 2012 die belangte Behörde um Akteneinsicht. Sie kündigten in diesem Schreiben an, danach binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Nach Gewährung der Akteneinsicht durch die belangte Behörde teilten die ausgewiesenen Vertreter der Bw mit Schreiben vom 26. November 2012 der belangten Behörde mit, dass ihre Mandantin – die Bw – am 19.08.2012 um 17:41 Uhr nicht die Fahrerin des Motorrades mit dem amtlichen Kennzeichen x gewesen sei. Ihre Mandantin könne keine Angaben darüber machen, wer dieses Fahrzeug am 19.08.2012 um 17:41 Uhr geführt hat. Das Fahrzeug sei einer Person überlassen worden, der gegenüber ihrer Mandantin ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe, von dem ihre Mandantin vorliegend Gebrauch mache. Sie regen daher an, das gegen ihre Mandantin eingeleitete Ermittlungsverfahren einzustellen.

 

Mit Schreiben vom 29. November 2012 teilte die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems den Vertretern der Bw mit, dass das eingeleitete Strafverfahren wegen einer Übertretung des § 52 lit.a Z.10a StVO 1960 (Geschwindigkeitsüberschreitung) gemäß § 45 VStG eingestellt wurde. Gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 29. November 2012, betreffend Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG 1967, erhob die Bw fristgerecht Einspruch. In diesem Einspruch bezieht sich die Bw wieder auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht und teilt der Behörde mit, dass sie von diesem Recht Gebrauch mache.

 

Die belangte Behörde verweist in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses zutreffend darauf, dass es nach der österreichischen Rechtslage das Rechtsinstitut der Lenkeranfrage gibt und sich die Verpflichtungen des Zulassungsbesitzers unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Weiters wird auf das Spannungsverhältnis zum Anklageprinzip und auch darauf hingewiesen, dass der zur Last gelegte Tatbestand der Nichterteilung einer Lenkerauskunft eine eigenständige Verwaltungsübertretung – unabhängig vom Grunddelikt (hier: der Geschwindigkeitsüberschreitung) – bildet und mit dem Verstreichen der zweiwöchigen Frist zur Erteilung der Lenkerauskunft der Tatbestand als verwirklicht anzusehen ist. Zudem hält die belangte Behörde fest, dass die Bw zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens ein Argument vorgebracht hat, dass und aus welchen Gründen es ihr nicht möglich oder zumutbar war, während der gesetzlichen Beantwortungsfrist eine Lenkerauskunft zu erteilen.

 

Dem Vorbringen der Bw, sie sei nicht verpflichtet, eine nahe angehörige Person, der gegenüber ihr eine Zeugnisverweigerung zustehe, einer Strafverfolgung auszusetzen, erwidert der UVS, dass die Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 lediglich dazu dient, den Fahrzeuglenker festzustellen bzw. nur den Zweck hat, einen Verdächtigen zu ermitteln. Die Bw wurde lediglich in ihrer Eigenschaft als Zulassungsbesitzerin eines Fahrzeuges aufgefordert, eine einfache Tatsache mitzuteilen, nämlich wer das oa. Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Örtlichkeit gelenkt hat. Keinesfalls wurde sie verpflichtet, sich selbst oder eine ihr nahe stehende Person einer konkreten Verwaltungsübertretung zu bezichtigen. Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass auch nach Bekanntgabe des/der Fahrzeuglenkers(in) die Geschwindigkeitsüberschreitung (objektiv und subjektiv) nicht bewiesen wäre. Die Behörde hätte diesbezüglich ein Verfahren durchführen müssen und der/die Lenker/in hätte im Verfahren die Möglichkeit gehabt, den Sachverhalt zu bestreiten, sich in jeder Hinsicht zu verteidigen und auch die rechtliche Beurteilung zu hinterfragen.

 

An die Lenkerauskunft sind strenge Anforderungen geknüpft. Nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die Auskunft unter anderem verletzt durch eine unvollständige Auskunftserteilung, durch bloße Nichterteilung einer Auskunft oder durch eine unrichtige Auskunft. Der zu Last gelegte Tatbestand der Nichterteilung einer Lenkerauskunft ist eine eigenständige Verwaltungsübertretung – unabhängig vom Grunddelikt der Geschwindigkeitsüberschreitung – und mit dem Verstreichen der zweiwöchigen Frist zur Lenkerauskunft verwirklicht. Es ist nicht Voraussetzung eines auf § 103 Abs.2 KFG 1967 gestützten behördlichen Auskunftsverlangens, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem bestimmten Kraftfahrzeug eine Verwaltungsübertretung oder sonstige strafbare Handlung begangen wurde. Die Behörde könnte eine solche Auskunft auch dann verlangen, wenn eine Bestrafung wegen des Anlassdeliktes etwa aus dem Grunde der eingetretenen Verjährung nicht mehr erfolgen kann. Weiters könnte die Behörde die ihr mit § 103 Abs.2 KFG 1967 eingeräumte Befugnis dazu nützen, einen Zeugen zu suchen, wenn lediglich feststeht, dass der unbekannte Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt für ein allfälliges Strafverfahren relevante Beobachtungen gemacht haben könnte. Schließlich handelt es sich bei der Rechtsvorschrift des § 103 Abs.2 KFG 1967 um ein Instrument zur Kontrolle und Überwachung sowohl des fließenden als auch des ruhenden Vekehres bzw. zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes.

 

Die Berufung auf deutsches Recht geht fehl, weil der Tatort der Verwaltungsübertretung in Österreich liegt und daher auch für deutsche Staatsbürger österreichisches Recht anzuwenden ist (vgl. VwGH 26.05.1999, 99/03/0074; 27.06.1997, 97/02/0220; ua.).

 

Nach der Rechtssprechung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes ist sohin Tatort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft der Sitz der die Auskunft begehrenden Behörde. Daraus folgt, dass derjenige, der die von einer österreichischen Behörde nach § 103 Abs.2 KFG 1967 verlangte Auskunft nach dem Lenker eines Kraftfahrzeuges zu einem Zeitpunkt nicht erteilt, nach österreichischem Recht eine Verwaltungsübertretung begangen hat und zu bestrafen ist, auch wenn er einen Wohnsitz im Ausland hat.

 

Im Übrigen hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht als rechtswidrig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines eingebrachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem anderen Staat aufhältig ist, gerichtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist. Der Inlandsbezug ist im gegenständlichen Fall insofern gegeben, als das auf die Bw zugelassene Kraftfahrzeug auf österreichischem Bundesgebiet verwendet wurde und diese Verwendung – ausgelöst durch die dabei mit dem Kraftfahrzeug begangene Normverletzung - Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsverordnung begründet hat.

 

Da die Bw dem Auskunftsverlangen der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems nicht nachkam, hat sie ihre kraftfahrrechtliche Auskunftspflicht verletzt und gegen die Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 verstoßen. Der Tatbestand ist somit erfüllt und es hat die Bw die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht zu verantworten. Bei einer Verwaltungsübertretung des § 103 Abs.2 KFG 1967 handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG. Gemäß § 5 Abs.1 VStG ist zumindest von fahrlässigem Verhalten auszugehen, weil das Verfahren keine Hinweise darauf ergeben hat, dass die Bw kein Verschulden treffen würde. Sie hat den ihr zur Last gelegten Tatbestand sohin auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht. Die Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht geht fehl. Der Berufung konnte daher im Schuldspruch keine Folge gegeben werden und es war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Strafbemessung:

 

Die Strafe ist nach den Kriterien des § 19 VStG zu bemessen. Neben dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Weiters sind die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten zu berücksichtigen.

 

Im Rahmen dieser Strafbemessung muss bedacht werden, dass die gesetzliche Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 das Interesse an einer jederzeit und ohne unnötige Verzögerungen möglichen Ermittlung von Personen, die in Verdacht stehen, unter anderem eine straßenpolizeiliche Übertretung begangen zu haben, mithin das Interesse an einer raschen und lückenlosen Strafverfolgung, schützt. Derartige Übertretungen können sohin nicht als "Bagatelldelikte" abgetan werden. Im konkreten Fall konnte wegen der Nichterteilung der Lenkerauskunft ein(e) Lenker(in), welche(r) in Verdacht steht, eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen zu haben, verwaltungsstrafrechtlich nicht verfolgt werden. Der Unrechtsgehalt der Übertretung ist sohin beträchtlich. Lt. Aktenlage ist die Bw verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Dieser Umstand hat nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als mildernd ins Gewicht zu fallen. Erschwerende Umstände sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Der Strafbemessung wurde folgende soziale und wirtschaftliche Situation der Bw (geschätzt) zu Grunde gelegt:

Monatliches Nettoeinkommen 1.100,00 Euro, kein Vermögen und keine Sorgepflichten.

Die Bw ist dieser Einschätzung nicht entgegengetreten, weshalb sie auch vom Oö. Verwaltungssenat im Rahmen der Strafbemessung berücksichtigt werden. Die Bw wird darauf hingewiesen, dass der gesetzliche Strafrahmen lediglich zu 5 % ausgeschöpft wurde. Eine Überschreitung des Ermessensspielraumes bei der Strafbemessung kann sohin nicht konstatiert werden. Eine Herabsetzung der Strafe verbietet sich auch aus präventiven Gründen.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Johann Fragner

 

 

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