Linz, 16.04.2013
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Markus Zeinhofer über die Berufung des x, geboren am x, vertreten durch Herrn RA x, xplatz x, x x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Braunau am Inn vom 28. November 2012, GZ: VerkR96-4908-2012, betreffend eine Übertretung der Straßenverkehrsordnung zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird stattgegeben, der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.
zu I.: §§ 24, 45 Abs 1 Z 1, 64 Abs 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991;
zu II.: § 65 Verwaltungsstrafgesetz.
Entscheidungsgründe:
1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Braunau am Inn vom 28. November 2012, GZ: VerkR96-4908-2012, wurde dem Berufungswerber (im Folgenden: Bw) angelastet, am 27. Mai 2012 um 10:28 Uhr in der Gemeinde x, x, Ortsgebiet, Bx bei StrKm 12.040, als Lenker die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 11 km/h überschritten zu haben.
Der Bw habe dadurch § 20 Abs 2 StVO verletzt, weshalb gemäß § 99 Abs 3 lit a leg cit eine Geldstrafe in der Höhe von 50,00 EUR, ersatzweise 24 Stunden Freiheitsstrafe, verhängt wurden.
Das Straferkenntnis begründend führt die belangte Behörde auf das Wesentliche verkürzt aus, dass auf dem angeforderten Radarfoto eindeutig ersichtlich sei, dass das Fahrzeug mit dem Kennzeichen x am 27. Mai 2012 um 10:28:48 Uhr in x, im Ortsgebiet x auf der Bx bei StrKm 12.040 mit einer Geschwindigkeit von 66 km/h gemessen wurde. Nach Abzug der Verkehrsfehlergrenze (bei Messwerten bis 100 km/h Abzug von 5 km/h) eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 11 km/h. Der Bw habe in Folge die Auskunft erteilt, im Tatzeitpunkt das Fahrzeug selbst gelenkt zu haben.
Aufgrund der Aktenlage würden sich keine Anhaltspunkte für eine Fehlmessung ergeben und sei eine solche vom Bw auch nicht konkret behauptet worden. Rein abstrakte Behauptungen könnten die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung jedoch nicht erschüttern und sei die Behörde auch nicht verpflichtet, Ermittlungen in Richtung auf unbestimmte Fehler des Gerätes anzustellen, weil es nicht um "denkbare" oder "mögliche", sondern um tatsächliche Fehler gehe. Ebenfalls seien nur dem Meldungsleger tatsächlich unterlaufene Irrtümer relevant. Der VwGH gehe davon aus, dass einem mit der Radarmessung betrauten Beamten aufgrund seiner Schulung die ordnungsgemäße Durchführung solcher Vorgänge zuzumuten sei. Die Angaben des Meldungslegers zusammen mit dem eindeutigen Radarfoto würden daher als ausreichender Beweis für eine Verletzung der Vorschriften hinsichtlich der höchstzulässigen Fahrgeschwindigkeit genügen.
Es folgen Ausführungen zur subjektiven Tatseite sowie zur Strafbemessung.
2. Gegen das am 29. November 2012 zugestellte Straferkenntnis erhob der Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung mit Telefax vom 12. Dezember 2012 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.
3.1. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt mit Schreiben vom 13. Februar 2012 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch die Einholung eines Gutachtens bei einem Amtssachverständigen für Verkehrstechnik.
3.3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:
Am 27. Mai 2012 lenkte der Bw um 10:28 Uhr im Ortsgebiet in x, x, Bx bei km 12.040 das KFZ mit dem ausländischen (deutschen) Kennzeichen x.
Mit welcher Geschwindigkeit der Bw im vorgeworfenen Tatzeitpunkt das KFZ gelenkt hat, kann nicht eindeutig festgestellt werden.
3.3.2. Der im vorigen Punkt angenommene Sachverhalt ergibt sich, soweit er von den Feststellungen der belangten Behörde in Punkt 1 abweicht, wie folgt:
Zur Klärung der im Rechtsmittel aufgeworfenen technischen Fragen wurde beim Amt der Oö. Landesregierung, Abteilung Verkehr, ein verkehrstechnisches Gutachten in Auftrag gegeben. Mit Schreiben vom 10. April 2013 teilte der Amtssachverständige Herr Dipl-HTL-Ing. x folgendes mit:
"Für die gegenständliche Messung wurde eine mobiles Radargerät Multanova 6 F verwendet. Lt. Auskunft der Polizei wurde ein 35 mm Objektiv und ein Kamerawinkel von 19 Grad verwendet. Der Öffnungswinkel beträgt 14,4 Grad.
Im Hinblick auf das übermittelte, überbelichtete Radarfoto, ist die Bestimmung des Fluchtpunktes des Radarfotos nur mit ungewöhnlich großer Ungenauigkeit zu bestimmen.
Auf Grund der ungenauen Fluchtpunktbestimmung des Fotos ergeben sich im Hinblick auf die Nachrechnung des Fotowinkels so große Toleranzen, so dass eine Übertretung der zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h mit der durchgeführten fotogrammetrischen Auswertung nicht mehr sicher nachweisbar ist.
Ob die Fahrgeschwindigkeit des Berufungswerbers wie vorgeworfen 61 km/h betrug oder die erlaubten 50 km/h nur um 2 – 3 km/h überschritten worden sind kann aus technischer Sicht nicht selektiert werden."
3.3.3. Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass das Gutachten des Verkehrstechnikers der belangten Behörde zum Zwecke der Wahrung des Parteiengehörs übermittelt wurde. Mit E-Mail vom 15. April 2013 teilte die belangte Behörde mit, das Gutachten "zur Kenntnis genommen" zu haben. Eine inhaltliche Äußerung dazu erfolgte nicht.
3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 57c VStG).
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:
4.1. Die im ggst Fall einschlägigen Normen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl 1960/159 in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung, lauten:
§ 20. Fahrgeschwindigkeit
(1) […]
(2) Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.
§ 99. Strafbestimmungen
(1) […]
(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist, […]
4.2. Der dem Bw vorgeworfene Tatort liegt völlig unstrittig im Ortsgebiet, weshalb dort gemäß § 20 Abs 2 StVO 1960 – da die Behörde soweit ersichtlich keine geringere Höchstgeschwindigkeit erlassen oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt hat – eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gilt.
Dem Bw wurde angelastet, gegen die genannte Bestimmung verstoßen zu haben. Hiezu ist es freilich notwendig, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen zu können, mit welcher Geschwindigkeit der Bw zum vorgeworfenen Zeitpunkt unterwegs gewesen ist.
Wie dem Gutachten des Amtssachverständigen für Verkehrstechnik zu entnehmen ist, kann eine fotogrametrische Berechnung der Geschwindigkeit aufgrund der schlechten Qualität des vorliegenden Radarbildes im ggst Fall nicht vorgenommen werden.
4.3. Im Verwaltungsstrafverfahren ist der Nachweis der Normverletzung durch die Behörde zu erbringen. In concreto vermag jedoch nicht mit der in einem solchen Verfahren notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen zu werden, dass der Bw die am Tatort geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit tatsächlich überschritten hat. Die Verwirklichung des Tatbestandes der §§ 99 Abs 2 in Verbindung mit 20 Abs 2 StVO 1960 im ggst Fall konnte somit nicht erwiesen werden, weshalb das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.
5. Bei diesem Ergebnis war gemäß § 65 VStG von einem Beitrag des Bw zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich abzusehen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweise:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.
Markus Zeinhofer
Beschlagwortung:
§ 20 Abs. 2 StVO;