Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253416/2/MK/HK

Linz, 12.04.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Markus Kitzberger über die Berufung des X, geboren am X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 05.03.2013, SV96-79-2012, wegen der Übertretung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes in 34 Fällen zu Recht erkannt:

I.               Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

II.               Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten in I. Instanz als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens 20 % der verhängten Strafe, das sind 13.600 Euro, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

 

zu I: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz.

zu II: § 64 Abs.1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz.

 

Entscheidungsgründe:

1.           Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 05.03.2013, SV96-79-2012, wurde über den Berufungswerber (in der Folge Bw) als handelsrechtlichen Geschäftsführer der X GmbH mit Sitz in X, X, und somit als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen wegen der Übertretung des § 7i Abs.3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 idgF in 34 Fällen jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von 2.000 Euro (gesamt somit 68.000 Euro), für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von jeweils 34 Stunden, verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von 6.800 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt der Tatvorwurf zugrunde, der Bw hätte es zu verantworten, dass er als Arbeitgeber die folgenden Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigt gehabt hätte, ohne ihnen zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten.

Es folgte eine detaillierte Aufzählung der beschäftigten Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer unter Angabe von Namen, Geburtsdatum, Wohnanschrift, Staatsbürgerschaft, Identitätsnachweis, ausgeübter Tätigkeit, Dauer der  Beschäftigung, Entlohnung, zustehender Lohn und Ausmaß der Unterentlohnung in Prozent, deren Wiedergabe hier mangels Entscheidungsrelevanz unterbleiben kann.

 

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

 

1.1.      Der Sachverhalt ergebe sich aus einer Anzeige der Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) vom 28.09.2012, der eine Baustellenüberprüfung in X und eine daran anschließende Kontrolle am Sitz des Unternehmens zugründe liegen würden, wobei die Beschäftigungszeiträume vor dem 01.05.2011 (Inkrafttreten der einschlägigen Bestimmungen) unbeachtet geblieben wären.

 

Entsprechend den Gewerbeberechtigungen des Unternehmens seien bei der Einstufung bzw. Entlohnung der Beschäftigten die Kollektivverträge "Baugewerbe und Bauindustrie", "Zimmerergewerbe X" und "Dachdeckergewerbe X" anzuwenden. Aus den jeweils angestellten Vergleichen mit den tatsächlich bezahlten Stundensätzen hätten sich die im Spruch angeführten Unterentlohnungen ergeben.

 

1.2.      Der Bw sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer und (in Ermangelung eines verantwortlichen Beauftragten) verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher am 04.10.2012 nachweislich zur Rechtfertigung aufgefordert worden, und habe diesbezüglich angeführt:

Die Lohnverrechnung sei bis vor kurzer Zeit von einer geringfügig beschäftigten Mitarbeiterin gemacht worden, der der Bw vertraut habe, zumal diese angewiesen worden sei, die Anmeldungen aufgrund des jeweils gültigen Kollektivvertrags vorzunehmen. Von den Missständen habe er selbst erst durch die Anzeige der BUAK erfahren. Mittlerweile würde die Lohnverrechnung jemand anderer machen. Es sei niemals Absicht gewesen, den zustehenden Grundlohn zu unterschreiten, weshalb der entstandene Schaden selbstverständlich gutgemacht würde. Da der Bw in der Sache geständig sei, würde eine möglichst geringe Strafe beantragt.

 

1.3.      In einem dazu geführten Schriftverkehr wäre seitens der BUAK einer außerordentlichen Strafmilderung (Halbierung) unter der Voraussetzung der tatsächlichen Nachzahlung der Leistungsdifferenz zugestimmt worden. Dies entspreche dem präventiven Charakter der Strafnorm des § 7i Abs.3 AVRAG.

 

Nach einigen erfolglosen Versuchen der belangten Behörde, mit dem Bw Kontakt aufzunehmen, teilte dieser am 05.02.2012 im Zuge einer Einvernahme mit, dass er infolge massiver Forderungsausfälle praktisch zahlungsunfähig sei. Er könne daher die in Aussicht gestellten Nachzahlungen ebensowenig erfüllen wie es ihm möglich sei, das drohende Strafausmaß zu bewältigen. Realistisch (und das nur in Raten) sei eine Strafe zwischen 15.000 und 20.000 Euro.

 

1.4.      In rechtlicher Würdigung dieses Sachverhaltes stellte die belangte Behörde fest, dass der "angebotenen" Strafsumme die gesetzlichen Bestimmungen des AVRAG entgegen stehen würden, und der lapidare Hinweis auf eine angebliche Zahlungsunfähigkeit per se noch keine Schuldmilderung oder Unterschreitung der vorgesehenen Mindeststrafen bewirken könne.

 

Auf der Grundlage der allgemeinen Rechtsgüterabwägung und einer speziellen Analyse der Schutzinteressen des AVRAG sei festzuhalten, dass durch ein Vorgehen wie das des Bw soziale Errungenschaften Österreichs (Lohnniveau) in Gefahr seien. Dies sei bei der Strafbemessung nach § 19 VStG ebenso zu berücksichtigen wie die sonstigen Milderungs- und Erschwerungsgründe sowie die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten.

 

Bei der angewendeten Strafnorm handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt, weshalb Fahrlässigkeit bei der Begehung einer Übertretung angenommen werden könne, sofern es dem Beschuldigten nicht gelingt glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Diesbezüglich bestehe eine besondere Mitwirkungspflicht.

 

Als Gewerbetreibender habe der Bw die einschlägigen Rechtsvorschriften zu kennen oder sich zumindest qualifiziert in Kenntnis setzen zu lassen. Die bezüglich des Lohnniveaus vorgebrachte Anweisung an die seinerzeitige Mitarbeiterin möge auch durchaus so erfolgt sein, der daraus resultierenden Kontrollverpflichtung sei der Bw aber nicht nachgekommen, bzw. hätten dazu keinerlei Beweismittel vorgelegt werden können. Die verhängte Strafe sei daher tat- und schuldangemessen.

 

2.           Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und darin im Wesentlichen ausgeführt wie folgt:

 

2.1.      Wie bereits im Verfahren dargelegt, habe sich der Bw grundsätzlich auf die Richtigkeit der – extern vorgenommenen – Anmeldungen verlassen. Die Unterentlohnung liege teilweise in einem Bereich unter 3 % bzw. seien die diesbezügliche  Zeiträume teilweise sehr kurz.

 

2.2.      Eine Nachzahlung sei teilweise aufgrund des nicht mehr feststellbaren Wohnsitzes (Ausländer) nicht mehr möglich bzw. würde dies bei all jenen nachgeholt werde, bei denen die aktuelle Bankverbindung bekannt sei.

 

2.3.      Der Gesamtstrafbetrag erscheine in einer Gesamtbetrachtung, insbesondere vor dem Hintergrund des Präventivcharakters der Strafe, die zu keiner Pönalisierung des Unternehmers führen solle, extrem hoch.

 

In den Richtlinien zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz vom Mai 2011 würde zudem die Ansicht vertreten, dass auch von einer Strafe abgesehen bzw. diese gemildert werden könne.

 

So liege bei neun Beschäftigten die Lohndifferenz unter 3 % (geringfügige Unterschreitung), bei weiteren zwei bei lediglich 4,2 %. Bei weiteren sechs Personen liege die Beschäftigungsdauer unter 4 Monaten. Falls die Behörde dieser Argumentation folgen könne, würde sich das Strafmaß halbieren, da sich der Personenkreis von vierunddreißig auf siebzehn reduzieren würde.

 

Dieser Betrag stelle immer noch 30 – 50 % des Jahresgewinnes und somit eine gewisse Existenzbedrohung dar.

 

Könnte man "in Anlehnung" an jene Bestimmung, die ein Strafmaß von jeweils 1.000 Euro für den Fall vorsehe, dass nicht mehr als 3 Beschäftigte in einem Betrieb von der Unterentlohnung betroffen sind, eine Strafbemessung auf dieser Grundlage durchführen, dann käme man mit 17.000 Euro auf ein sinnvolles und tragbares Strafausmaß.

 

2.4.      Es könne nur versichert werden, dass man immer bestrebt war, die Beschäftigten korrekt einzustufen. Dies würde auch durch den Wechsel des Lohnverrechners dokumentiert. Im Übrigen sei es durchaus natürlich, dass man dem vermeintlichen Spezialisten vertraut, ebenso wie auf die eigenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die den Lohnzettel in Händen hätten und die korrekte Einstufung erfragen könnten. Es würde daher um Augenmaß in dieser Angelegenheit ersucht.

 

3.           Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit Schreiben vom 27.03.2013, eingelangt am 04.04.2013, die Berufung samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da in den jeweiligen Einzelfällen eine 2.000 Euro übersteigende Strafe nicht verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4.           Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.3 Z1 VStG abgesehen werden, da in der Berufung nur die unrichtige rechtliche Beurteilung im Zusammenhang mit der Strafbemessung behauptet wurde.

 

Folgender maßgeblicher Sachverhalt steht fest:

 

4.1.      Der Bw hat es verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass in der Zeit von 01.05.2011 bis (längstens) zum Zeitpunkt der Kontrolle der BUAK vom 16.05.2012 am Sitz der X GmbH in X insgesamt vierunddreißig Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer unterentlohnt beschäftigt wurden.

 

Das individuelle Ausmaß der Unterentlohnung liegt bei neuen Personen zwischen 1,1 % und 2,9 % (also unter der im Richtlinienerlass des BMASK angeführten Geringfügigkeitsgrenze von 3 %). Die übrigen Unterschreitungen lagen zwischen 4,2 % und 16,7 %, in einem Fall teilweise sogar bei 26,5 %. Bei vier von diesen und bei weiteren sechs Personen lag der gesamte Beschäftigungszeitraum unter vier Monaten. Die diesbezüglich detaillierten Aufzeichnungen der anzeigenden Stelle – was jede/n einzelne/n der vierunddreißig angezeigten Beschäftigten betrifft – wurden vom Bw auch nicht in Zweifel gezogen.

 

Der Bw hat am 13.11.2012 im Rahmen einer Einvernahme durch die belangte Behörde seinen Willen zum Ausdruck gebracht, den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gegenüber den Schaden wieder gutmachen zu wollen, d.h. den ihnen zustehenden Lohn nachzuzahlen. Dazu wurde der Bw mit Schreiben der Behörde vom 17.01.2013 auch nachweislich aufgefordert.

 

Die Bereitschaft zur Ausgleichsleistung wurde am 05.02.2013 im Rahmen einer weiteren Einvernahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme infolge großer Forderungsausfälle und einer daraus resultierenden Zahlungsunfähigkeit revidiert und im Rahmen der Berufung bezüglich all jener Geschädigten wieder angekündigt, deren Bankverbindung (noch) bekannt ist. Zu tatsächlichen Ausgleichszahlungen an die Unterentlohnten ist es nie gekommen, auch nicht in Einzelfällen.

 

Die Lohnverrechnung einschließlich der Festsetzung des zustehenden Lohnes erfolgte durch eine geringfügig beschäftigte Mitarbeiterin, der dieses Agenden eigenverantwortlich überantwortet wurden, allerdings ohne sie zur verantwortlichen  Beauftragten iSd § 9 VStG zu bestellen. Überprüfungen der Art und Weise der Aufgabenerfüllung wurden seitens des Bw im inkriminierten Zeitraum nicht durchgeführt.

 

5.           Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Für die Beurteilung der Strafbarkeit, insbesondere die Bemessung des tat- und schuldangemessene Ausmaßes der zu verhängenden Strafe, sind folgende Bestimmungen zu berücksichtigen:

 

5.1.1. Gemäß § 7i Abs.3 AVRAG begeht eine Verwaltungsübertretung .... , wer als Arbeitgeber/in eine/n Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten. ....

 

Dabei handelt es sich – wie bei den meisten Verwaltungsdelikten – um ein Ungehorsamsdelikt, bei welchen das Tatbild in einem bloßen Verhalten ohne Merkmal eines Erfolges besteht (Kühteubl/Wieder: Das neue Lohn- und SozialdumpingbekämpfungsG, ZAS 2011/36, D.1.a. mwN).

 

Im Zusammenhang mit Ungehorsamsdelikten normiert § 5 Abs.1 VStG eine "abgeschwächte Beweislastumkehr" betreffend das Verschulden (das als Fahrlässigkeit "ohne weiteres anzunehmen" ist) dahingehend, als dieses nicht von der Behörde nachzuweisen ist, sondern der Täter glaubhaft zu machen hat, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Glaubhaft machen ist dabei insofern weniger als beweisen, als es dafür ausreicht, die Richtigkeit einer Tatsache wahrscheinlich zu machen (vgl. Hauer/Leukauf: Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, § 5 VStG, RN 8).

 

Zudem beschreibt der § 7i Abs.3 AVRAG ein Dauerdelikt, bei dem nicht nur die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes pönalisiert wird, sondern auch dessen Aufrechterhaltung.

 

Den Erläuterungen zur Gesetzesvorlage (vgl. 1076 BlgNR 24. GP3 zu § 7i Abs.3) ist schon im allgemeinen Teil zu entnehmen, dass die Normierung einer Verwaltungsstrafbestimmung bei einer Unterschreitung des Grundlohns nicht die Verhängung von Geldstrafen zum Ziel hat, sondern den in Österreich beschäftigten Arbeitnehmer/innen jenes Mindestentgelt sicherstellen soll, das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zusteht. Der Verwaltungsstraftatbestand soll in diesem Sinne nicht Arbeitgeber/innen pönalisieren, sondern primär präventive Wirkung entfalten.

 

5.1.2.    Gemäß § 21 Abs.1 erster Satz VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

 

5.1.3. Im Rahmen der außerordentlichen Milderung der Strafe gemäß § 20 VStG kann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen ...., eine Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.

 

5.2.      Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes haftet der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche im Zusammenhang mit der Begehung eines Ungehorsamsdeliktes auch für das Handeln anderer (ihm zuzurechnender) Personen, wenn es ihm nicht gelingt glaubhaft zu machen, dass er im Betrieb ein wirksames Kontrollsystem eingerichtet hat, sodass er unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten konnte. Nur ein solches, durch den Beschuldigten eingerichtetes Kontrollsystem hat daher exkulpierende Wirkung. Ein solches liegt aber nur dann vor, wenn dadurch die Einhaltung der Mindestentlohnungskriterien im Betrieb jederzeit sichergestellt werden kann (vgl. VwGH 24.07.2012, 2009/03/0141 mwN).

 

Aus den Angaben des Bw selbst ist dazu jedoch wiederholt zu entnehmen, dass nicht nur kein wirksames Kontrollsystem eingerichtet war (und wohl auch trotz Wechsels des Lohnverrechnungsbüros noch immer nicht eingerichtet zu sein scheint), sondern überhaupt keines. Der Bw hat der Lohnverrechnerin (einfach) blind vertraut und sie lapidar angewiesen, gesetzmäßig vorzugehen.

 

Die Agenden der Personalverwaltung an sich, jene der Entlohnung und Gehaltsverrechnung im Speziellen, sind aber zentrale Felder der Betriebsführung, deren sich ein Unternehmer nicht ohne weitere Vorkehrungen "entledigen" kann. Es handelt sich im Sinne der obzitierten Judikatur also um einen sensiblen Bereich, in dem es vorhersehbar zu Interessenkollisionen kommt. Umso weniger kann ein Arbeitgeber – wenn er sich keines ausgewiesenen (externen) Spezialisten bedient – die Verantwortung dafür auf vermeintlich geeignete Mitarbeiter übertragen, ohne zudem diese Verantwortung ausdrücklich als selbständige Mitarbeiterpflicht zu titulieren.  Hier wurde ein Führungs- und damit ein Verantwortungsvakuum geschaffen, dessen Konsequenzen sich der Bw zurechnen lassen muss.

 

Ist es dem Beschuldigten aber nicht gelungen, ein (grundsätzlich) funktionierendes Kontrollsystem, durch welches die Einhaltung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften jederzeit sichergestellt werden kann, glaubhaft zu machen, kann von einem geringfügigen Verschulden iSd § 21 VStG nicht gesprochen werden (vgl. VwGH 22.10.2012, 2010/03/0065 mwN).

 

5.3.      Hinsichtlich der Qualifikation eines konkreten Tuns bzw. Unterlassens als geringfügiges Verschulden iSd § 21 VStG enthält § 7i Abs.4 AVRAG eine spezielle Anordnung.

 

Ungeachtet aller verfassungsrechtlicher (im konkreten Ergebnis aber nicht ausschlaggebender)  Bedenken betreffend die Zulässigkeit der materien-gesetzlichen (Sonder-)Regelung von Angelegenheiten, die dem Allgemeinen Teil des Strafrechts zuzuordnen sind, ist diese Bestimmung doch als programmatische Festlegung des Gesetzgebers zu interpretieren.

 

Demnach hat die Bezirksverwaltungsbehörde, wenn sie feststellt, dass die Unterschreitung des Grundlohns gering oder das Verschulden der Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin geringfügig ist, von der Verhängung einer Strafe abzusehen, sofern der/die Arbeitgeber/in dem/der Arbeitnehmer/in die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in  nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt binnen einer von der Behörde festzusetzenden Frist nachweislich leistet und eine solche Unterschreitung des Grundlohns durch den/die Arbeitgeber/in zum ersten Mal erfolgt. Hat .... die BUAK bei erstmaliger Unterschreitung des Grundlohns von einer Anzeige abgesehen oder hat die Bezirksverwaltungsbehörde von der Verhängung einer Strafe abgesehen, ist bei der erstmaligen Widerholung der Unterschreitung zumindest die Mindeststrafe zu verhängen. Im Fall des ersten und zweitens Satzes ist § 21 Abs.1 VStG nicht anzuwenden. Weist der/die Arbeitgeber/in der Bezirksverwaltungsbehörde nach, dass er/sie die Differenz vom tatsächlich geleisteten und dem  dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt geleistet hat, ist dies bei der Strafbemessung strafmildern zu berücksichtigen.

 

Entsprechend den Ausführungen im Durchführungserlass (GZ BMASK-462.203/0014-VII/b/9/2011, Kompetenzzentrum LSDB – Richtlinien 2011, Stand 25.05.2011, RZ 25) sind zwingende Voraussetzungen für ein Absehen von der Anzeige oder Strafe daher

·                die geringe Unterschreitung des zu leistenden Grundlohns (< 3 %)

ODER

·                ein geringfügiges Verschulden des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin an der Unterentlohnung

UND

·                die Leistung des dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften zustehenden Entgelts und nicht nur die Differenz zum Grundlohn

UND

·                die erstmalige Unterschreitung durch den/die Arbeitgeber/in.

 

Umgelegt auf den gegenständlichen Anlassfall bedeutet dies, dass – da trotz Aufforderung durch die belangte Behörde nach wie vor kein Nachweis der Differenzleistung vorliegt – ein Absehen von der Strafe nach der Bestimmung des § 7i Abs.4 AVRAG nicht möglich ist.

 

Auf der Grundlage der oben zitieren Judikatur des VwGH ist es das – in Ermangelung eines wirksamen Kontrollsystems – ebenfalls bzw. ohnehin nicht.

 

5.4.      Betrachtet man, da ein Absehen von der Strafe nicht möglich ist, in weiterer Folge die Strafbemessungsanordnungen des AVRAG, insbesondere im Zusammenhang mit der Festsetzung von Mindeststrafen, so ergibt sich aus § 7i Abs.3 zweiter Satz, dass pro Arbeitnehmer/in eine Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall 2.000 Euro bis 20.000 Euro, zu verhängen ist, wenn nicht mehr als 3 Arbeitnehmer/innen von der Unterentlohnung betroffen sind. Sind hingegen mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in 2.000 Euro bis 20.000 Euro, im Wiederholungsfall 4.000 Euro bis 50.000 Euro.

 

Auf der Grundlage dieser Bestimmung beträgt im gegenständlichen Fall die Mindeststrafe grundsätzlich 2.000 Euro pro Arbeitnehmer/in.

 

Da das VStG keinen eigenen Katalog der Milderungs- und Erschwerungsgründe enthält, ist im Rahmend der Prüfung einer außerordentlichen Strafmilderung im systematischen Weg der Gesetzesanalogie auf die Bestimmungen des Strafgesetzbuches (StGB) zurückzugreifen.

 

Als besonderer Milderungsgrund (§ 34 leg.cit.) kommt somit in Betracht, dass der Bw in der Sache selbst geständig ist, und die Unkenntnis des seinen Beschäftigten zustehenden Grundlohns als (vorwerfbarer) Rechtsirrtum  qualifiziert werden kann.

 

Die Tatsache, dass es zu einer regelrechten Häufung gleichartiger Übertretungen kommen konnte bzw. gekommen ist, stellt hingegen einen besonderen Erschwerungsgrund (§ 33 leg.cit.) dar.

 

Besonders ungünstig wirkt sich auf diese schuldtaxierende Abwägung aber der Umstand aus, dass seitens des Bw über einen relativ langen Zeitraum und im Bewusstsein der kardinalen Bedeutung dieses Faktums als Milderungsgrund keinerlei Anstrengungen zur Wiedergutmachung des verursachten Schadens unternommen wurden, nicht einmal in den besonders gravierenden Fällen eines Unterentlohnungsausmasses von (zum Teil deutlich) über 10 %. Dies wären – auch wenn die Leistungen banktechnisch allenfalls nicht mehr ganz einfach und/oder lückenlos hätten erfolgen können – immerhin bis zu dreizehn Beschäftigte gewesen.

 

Auf der Grundlage eines – gerade vor dem Hintergrund des sozialen Rechtsgüterschutzes gebotenen – Anspannungsprinzips hätten zumindest machbare (Teil-)Lösungen ernsthaft gesucht und umgesetzt werden müssen. Auch die BUAK als anzeigende Stelle hat im Zuge des Ermittlungsverfahren das schriftliche Einverständnis zur Gewährung der außerordentlichen Strafmilderung für den Fall der tatsächlich Leistung der Entlohnungsdifferenz gegeben und damit dem präventiven Charakter der Strafbestimmung des § 7i Abs.3 AVRAG Rechnung getragen.

 

Unabhängig vom tatsächlichen Erfolg eines derartigen Unterfangens, hätte dadurch deutlich zum Ausdruck gebracht werden können (und für die Anwendung des § 20 VStG auch müssen), dass es sich beim Bw um einen mit den im beruflich-sozialen Umfeld maßgeblichen, rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen handelt, bei dem es – untermauert von ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers – gerechtfertigt scheint, den Pönalisierungscharakter der anzuwendenden Strafnorm (zumindest teilweise) hinter die schuldausgleichende Normzielerreichung zurücktreten zu lassen.

 

Das Vorbringen des Bw, es hätten ihn ja auch die unterentlohnten Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer auf diesen Umstand hinweisen können, schließlich hätten ja sie den Lohnzettel in der Hand, verkennt die Pflichtenlage eines Unternehmers in einem wesentlichen Interessensfeld fundamental und indiziert aus spezialpräventiven Überlegungen schon für sich allein die Unangebrachtheit einer außerordentlichen Strafmilderung.

 

5.5.      Zu dem vom Bw "angebotenen", sinnvoll tragbaren Strafmaß von 15.000 bis 20.000 Euro kann nur festgestellt werden, dass es weder der belangten noch der Berufungsbehörde möglich ist, außer durch die Vereinbarung einer Ratenzahlung die "Leistbarkeit" einer Strafe außerhalb des gesetzlich verankerten Bemessungsrahmens zu berücksichtigen. Und dieser Rahmen wurde, da aufgrund der obigen Ausführungen ein Absehen von der Strafe bzw. eine außerordentliche Strafmilderung nicht möglich war, durch die Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe in vierunddreißig Fällen (!) wahrlich ausgeschöpft.

 

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die verhängte Strafe tat- und schuldangemessen ist.

 

6.           Die Vorschreibung der Kosten ergibt sich aus den oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Markus Kitzberger

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 10.06.2015, Zl.: 2013/11/0121-6

 

 

 

 

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