Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301208/4/WEI/HK

Linz, 25.04.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Grof; Berichter: Dr. Weiß; Beisitzerin: Dr. Lukas) über die Berufung der E P, geb. X, A, W, vertreten durch H/N & PARTNER, Rechtsanwälte GmbH, R, L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 8. Februar 2012, Zl. S-42408/11-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Glücksspielgesetz zu Recht erkannt:

 

I.          Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II.        Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz (nunmehr Landespolizeidirektion Oberösterreich; im Folgenden: belangte Behörde) wurde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bwin) wie folgt für schuldig erkannt:

 

"Sie haben, wie am 1.9.2011 um 17.32 Uhr, in L, H, im Lokal 'O C' von Organen des Finanzamtes Linz festgestellt wurde, als verantwortliche Beauftragte der Fa. D U GmbH & Co KG, etabl. in A, H, in der Funktion als Veranstalterin von Glücksspielen mit sechs Glücksspielgeräten mit den Gerätebezeichnungen 1) 'Golden Island Games', Seriennummer GE0052707, 2) 'Golden Island Games', Seriennummer GE0052736, 3) 'Golden Island Games', Seriennummer GE0052703,, 4) 'Golden Island Games', Seriennummer GE0052706, 5) 'Golden Island Games', Seriennummer GE0052737, 6) 'Golden Island Games', Seriennummer GE0052739, zu verantworten, dass gegen die Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG verstoßen wurde, da Sie den Organen des Finanzamtes Linz kein Spielgeld für die Durchführung von Testspielen und die für die Einsicht in die Gerätebuchhaltung notwendigen Schlüssel nicht zur Verfügung gestellt haben."

 

Durch diesen Tatvorwurf erachtete die belangte Behörde "§ 9 Abs. 1 VStG iVm § 50 Abs 4 Satz 2 GSpG iVm § 52 Abs. 1 Zi 5 GSpG" als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung über die Bwin eine Geldstrafe von 3.500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage). Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz wurden dem Bw 10 % der Geldstrafe vorgeschrieben.

 

1.2. In der Begründung stellt die belangte Behörde zum Sachverhalt fest, dass zum Tatzeitpunkt von Organen des Finanzamtes Linz im Lokal "O C" in L, H, eine Glücksspielkontrolle durchgeführt wurde. Dabei habe sich die Fa. D U GmbH & Co KG als Betreiber  dieser Glücksspiele herausgestellt. Die Bwin sei als verantwortliche Beauftragte dieser Firma bestellt und bei der Kontrolle nicht anwesend gewesen. Die Organe hätten sechs Geräte betriebsbereit und eingeschaltet vorfinden können. Die im Lokal anwesenden Angestellten W L. und W D. wären im Zuge der Kontrolle aufgefordert worden, Spielgeld für die Durchführung von Testspielen und die für die Einsicht in die Gerätebuchhaltung notwendigen Schlüssel zur Verfügung zu stellen, welchen Anweisungen sie nicht nachkamen.

 

Aufgefordert zur Rechtfertigung habe die Bwin mit Schriftsatz vom 4. Jänner 2012 im Wesentlichen ausgeführt, dass die frühere BPD Linz unzuständig sei, da sich der Sitz des Unternehmens nicht im örtlichen Wirkungsbereich befinde. Ein Verstoß gegen § 50 Abs 4 GSpG sei schon deshalb denkunmöglich gewesen, als am Standort keinerlei Glücksspieleinrichtungen iSd § 1 Abs 1 GSpG bereitgehalten worden wären. Die Bwin wäre auch keine dazu nach § 50 Abs 4 GSpG verpflichtete Person. Überdies liege ein Verstoß gegen das Selbstbezichtigungsverbot vor. Ferner liege weder der objektive noch der subjektive Tatbestand des § 52 Abs 1 Z 5 iVm § 50 Abs 4 GSpG vor.

 

1.3. Zur Zuständigkeit verweist die belangte Behörde auf § 27 Abs 1 VStG. Das deliktische Handeln bzw Unterlassen nach § 52 Abs 1 Z 5 GSpG liege im Nichterfüllen von Mitwirkungspflichten. Es liege daher ein Unterlassungsdelikt vor, das dort verwirklicht wurde, wo die Mitwirkung erforderlich war. Der Tatort sei daher im gegenständlichen Fall der Kontrollort in L, H. Daran könne auch der Sitz der Firma, für die die Bwin verantwortlich sei, in einem anderen Behördensprengel nichts ändern. Die örtliche Zuständigkeit liege daher vor.

 

Die belangte Behörde stellt fest, dass bei der Kontrolle sechs Glücksspielgeräte betriebsbereit und eingeschaltet ohne Bewilligung vorgefunden wurden, und verweist in rechtlicher Hinsicht zum Vorliegen einer verbotenen Ausspielung zunächst auf die Begründung in ihrem – gegen die Bwin ergangenen - Straferkenntnis (vom 19.01.2012) zu S-42410/11-2 (= h. Berufungsverfahren zu VwSen-301181-2012).

 

Aus dem zitierten Straferkenntnis vom 19. Jänner 2012 ergibt sich ergänzend, dass mit den sechs betriebsbereit vorgefundenen Geräten seit 25. August 2011 wiederholt Glücksspiele in Form von virtuellen Walzenspielen durchgeführt worden seien, wobei Spieler nur einen Einsatz und den dazugehörenden Gewinnplan auswählen und die Starttaste betätigen konnten. Durch Spielerbeobachtung sei festgestellt worden, dass den Spielern keinerlei Möglichkeit geboten wurde, bewusst Einfluss auf gewinnbringende Symbolkombinationen zu nehmen. Die Entscheidung über das Spielergebnis hing daher ausschließlich vom Zufall ab. Das Betätigen der Automatiktaste könne nicht als Geschicklichkeit gewertet werden. Da offensichtlich bei diesen Walzenspielen Geschicklichkeit keinen Einfluss habe, nahm die belangte Behörde von der Beiziehung eines Sachverständigen Abstand.

 

Sie führt weiter aus, dass Normadressat des § 50 Abs 4 GSpG u.A. der Veranstalter, die Fa. D U GmbH & Co KG, sei, für den die Bwin iSd § 9 Abs 2 VStG verantwortlich sei. Die Herren W L. und W D. würden in einem Angestelltenverhältnis zur Bwin stehen und ihr Verhalten daher zurechenbar sein.

 

Eine Übertretung des § 52 Abs 1 Z 5 iVm § 50 Abs 4 GSpG stelle ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 VStG dar, weil zum Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehöre. In einem solchen Fall sei das verantwortliche Organ strafbar, wenn es nicht genügend Verkehrungen getroffen hat, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. Es liege daher eine Unterlassung dem Vorwurf zugrunde. Bei einem Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 VStG habe der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche glaubhaft zu machen habe, dass er genügend Vorkehrungen getroffen habe, um die Tat durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. Solange dies nicht der Fall sei, könne die Behörde annehmen, dass der Verstoß bei gehöriger Aufmerksamkeit vermieden hätte werden können.

 

Im gegenständlichen Fall wären nicht nur keine Vorkehrungen getroffen, sondern wäre darauf bestanden worden, kein Spielgeld bzw keine Schlüsseln auszuhändigen. Es liege somit ein der Bwin zurechenbares vorsätzliches Handeln vor.

 

Die Berufung auf das Selbstbezichtigungsverbot gehe ins Leere, da das Verlangen der Organe um Mitwirkung allein den Zweck habe, eine effektive Kontrolle des Glücksspielwesens durchzuführen. Die einfachgesetzliche Mitwirkungspflicht bestünde unabhängig von einem Verwaltungsstrafverfahren und verstoße daher nicht gegen Art 90 Abs 2 B-VG.

 

Die Pflicht, Testspiele zu ermöglichen, sei so zu verstehen, dass alle erforderlichen und unterstützenden Maßnahmen zu treffen seien, um ein Probespiel durchführen zu können. Dabei sei nach Ansicht der Strafbehörde sowohl ein Passivverhalten, die Spiele nicht zu verhindern, als auch ein Aktivverhalten, das nötige Spielgeld zur Verfügung zu stellen, gefordert.

 

Abschließend führt die belangte Behörde zur Strafzumessung aus, dass dem Bw der Milderungsgrund der Unbescholtenheit nicht zu Gute komme, die verhängte Strafe dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat und den angenommenen Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnissen (zumindest netto 1.200 Euro Monatsverdienst, keine Sorgepflichten, kein relevantes Vermögen) entspreche.

 

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin zu Händen ihrer Rechtsvertreter am 13. Februar 2012 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig am 27. Februar 2012 zur Post gegebene Berufung, die am 28. Februar 2012 bei der belangten Behörde einlangte. Die Bwin strebt die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens, hilfsweise die Herabsetzung der Strafe oder ein Absehen von Strafe gemäß § 21 VStG an.

 

Begründend rügt die Berufung zunächst örtliche Unzuständigkeit der belangten Behörde nach § 27 VStG, weil ein Unterlassungsdelikt vorliege, das an jenem Ort verwirklicht werde, an dem die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Bei der Bwin als der verantwortlichen Beauftragten, die nur vom Sitz des Unternehmens kontrollieren könne, wäre als Tatort auf den Sitz des Unternehmens abzustellen gewesen, der sich nicht im örtlichen Wirkungsbereich der Erstbehörde befindet.

 

Unter unrichtiger rechtlicher Beurteilung wird vorerst ein Spruchmangel iSd § 44a Z 1 VStG durch Erweiterung des Tatvorwurfes im angefochtenen Straferkenntnis gegenüber der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 5. Jänner 2012 vorgebracht. Dabei wird bemängelt, dass zunächst nur allgemein von der Bwin "in der Funktion als Veranstalterin von Glücksspielen" die Rede war, was dann im Straferkenntnis auf sechs genannte Glücksspielgeräte mit Gerätebezeichnungen präzisiert worden ist. Durch diese "Ausweitung des Spruchs" erst im Straferkenntnis wären die Rechtsschutzinteressen der Bwin nicht ausreichend gewahrt worden.

 

Ein Verstoß gegen § 50 Abs 4 GSpG sei denkunmöglich, weil keinerlei Glücksspieleinrichtung iSd § 1 Abs 1 GSpG am gegenständlichen Standort bereitgehalten worden wären. Die lapidare Feststellung, dass bei der Kontrolle sechs Glücksspielgeräte betriebsbereit und eingeschaltet vorgefunden worden wären, und der Verweis auf das Straferkenntnis zu S 42410/11-2 könnten ein "Bereithalten" von Glücksspieleinrichtungen nicht begründen. Die weiteren Ausführungen rügen Begründungs- und Feststellungsmängel zum Veranstalten und Vorliegen eines Glücksspiels. Da keine Glücksspieleinrichtungen bereitgehalten worden wären und mangels Vorliegens von Glücksspielen könne auch kein Verschulden der Bwin vorliegen.

 

Zum Thema "Selbstbezichtigungsverbot" führt die Berufung an, dass nach dem Informationsstand der Bwin eine Anzeige von Konkurrenten der verfahrensgegenständlichen Kontrolle zugrunde gelegen sei und diese daher im Sinne des § 40 Abs 1 VStG im Rahmen eines laufenden Verwaltungsstrafverfahrens durchgeführt worden sei. Bei einem Zusammenhang mit einem Verwaltungsstrafverfahren stehe das jeweilige Auskunftsbegehren im Widerspruch zu Art 90 Abs 2 B-VG und Art 6 Abs 1 und 2 EMRK. Eine verfassungskonforme Interpretation lasse nicht zu, dass eine Verwaltungsstrafe verhängt wird, wenn Auskünfte nicht erteilt werden, die im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens begehrt werden. Erzwungene Aussagen dürften nicht verwertet werden.

 

Auch unabhängig von einem laufenden Verwaltungsstrafverfahren verstoße die Bestimmung des § 50 Abs 4 GSpG gegen das aus Art 6 EMRK und Art 90 Abs 2 B-VG abgeleitete Selbstbezichtigungsverbot. Nach der Judikatur des EGMR seien auch solche Fälle vom Verbot der Selbstbezichtigung erfasst, in denen eine inkriminierende Information mit Zwang außerhalb eines Strafverfahrens erlangt und in der Folge in einem Strafverfahren verwendet werden kann (Hinweis auf Reiter, Das Recht zu schweigen und sich nicht selbst beschuldigen zu müssen gemäß Art 6 EMRK, RZ 2010, 103 ff)

 

§ 50 Abs 4 GSpG verstoße gegen das verfassungsrechtlich verankerte Selbstbezichtigungsverbot, da die danach eingeholten Informationen in einem nachfolgenden Strafverfahren zu Lasten der Bwin verwendet hätten werden können. Deshalb werde auch ein Gesetzesaufhebungsantrag an den Verfassungsgerichtshof angeregt.

 

Die Berufung rügt als Spruchmangel, dass nur der Anfang des strafbaren Verhaltens (Kontrolle am 1.09.2011 um 17:32 Uhr) nicht jedoch das Ende angeführt werde. Überdies habe die Behörde eine klare Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen des § 50 Abs 4 GSpG unterlassen. Insbesondere habe sie verabsäumt darzulegen, worin das Veranstalten von Glücksspieleinrichtungen im konkreten Fall bestehen solle.

 

Weiters werden Begründungsmängel iSd § 60 AVG beanstandet, weil es die Behörde unterlassen habe dazutun, aus welchen Gründen es sich bei den im Lokal "O C" aufgestellten Geräten um Glücksspieleinrichtungen handeln soll und die Bwin als "Veranstalterin" derselben verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sein soll.

 

Den Milderungsgrund der Unbescholtenheit habe die belangte Behörde zu Unrecht nicht berücksichtigt und auch den weiteren Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 13 StGB (keine weiteren Schäden) nicht gewürdigt. Unter Zugrundelegung der Rechtfertigung der Bwin vom 16. Jänner 2012 könne ihr Verschulden nur als äußerst geringfügig angesehen werden. Der Fall bleibe hinter dem typischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, weil es lediglich auf Grund der insgesamt unklaren Rechtslage im Gefolge der GSpG-Novellen BGBl I Nr. 54/2010 und BGBl I Nr. 73/2010 zur inkriminierten Handlung gekommen sei.

 

2.2. Die belangte Behörde legte am 5. März 2012 die Berufung und ihren Bezug habenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung machte die belangte Behörde aus Plausibilitätsgründen nicht Gebrauch.

 

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde und in den Bezugsakt S42410/11-2 der belangten Behörde (= VwSen-301181-2012) mit der gegen die Bwin wegen § 52 Abs 1 Z 1 GSpG erstatteten Anzeige des Finanzamtes Linz vom 13. Dezember 2011 samt Beilagen zur Kontrolle vom 1. September 2011 im Lokal "O C" und dem gegen die Bwin ergangenen Straferkenntnis vom 19. Jänner 2012.

 

Nach dieser Anzeige der Finanzpolizei habe die Bwin als Unternehmerin im Rahmen ihrer Firma D U GmbH & Co KG seit zumindest 25. August 2011 verbotene Ausspielungen bzw Glücksspiele mit den gegenständlichen Geräten veranstaltet, indem sie selbständig und nachhaltig eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen entfaltet hätte.

 

Der niederschriftlich einvernommene Angestellte W D (nach eigenen Angaben Barchef im Lokal seit August 2010) gab an, dass die Firma D der Betreiber des Lokals sowie Eigentümer und Betreiber der "Eingriffsgeräte" sei. Seine Ansprechperson sei A S. Dieser habe ihm gesagt, dass er Spielgeld wegen des Verbots der Selbstbezichtigung nicht zur Verfügung stellen solle. Die Handhabung der Geräte mache nicht er, sondern der Counter. Der habe die Aufgabe wie Herr L. Der zahle Gewinne aus und stelle am Gerät mit einem Schlüssel den Einsatz auf Null, damit ein anderer Gast spielen könne. W D verneinte die Frage, ob er Schlüssel für die Eingriffsgeräte habe.

 

Der Angestellte W L gab an, dass er mit "W" kommuniziere und dass die sechs Geräte seit vier oder fünf Monaten (seit er im O C arbeite) aufgestellt wären. Er verwies zu vielen Fragen auf den Techniker und nannte die Haupttelefonnummer der A Zentrale von D. Er habe silberne Steckschlüssel für die Eingriffsgeräte. Dabei blieb offen, welchen Zweck diese hatten. Die Frage nach einem Schlüssel zur Geldlade der Geräte verneinte er.

 

Die Finanzpolizei fand aktenkundige Unterlagen für das "O C" in Form von Bestandslisten vom 28. August bis 1. September 2011 vor, aus denen hervorgeht, dass ein "W" täglich den Anfangsbestand und den Endbestand der Geldbeträge für Bar und die Automaten notiert.

 

Aus der Fotodokumentation der Finanzpolizei ergibt sich, dass alle sechs Geräte Walzenspielgeräte mit vergleichbarer Spielauswahl betriebsbereit waren und Schilder angebracht waren, die auf das Eigentum der D GmbH & Co KG hinweisen. Auch ist in der Fotodokumentation zu den gegenständlichen Geräten u.A. die allgemeine Information am Startbildschirm "DIESES GERÄT BASIERT AUF REINEM ZUFALL" zu finden.

 

Dem Aktenvermerk der Finanzpolizei vom 2. September 2011 betreffend die gegenständliche Kontrolle im "O C" ist zu entnehmen, dass die Organe der Finanzpolizei die Durchführung von Spielen an den mit Nrn. 1 bis 6 bezeichneten Geräten durch die Beobachtung von Spielern dienstlich wahrgenommen haben, bei denen für einen bestimmten Einsatzbetrag in Verbindung mit bestimmten Symbolkombinationen Gewinne in Aussicht gestellt wurden. Die an jedem Gerät verfügbaren virtuellen Walzenspiele konnten durch die Betätigung mechanischer Tasten oder virtueller Bildschirmtasten aufgerufen werden. Nach Eingabe von Geld, Auswahl eines Einsatzbetrages mit der Setzen-Taste und Auslösung des Spieles mit der Start-Taste seien die am Bildschirm dargestellten Symbole ausgetauscht oder so verändert worden, dass der optische Eindruck von senkrecht rotierenden Walzen entstand. Dieser "Walzenlauf" sei nach etwa einer Sekunde zum Stillstand gelangt. Ein Vergleich der neu zusammengesetzten Symbole mit den im Gewinnplan dargestellten Symbolkombination ergab danach einen Gewinn oder den Verlust des Einsatzes. Bei diesen Walzenspielen habe man keinerlei Möglichkeit, gezielt Einfluss auf das Zustandekommen gewinnbringender Symbolkombinationen zu nehmen. Es sei nur möglich gewesen, ein Spiel und den Einsatz zu wählen und die Start-Taste zu betätigen bis das Walzenspiel ausgelöst wird und nach etwa einer Sekunde den Verlust des Einsatzes oder einen Gewinn festzustellen.

 

Nach diesen aktenkundigen Informationen über die Art der angebotenen Spiele (virtuelle Walzenspiele) kann es keinen vernünftigen Zweifel unterliegen, dass die Entscheidung über das Spielergebnis iSd § 1 Abs 1 GSpG vorwiegend oder ausschließlich vom Zufall abhing. Ähnlich wie früher beim sog. "einarmigen Banditen" liegt auch bei virtuellen Walzenspielen ein klassischer Fall der Glücksspieleigenschaft vor. Dies erscheint nach zahlreichen Beschlagnahmeverfahren längst amtsbekannt. Die Beiziehung eines Sachverständigen zur Klärung der evidenten Tatsache der Glücksspieleigenschaft war demnach entbehrlich. Die pauschale gegenteilige Behauptung der Berufung, dass keine Glückspieleinrichtungen bereit gehalten worden wären, entbehrt jeder Tatsachengrundlage.

 

3.2. In der Anzeige vom 4. Jänner 2012  wegen § 50 Abs 4 GSpG wird berichtet, dass der Angestellte W L Spielgeld und Schlüssel nicht ausfolgte. Auf Grund seiner Telefonate sei Herr D (Barchef) und später noch Mag. H, ein Vertreter der Rechtsanwälte H/N & Partner, erschienen, die beide bestätigten, dass kein Spielgeld und keine Schlüssel ausgefolgt werden. Dabei verwies der Rechtsvertreter auf das Verbot der Selbstbezichtigung.

 

In dieser Anzeige wird zur "Tathandlung" festgehalten, dass die Bwin, vertreten durch ihre Angestellten und den Rechtsanwalt, dem Ersuchen um Ausfolgung eines Bargeldbetrages in der Höhe von 90 Euro als Spielguthaben für Testspiele an den vorgefundenen Glücksspielgeräten nicht entsprochen und somit die Durchführung von Testspielen verunmöglicht hätte. Des Weiteren wären die Schlüssel zur Einsicht in die Gerätebuchhaltung nicht zur Verfügung gestellt worden.

 

3.3. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Gemäß § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde – durch eine Kammer zu entscheiden.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz, BGBl 620/1989 in der zur Tatzeit geltenden Fassung BGBl I 76/2011 (in der Folge: GSpG) sind für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß § 51 Abs 1 VStG zuständig. Nach § 27 VStG ist im vorliegenden Fall auch die örtliche Zuständigkeit als gegeben anzunehmen.

 

Gemäß § 50 Abs 4 GSpG (idF BGBl I Nr. 54/2010; die Novelle BGBl I Nr. 112/2012 war auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden) sind die Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG und die im § 50 Abs 2 und 3 leg.cit. genannten Organe zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter, Anbieter und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs 3 GSpG) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren.

 

Gemäß § 52 Abs 1 Z 5 GSpG (idF BGBl I Nr. 54/2010) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen, wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs 3 GSpG vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs 6 GSpG oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verstößt.

 

Gemäß § 52 Abs 5 GSpG beträgt die Verjährungsfrist (§ 31 Abs 2 VStG) für Verwaltungsübertretungen gemäß § 52 Abs 1 GSpG ein Jahr.

 

4.2. § 50 Abs 4 GSpG normiert eine "umfassende" Mitwirkungs- und Duldungspflicht, welche sich an verschiedene Adressaten richtet. Im Grunde soll diese Mitwirkungs- und Duldungspflicht die Effizienz der Kontrolle im Rahmen des GSpG steigern (vgl grundlegend EBRV 658 BlgNR 24. GP, 3) und zur Gewinnung der notwendigen Informationen zur Durchführung der Überwachungsaufgaben im Rahmen des GSpG führen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist (vgl dazu § 50 Abs 4 1. Satz GSpG).

 

Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung wird eine erste Grenze der Duldungs- und Mitwirkungspflicht ersichtlich. Diese Pflichten erstrecken sich nur auf den Bereich der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG. Liegt hingegen der Verdacht – welcher im Kern des Begriffes notwendig ein begründeter, d.h. auf Tatsachen zurückzuführender, ist (siehe zum retrospektiv diagnostischen Element des Verdachtsbegriffes im Rahmen der abduktiven Entdeckung und Bewertung von Hypothesen Schulz, Normiertes Misstrauen, 224 ff, 312 ff und 528 f) – auf einen Verstoß gegen das GSpG vor, so endet die Duldungs- und Mitwirkungspflicht. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich nicht mehr um die Durchführung von Überwachungsaufgaben zum Zwecke (arg.: "erforderlich") der Einhaltung des GSpG, sondern zum Zwecke der Tataufklärung und Ermittlung wegen eines angenommenen Verstoßes gegen das GSpG.

 

Diese Auslegung zur Mitwirkungspflicht korreliert in den überwiegenden Fallkonstellationen mit den Vorgaben des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips "nemo tenetur se ipsum accusare", nach dem der Gesetzgeber keine Regelung treffen darf, die eine im Verdacht einer strafbaren Handlung stehende Person verpflichtet, Beweise gegen sich selbst zu liefern (dazu mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 786).

 

Darüber hinaus ist aus dem Wortlaut abzuleiten, dass die Duldungs- und Mitwirkungspflicht nicht nur ad personam durch die Anwendbarkeit des Selbstbezichtigungsverbotes begrenzt ist, sondern dass das Entstehen der Verdachtslage auch generell die Zäsur darstellt.

 

Ist somit aus der objektiven Sichtweise ex ante eine Verdachtslage auf einen Verstoß gegen das Glücksspielgesetz gegeben, so endet die Mitwirkungs- und Duldungspflicht (siehe zur vorzunehmenden Art der Abgrenzung in ähnlichen Konstellationen Lienbacher, Ist staatsanwaltliches Handeln ein zulässiger Kontrollgegenstand, in Lienbacher/Wielinger, Jahrbuch Öffentliches Recht 2010, 73 f). Denn es geht dann nicht mehr nur um die Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben zur Kontrolle der Einhaltung des Glücksspielgesetzes, sondern um strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen im Hinblick auf den Verdacht einer Übertretung des Glücksspielgesetzes.

 

Selbst wenn man im bloßen Einschreiten von Hilfsorganen - deren Verhalten allerdings der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde zuzurechnen ist - der öffentlichen Aufsicht (Finanzpolizei) noch keinen formalen Beginn eines Strafverfahrens im Sinne des § 32 VStG (arg.: noch keine behördliche Verfolgungshandlung) erkennen wollte, vermag dies am oben dargelegten, verfassungsrechtlich gebotenen Interpretationsergebnis, das nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs aus der materiellen Bedeutung des Anklageprinzips nach Art 90 Abs 2 B-VG folgt und daher auch im Verwaltungsstrafverfahren gilt (vgl mit Nachw Mayer, B-VG4 [2007] Art 90 B-VG Anm III), sachlich nichts zu ändern. Es liegt auf der Hand, dass das bloße Abstellen auf behördliche Verfolgungshandlungen und ein Ausblenden des Verfolgungsverhaltens von Hilfsorganen nur ein der Aushöhlung und Umgehung dienender Formalismus wäre, der dem Wesensgehalt des verfassungsrechtlichen Selbstbezichtigungsverbots und der Unschuldvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK diametral zuwiderliefe. Denn wegen des unmittelbaren Zusammenhanges mit dem Strafverfahren wegen verbotenen Glücksspiels wäre eine strafbewehrte Mitwirkungspflicht an einer zum Zwecke der Strafverfolgung durchgeführten Glücksspielkontrolle unverhältnismäßig und dem Kerngehalt der Garantie eines fairen Verfahrens widersprechend (vgl dazu eingehend mit Nachw Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5 [2012], 456 ff Rz 123).

 

4.3. Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus dem Akteninhalt klar und deutlich, dass Gegenstand der finanzpolizeilichen Amtshandlung die Aufklärung des Verdachts strafbarer Handlungen mit Glücksspielgeräten bzw Eingriffsgegenständen war. Im vorliegenden Fall fanden die Kontrollorgane nach der Anzeige des Finanzamts vom 13. Dezember 2011 (=S-42410/11-2 der BPD Linz) in dem von der Fa. D betriebenen Lokal "O C" in L, H, sechs Geräte mit angebotenen Glücksspielen (virtuelle Walzenspiele) betriebsbereit und eingeschaltet vor. Die Entscheidung über das Spielergebnis hing dabei vom Zufall ab, worauf schon die Bildschirminformation der Geräte ausdrücklich hinweist (vgl oben Punkt 3.1.). Die Bwin hätte laut Anzeige als Unternehmerin im Rahmen ihrer Firma D verbotene Ausspielungen veranstaltet. Dass es sich um Glücksspielgeräte handeln musste, war im gegenständlichen Fall von beobachteten Ausspielungen mit den "Walzenspielgeräten" (lt. Niederschrift mit Herrn L waren drei Gäste zu Kontrollbeginn anwesend) von vornherein klar ersichtlich.

 

Auch die von der Finanzpolizei am Kontrolltag aufgenommene Niederschriften mit ihren gezielten Fragen zu den sog. "Eingriffsgeräten" über Einsätze und Gewinnauszahlungen und betreffend Schlüssel für die Eingriffsgeräte diente offenkundig dem Ziel der strafrechtlichen Aufklärung (= Strafverfolgung). Aus der Zusammenschau des Akteninhalts und aus den von der Finanzpolizei gewählten Formulierungen ("Eingriffsgeräte" und "Glücksspielgeräte") sowie auf Grund des Umstands, dass in Oberösterreich auch das kleine Glücksspiel immer verboten war (weshalb kein Übergangsfristen gemäß § 60 Abs 25 GSpG in Betracht kommen) ist zu erkennen, dass für das Einschreiten der Finanzpolizei im gegenständlichen Fall der Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen der Strafbestimmungen des § 52 GSpG eindeutig im Vordergrund lag. So wurden laut Anzeige der Finanzpolizei beim Eintreffen im Lokal sechs Walzenspielgeräte betriebsbereit und eingeschaltet vorgefunden und Spieler bei verbotenen Ausspielungen beobachtet. Schon zu Beginn der Kontrolle lag offenkundig die oben beschriebene Verdachtslage vor und endete daher bei verfassungskonformer Auslegung die Mitwirkungspflicht gemäß dem § 50 Abs 4 GSpG. Mangels einer Mitwirkungspflicht an der eigenen Strafverfolgung und Aufklärung von Delikten war auch keine mit Strafe bedrohte Handlung möglich.

 

4.4. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass diese erstens nach Tatort und Tatzeit unverwechselbar feststeht sowie zweitens eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und damit auch die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985); im Spruch sind daher alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind.

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhalten nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine Umschreibung der Tat bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, Zl. 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, Zl. 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, Zl. 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Spruchgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, Zl. 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, Zl. 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, Zl. 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, Zl. 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, Zl. 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, Zl. 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, Zl. 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, Zl. 97/06/0170).

 

4.5.1. Die Bestimmung des § 50 Abs 4 GSpG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I Nr.54/2010 verpflichtet verschiedene Adressaten, nämlich Veranstalter und Anbieter von Glücksspielen und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, unmittelbar zur Mitwirkung. Zu diesen Varianten unmittelbarer Täterschaft kann jeweils eine Beteiligungssituation hinzutreten. Beispielsweise ist denkbar, dass der Veranstalter oder Anbieter von Glücksspielen dazu beiträgt oder anstiftet, dass eine bereithaltende Person der Mitwirkungspflicht nicht nachkommt. Weiters ist zu bedenken, dass – wie es im gegenständlichen Fall aber nicht gegeben ist – eine juristische Person als Veranstalter bzw Anbieter in Frage kommt und wiederum ein außenvertretungsbefugtes Organ (zB Geschäftsführer) im Rahmen des § 9 VStG verantwortlich ist. In diesem Zusammenhang haftet das außenvertretungsbefugte Organ wiederum in zwei Varianten. Entweder setzt das Organ selbst in zurechenbarer Weise ein rechtswidriges Verhalten für die juristische Person oder das außenvertretungsbefugte Organ muss sich ein rechtswidriges Verhalten von Mitarbeitern als Organisationsverschulden zurechnen lassen.

 

Da nun die Art der Täterschaft einer Verwaltungsübertretung nach dem § 50 Abs 4 iVm § 52 Abs 1 Z 5 GSpG in vielen Erscheinungsformen möglich ist, hat im Spruch des Straferkenntnisses eine genaue Aus- und Anführung zur Täterschaft und Beteiligung iSd § 7 VStG zu erfolgen, um dem Beschuldigten eine entsprechende Verteidigung zu ermöglichen. Erfolgt diese Differenzierung und Konkretisierung nicht, so ist der Spruch des Straferkenntnisses nicht iSd Anforderungen nach § 44a Z 1 VStG bestimmt und unverwechselbar und daher mit Rechtswidrigkeit behaftet. So hat beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof zur Beteiligungsform der Beihilfe klargestellt, dass im Spruch sowohl die Tatumstände zu konkretisieren sind, welche eine Zuordnung der Tat des Haupttäters zur verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglicht, als auch jenes konkrete Verhalten darzustellen ist, durch welches der Tatbestand der Beihilfe verwirklicht wird (vgl VwSlg 13112 A/1990 und VwSlg 13224 A/1990).

 

4.5.2. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Tatbegehungsformen hat die belangte Behörde eine differenzierte und konkretisierte Fassung des Tatvorwurfes vorzunehmen. Dabei können sich weitgehend mit dem Gesetzeswortlaut deckende Formulierungen der Strafbehörde für die Bestimmtheit iSd § 44a Z 1 VStG nicht genügen. Durch die substanzlose Verwendung der verba legalia wird nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs noch keine Konkretisierung im Sinne der Anforderungen des § 44a Z 1 VStG vorgenommen. Denn es reicht nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung von Tatzeit und Tatort wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Diese einzelfallbezogene Konkretisierung des Spruches iSd § 44a Z 1 VStG ist einerseits deshalb erforderlich, damit der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und andererseits um den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl VwGH 18.10.2011, Zl. 2011/02/0281 unter Bezugnahme auf Vorjudikatur) und damit der Gefahr einer allfälligen Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (vgl speziell für Übertretungen nach dem GSpG VwGH 12.3.2010, Zl. 2010/17/0017).

 

4.5.3. Im konkreten Fall wird die Bwin zunächst als verantwortliche Beauftragte der Fa. D U GmbH & Co KG angesprochen und ihr dann aber persönlich vorgeworfen, dass sie es "in der Funktion als Veranstalterin von Glücksspielen" zu verantworten habe, dass gegen die Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verstoßen wurde, da sie selbst (arg. "... Sie ... haben ... ") den Organen des Finanzamtes Linz "kein Spielgeld für die Durchführung von Testspielen und die für die Einsicht in die Gerätebuchhaltung notwendigen Schlüsseln nicht zur Verfügung gestellt" habe.

 

Diesbezüglich ergibt sich schon aus der unbestrittenen Aktenlage, dass die Bwin gar nicht am Tatort anwesend war und daher persönlich kein Spielgeld aushändigen und keinen Einblick vor Ort gewähren hätte können. Es mangelt dem Spruch daher bereits an einer geeigneten Tatsachengrundlage. Dieser stellt sich schon deshalb als rechtswidrig dar, weil keine Anhaltspunkte im angezeigten Sachverhalt für den erhobenen Vorwurf vorhanden sind.

 

Die in der finanzpolizeilichen Anzeige formulierte Verantwortlichkeit gemäß § 50 Abs 4 GSpG der Bwin "vertreten durch ihre Angestellten und Rechtsanwalt" ist im modernen Schuldstrafrecht denkunmöglich. Der Verfassungsgerichtshof ging in VfSlg 15.200/1998 davon aus, dass die einschlägigen verfassungsrechtlichen Garantien (Art 90 ff B-VG, Art 6 und Art 7 EMRK) ganz selbstverständlich und daher unausgesprochen auch den Grundsatz voraussetzten, dass strafrechtliche Verantwortlichkeit nur an eigenes Verhalten angeknüpft sein darf. Die Verfassungskonformität eines als "Unternehmensstrafrecht" konstruierten Geldbußensystems hängt somit davon ab, inwieweit dabei echte "Strafen" verhängt werden und Verhalten sanktioniert wird, das der juristischen Person selbst zurechenbar ist (vgl mwN Walter/Mayer/Kuscsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 1557).

 

Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist grundsätzlich nach § 9 Abs 1 VStG strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Soweit eine juristische Person Adressat einer Verwaltungsstrafnorm ist, treten an ihre Stelle die zur Vertretung nach außen berufenen Personen oder allfällige verantwortliche Beauftragte. Dabei ist das Organ auch dann verantwortlich, wenn das Tatbild durch andere Personen im Unternehmen verwirklicht wird, weil es nicht genügend Vorkehrungen getroffen hat, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. Es kann aber nur für solche Verhaltensweisen Dritter bestraft werden, die der juristischen Person zurechenbar sind (vgl näher Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 [2000], Anm 3 zu § 9 VStG).

 

Die Bestrafung des verantwortlichen Organs setzt zwar die vom unmittelbaren Täter begangene Tat voraus, gründet sich aber auf Seiten des verantwortlichen Organs auf ein anderes Verhalten. Wie Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5 [2009], 422 ff, zu Recht ausführen, darf § 9 VStG nicht in verfassungswidriger Weise als strafrechtliche Verantwortung für fremdes Verhalten verstanden werden. Vielmehr folgt aus dieser Vorschrift ein spezifisches Unterlassungsdelikt, das bei der Pflicht der Organe der juristischen Person ansetzt, die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln sicherzustellen. Die Strafbarkeit des verantwortlichen Organs gründet auf dem Vorwurf, dass dieses schuldhaft keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen hat, um die Tat des unmittelbaren Täters zu verhindern.

 

Einen derart gelagerten Vorwurf hat die belangte Behörde der Bwin gar nicht gemacht, sondern ihr vielmehr nur angelastet, sie hätte selbst vor Ort im überprüften Lokal als unmittelbare Täterin gegen die Mitwirkungspflicht verstoßen. Deshalb erachtete sich die belangte Behörde auch ohne weiteres als gemäß § 27 VStG örtlich zuständig. Ansonsten hätte sie nämlich die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beachten müssen, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung von Verstößen gegen Verwaltungsvorschriften gesetzt hätten werden müssen. Das ist grundsätzlich (ggst. nicht relevante Ausnahme: verantwortlich beauftragter Filialleiter) der Sitz des Unternehmens, für welches das vertretungsbefugte Organ bzw der verantwortliche Beauftragte gehandelt hat (vgl die Judikaturnachweise bei Leukauf/Steininger, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], E 8b, E 9a, E 9c und E 10 ff zu § 27 VStG)

 

Eine strafrechtliche Verantwortung für das Handeln oder Unterlassen von Angestellten und Mitarbeitern dem verantwortlichen Organ gegenüber wäre allenfalls auch im Rahmen einer mittelbaren Täterschaft nach § 7 VStG denkbar. Auch ein solcher Vorwurf wurde gegenständlich im Spruch des Straferkenntnisses aber nicht erhoben. Der allgemeine Hinweis in der Begründung, dass am Kontrollort darauf bestanden wurde, kein Spielgeld und keine Schlüssel auszuhändigen, zeigt keinen konkreten Zusammenhang zur Bwin auf und vermag daher nichts zu ändern. Dass deshalb ein der Bwin zurechenbares vorsätzliches Handeln vorläge, wie die belangte Behörde ohne weiter Erläuterungen behauptet, ist eine bloße Unterstellung ohne Angabe konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte. Wenn aber mit der missverständlichen Formulierung eine Zurechnung fremden Vorsatzes gemeint sein sollte, so verlässt eine solche unvertretbare Ansicht den Boden des geltenden Schuldstrafrechts (vgl dazu VfSlg 15200/1998).

 

4.5.4. Durch die im § 50 Abs 4 GSpG geregelten Mitwirkungspflichten für Personen mit bestimmten Eigenschaften und Verhältnissen (arg.: Veranstalter, Anbieter bzw Inhaber und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten) wird ein Sonderdelikt statuiert, das nur Personen mit diesen Eigenschaften als unmittelbare Täter, nicht aber andere Personen begehen können. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenat ist die Regelung dieser Verantwortlichkeit wohl auch als Sonderregelung zur (subsidiären) verantwortlichen Beauftragung im § 9 VStG aufzufassen. Dies zeigt auch die nunmehr mit Novelle BGBl I Nr. 112/2012 vorgenommene Ergänzung des § 50 Abs 2 GSpG, wonach die genannten Sonderpflichtigen nunmehr auch dafür zu sorgen haben, dass eine anwesende Person den Auskunfts- und Mitwirkungsverpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.

 

Die Erweiterung der Mitwirkungspflicht von Veranstalter, Inhaber und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, erst durch die Novelle BGBl I Nr. 112/2012, wonach diese sonderpflichtigen Personen "dafür zu sorgen [haben], dass eine anwesende Person den in § 50 Abs 4 GSpG normierten Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt" war auf den vorliegenden Tatzeitpunkt noch nicht anzuwenden.

 

Entgegen den diesbezüglichen Parlamentarischen Materialien (vgl. die Regierungsvorlage BlgNR 1960 24. GP zu § 50 Abs 4 zweiter Satz GSpG), war eine derartige Vorkehrungspflicht des genannten Personenkreises aus dem auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Gesetzestext – schon allein vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich gebotenen, besonders strengen Legalitätsprinzips im Strafrecht – keineswegs abzuleiten (vgl mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 573). So reichen nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im strafrechtlichen Kontext bereits für den Rechtsunterworfenen oder die vollziehende Behörde bestehende "rechtliche Unklarheiten" einer Norm aus, um einen Verstoß gegen das Determinierungsgebot zu begründen (VfSlg 15.543/1999). Eine in diesem Zusammenhang "einwandfreie Gesetzesanwendung" war aber – wie von den zitierten Erläuternden Bemerkungen selbst eingeräumt – aufgrund der offensichtlich notwendigen "Klarstellung" des Normtextes nicht möglich. Schon aus diesem Grund war im Lichte dieser restriktiven verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich § 50 Abs 4 GSpG streng am (eindeutigen) Gesetzeswortlaut festzuhalten und war daher zum Tatzeitpunkt die mangelnde Vorkehrung, dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person den Mitwirkungspflichten entsprechend nachkommt, nicht strafbar.

 

4.5.5. Auch der Vorwurf, kein Spielgeld für Testspiele zur Verfügung gestellt zu haben, findet in der zur Tatzeit geltenden Fassung des § 50 Abs 4 GSpG keine Stütze im Gesetzeswortlaut. Die extensive "Auslegung" für eine solche Pflicht zu einem von der belangten Behörde bezeichneten sog. "Aktivverhalten" überschreitet nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates die Wortlautgrenze und läuft auf eine im Strafrecht verbotene Analogie hinaus, wodurch das rechtsstaatliche Prinzip "nullum crimen sine lege" verletzt wird. Erst § 50 Abs 4 GSpG in der geänderten Fassung BGBl I Nr. 112/2012 stellt im Zusammenhang mit der Ermöglichung von Testspielen ausdrücklich durch die Beifügung "unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen" auch eine aktive Pflicht klar.

 

4.6. In Bezug auf den gegenständlich ohnehin nur in der Begründung formulierten Tatvorwurf, dass die anwesenden Mitarbeiter den Organen "keinen Einblick in die geführten Aufzeichnungen" ermöglicht haben und daher gegen die §§ 50 Abs 4 iVm 52 Abs 1 Z 5 GSpG verstoßen habe, fehlt es dem Spruch an der erforderlichen Konkretisierung, zumal es sich um eine bloße Leerformel handelt, die nur eine (teilweise) Wiederholung des Gesetzeswortlautes darstellt und nicht geeignet ist, dem Bw eine individuelle Tat unverwechselbar vorzuwerfen.

 

Der im Spruch enthaltene Vorwurf, "die für die Einsicht in die Gerätebuchhaltung notwendigen Schlüssel nicht zur Verfügung gestellt" zu haben, entspricht einerseits nicht dem Gesetz und ist andererseits mehrdeutig, weil er offen lässt, was genau gemeint ist. Dazu im Folgenden:

 

4.6.1. So kann etwa die Gerätebuchhaltung in gedruckter Version in einem Safe oder einem sonstigen mit Schloss gesicherten Behältnis gemeint sein, gleichzeitig ist aber auch eine virtuelle Gerätebuchhaltung, die in den einzelnen Geräten selbst abrufbar sein kann, denkbar.

 

Bei näherer Betrachtung enthält der Spruch in tatsächlicher Hinsicht keine Substanz und damit auch keinen klaren Tatvorwurf. Bestätigt wird dies aus dem Akteninhalt. Der Niederschrift mit dem Barchef W D ist zu entnehmen, dass er die Handhabung der Geräte nicht mache und keine Schlüssel für die Eingriffsgeräte habe. Dies mache der "Counter" wie Herr L. Dieser zahle Gewinne aus und stelle am Gerät mit einem Schlüssel den Einsatz auf Null, damit ein anderer Gast wieder spielen könne. Aus den von der Finanzpolizei vorgefundenen Bestandslisten ergibt sich tatsächlich, dass "W" (= W L) die täglichen Abrechnungen macht und die Beträge des Anfangs- und Endbestands notiert. Bei seiner Einvernahme sagte Herr L, zur Frage der "Handhabung des Gerätes (Einschalten, Gewinne auszahlen und am Gerät abbuchen, Störungsfälle, ...)" , dass er unterwiesen worden sei und silberne Steckschlüssel für die Eingriffsgeräte habe. Wofür diese benötigt werden, wurde nicht weiter hinterfragt und blieb daher offen. Die Innehabung eines Schlüssels zur Geldlade verneinte er. Aus der finanzpolizeilichen Anzeige gegen die Bwin ergibt sich nur allgemein, dass Spielgeld und "die Schlüssel" nicht ausgefolgt wurden.

 

Für den Oö. Verwaltungssenat ist daher nicht nachvollziehbar, auf Grund welcher aktenkundigen Tatsachen die belangte Behörde davon ausgehen konnte, dass es sich dabei um Schlüssel für die Gerätebuchhaltung gehandelt haben soll. Vielmehr scheint der Angestellte L nur Schlüssel für die Steuerung der Geräte bzw zum Zurücksetzen des Spielguthabens auf Null gehabt zu haben. Ganz in diesem Sinne spricht auch die ganz allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass Lokalangestellten grundsätzlich kein Zugang zu einer Unternehmensbuchhaltung eingeräumt wird. Allein diese Zweifel zeigen deutlich, dass der Tatvorwurf durch das genannte Spruchelement keineswegs hinreichend klar und für den Beschuldigten unzweifelhaft zuordenbar formuliert ist.

 

4.6.2. Im Übrigen haben die gemäß § 50 Abs 5 2. Satz GSpG verpflichteten Personen den Organen der öffentlichen Aufsicht "umfassend" Auskünfte zu erteilen, "umfassende" Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren. § 50 Abs 4 GSpG unterscheidet somit uA. hinsichtlich der Mitwirkungspflicht, "umfassende Überprüfungen zu ermöglichen", und weiters "Einblick in die geführten Aufzeichnungen" zu gewähren. Im vorliegenden Fall wäre daher entweder der Vorwurf denkbar, dass eine umfassende Überprüfung durch die Nichtherausgabe notwendiger Zugangsschlüssel nicht ermöglicht worden sei, oder, dass insbesondere durch die Nichtvorlage entsprechender Unterlagen "Einblick in die geführten Aufzeichnungen" nicht gewährt worden sei. Eine Subsumtion der Verweigerung einer Schlüsselherausgabe unter das Tatbestandselement "Einblick in die geführten Aufzeichnungen" kommt dagegen von vornherein nicht in Betracht.

 

Zur Gewährung von Einblicken in geführte Aufzeichnungen ist eine Herausgabe von Schlüsseln insofern auch nicht notwendig, als dieser Verpflichtung durch den Rechtsunterworfenen schon dadurch entsprochen wäre, wenn dieser die gewünschten Unterlagen zur Vorlage brächte. Eine Verpflichtung gegenüber den Organen der Finanzpolizei, diesen selbst durch die Überlassung von Zugangsdaten und/oder Zugangsschlüssel einen Zugang zu diesen Daten ermöglichen zu müssen, kann daraus jedenfalls nicht abgeleitet werden. Dafür wäre gegebenenfalls allein das Tatbestandselement der Ermöglichung einer "umfassenden Überprüfung" geeignet, das im vorliegenden Fall aber von der belangten Behörde nicht herangezogen wurde.

 

Ob Schlüssel für die Gerätebuchhaltung herausgegeben wurden oder nicht, ist gar nicht relevant, zumal zwar die Ermöglichung einer umfassenden Überprüfung, nicht aber die Herausgabe von Zugangsschlüssel vom Gesetz gefordert wird. Der spruchmäßige Tatvorwurf erweist sich daher als nicht gesetzeskonform.

 

Schließlich waren in den Geräten selbst enthaltene digitale Buchhaltungsaufzeichnungen von der Mitwirkungspflicht, Einblick in die geführten Aufzeichnungen zu gewähren, im Tatzeitpunkt noch nicht erfasst, weshalb ein derartiger Tatvorwurf auch aus diesem Grund unzulässig ist. Erst mit der GSpG-Novelle BGBl I 112/2012 wurde ergänzend zur Verpflichtung, Einblick in die geführten Aufzeichnungen zu gewähren, eine darüber hinausgehende Verpflichtung zur Gewährung von Einblick in die "Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen" festgeschrieben. Selbsttätige elektronische Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen können dem Bundesgesetzgeber zufolge nicht auch gleichermaßen als "geführte" Aufzeichnungen im Sinne des hier anzuwendenden Gesetzeswortlautes qualifiziert werden, weshalb solche Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen selbst – wie etwa in den Geräten selbst enthaltene Gerätebuchhaltungen – daher zum Tatzeitpunkt (noch) nicht von der Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG erfasst gewesen sind.

 

4.7. Aus all diesen Gründen ist der Spruch des Bescheides der belangten Behörde verfehlt und mit Rechtswidrigkeit behaftet.

 

Die belangte Behörde hat weder im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses, noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung (mit gleicher unzureichender Anlastung) einen dem Gesetz entsprechenden und nach den Umständen des Einzelfalles hinreichend konkretisieren Tatvorwurf erhoben, der die Identität der Tat mit ausreichender Bestimmtheit unverwechselbar formuliert. Mangels einer geeigneten behördlichen Verfolgungshandlung ist insofern nach Ablauf der Jahresfrist des § 52 Abs 5 GSpG auch die Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

Dem Unabhängigen Verwaltungssenat war es außerdem als Berufungsbehörde, die gemäß dem § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG bei ihrer Entscheidungsbefugnis auf den Gegenstand des Spruches des Straferkenntnisses beschränkt ist, verwehrt, eine ganz neue Anlastung vorzunehmen und dabei wesentliche Tatmerkmale auszutauschen.

 

 

5. Im Ergebnis war das angefochtene Straferkenntnis im Hinblick auf wesentliche Spruchmängel mangels einer zutreffend angelasteten Verwaltungsübertretung aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.

Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bwin gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

Dr. G r o f

 

 

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