Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401283/4/MK/HK

Linz, 29.04.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Markus Kitzberger über die Beschwerde des L B, geboren am X, Staatsangehöriger der Republik X, wegen Verhängung und Anhaltung in Schubhaft durch die Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, dass in der Zeit von 12.04.2013, 14.30 Uhr, bis 25.04.2013, 06.45 Uhr, die maßgeblichen Voraussetzungen für die Verhängung und Anhaltung in Schubhaft vorgelegen haben.

 

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 22/2013)

§§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 1 Z3 und 4 UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl. II Nr. 456/2008).

 

Entscheidungsgründe:

1.           Die Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels, (in der Folge: belangte Behörde) ordnete mit Bescheid vom 12.04.2013, GZ: 1040124/FP/13, über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß §§ 76 Abs.1 iVm § 57 Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) ab 14.30 Uhr die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (§§ 52 iVm 53 FPG) und der Abschiebung (§ 46 FPG) an.

Der Bf wurde zuvor am selben Tag um 12.30 Uhr von Organen der PI Schärding im Rahmen einer Schengenkontrolle im ICE 26 (Wien – Dortmund) auf Höhe Wels infolge seines rechtswidrigen Aufenthaltes im Bundesgebiet gemäß §§ 39 iVm 120 Abs.1a FPG festgenommen und der LPD , PK Wels, als örtlich zuständiger Behörde übergeben. Die Anhaltung erfolgte im PAZ Wels.

 

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

 

1.1. Im Zuge der oben bereits angeführten Kontrolle wäre festgestellt worden, dass der Bf mit einem Reisepass der Republik Kosovo, jedoch ohne das erforderliche Visum am 12.04.2013 mit dem Ziel nach Österreich eingereist sei, nach Deutschland weiterzureisen (Fahrticket vorhanden), um dort einen Antrag auf internationalen Schutz (Asyl) zu stellen. Der Aufenthalt im Bundesgebiet sei daher nicht rechtmäßig.

 

1.2. Im Zuge der Zulässigkeitsprüfung der Schubhaft, bei der deren Voraussetzungen, insbesondere aber auch deren Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit zu beurteilen sei, müsse im jeweiligen Einzelfall das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes angenommen werden können. Dies setzte die gerechtfertigte Annahme voraus, der Fremde werde sich dem Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme, oder – nach deren Vorliegen – der Maßnahme selbst (insbesondere) durch Untertauchen entziehen oder sie zumindest wesentlich erschweren.

 

Neben einer (allgemeinen) Ausreiseunwilligkeit würden vor allem das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht kommen, was die Befürchtung rechtfertigen könne, der Fremde würde sich dem Verfahren entziehen. Abgesehen von diesem Aspekt der Integration sei selbstverständlich auch das bisherige Verhalten des Fremden in diese Beurteilung mit einzubeziehen.

 

Im konkreten Fall sei der Sicherungsbedarf dadurch begründet, dass der Bf über keinen Wohnsitz im Inland verfügen würde und die soziale Verankerung seiner Person im Inland nicht vorhanden sei.

 

2. Als Ergebnis einer von der belangten Behörde umgehend veranlassten Rechtsberatung des Bf durch die V O, F- u M, L, am 15.04.2013, 10.15 Uhr bis 11.00 Uhr, unter Beiziehung einer Übersetzerin für Albanisch, wurde der belangten Behörde um 15.21 Uhr mittels E-Mail mitgeteilt, dass der Bf beabsichtige, einen Asylantrag zu stellen.

 

Die Antragstellung erfolgte am 15.04.2013 um 11.00 Uhr im PAZ Wels und wurde am 16.04.2013 nach Kontaktaufnahme mit der zuständigen Referentin um 13.45 Uhr, dem Bundesasylamt gemäß § 45 AsylG schriftlich mitgeteilt.

 

2.1. Am selben Tag erfolgte die niederschriftliche Erstbefragung, die um 15.30 Uhr abgeschlossen wurde und im Wesentlichen Folgendes ergab:

 

Alle Angehörigen des Bf, seine Eltern, vier Geschwister, seine Ehefrau und sein sechs Monate alter Sohn würden sich im Herkunftsstaat befinden. Den Ausreiseentschluss habe er vor etwa vier Monaten getroffen. Er habe über Freunde den Kontakt zu einem Schlepper aufgenommen und diesem 2.000 Euro bezahlt. Vor ca. einer Woche sei er mit dem Auto illegal aus dem Kosovo ausgereist und habe die Grenze zu Österreich etwa fünfzehn Stunden vor seinem Aufgriff übertreten. Einen Asylantrag in einem anderen Land habe der Bf nicht gestellt. Der Grund für seine Flucht sei die Angst vor Rache. Er habe seine Frau verlassen und sei mit einer anderen Frau zusammen gewesen, weshalb er von beiden Familien verfolgt würde. Bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland befürchte der Bf, von den Vätern der beiden Frauen getötet zu werden.

 

2.2. Im Akt befindet sich weiters eine ebenfalls mit 15.04.2013 datierte und vom Bf unterfertigte Verständigung der belangten Behörde von der beabsichtigten freiwilligen Ausreise samt Angabe der Rückkehrberatungsstelle.

 

2.3. Am 19.04.2013 wurde vom BAA die bescheidmäßige Ladung des Bf für 23.04.2013, 10.00 Uhr, zur EAST West, St. Georgen i.A., im Wege der Vorführung zum Zweck der Einvernahme angeordnet.

 

Im Zuge dieser Amthandlung wurde dem Bf eine Verfahrensanordnung ausgehändigt, in der ihm mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 28 Abs.3 Z5 Asylgesetz abzuweisen. Damit gelte auch das Ausweisungsverfahren als eingeleitet.

 

2.4. Mit Bescheid der LPD , PK Wels, vom 24.04.2013, GZ. 1040124/FP/13, wurde über den Bf unter Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung ein 18-monatiges Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum verhängt, welches ihm an diesem Tag um 14.00 Uhr ausgehändigt wurde.

 

2.5. Am 25.04.2013 wurde der Bf um 06.45 Uhr aus der Schubhaft entlassen und der Rückkehrberatungsstelle (C f M i N, F W) zur Durchführung der freiwilligen Ausreise übergeben. Diese erfolgte am selben Tag auf dem Luftweg via Wien nach Pristina.

 

3. Gegen den oben angeführten Schubhaftbescheid vom 12.04.2013 richtete sich die Beschwerde des Bf vom 15.04.2013, eingelangt am 26.04.2013. Zu deren Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:

 

Der Bf sei am 12.04.2013 illegal mit dem Ziel nach Österreich eingereist, in einem sicheren Land einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, wobei er dafür ursprünglich Deutschland ins Auge gefasst habe.

 

Mit Bescheid der LPD , PK Wels, vom 12.04.2013, GZ. 1040124/FP/13, sei zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Abschiebung Schubhaft gemäß § 76 Abs.1 FPG verhängt worden. Aus dem Stand der Schubhaft sei ein Asylantrag gestellt worden. Sowohl die Verhängung als auch die Anhaltung in Schubhaft seien aus folgenden Gründen rechtswidrig.

 

3.1. Die belangte Behörde stütze die Verhängung der Schubhaft auf die Notwendigkeit zur Sicherung der Abschiebung bzw. der Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot.

 

Der Schubhaftverhängung gemäß § 46 FPG verlange jedenfalls das Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes. Für die Sicherung einer etwaigen Abschiebung lag zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides kein gültiger Titel vor.

 

Was die Sicherung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot anbelange, sei die Anhaltung spätestens mit der Stellung des Asylantrages rechtswidrig, da dadurch der Aufenthalt im Bundesgebiet rechtmäßig sei. Mit dem Asylantrag habe sich auch kein geänderter Sicherungsgrund ergeben, da die in den einschlägigen Bestimmungen (§ 76 Abs.2 und Abs.2a FPG) enthaltenen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten.

 

3.2.      Der Schubhaftbescheid sei zudem (überhaupt) mangels hinreichender Begründung des Sicherungsbedarfes rechtswidrig, da sich diese lediglich auf das Fehlen eines Wohnsitzes und die mangelnde soziale Integration im Inland stützen würde.

 

Das bisherige Verhalten den Bf in Österreich sei dabei aber gar nicht beleuchtet worden. Er habe sich keinerlei Vergehen zu schulden kommen lassen und würde sich selbstverständlich zur weiteren Verfügung der Behörde halten.

 

3.3. Die Verhängung der Schubhaft sei weiters nicht verhältnismäßig. Dazu sei eine Einzelfallprüfung erforderlich, in der die (öffentlichen) Interessen der Sicherung der Außerlandesschaffung gegen die (privaten) Interessen auf Schonung der persönlichen Freiheit gegeneinander abzuwägen wären. Es müsse dabei jedenfalls eine gerechtfertigte Annahme vorliegen, der Fremde werde sich dem weiteren Verfahren entziehen oder dieses zumindest wesentlich erschweren. Eine derartige Verhältnismäßigkeitsprüfung habe die belangte Behörde im konkreten Fall unterlassen. Bis zum Zeitpunkt der Stellung des Asylantrages hätte – da Schubhaft immer als ultima ratio zu qualifizieren sei –auch mit einem gelinderen Mittel das Auslangen gefunden werden können. Durch den Asylantrag und die damit verbundene Aufnahme in die Grundversorgung hätten sowohl Wohnsitz als auch soziale Kontakte begründet werden können.

 

Aus den obgenannten Gründen würde die kostenpflichtige Feststellung, dass die Verhängung und Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig war, begehrt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes OÖ. hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 82 Abs.1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I 100, zuletzt geändert durch BGBl. I 22/2013, hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs.1 FPG ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs.1 Z2 oder Z3 leg.cit. der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat.

 

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat nach § 83 Abs.4 FPG jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

4.2. Dem entsprechend ist zunächst (im Rahmen des Beschwerdevorbringens) zu prüfen, ob die Verhängung der Schubhaft am 12.04.2013 durch die LPD OÖ. PK Wels, den gesetzlichen Voraussetzungen entsprochen hat.

 

4.2.1. Gemäß § 76 Abs.1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Der Bf bringt vor, dass eine Schubhaftverhängung gemäß § 46 FPG (Abschiebung) einen durchsetzbaren Titel erfordere, der aber nicht vorgelegen habe. Damit verkennt er aber die systematische Stellung des § 76 FPG, der das fremdenpolizeiliche Verfahren sichern soll, damit (dann) die Abschiebung vollzogen werden kann. Ein durchsetzbarer Titel kann in diesem Fall der Anhaltung (noch) gar nicht vorliegen und muss es auch nicht.

 

4.2.2. Die Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz macht die Aufrechterhaltung der Schubhaft per se nicht unzulässig. Dies entspricht der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der davon ausgeht, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft (bzw. der Festnahme oder Anhaltung in Schubhaft) nicht um eine Vollstreckungshandlung zur Durchsetzung eines Aufenthaltsverbotes handelt, sondern um eine im öffentlichen Interesse vorzukehrende vorläufige Sicherungsmaßnahme. Ob der Fremde rechtzeitig iSd § 5 Abs.1 AsylG einen Asylantrag gestellt hat, ist somit auf dem Boden dieser Rechtslage nicht von Bedeutung (VwGH 04.09.1992, 92/18/0116).

 

Darüber hinaus wird in der Judikatur klargestellt, dass es § 76 Abs.6 FPG der Behörde gestattet, eine (rite) auf § 76 Abs.1 FPG gestützte Schubhaft trotz der - durch die Asylantragseinbringung während der Schubhaft erlangten - Stellung des Schubhäftlings als Asylwerber auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs.2 FPG aufrecht zu erhalten. Das in einem Amtsvermerk festzuhaltende allfällige Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs.2 FPG steht nur im Zusammenhang mit der dann möglichen längeren Schubhaftdauer. Dazu ist auch auf die ErläutRV (952 BlgNR 22 GP 104) zu verweisen, die zu § 76 Abs.6 FPG Folgendes ausführen: "Stellt ein Asylwerber in der Schubhaft einen Asylantrag, so kann diese aufrechterhalten werden, auch wenn die Voraussetzungen von Abs.2 nicht vorliegen. Für Zwecke des § 80 Abs.2 FPG gilt diese Schubhaft nur nach § 76 Abs.2 FPG verhängt, wenn die Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft gegen Asylwerber vorliegen; dann gelten die Fristenregeln des § 80 Abs.2 FPG. Die Regel ist unbedingt erforderlich, um einem in Schubhaft angehaltenen Fremden nicht die Möglichkeit zu geben, durch die Asylantragstellung die Aufhebung der Schubhaft zu erzwingen" (VwGH 18.12.2008, 2008/21/0582).

 

4.3. Zu Beurteilen ist also primär das Vorliegen der Schubhaftkriterien gemäß § 76 Abs.1 FPG, insbesondere des Sicherungsbedarfes, der vom Bf ebenfalls in Abrede gestellt wurde. Dazu wird ausgeführt, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung lediglich auf das Fehlen eines Wohnsitzes und sozialer Kontakte in Österreich gestützt hat, während der Bf im Zuge des Asylverfahrens sowohl einen ordentlichen Wohnsitz wie auch Integrationselemente hätte begründen können. Zudem hätte er sich, auf freiem Fuß belassen, selbstverständlich zur weiteren Verfügung der Behörde gehalten.

 

Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs.1 (aber auch Abs.2) FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine prognostizierende Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten lassen, dass sich der Bf dem Verfahren bzw. der Abschiebung iSd § 76 Abs. 1 und Abs. 2 FPG entziehen werde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

4.3.1. Dem Beschwerdevorbringen ist insofern beizupflichten, als die belangte Behörde den Sicherungsbedarf tatsächlich (nur) an den Kriterien des Wohnsitzes und des sozialen Kontaktes festgemacht hat. Es ist aber unbestritten, dass diese Elemente zu den wesentlichen Faktoren einer derartigen ex-ante-Entscheidung zählen.

 

4.3.2. Nach Ansicht des erkennenden Mitgliedes sind aber weitere essentielle Umstände zu berücksichtigen.

 

Der Entschluss zur illegalen Einreise in das Schengengebiet ist etwa 4 Monate vor seiner Durchführung mit ziemlich klar umrissenen Vorstellungen gefasst worden. Es handelt sich dabei um einen durchaus langen Zeitraum, der – nur am Rande angemerkt – mit dem vom Bf geschilderten Bedrohungsszenario der Väter seiner beiden Frauen nicht wirklich vereinbar ist, da eine solche (manifeste) Bedrohung doch eher zu überstürztem, zumindest aber eiligem Handeln drängen würde.

 

Als Reiseziel wird – im Zuge einer relativ langen Planung wohl mit gutem Grund – Deutschland auserkoren. Der Bf will also grundsätzlich nicht nach Österreich und gibt dies auch unumwunden zu Protokoll. Diese klare Vorstellung legte den Schluss der (so knapp vor dem Ziel unterbrochenen) Weiterreise näher als jenen, sich auch hier den weiteren behördlichen Maßnahmen stellen zu wollen.

 

4.3.3. Der Bf bedient sich unter Einsatz eines beträchtlichen Geldbetrages eines Schleppers, wählt also ganz bewusst einen kriminellen Weg, und zeigt schon alleine dadurch kein besonderes Naheverhältnis zu den Grundwerten des Rechtsstaates. Die bereitwillige Einordnung in das Verfahrensregime ist daher begründet anzuzweifeln.

 

Das Argument, der Bf habe sich bislang in Österreich keiner (sonstigen) Vergehen schuldig gemacht, besitzt vor dem Hintergrund eines gerade 15-stündigen Aufenthaltes im Bundesgebiet (über vorangegangene Aufenthalte ist nichts bekannt) de facto keine Aussagekraft. Im Gegenteil: Ein Umkehrschluss, dass darin eine nennenswerte „Leistung“ bestehen würde, wäre für eine Einzelfallprognose geradezu tödlich.

 

Es kann weiters als durchaus realistisch angenommen werden, dass Schlepper auch Kontakte zu ersten Anlaufstellen im Zielland ermöglichen, derer der Bf bei einem weiteren Aufenthalt in Österreich verlustig würde. Auch wäre dadurch ein nicht unwesentlicher Teil seiner „Investition“ als frustriert zu bezeichnen. All dies zu vermeiden, stellt nachvollziehbar einen weiteren triftigen Grund für das tatsächliche Erreichenwollen Deutschlands dar.

 

4.3.4. Dass der Bf im Rahmen der Grundversorgung auch soziale Kontakte knüpfen könnte, ist in die Einzelfallbeurteilung nicht einzubeziehen, da mit dieser die bestehende Situation kausal prognostizierend zu bewerten ist und mutmaßliche Entwicklungen des Analysegegenstandes selbst außerhalb des Beurteilungsrahmens liegen. Mit anderen Worten: Es ist unzulässig, damit zu argumentieren, dass eine jetzt (u.U.) richtige Einschätzung bei Unterlassung der gebotenen Vorgangsweise vielleicht in einiger Zeit anders ausfallen könnte.

 

4.3.4. Aufgrund der oben geschilderten Sachlage konnte auch mit einem gelinderen Mittel nicht das Auslangen gefunden werden. Der Bf verfügte zum Zeitpunkt der Festnahme bzw. der Schubhaftverhängung über keinerlei organisatorische Anknüpfungspunkte, welche die erfolgversprechende praktische Umsetzung einer Meldeverpflichtung hätten erwarten lassen.

 

Eine neuerliche Beurteilung der Möglichkeit der Festsetzung eines gelinderen Mittels zu einem späteren Zeitpunkt wurde von der vom Bf bekundeten Absicht zur freiwilligen Ausreise und den zügigen diesbezüglichen Vorbereitungen entbehrlich gemacht. Zudem begründen unmittelbar vor einem positiven Abschluss stehende Vorbereitungen der (Rück-)Reise in einem kritischen zeitlichen Naheverhältnis zum tatsächlichen Reiszeitpunkt regelmäßig ein gesondertes, über das gelindere Mittel hinausgehendes Sicherungsinteresse.

 

4.3.5. Die Verhängung der Schubhaft war demnach – entgegen dem Vorbringen des Bf – zweifellos verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses individuelle Recht überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (auch und gerade im Schengen-Verbund) gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war – wie oben bereits ausgeführt – der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

4.4. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass eine Gesamtbetrachtung der Umstände im konkreten Anlassfall einen in der Person des Bf gelegenen Bedarf zur Sicherung der fremdenpolizeilichen Behandlung ergibt. Die Zwangsausübung war maßvoll, d.h. sowohl sachlich wie zeitlich verhältnismäßig.

 

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

 

5.            Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.           Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

2.           Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

Mag. Markus Kitzberger

 

 

 

 

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